Gericht | OLG München | Aktenzeichen | 34 SchH 04/07 | Datum | 21.01.2008 |
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Leitsatz | |||||
1. Im Bestellungsverfahren ist die Gültigkeit und Reichweite der Schiedsklausel nicht abschließend zu prüfen. 2. Scheitert das zwischen den Parteien vereinbarte Bestellungsverfahren, ist gemäß § 1035 Abs. 4 ZPO das staatliche Gericht auf Antrag einer Partei für die erforderlichen Maßnahmen zuständig. 3. Hat keine der Parteien das Scheitern des vereinbarten Bestellungsverfahrens zu vertreten, sind die Kosten gegeneinander aufzuheben. | |||||
Rechtsvorschriften | § 1035 Abs. 4 ZPO; § 92 Abs. 1 ZPO | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Bildung des Schiedsgerichts: - Ersatzbenennung, ernennende Stelle, gerichtliche Prüfungskompetenz/Umfang, Kosten | ||||
Volltext | |||||
B E S C H L U S S I. Zum Schiedsrichter zur Durchführung eines Schiedsverfahrens zwischen den Parteien wegen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der vom Antragsteller übernommenen Praxis des Antragsgegners, hier: Entgelt für die Überlassung eines Praxisraums und eines Stellplatzes aufgrund der Anlage zum Praxisübernahmevertrag vom 20.10.1998, wird bestellt: II. Die Kosten des Schiedsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. [sic] III. Der Streitwert wird auf 1.000 € festgesetzt. G r ü n d e: I. Die Parteien schlossen am 20.10.1998 einen Praxisübergabevertrag, nach dem der Antragsteller die bis dahin vom Antragsgegner betriebene internistische Praxis übernahm. Nach einer Anlage zum Praxisübergabevertrag vom gleichen Tag wurde zwischen den Parteien vereinbart, dass der Antragsteller zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren einen noch zu bestimmenden Raum an den Antragsgegner zur weiteren Behandlung von einer geringen Anzahl an Privatpatienten sowie einen Stellplatz untervermietet und der Antragsgegner hierfür und für die Nutzung der Geräte und des Personals in der Praxis an den Antragsteller einen Betrag von 1.500 DM (766,93 €), sowie 100 DM (51,12 €) für den Stellplatz bezahlt. Der Praxisübergabevertrag enthält in § 13 eine Schiedsvereinbarung. Danach sollen die Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt und die Auslegung dieses Vertrages durch ein Schiedsverfahren geschlichtet werden. In einer weiteren gesonderten Urkunde, ebenfalls vom 20.10.1998, ist unter Bezugnahme auf den Praxisübergabevertrag folgendes geregelt: Alle evtl. Streitigkeiten aus dem Vertrag und seiner Erfüllung sollen nicht vor einem ordentlichen Gericht, sondern vor einem Schiedsgericht unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs entschieden werden. Es entscheidet ein Schiedsgericht, welches aus einem zum Richteramt befähigten Juristen, einem Steuerberater und einem Arzt besteht. Die Benennung der Schiedsrichter erfolgt durch die jeweiligen Kammern. Die Parteien streiten über Mietzinsforderungen des Antragstellers für den Raum und den Stellplatz. Eine Klage des Antragstellers gegen den Antragsgegner auf Mietzahlung für die Monate Mai 2006 bis August 2006 hat das Amtsgericht mit Urteil vom 24.1.2007 aufgrund der bestehenden Schiedsabrede als unzulässig abgewiesen. Der Antragsteller will die Forderung nunmehr im Schiedsverfahren geltend machen und beantragte bei der Bayerischen Landesärztekammer die Benennung eines Arztes als Schiedsrichter. Die Bayerische Landesärztekammer lehnte eine Benennung ab. Der Antragsteller hat daher die Bestellung eines Schiedsrichters durch das Oberlandesgericht beantragt. Der Antragsgegner hat sich zu dem Antrag nicht geäußert. II. 1. Der Antrag ist zulässig. Die Zuständigkeit des Senats folgt aus § 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 und Abs. 5, § 1025 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 8 GZVJu vom 16.11.2004 (GVBl. S. 471). Die Parteien haben beide ihren Sitz bzw. Wohnsitz in Bayern. Es besteht die abschließende und zwingende erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts (Reichold in Thomas/Putzo ZPO 28. Aufl. § 1062 Rn. 1). 