6 Sch 20/16


Gericht OLG Hamburg Aktenzeichen 6 Sch 20/16 Datum 16.03.2017
Leitsatz
1. Nur der das schiedsrichterliche Verfahren endgültig abschließende und in ihm nicht mehr abänderbare Spruch ist Schiedsspruch im Sinne der §§ 1051 ff. ZPO. 2. Der Antragsteller eines Aufhebungsantrages kann sich materiell auf Mängel des Schiedsverfahrens berufen, obwohl er nicht den zulässigen Instanzenweg im Schiedsverfahren beschritten hat. 3. § 1027 ZPO ist keine ausreichende Grundlage für den Verlust des Rügerechts, wenn eine Partei einen zulässigen Instanzenweg im Schiedsverfahren nicht beschreitet. 4. Es ist nicht erforderlich, dass ein Schiedsgericht im Schiedsspruch ausdrücklich gesetzliche Vorschriften nennt.
Rechtsvorschriften§§ 1027, 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAufhebung eines Schiedsspruches; Verstoß gegen Parteivereinbarung; Präklusion, Anwendung des richtigen Sachrechts, Oberschiedsgericht
Volltext
Beschluss Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Streitwert wird auf 193.561,91 € festgesetzt. Gründe: I. Die Parteien verbindet zwei Kaufverträge über Soja- und Sonnenblumen-Fettsäuren (Anlagen ASt 3 und ASt 4), wobei die Antragstellerin Käuferin und die Antragsgegnerin Verkäuferin ist. Jeweils auf Seite 8 der Verträge heißt es in Art. 16 (Anlage ASt 3) bzw. Art. 15 (Anlage ASt 4) unter der Überschrift „Arbitration and Law“: “All disputes arising in connection with the present Contract shall be finally settled under the Rules of Conciliation and Arbitration of the International Chamber of Commerce by three arbitrators appointed in accordance with the said Rules. Arbitration proceeding shall take place in Hamburg (Germany); German Law will apply. At Buyer’s option Arbitration can be done under “Rules and Appeal of the Federation of Oils, Seeds and Fats Associations Limited”, seat in Hamburg (Germany)”. Die Parteien streiten über die Qualität der gelieferten Fettsäuren. Die Antragsgegnerin beantragte mit E-Mail vom 15. 5. 2013 ein Schiedsverfahren (Anlage ASt 7). Die Antragstellerin entschied sich für ein Schiedsverfahren nach den FOSFA-Regeln (Anlage ASt 8). In 1. Instanz wurde die Schiedsklage zunächst wegen verspäteter Erhebung der Schiedsklage abgewiesen. Dieser Schiedsspruch ist in der Berufungsinstanz aufgehoben worden (Anlage ASt 10; dieser Berufungsschiedsspruch ist Gegenstand des Verfahrens 6 Sch 2/16) In der Sache wurde das Schiedsverfahren wieder an die 1. Instanz zurückverwiesen. Im neuen Verfahren der 1. Instanz konnten sich die beiden Schiedsrichter in der Sache nicht einigen, ebensowenig auf die Person eines Umpire, so dass dieser von der FOSFA bestellt wurde (Mr. I). Der Umpire hat sodann am 23. 9. 2016 einen Schiedsspruch erlassen und ihn dann (ohne Datum) ergänzt. Dieser Schiedsspruch ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der Umpire hat der Antragsgegnerin unter Berücksichtigung von Gegenansprüchen eine Summe von 202.194,78 $ zuerkannt (von geltend gemachten 336.258,70 $) und die Kosten 80 % zu 20 % zu Lasten der Antragstellerin verteilt. In der undatierten Ergänzung hat er die Kosten für die 1. Instanz (bis zur Berufungsinstanz) gegeneinander aufgehoben. Gegen diesen Schiedsspruch ist keine Berufung eingelegt worden, obwohl die FOSFA-Regeln eine solche grundsätzlich zulassen. Die Antragstellerin trägt vor, dass der Schiedsspruch aufzuheben sei, weil der Umpire entgegen der Vereinbarung der Parteien nicht deutsches, sondern englisches Recht angewandt habe. Die Antragstellerin beantragt, den FOSFA Award of Arbitration No. 4482 des Umpire I vom 23. September 2016, der Antragstellerin zugestellt am 4. Oktober 2016, in der Fassung der am 31. Oktober 2016 zugestellten Ergänzung aufzuheben. