1 Sch 02/04


Gericht LG Rostock Aktenzeichen 1 Sch 02/04 Datum 06.12.2006
Leitsatz
Aufhebung eines Schiedsspruchs im Vollstreckbarerklärungsverfahren
1. Haben die Parteien für den Fall von Rechtsstreitigkeiten eine vor Einschaltung der staatlichen Gerichte stattzufindende "Vermittlung" durch die Rechtsanwaltskammer vereinbart, einem von dieser übersandten Protokoll aber nicht widersprochen, wonach die Parteien einen "bindenden Einigungsvorschlag" unter Ausschluss des Wegs zu den ordentlichen Gerichten wünschen, ist eine wirksame Schiedsvereinbarung jedenfalls mit diesem Protokoll zustande gekommen.
2. Schiedsgerichte müssen rechtliches Gehör in wesentlich gleichem Umfang wie staatliche Gerichte gewähren.
3. Auch die Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs durch das Schiedsgericht fällt unter § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO.
(Leitsätze der Red.)
Rechtsvorschriften§ 1029 Abs. 1 ZPO, § 1031 Abs. 2 ZPO, § 1054 ZPO, § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO § 1060 Abs. 1 ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerkl
Volltext
B E S C H L U S S:
Der Antrag der Antragstellerin, den Schiedsspruch der Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern vom 13.10.2004 - Az. B IV 50 10/00 - für vollstreckbar zu erklären, wird unter Aufhebung des Schiedsspruchs zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Gegenstandes des Verfahrens wird auf € 10.225,84 festgesetzt.
G r ü n d e:
I.
Die Antragstellerin begehrt gemäß § 1060 Abs. 1 ZPO die Vollstreckbarerklärung eines Vermittlungsvorschlages der Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern - vom 13.10.2004. Der Antragsgegner erstrebt dessen Aufhebung.
Mit Gesellschaftsvertrag vom 01.08.1995 verbanden sich die Parteien zur örtlichen Rechtsanwaltssozietät „XXX“. Für den Fall einer Beendigung der Sozietät aus den in Ziff. 16 genannten Gründen oder durch Kündigung gemäß Ziff. 17 verständigten sie sich hinsichtlich des Ausscheidenden auf folgende Ausgleichsregelung: "Mit dem Betroffenen ist spätestens zum Ende des laufenden Geschäftsjahres entsprechend seinem Anteil am Praxiswert nach dem Ertragswertverfahren (vgl. BRAK-Mitteilung 1986, 119 ff.) abzurechnen. Dieser beträgt ab dem 4. Geschäftsjahr jeweils 50 % (siehe Ziffer 7)." In Ziff. 19 des Vertrages heißt es: "Im Falle auftretender Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung der Bestimmungen dieses Vertrages oder über die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag und deren Erfüllung haben beide Vertragspartner vor Anrufung der Gerichte den Vorstand der Rechtsanwaltskammer in Schwerin um eine Vermittlung zu bitten. Beide Vertragspartner unterwerfen sich schon jetzt einem Einigungsvorschlag der Kammer."
Im Jahr 1997 verständigten sich die Parteien dahin, dass die Praxis in einer überörtlichen Sozietät geführt werde. Die Antragstellerin nahm ihren Kanzleisitz in XXX der Antragsgegner behielt den Kanzleisitz in XXX Eine Änderung des Gesellschaftsvertrages verbanden die Parteien damit nicht.
Mit einer undatierten Vereinbarung verständigten sich die Parteien später dahin, dass die Sozietät mit Wirkung vom 01.01.2000 aufgelöst werde. Die Antragstellerin berühmte sich nachfolgend eines Ausgleichsanspruches in Höhe von 40.000,- DM, der Antragsgegner hingegen schlug gegenseitige Generalquittung vor.
Mit Anwaltsschreiben vom 10.10.2000 bat die Antragstellerin die Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern um Durchführung eines Vermittlungsverfahrens, was die Zustimmung des Antragsgegners fand. Der zweite Vermittlungstermin vor dem Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer fand am 12.01.2001 statt. Das vom Geschäftsführer der Kammer erstellte und den Parteien übermittelte Protokoll hat auszugsweise folgenden Inhalt:
"... Die Parteien wünschen einen Einigungsvorschlag durch die Rechtsanwaltskammer, der sie binden soll. Das Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer soll abschließend sein und den Weg zu Gericht ausschließen.
