Gericht | OLG Frankfurt am Main | Aktenzeichen | 26 Sch 03/05 | Datum | 26.07.2005 |
---|---|---|---|---|---|
Leitsatz | |||||
Gegenstand: Vollstreckbarerklärung eines rechtsgestaltenden Schiedsspruchs | |||||
Rechtsvorschriften | § 887 ZPO, § 888 ZPO, § 890 ZPO § 1060 Abs. 1 ZPO, § 1062 ZPO, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Schiedsspruch: - Inhalt des Schiedsspruchs Aufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Schiedsspruch, inländisch; - Vollstreckbarerklärung Aufhebungs-/Versagungsgründe: - Vollstreckungsfähiger Inhalt des Schieds | ||||
Volltext | |||||
B E S C H L U S S: Der Antrag, das Urteil des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland vom 03.02.2003 (Az.: 010-2002) sowie die Beschlüsse vom 01.03.2004 (Az.: 003-2003) und 20.04.2004 (Az.: 003-2003) für vollstreckbar zu erklären, wird zurückgewiesen. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. G r ü n d e : I. Der Antragsteller ist Mitglied der Jüdischen Gemeinde P. e.V., der seinerseits Mitglied der Jüdischen Gemeinde Land Brandenburg ist, ihrerseits Mitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland. Der Vorstand des Antragsgegners ordnete mit Beschluss vom 06.06.2002 das Ruhen der Mitgliedschaft des Antragstellers an. Darauf hin wandte sich der Antragsteller an das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden in Deutschland. Die Einrichtung dieses Schiedsgerichts beruht auf § 15 der Satzung des Zentralrates vom 21.04.1996 und hat seinen Sitz in Frankfurt am Main. Nach § 15 Abs. 4 werden die Mitglieder des Schiedsgerichts von der Ratsversammlung mit einfacher Mehrheit für die Dauer von vier Jahren gewählt. Das Schiedsgericht entscheidet auf der Grundlage einer Schiedsordnung, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 26 - 29 d.A. verwiesen wird. Mit Urteil vom 03.02.2003 stellte das Schiedsgericht fest, dass der angefochtene Beschluss vom 06.02.2002 unwirksam sei und die Mitgliedschaft in vollem Umfang fortbestehe. Im Rubrum der Entscheidung ist der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Stadt P. als Antragsgegner aufgeführt. In den Gründen der Entscheidung wird u.a. darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner im Fall der Nichtbefolgung mit einer Amtsenthebung zu rechnen habe. In der Folgezeit wurde der Antragsteller aber offensichtlich nicht zu einer Vollversammlung eingeladen und erhielt auch kein Stimmrecht. Vor diesem Hintergrund drohte das Schiedsgericht mit Beschluss vom 01.03.2004 nunmehr der Jüdischen Gemeinde Potsdam für den Fall, dass sie das Urteil vom 03.02.2003 nicht binnen einer bestimmten Frist vollständig erfülle, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,- € an. Schließlich setzte das Schiedsgericht mit Beschluss vom 20.04.2004 ein Zwangsgeld in der angedrohten Höhe gegen die Jüdische Gemeinde P. fest. Im vorliegenden Verfahren begehrt der Antragsteller, die oben aufgeführten Entscheidungen des Schiedsgerichts für vollstreckbar zu erklären. Er ist der Auffassung, eine Vollstreckbarerklärung komme auch für Schiedssprüche in Betracht, die keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hätten. Da die Feststellung, dass die Mitgliedschaft fortbestehe, die Verpflichtung der Antragsgegnerin beinhalte, die Mitgliedschaftsrechte auch zu gewähren, sei das Schiedsgericht berechtigt gewesen, ein Zwangsgeld anzudrohen und letztlich auch festzusetzen. Die Zuständigkeit hierfür ergebe sich aus § 4 S. 1 der Schiedsordnung. Schließlich handle es sich beim dem Schiedsgericht auch um ein solches im Sinne der §§ 1066, 1025 ZPO, da insbesondere satzungsrechtlich gewährleistet sei, dass das Schiedsgericht den Beteiligten als neutraler Dritter gegenüberstehe. Die Antragsgegnerin ist demgegenüber der Auffassung, dass dem Urteil ein vollstreckungsfähiger Inhalt fehle, so dass eine