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzuweisen. Die Antragsgegnerin trägt vor, dass der Umpire kein englisches Recht angewandt und somit auch nicht gegen eine Parteivereinbarung verstoßen habe. Hinsichtlich des weiteren Vortrags beider Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Der Aufhebungsantrag der Antragstellerin ist zulässig, aber nicht begründet. 1) Der Antrag ist gemäß § 1059 ZPO zulässig. Diese Vorschrift gilt zwar nur für inländische und nicht für ausländische Schiedssprüche (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 1059, Rn. 1). Hier handelt es sich aber um einen inländischen Schiedsspruch. Entscheidend ist gemäß § 1043 Abs. 1 ZPO zunächst die Vereinbarung der Parteien. Im Vertrag ist ausdrücklich Hamburg als Schiedsort vereinbart. Dass in der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung 1. Instanz (nach Abschluss des Berufungsverfahrens) keine weitere mündliche Verhandlung stattgefunden hat, ist irrelevant. Die 3-Monats-Frist des § 1059 Abs. 3 ZPO ist eingehalten, da der ursprüngliche Schiedsspruch am 4. 10. 2016 zugestellt worden ist und der Antrag am 23. 12. 2016 bei Gericht eingegangen ist. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der Antrag nicht schon deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin gegen den erstinstanzlichen Schiedsspruch keine Berufung (vor dem Berufungs-Schiedsgericht) eingelegt hat. Der Senat hat bereits in einer nicht veröffentlichten Entscheidung vom 14. 3. 2013 (6 Sch 14/12) ausgeführt:: „Der Auffassung der Antragstellerin, das Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO finde nur gegen Endentscheidungen der Schiedsgerichte statt und nicht gegen beim Oberschiedsgericht anfechtbare erstinstanzliche Schiedssprüche, die sie auf Zöller/Geimer, ZPO, 29.Aufl., § 1059 Rz 12, stützt, folgt der Senat nicht. Denn die dortige Äußerung ist zur Überzeugung des Senats dahin zu verstehen, dass die Schiedssprüche nicht mehr beim Oberschiedsgericht anfechtbar sein dürfen. Dieses folgt aus dem dortigen Verweis auf § 1042 Rz 46, wo es heißt “Nur der das schiedsrichterliche Verfahren endgültig abschließende und in ihm nicht mehr abänderbare Spruch ist Schiedsspruch iSd §§ 1051 ff“. Diese Voraussetzung liegt vor. Denn zum Zeitpunkt des Eingangs des Aufhebungsantrages war der Schiedsspruch endgültig. ... Im Übrigen ist auch der Argumentation der Antragsgegnerin zuzustimmen, dass gerade in den Fällen, in denen die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung geltend gemacht wird, der Antragsteller nicht auf eine Erschöpfung des Instanzenweges im Schiedsverfahren verwiesen werden könne.