Diesen Einigungsvorschlag zu erarbeiten wird ausdrücklich der Unterzeichner beauftragt.
Sein Einigungsvorschlag geht den Parteien nach Gegenzeichnung durch den Präsidenten zu.
Zur Sache:
Frau Rechtsanwältin XXX fordert eine Ausgleichszahlung von DM 40.000,00. Herr Rechtsanwalt XXX hält dem gegenüber keine Ausgleichszahlung mehr für angebracht.
Herr Rechtsanwalt XXX begründet dies mit der Zahlung folgender Beträge:
DM 5.501,58, vgl. Auflösungsvereinbarung
DM 21.310,34, vgl. Schreiben 26.12.
DM 9.993,26, vgl. Protokoll Sozietätsberatung 18.09.1995.
Die Frage der Ausgleichsfähigkeit dieser Zahlen wird diskutiert. ..."
Mit dem genannten Schreiben vom 26.12.2000 hatte der Antragsgegner unter dort aufgelisteten 19 Positionen Zahlungen in Höhe von 20.831,09 DM aufgeführt, die er nach dem 31.12.1999 noch für die Sozietät geleistet habe und hinsichtlich derer er einen teilweisen Ausgleich durch die Antragstellerin begehre.
Unter dem 27.11.2001 unterbreitete der Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer ohne Unterschrift und Gegenzeichnung durch den Kammerpräsidenten den Parteien einen begründeten Vermittlungsvorschlag dahin, dass der Antragsgegner an die Antragstellerin einen Ausgleichsbetrag von 20.000,- DM zahlt und damit alle gegenseitigen Ansprüche erledigt sind. Die Begründung enthält eine konkrete Berechnung des grundsätzlichen Ausgleichsbetrages anhand von Praxiswertermittlungen nach BRAK-Richtlinien und berücksichtigt darüber hinaus zu Gunsten des Antragsgegners einen Ausgleichsanspruch aus einer Differenz der Einnahmen im Jahr 1999. Ausführungen zu den vom Antragsgegner mit Schreiben vom 26.12.2000 geltend gemachten Zahlungen enthält die Begründung dagegen nicht.
Mit diesem Vorschlag erklärte sich die Antragstellerin mit Anwaltsschreiben vom 05.12.2001 einverstanden. Der Antragsgegner tat Gleiches mit Schreiben vom 08.12.2001, wies aber zugleich daraufhin, dass der Vorschlag nicht die von ihm nach dem 31.3 2.1999 für die Sozietät noch geleisteten Zahlungen über insgesamt 29.845,02 DM berücksichtige. Diese Zahlungen leistete der Antragsgegner im Einzelnen unter 23 Positionen auf, wobei die Positionen 1. - 19. denen aus seinem Schreiben vom 26.12.2000 entsprachen. Hiervon habe die Antragstellerin 50 % zu tragen, mithin den Betrag von 14.922,51 DM. Den Differenzbetrag zu 20.000,- DM in Höhe von 5.077,49 DM überwies der Antragsgegner an die Antragstellerin.
Mit Schreiben vom 10.06.2002 und 27.06.2002 wies der Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer darauf hin, dass die Positionen I. - 19. der Aufstellung des Antragsgegners in dem Vermittlungsvorschlag berücksichtigt worden seien, nicht hingegen die erst nachträglich mitgeteilten Positionen 20. - 23..
Da der Antragsgegner weitere Zahlungen nicht leistete, betrieb die Antragstellerin bezüglich des Vermittlungsvorschlages das Vollstreckbarkeitsverfahren vor dem Landgericht Stralsund - Az. 6 O 360/02 -, in dem sie hilfsweise die Zahlung von 7.626,76 € nebst Zinsen begehrte.
In dem Verhandlungstermin am 17.06.2004 wies der Einzelrichter u. a. daraufhin, dass in der Vereinbarung vom 12.01.2001 eine Schiedsgerichtsabrede zu erblicken sei und der Vermittlungsvorschlag vom 27.11.2001 eine schiedsgerichtliche Entscheidung darstelle. Mit Beschluss vom 05.11.2004 setzte der Einzelrichter das Verfahren gemäß § 148 ZPO bis zur endgültigen Entscheidung der Rechtsanwaltskammer aus mit der Begründung, mit dem Vermittlungsvorschlag vom 27.11.2001 liege noch keine bindende Entscheidung der Kammer vor. Gegen diesen Beschluss legte der Antragsgegner sofortige Beschwerde ein, über die noch nicht entschieden worden ist.