2. Der Antrag ist begründet. Die Voraussetzungen für die Bestellung des ärztlichen Schiedsrichters durch den Senat sind gegeben (§ 1035 Abs. 4 ZPO). a) Die Schiedsvereinbarung ist auf die vorliegende Streitigkeit anzuwenden. Die Parteien haben den Vertrag über die Nutzung des Praxisraumes und des Stellplatzes unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den Praxisvertrag "zusätzlich" vereinbart. Damit gilt für eine Streitigkeit aus dem Zusatzvertrag zum Praxisübergabevertrag auch die Schiedsklausel. Die Parteien haben die Streitigkeiten aus dem Praxisübernahmevertrag umfassend an ein Schiedsgericht verwiesen. Im Zweifel ist eine Schiedsvereinbarung großzügig auszulegen (vgl. Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 3 Rn. 19). Im Übrigen ist im Bestellungsverfahren die Gültigkeit und Reichweite der Schiedsklausel nicht abschließend zu prüfen (BayObLG BB 1999, 1785; Schwab/Walter Kap. 10 Rn. 24). b) Das zwischen den Parteien vereinbarte Bestellungsverfahren ist insoweit gescheitert, als die vertraglich vorgesehene Bayerische Landesärztekammer keinen Schiedsrichter benennt. Eine Einigung der Parteien auf eine andere Organisation, die den ärztlichen Schiedsrichter benennen könnte, ist nicht erfolgt. Unter diesen Voraussetzungen hat gemäß § 1035 Abs. 4 ZPO das staatliche Gericht auf Antrag einer Partei die erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen. Dies ist hier die Bestellung des ärztlichen Schiedsrichters, da die Auslegung der Schiedsvereinbarung ergibt, dass die Schiedsrichter der jeweiligen Berufsgruppe durch einen neutralen Dritten bestimmt werden sollten. 3. Gemäß § 1035 Abs. 5 ZPO wählt der Senat die oben genannte Person zum Schiedsrichter aus. An die von den Parteien geforderte Qualifikation ist das Gericht gebunden, § 1035 Abs. 5 Satz 1 ZPO. Der Benannte erfüllt die geforderte Qualifikation, da er Arzt ist. Er hat seine Bereitschaft zur Übernahme des Amtes erklärt. Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich. 4. Die Aufhebung der Kosten rechtfertigt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO. Dass das vereinbarte Bestellungsverfahren für den Schiedsrichter gescheitert ist, hat keine der Parteien zu vertreten. Alleine der Umstand, dass der Antragsteller die Initiative zur Bestellung des Schiedsrichters ergriffen hat, rechtfertigt es nicht, den Antragsgegner als unterlegene Partei zu behandeln. 5. Die Streitwertbemessung beruht auf § 3 ZPO, §§ 48, 63 Abs. 2 GKG. | |||||
Summary | |||||
Gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters Das OLG München hat auf Antrag des Antragstellers einen Schiedsrichter zur Durchführung eines Schiedsverfahrens zwischen den Parteien wegen einer Streitigkeit im Zusammenhang mit einem Praxisübergabevertrag bestellt. Die Kosten wurden gegeneinander aufgehoben, wobei vorliegend davon auszugehen ist, dass die Kosten des Bestellungsverfahrens durch das OLG gemeint sind. Insoweit ist Ziffer 2 des Tenors "Die Kosten des Schiedsverfahrens" offensichtlich falsch. Der Streitwert wurde auf € 1.000,00 festgesetzt. Hintergrund war eine Streitigkeit aus einem Praxisübergabevertrag. Zwischen den Parteien besteht eine Schiedsvereinbarung nach der die Benennung der Schiedsrichter durch die jeweiligen Kammern erfolgt. Die bayerische Landesärztekammer hatte die Benennung eines Schiedsrichters auf Antrag abgelehnt. Das OLG München hat deswegen die Benennung vorgenommen und darauf hingewiesen, dass im Bestellungsverfahren die Gültigkeit und Reichweite einer Schiedsklausel nicht abschließend zu prüfen sei. Das zwischen den Parteien vereinbarte Bestellungsverfahren sei insoweit gescheitert, als die vertraglich vorgesehene bayerische Landesärztekammer keinen Schiedsrichter benannt habe. Unter diesen Voraussetzungen sei gemäß § 1035 Abs. 4 ZPO das staatliche Gericht auf Antrag einer Partei für die Durchführung der erforderlichen Maßnahme zuständig. Die Aufhebung der Kosten rechtfertige sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO. Dass das vereinbarte Bestellungsverfahren für den Schiedsrichter scheiterte, habe keine Partei zu vertreten und allein der Umstand, dass der der Antragsteller die Initiative zur Bestellung des Schiedsrichters ergriffen habe, rechtfertige es nicht, den Antragsgegner als unterliegende Partei zu behandeln. |