“ Das zweite in der zitierten Entscheidung genannte Argument ist zwar hier nicht anwendbar, weil sich die Antragstellerin hier nicht auf die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung beruft. Der Senat hält aber an seiner damaligen Rechtsauffassung fest; das erstgenannte Argument gilt nach wie vor (Anmerkung: bei Zöller/Geimer hat sich in der aktuellen 31. Auflage nichts geändert; für eine Zulässigkeit des Antrags gemäß § 1059 ZPO bei einem rechtskräftigen Schiedsspruch, gegen den eine mögliche Berufung nicht eingelegt worden ist, auch Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 1059, Rn. 3; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap 22, Rn. 2; wohl auch Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 37. Aufl., § 1059, Rn. 1 i.V.m. § 1054, Rn. 2, der nur dann auf den Schiedsspruch in der Berufungsinstanz abstellt, wenn von einem vorgesehenen Instanzenweg Gebrauch gemacht wird). Die Argumentation der Antragsgegnerin, dass bei Verfassungsbeschwerden vorher von Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht werden muss, ist bei der Aufhebung von Schiedssprüchen nach Auffassung des Senats nicht einschlägig. Die Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ist in § 90 Abs. 2 BVerfGG ausdrücklich normiert. Eine entsprechende Vorschrift gibt es in der ZPO für Aufhebungsanträge betreffend Schiedssprüche nicht. Soweit sich die Antragsgegnerin auf § 1040 Abs. 2 ZPO stützt, ist dies irrelevant, weil es nicht um die (unbestrittene) Zuständigkeit des Schiedsgerichts geht. Die Antragsgegnerin kann sich, soweit es um die Zulässigkeit eines Antrags nach § 1059 ZPO geht, auch nicht auf § 1027 ZPO stützen. 2) a) Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit eines Antrags nach § 1059 ZPO ist der Senat der Auffassung, dass sich ein Antragsteller eines Aufhebungsantrages auch materiell auf Mängel des Schiedsverfahrens berufen kann, obwohl er nicht den zulässigen Instanzenweg im Schiedsverfahren beschritten hat. Diese Frage ist in der Kommentarliteratur allerdings streitig. Zum Teil wird eine solche Möglichkeit bejaht (vgl. Schwab/Walter a.a.O.), zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass die Nichtanrufung der in der Schiedsvereinbarung vorgesehenen höheren schiedsrichterlichen Instanz für die beschwerte Partei die Folge hat, dass Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens mit dem Aufhebungsantrag nicht mehr geltend gemacht werden können. Denn die Vereinbarung eines Instanzenzugs sei in aller Regel so zu deuten, dass alle nicht geltend gemachten Mängel präkludiert würden (vgl. Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 23. Aufl., § 1042, Rn. 26). Das Reichsgericht (RGZ 159, 96) hat die Rechtsfrage offen gelassen, hat aber wohl eher der Auffassung, dass keine Präklusion vorliegt, zugeneigt: „Rechtliche Bedenken bestehen gegen die Auffassung des Vorderrichters, dass eine Partei, welcher die Möglichkeit der Anrufung einer höheren Schiedsinstanz zustehe, ganz allgemein durch das Unterlassen dieser Anrufung sich des Rechts begebe, Mängel des bisherigen Schiedsverfahrens im Wege der §§ 1041, 1042 Abs. 2 ZPO geltend zu machen … Indessen braucht hierauf nicht eingegangen zu werden“. Der Senat hält eine Präklusion nicht für gerechtfertigt. Eine Präklusion ist wegen der damit verbundenen Einschränkung des rechtlichen Gehörs eine so einschneidende Folge, dass es dafür einer eindeutigen Grundlage bedarf. § 1027 ZPO ist keine ausreichende Grundlage. Es ist zwar unstreitig, dass bei einem Verlust des Rügerechts nach § 1027 ZPO der Verfahrensverstoß auch im Aufhebungsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden kann (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., § 1027, Rn. 3, m.w.N.). § 1027 ZPO stellt aber nur auf Rügen innerhalb des Verfahrens einer Instanz ab. Eine Erforderlichkeit, zulässige Rechtsmittel