Vollstreckbarerklärung nicht in Betracht komme. Die Beschlüsse vom 01.03. und 20.04.2004 seien ebenfalls nicht für vollstreckbar zu erklären, da es zum einen schon an einem vollstreckbaren Anspruch fehle, da das Urteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt habe und zum anderen die Androhung bzw. die Anordnung eines Zwangsgeldes durch das Schiedsgericht in der Schiedsordnung nicht vorgesehen sei. Diese Maßnahmen seien Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens und daher erst zulässig, wenn der zugrunde liegende Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt worden sei. II. Das Oberlandesgericht Frankfurt ist gemäß § 1062 Abs. 1 S. 1 2. Hs. örtlich und gemäß Abs. 1 Nr. 4 ZPO auch funktional zuständig. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung entspricht den Vorgaben des § 1064 Abs. 1 ZPO, jedoch können weder das Schiedsurteil vom 03.02.2003 noch die Beschlüsse vom 01.03. und 20.04.2004 für vollstreckbar erklärt werden. 1. Hinsichtlich des Schiedsspruches vom 03.02.2003 war dem Begehren des Antragstellers schon deshalb kein Erfolg beschieden, weil der Antrag auf Vollstreckung gemäß § 1060 ZPO nicht statthaft bzw. ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers insoweit nicht zu bejahen ist. Für vollstreckbar erklärt werden können nur Schiedssprüche, die von einem Schiedsgericht im Sinne der §§ 1066, 1025 ff ZPO stammen. Nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH NJW 2004, 2227) ist das für satzungsmäßig berufene Schiedsgerichte von Vereinen oder Verbänden u.a. dann nicht anzunehmen, wenn satzungsrechtlich nicht gewährleistet ist, dass das Schiedsgericht den Beteiligten als neutraler Dritter gegenübersteht. Dies setzt voraus, dass die Bestellung nicht einseitig durch den Verband/Verein erfolgt, sondern auch der anderen Schiedspartei die Möglichkeit eröffnet ist, auf die Besetzung des Schiedsgerichts Einfluss zu nehmen, was allein durch die Möglichkeit der Teilnahme an der Wahl der Mitglieder des Schiedsgerichtes nicht gewährleistet ist. So könnte der Fall auch hier zu beurteilen sein, da ausweislich des § 15 Abs. 4 der Satzung des Zentralrates der Juden in Deutschland die Mitglieder des Schiedsgerichts von der Ratsversammlung gewählt werden, die sich ihrerseits aus Delegierten der in § 3 der Satzung aufgeführten Mitglieder des Zentralrates zusammensetzt. Ob die vorliegende Konstellation allein deshalb anders zu beurteilen ist, weil die Zusammensetzung des Schiedsgerichts vorliegend nicht durch eine Partei des Schiedsverfahrens bzw. eines ihrer Gremien bestimmt wurde, sondern die Antragsgegnerin lediglich eines von vielen Mitgliedern des das Schiedsgericht wählenden Zentralrates ist und mithin letztlich keine der an diesem Schiedsverfahren maßgeblichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Schiedsgerichts hatte, erscheint fraglich, denn auch in dieser Konstellation fehlt es jedenfalls auf Seiten des Antragstellers an jedweder Einflussmöglichkeit. Letztlich bedurfte diese Frage jedoch keiner abschließenden Bewertung, da der Antrag hinsichtlich des Schiedsspruches vom 03.02.2003 bereits aus einem anderen Grund unstatthaft ist. In diesem "Urteil" wird rechtsgestaltend das angeordnete Ruhen der Mitgliedschaft für unwirksam erklärt und darüber hinaus feststellend erklärt, die Mitgliedschaft bestehe in vollem Umfang fort. Darüber hinaus lässt sich weder dem Tenor noch den Gründen der Entscheidung entnehmen, dass die Antragsgegnerin auch zu bestimmten Handlungen oder Unterlassungen verpflichtet sein sollte, die einer Vollstreckung zugänglich gewesen wären. Zwar war der Antragsteller nach der Entscheidung berechtigt, seine satzungsgemäßen Rechte und Pflichten uneingeschränkt wahrzunehmen. Der Antragsgegnerin wurde indes nicht auferlegt, was sie im Einzelnen zu tun oder zu unterlassen habe. Auch die Begründung