einzulegen, würde über eine bloße „Rügepflicht“ hinausgehen § 1027 beruht auf Art. 4 des UNCITRAL-Modellgesetzes (vgl. Stein/ Jonas/Schlosser, a.a.O., § 1027, Rn. 3). Dort heißt es (inoffizielle Übersetzung auf der Website der DIS): „Ist einer Bestimmung dieses Gesetzes, von der die Parteien abweichen können, oder einem Erfordernis der Schiedsvereinbarung nicht entsprochen worden, und setzt eine Partei trotz Kenntnis hiervon das schiedsrichterliche Verfahren fort, ohne gegen diesen Verstoß unverzüglich oder, falls hierfür eine Frist vorgesehen ist, innerhalb dieser Frist Einspruch zu erheben, so wird angenommen, sie habe auf die Einrede verzichtet“. Erforderlich ist also die Fortsetzung des schiedsrichterlichen Verfahrens, was bei Nichteinlegung eines Rechtsmittels gerade nicht der Fall ist. Das UNCITRAL-Modellgesetz kann zur Auslegung von § 1027 ZPO herangezogen werden. So heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/5274, S. 24), dass die deutsche ZPO (zum Schiedsrecht) das UNCITRAL-Modellgesetz als Vorbild genommen hat. Zu § 1027 ZPO heißt es (a.a.O., S 32), dass die Vorschrift eine allgemeine Präklusion von Verfahrensrügen vorsehe und inhaltlich weitgehend Artikel 4 ModG entspreche. Es wird auch auf § 295 ZPO als Vorbild hingewiesen. Das spricht aber auch nicht für die Auffassung, dass eine Partei durch Nichteinlegung der Berufung präkludiert sei, weil § 295 ZPO eine Norm ist, die innerhalb einer Instanz gilt und mit den Präklusionsvorschriften aus dem Berufungsrecht nichts zu tun hat. b) In der Sache kann eine Aufhebung des Schiedsspruchs nicht darauf gestützt werden, dass der Umpire nicht deutsches, sondern englisches Recht angewandt hätte. Darlegungs- und beweispflichtig für das Bestehen eines Aufhebungsgrundes ist die Antragstellerin (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23. 12. 2011, 19 Sch 27/10, zitiert nach juris, Tz. 65). Die Antragstellerin beruft sich darauf, dass sich der Umpire nicht an die Vereinbarung gehalten habe, dass deutsches Recht gelten solle. Dass (jedenfalls für die 1. Instanz) die Geltung deutschen Rechts vereinbart war, ist unstreitig. Der Umpire verweist im Schiedsspruch (Anlage ASt 1) in Rz. 2.11 selbst darauf. Er erwähnt auch in Rz. 2.16, dass das Schiedsgericht (in der ursprünglichen Zusammensetzung) eine längere rechtliche Stellungnahme (legal opinion) eines deutschen Rechtsanwalts erhalten hat. Er erwähnt auch, dass noch eine weitere „legal opinion on German Law“ eingereicht worden sei (Rz. 2.20). Beide „Legal Opinions“ seien vom Schiedsgericht in der ursprünglichen Zusammensetzung zugelassen worden (Rz. 2.22). Dass der Umpire trotz dieser Ausführungen kein deutsches Recht angewandt hat, ergibt sich aus dem Schiedsspruch nicht. Die Antragstellerin hebt zwar hervor, dass im Schiedsspruch keine einzige Rechtsvorschrift des deutschen Rechts genannt sei, insbesondere nicht § 437 ff. BGB (Rechte des Käufers bei Mängeln), hier in erster Linie § 441 BGB (Minderung). Das ist aber kein ausreichendes Indiz, zumal - wie von der Antragsgegnerin hervorgehoben wird – auch keine Vorschriften oder Rechtsgrundsätze / Präjudizien des englischen Rechts genannt werden. Grundsätzlich können an die Begründung von Schiedssprüchen nicht die für Urteile staatlicher Gerichte geltenden Maßstäbe angelegt werden. Die Begründung eines Schiedsspruchs muss lediglich gewissen Mindestanforderungen entsprechen. Sie darf nicht offenbar widersinnig sein oder im Widerspruch zur Entscheidung stehen; sie darf sich nicht auf inhaltsleere Wendungen beschränken und muss zu den wesentlichen Verteidigungsmitteln der Parteien Stellung nehmen (BGHZ 96, 40, zitiert nach juris, Tz. 32). Angesichts dieses eingeschränkten Begründungsumfangs ist es nicht erforderlich, dass ein Schiedsgericht ausdrücklich gesetzliche Vorschriften nennt. Dann können aber aus dem Fehlen solcher Angaben auch keine Rückschlüsse gezogen werden, dass das Schiedsgericht hier kein deutsches Recht angewandt hätte. Auch weitere Umstände, die für eine Anwendung englischen Rechts durch den Umpire sprechen, liegen nicht vor. Die Antragstellerin rügt, dass der Umpire sich jeweils darauf beschränkt habe, in den Verträgen nach speziellen vertraglichen Regelungen zu suchen. Er sei der englischen Rechtsvorstellung gefolgt, dass Ansprüche zwischen den Parteien eines Vertrages ausschließlich bestehen können, soweit diese ausdrücklich im Vertrag selbst geregelt seien. Er habe daher im Ergebnis englisches und nicht deutsches Recht angewandt. Es muss nicht geklärt werden, ob es diese (von der Antragsgegnerin bestrittene) englische Rechtsvorstellung überhaupt gibt. Jedenfalls ergibt sich aus dem Schiedsspruch nicht, dass der Umpire insoweit kein deutsches, sondern englisches Recht (die von der Antragstellerin erwähnte Rechtsvorstellung einmal unterstellt) angewandt hätte. Richtig ist, dass der Umpire praktisch ausschließlich auf den Inhalt der Verträge abstellt, ohne gesetzliche Vorschriften (welcher Rechtsordnung auch immer) zu erwähnen. Es ist aber auch der deutschen Rechtsordnung (angesichts der Vertragsfreiheit) nicht fremd, zunächst den Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen zugrunde zu legen. Insbesondere wenn diese abschließend sind (was eine Auslegungsfrage ist) und nicht gegen zwingende gesetzliche Normen verstoßen, kommt es auf gesetzliche Vorschriften nicht mehr an. Die Einzelheiten des Schiedsspruchs lassen nicht den Schluss zu, dass der Umpire kein deutsches Recht angewandt hätte. Dabei ist zu beachten, dass im Verfahren nach § 1059 ZPO die inhaltliche Richtigkeit des Schiedsspruchs nicht nachgeprüft werden darf (Verbot der révision au fond), so dass es in diesem Verfahren nicht darauf ankommt, ob der Umpire das deutsche Recht richtig angewandt hat. Die folgenden Ausführungen sind mit dieser Einschränkung zu verstehen. Der Umpire hat untersucht, ob der von der Antragstellerin gemachte Abzug vom Kaufpreis („deduction“) gerechtfertigt ist. Dabei kann offenbleiben, ob „deduction“ mit „Minderung“ gleichgesetzt werden kann (in der als Anlage ASt 12 eingereichten Legal Opinion wird auf S. 6 die „Minderung“ gemäß § 441 BGB mit „price reduction“ übersetzt). In Rz. 6.35 des Schiedsspruchs (Anlage ASt 1) hat der Umpire festgestellt, dass der ursprüngliche Vertrag („contract“) eine Preisanpassung nur vorsieht bei einer Qualitätsabweichung bezogen auf „Moisture & Impurities“ (Art. 3 des Vertrages, abgedruckt auf Seite 8 des Schiedsspruchs Anlage ASt 1). Der Schiedsrichter hat dann ausgeführt, dass in allen anderen Fällen der Qualitätsabweichung der Vertrag keine Preisanpassung vorsieht, sondern nur die Möglichkeit offenlässt, die Ware zurückzuweisen („rejection“). Aus dem Umstand, dass der Schiedsrichter §§ 437 ff. BGB (insbesondere § 441 BGB) nicht erwähnt hat, kann man nicht mit hinreichender