der Entscheidung verhält sich hierzu nicht. Der Schiedsspruch enthält mithin keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, so dass er einer Vollstreckbarerklärung schon aus diesem Grund nicht zugänglich ist. Soweit teilweise in Rechtsprechung und Literatur eine abweichende Auffassung vertreten wird (vgl. BayObIG, BB 1999, 1948; RIW 2003, 385; Stein/Jonas-Schlosser, ZPO, 22.Aufl., § 1060 Rz. 2; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 27 Rz. 7), vermag sich der Senat dieser nicht anzuschließen. Weder der Wortlaut des § 1060 ZPO, der in Kenntnis des insoweit bestehenden Streits mit der zum 01.01.1998 in Kraft getretenen Neuregelung des 10. Buches der ZPO unverändert blieb, noch Sinn und Zweck der Regelung gebieten eine extensive Auslegung dieser Norm. Nach dem Wortlaut des § 1060 ZPO dient dieses Verfahren allein der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung, die bei feststellenden oder gestaltenden Schiedssprüchen von vorn herein nicht in Betracht kommt. Es besteht auch im Übrigen kein Bedürfnis für eine Vollstreckbarerklärung rechtsgestaltender Schiedssprüche, da deren Gestaltungswirkung unmittelbar mit Erlass des Schiedsspruches eintritt. Die gegenteilige Auffassung ist mit § 1055 ZPO, der einem Schiedsspruch die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils beimisst, unvereinbar (vgl. Musielak-Voit, ZPO, 4. Aufl., § 1060 Rz. 2; Münch-Kom. ZPO, 2. Aufl., § 1060 Rz. 4). Auch der Hinweis auf die Regelung in § 1059 Abs. 3 ZPO vermag eine weite Auslegung des § 1060 ZPO nicht zu rechtfertigen. Nach dieser Vorschrift kann der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruches zwar nicht mehr gestellt werden, wenn der Schiedsspruch von einem deutschen Gericht für vollstreckbar erklärt worden ist, so dass sich der Gläubiger auf diese Weise rasch Gewissheit über die Unanfechtbarkeit des Schiedsspruches verschaffen kann (vgl. Stein/Jonas, a.a.O.). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass das Aufhebungsverfahren nur innerhalb einer Frist von drei Monaten eingeleitet werden kann, so dass ohnehin nach Ablauf dieser kurzen Frist Gewissheit über die Bestandskraft des Schiedsspruches besteht. Einer über den Wortlaut hinausgehenden Auslegung des § 1060 ZPO bedarf es zur Schaffung von Rechtssicherheit vor diesem Hintergrund nicht, zumal in der Praxis ohnehin nicht zu erwarten ist, dass ein Verfahren auf Vollstreckbarerklärung innerhalb von drei Monaten rechtskräftig abgeschlossen ist. 2. Hinsichtlich der Beschlüsse vom 01.03. und 20.04.2004 kommt eine Vollstreckbarerklärung ebenfalls nicht in Betracht. Es fehlt bereits an einen ordnungsgemäßen Schiedsspruch; ein Verfahren nach §§ 1060, 1062 ZPO ist aber nur dann statthaft, wenn überhaupt ein formell ordnungsgemäßer Schiedsspruch vorliegt. Das Schiedsgericht war schon nicht berechtigt, Vollstreckungsmaßnahmen anzuordnen, weil es an einem Vollstreckungstitel, an den Vollstreckungsmaßnahmen anknüpfen konnten, fehlt. Nach § 1060 Abs. 1 ZPO findet die Zwangsvollstreckung aus einem Schiedsspruch erst statt, wenn der Schiedsspruch von einem staatlichen Gericht für vollstreckbar erklärt wurde. Vollstreckungstitel und damit Grundlage der Zwangsvollstreckung ist allein die Entscheidung des staatlichen Gerichts, welche den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt (§ 794 Abs. 1 Nr. 4 a ZPO). Der den Beschlüssen vom 01.03. und 20.04.2004 zugrunde liegenden Titel ist aber gerade nicht für vollstreckbar erklärt worden. Er ist einer Vollstreckung auch gar nicht zugänglich, da er, wie bereits oben dargelegt, überhaupt keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, sondern ihm lediglich rechtsgestaltende bzw. feststellende Wirkung zukommt. Vor diesem Hintergrund kann es im Ergebnis dahinstehen, ob eine Vollstreckbarerklärung der Beschlüsse vom 01.03. und 20.04.2004 auch im Hinblick auf die fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts zur Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen nicht in Betracht kommen kann. Da Vollstreckungstitel allein die Vollstreckbarerklärung durch das staatliche Gericht ist, ist davon auszugehen, dass auch die Maßnahmen nach §§ 887, 888, 890 ZPO ausschließlich von dem staatlichen Gericht angeordnet werden können (so ausdrücklich für die Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile: Zöller-Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 722 Rz. 93 ff, 109). Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen mag in Betracht kommen, wenn die Schiedsvereinbarung der Parteien auch insoweit ausdrücklich eine Zuständigkeit des Schiedsgerichts vorsieht. Dies ist vorliegend indes nicht der Fall, insbesondere kann § 4 der Schiedsordnung insoweit nicht herangezogen werden. Die Schiedsordnung wurde allein vom Schiedsgericht festgelegt (§15 Abs. 7 der Satzung) und regelt ausschließlich das vom Gericht zu beachtende Verfahren. Sie kann schon deshalb keine für die Parteien bindende Anordnung enthalten, welche Streitigkeiten der Schiedsabrede unterfallen sollen. Auch der Satzung Lässt sich nicht entnehmen, dass das Schiedsgericht für die Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen zuständig sein sollte. Nach alldem konnte dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung insgesamt kein Erfolg beschieden sein; er war deshalb mit der Kostenfolge des § 91 ZPO zurückzuweisen. | |||||
Summary | |||||
Der Antragsteller ist Mitglied der jüdischen Gemeinde Potsdam, die ihrerseits Mitglied des Antragsgegners, des Zentralrats der Juden in Deutschland ist. Dieser hatte mit Beschluss vom 06.06.2002 das Ruhen der Mitgliedschaft des Antragstellers angeordnet. Das vom Antragsteller angerufene Schiedsgericht hatte mit Schiedsspruch vom 03.02.2003 festgestellt, das der Beschluss unwirksam sei. Ferner hatte es der jüdischen Gemeinde Potsdam mit Beschluss vom 01.03.2004 die Verhängung eines Zwangsgeldes für den Fall der Nichterfüllung des Schiedsspruchs angedroht und mit Beschluss vom 20.04.2004 ein Zwangsgeld in der angedrohten Höhe auch festgesetzt. Die Anträge des Antragstellers auf Vollstreckbarerklärung der Entscheidungen des Schiedsgerichts hat der Senat zurückgewiesen. Der Senat lässt dahingestellt, ob es sich beidem Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden - insbesondere angesichts der fehlenden Einflussmöglichkeit auf die Besetzung des Schiedsgerichts durch die einzelnen Gemeindemitglieder - überhaupt um ein echtes Schiedsgericht und nicht ein bloßes Vereinsorgan handelt. Denn jedenfalls hält er die Anträge auf Vollstreckbarerklärung der von diesem Gremium erlassenen Entscheidungen für nicht statthaft. Über die Feststellung hinaus, dass die Mitgliedschaft des Antragstellers fortbestehe, enthalte der Schiedsspruch vom 03.02.2003 keine Verurteilung zu bestimmten Handlungen oder Unterlassungen, die der Vollstreckung fähig wären. Soweit teilweise in Rechtsprechung und Literatur auch rechtsgestaltende Schiedssprüche der Vollstreckbarerklärung für fähig gehalten werden (vgl. z.B. BayObLG, BB 1999,1948, Stein/Jonas-Schlosser, ZPO, 22. Aufl., §1060 Rz. 2), hält der Senat dem entgegen, dass die Gestaltungswirkung von Schiedssprüchen unmittelbar mit Erlass des Schiedsspruchs eintrete. Hinsichtlich der Beschlüsse vom 01.03 und 20.04.2004 kommt nach Ansicht des Senats eine Vollstreckbarerklärung schon deshalb nicht in Betracht, weil es insoweit an einem ordnungsgemäßen Schiedsspruch, an den solche Maßnahmen hätten anknüpfen können, fehlte. Vor diesem Hintergrund ließ der Senat es des Weiteren dahingestellt, ob Maßnahmen nach §§ 887, 888, 890 ZPO ausschließlich von staatlichen Gerichten oder in Ausnahmefällen auch von Schiedsgerichten angeordnet werden können. |