Sicherheit schließen, dass der Schiedsrichter kein deutsches Recht angewandt hat oder anwenden wollte. Es ist durchaus möglich, dass der Schiedsrichter aus der vertraglichen Bestimmung, dass (nur) in den Fällen der Abweichung bezogen auf „Moisture & Impurities“ eine Preisanpassung vorgesehen ist, den Umkehrschluss gezogen hat, dass in allen anderen Fällen keine Preisanpassung möglich ist, der Vertrag also eine abschließende Regelung enthält. Der Umpire hat zwar im Schiedsspruch keine Ausführungen dazu gemacht, dass § 441 BGB - abgesehen von Verbraucherverträgen - dispositiv ist (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 76. Aufl., § 441, Rn. 5), das musste er angesichts des eingeschränkten Begründungszwangs aber auch nicht. Ob der Schiedsrichter den Vertrag richtig ausgelegt hat, ist im Verfahren nach § 1059 ZPO nicht zu beurteilen. Für die Frage, welches Recht der Schiedsrichter angewandt hat, ist dies ohne Relevanz. Der Schiedsrichter hat dann untersucht, ob die „deductions“ zwar nicht aufgrund der ursprünglichen Verträge („contracts“), aber aufgrund der später getroffenen Vereinbarung („agreement“) vom 10. 1. 2013 gerechtfertigt sein könnten (Rz. 6.39). Das hat er grundsätzlich durchaus bejaht, aber ausgeführt, dass diese Vereinbarung nur 3 (J, K, L) von 5 genannten Schiffslieferungen beträfe (Rz. 6.41), so dass bei 2 Schiffslieferungen (M und N) weiterhin und allein die ursprünglichen Verträge gälten, die eine Preisanpassung gerade nicht vorsähen. Ob diese Auslegung der Vereinbarung vom 10. 1. 2013 zutreffend ist oder nicht, ist im Verfahren nach § 1059 ZPO nicht zu prüfen. Es ist nicht erkennbar, dass diese Vertragsauslegung vom anwendbaren Recht abhängig wäre. Soweit der Umpire die Vereinbarung vom 10. 1. 2013 für anwendbar gehalten hat (3 Schiffslieferungen), hat der Umpire bei 2 Schiffslieferungen (L und K) ausgeführt, dass die Ware vom Endabnehmer (“original end-buyer and receiver“, also dem Kunden der Antragstellerin) zum vollen Preis abgenommen worden sei (vgl. Rz. 6.22), so dass kein Anlass für eine Preisanpassung bestehe. Auch hier ist nicht erkennbar, dass diese Beurteilung vom anwendbaren Recht abhängig wäre. In einem Fall (J) habe es einen geringeren Preis gegeben, der vom Endabnehmer gezahlt worden sei. Der Umpire hat argumentiert, dass es sich dabei aber nicht um einen bestmöglichen Preis gehandelt habe, wie er in der Vereinbarung vom 10. 1. 2013 zugrunde gelegt worden sei (“at best possible conditions“), weil es sich um eine bloße Vereinbarung (“arbitrary discount“) der Antragstellerin und ihrem Kunden gehandelt habe, ohne dass Makler (“brokers or other intermediaries“) zwischengeschaltet worden seien, die einen realistischen Marktpreis hätten feststellen können (Rz. 6.25). Daher müsse er (der Umpire) selbst einen Marktpreis schätzen (Rz. 6.26). Das hat er dann in Rz. 6.51 getan, ohne dass erkennbar ist, dass diese Schätzung von der Anwendbarkeit deutschen oder englischen Rechts abhängig gewesen wäre. Der Umpire hat dann noch Gegenansprüche der Antragstellerin untersucht (demurrage). Er unterscheidet demurrage bezüglich drei Schiffslieferungen (J, K und La), auf die sich das „agreement“ vom 10. 1. 2013 beziehe, und drei andere Schiffslieferungen (M, O und N), auf die sich das „agreement“ nicht beziehe. Der Umpire verweist darauf, dass die ursprünglichen Verträge ausdrücklich einen Haftungsausschluss enthielten für „indirect or consequential losses“ (vgl. Art. 13 des „contracts“, abgedruckt auf Seite 12 des Schiedsspruchs) (Rz. 7.6). Da der Umpire diesen Haftungsausschluss zugrunde gelegt hat, kam es auf das (ohne diesen Haftungsausschluss sonst anwendbare) Recht nicht an. Schlüsse, ob der Umpire nun deutsches oder englisches Recht angewandt hat, lassen sich daraus nicht ziehen. Soweit es um die 3 Schiffslieferungen geht, die dem „agreement“ unterlagen, hat der Umpire der Antragstellerin durchaus Ansprüche zuerkannt, aufgrund des Wortlauts der Vereinbarung („agreement“), wo von „relevant expenses“ die Rede ist, aber nicht in voller Höhe. Er hat darauf verwiesen, dass die Endabnehmer die Ware am 18. Januar 2013 akzeptiert hätten, die Container aber erst sehr viel später zurückgegeben worden seien (Rz. 7.10), was nicht der Antragsgegnerin anzulasten sei. Er hat dann den demurrage-Anspruch geschätzt (Rz. 7.12 und 7.13). Dass diese Argumentation und die folgende Schätzung vom anwendbaren Recht abhängen, ist nicht ersichtlich. Diese genannten Überlegungen des Umpires, wie sie sich im Schiedsspruch widerspiegeln, beruhen letztlich auf Vertragsauslegung, auf Schätzungen, auf Auswertung des Sachverhalts, sind aber unabhängig von der Frage, ob deutsches oder englisches Recht anwendbar ist Eine Aufhebung des Schiedsspruchs ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil sich der Umpire bei der Ergänzung des Schiedsspruchs (insoweit ging es um die erstinstanzlichen Kosten des Schiedsverfahrens bis zum Berufungsverfahren) auf section 57 des englischen Arbitration Acts berufen hat. Bei dieser Vorschrift geht es (nur) um die Zulässigkeit und die Voraussetzungen für eine Ergänzung des Schiedsspruchs. Eine entsprechende Vorschrift gibt es in § 1058 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, wobei aber etwas andere Fristen für den Antrag (Deutschland: 1 Monat; England: 28 Tage) und für die Entscheidung (Deutschland: 2 Monate; England: 56 Tage) gelten (vgl. auch Art. 33 des UNCITRAL-Moedllgesetzes). Dass der Umpire bei der ergänzenden Kostenentscheidung im Hinblick auf die Zulässigkeit der Ergänzung des Schiedsspruchs britisches und nicht deutsches Recht angewandt hat, lässt aber keinen Rückschluss auf die Frage zu, welches materielle Recht er bei der Sachentscheidung anwenden wollte. Wie bereits ausgeführt, hat der Umpire im ursprünglichen Schiedsspruch ausdrücklich erwähnt, dass sich die Parteien auf deutsches Prozessrecht und materielles Recht geeinigt hätten (Rz. 2.11). Angesichts des Zeitablaufs bis zur Ergänzung des Schiedsspruchs mag der Umpire dies vergessen haben. Dass er diesen Umstand bereits bei Abfassung des Schiedsspruchs (in dem er ihn selbst erwähnt) vergessen hätte, ist nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Zulässigkeit einer Ergänzung des Schiedsspruchs weisen das deutsche und das englische Recht - wie ausgeführt - keine entscheidenden Unterschiede auf. Auf den materiellen Inhalt der ergänzenden Kostenentscheidung hat die Frage des anwendbaren Rechts keine erkennbaren Auswirkungen gehabt; jedenfalls werden diese nicht vorgetragen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Bei der Streitwertfestsetzung ist der Senat davon ausgegangen, dass die Antragstellerin zur Zahlung von 202.194,78 US$ verurteilteilt worden ist, wobei der Referenzkurs der EZB am 23. 12. 2016 (Eingang des Antrags bei Gericht) 1,0446 betrug.
Summary
OLG Hamburg 6 Sch 20/16 The applicant requested the Higher Regional Court of Hamburg to set aside an arbitral award. The court rejected the application. The party opposing the application was of the opinion that the application was inadmissible because setting aside proceedings under section 1059 of the German Code of Civil Procedure (ZPO) can only take place against final decisions of arbitral tribunals and not against first instance arbitral awards contestable before higher arbitral tribunals. The court held only arbitral awards which finally conclude arbitral proceedings and which can no longer be amended are arbitral awards as defined in sections 1051 et seqq. ZPO. This requires that the arbitral award may no longer be contestable before a higher arbitral tribunal. This prerequisite was fulfilled in the present case, because at the time of the receipt of the request for setting aside, the arbitral award was final. Irrespective of the question of the admissibility of the application, the court held that the applicant was also allowed to materially rely on deficiencies of the arbitral proceedings, although it did not contest the arbitral award before a higher arbitral tribunal in a second instance, which would have been possible. The court noted that this question is controversially discussed by legal scholars. In part, the view is taken that the failure to invoke a higher arbitral instance provided for in the arbitration agreement has the consequence that defects of first instance proceedings can no longer be asserted with the application for setting aside. Those scholars are of the opinion that an agreement on various stages of appeals in arbitral proceedings is to be interpreted in such a way that all defects not asserted before a higher arbitral tribunal in a second instance are precluded before the court. However, the court did not consider a preclusion to be justified. It held that preclusion is such a drastic consequence because of the associated restriction of the right to be heard that it requires a clear legal basis. The court held that section 1027 ZPO is not a sufficient basis. While it is undisputed that in the event of a loss of the right to file objections pursuant to section 1027 ZPO a procedural violation can no longer be asserted even in the setting aside proceedings, section 1027 ZPO only refers to objections within the proceedings of one instance. The court found that this result is underlined by Art. 4 of the UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, which can be used to interpret section 1027 ZPO. It reads: "A party who knows that any provision of this Law from which the parties may derogate or any requirement under the arbitration agreement has not been complied with and yet proceeds with the arbitration without stating his objection to such non-compliance without undue delay or, if a time-limit is provided therefor, within such period of time, shall be deemed to have waived his right to object." It is therefore necessary that the arbitral proceedings are continued, which is precisely not the case if the appeal is not raised. On the merits, the court found that the setting aside of the arbitral award could not be based on the fact that the arbitrator would not have applied German law but English law. The applicant was of the opinion that the arbitrator had not complied with an agreement between the parties that German law should apply. It was undisputed that German law was agreed upon (at least for the first instance). In the arbitral award, the arbitrator himself noted this. However, it did not become apparent from the arbitral award that the arbitrator did not apply German law despite these observations. The applicant pointed out that the award did not refer to a single provision of German law, in particular to sections 437 et seqq. of the German Civil Code (BGB) (rights of the buyer in case of defects) and section 441 BGB (reduction of price). However, the court did not consider this to be sufficient evidence, especially since also no rules or principles of law/precedents of English law were mentioned in the arbitral award. The court held that in principle, the standards applicable to judgments of state courts cannot be applied to the reasoning of arbitral awards. The reasoning of an arbitral award only has to meet certain minimum requirements. It must not be obviously contradictory or be limited to empty phrases and must comment on the essential means of defence of the parties. In view of this limited scope of reasoning, it was not necessary for the arbitral tribunal to expressly state statutory provisions. As a result, no conclusion could be drawn from the absence of such information. The court further found that there were also no other circumstances which would have spoken in favour of the application of English law by the arbitrator. The applicant complained that the arbitrator limited himself to looking for special contractual regulations in the contract of the parties. However, it is also not foreign to the German legal system (in view of the freedom of contract) to first take the content of the contractual agreements as a basis. If the stipulations of the contract are conclusive (which is a question of interpretation) and do not violate mandatory legal norms, legal provisions are no longer relevant.