Unter dem 13.10.2004 wiederholte die Rechtsanwaltskammer, diesmal mit den Unterschriften des Geschäftsführers und des Kammerpräsidenten, mit gleicher Begründung den Vermittlungsvorschlag vom 27.11.2001.
Dagegen wandte sich der Antragsgegner mit Schreiben vom 18.10.2004, mit dem er Antrag gemäß § 1058 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 2 ZPO auf Berichtigung, Auslegung bzw. Ergänzung stellte und mit Rücksicht auf die von ihm geleisteten Zahlungen eine Vermittlung dahin beantragte, dass beiden Parteien Forderungen nicht mehr zustünden.
Mit Schreiben vom 17.05.2006 entschied die Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern über den Antrag des Antragsgegners. Bis auf eine Korrektur eines offensichtlichen Schreibfehlers lehnte sie den Antrag mit der Begründung ab, die vom Antragsgegner geltend gemachten Zahlungen, auf die er eine Aufrechnung stütze, zu den Positionen 1. -19. seien bei der Formulierung des Schiedsspruchs bereits berücksichtigt worden, während die Zahlungen zu den Positionen 20. - 23. im Vermittlungsverfahren nicht geltend gemacht worden seien, weshalb eine diesbezügliche Änderung des Schiedsspruchs nicht in Betracht komme. Ausführungen zu den vom Antragsgegner gezahlten 5.077,49 DM enthält das Schreiben nicht.
Im hier anhängigen Verfahren macht die Antragstellerin geltend, dass es sich bei dem Vermittlungsvorschlag der Kammer vom 13.10.2004 um einen Schiedsspruch handele. Weil der Antragsgegner weitere Zahlung verweigere, sei, um die Zwangsvollstreckung betreiben zu können, eine Vollstreckbarerklärung gemäß § 1060 ZPO erforderlich. Der Antragsgegner könne sich, abgesehen von den geleisteten 5.077,49 DM, nicht mit Erfolg auf sonstige Zahlungen berufen, weil diese im Vermittlungsverfahren berücksichtigt worden seien. Seine sofortige Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluss des Landgerichts Stralsund hindere eine Vollstreckbarerklärungsentscheidung gemäß § 1060 ZPO nicht.
Die Antragstellerin b e a n t r a g t,
den von der Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern unter dem Aktenzeichen B IV 50 10/00 erlassenen Schiedsspruch vom 13.10.2004 für vollstreckbar zu erklären.
Der Antragsgegner b e a n t r a g t,
den Antrag der Antragstellerin unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen.
Er ist der Auffassung, er habe mit den unstreitigen Zahlungen nach dem 31.12.1999 die 20.000,- DM bereits geleistet. Auch stehe einer Vollstreckbarerklärungsentscheidung des Senates der bei dem Landgericht Stralsund ausgesetzte, aber noch anhängige Rechtsstreit entgegen. Weiterhin meint der Antragsgegner, der Schiedsspruch vom 13.10.2004 unterliege der Aufhebung gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO, weil er die von ihm geleisteten Zahlungen nicht berücksichtige. Die Rechtsanwaltskammer habe sich im Schiedsspruch weder zum Aufrechnungs- noch zum Erfüllungseinwand positioniert und sich damit einer Entscheidung über seine materiell-rechtlichen Einwendungen enthalten. Im Übrigen wolle die Antragstellerin ihn vorsätzlich und in sittenwidriger Weise schädigen.
Mit Beschluss vom 06.10.2005 hatte der Senat das Vollstreckbarerklärungsverfahren bis zur Entscheidung der Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern über den Antrag des Antragsgegners vom 18.10.2004 auf Berichtigung, Auslegung und Ergänzung des Schiedsspruchs der Rechtsanwaltskammer vom 13.10.2004 in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ausgesetzt.
Mit Schriftsatz vom 19.05.2006 hat der Antragsgegner beantragt, das Verfahren wieder aufzunehmen.
II.
1.
Der auf einen inländischen verurteilenden Schiedsspruch gerichtete und damit statthafte Antrag der Antragstellerin auf Vollstreckbarerklärung gemäß § 1060 Abs. 1 ZPO ist zulässig.
a)
Das OLG Rostock ist für die Vollstreckbarerklärung nach § 1060 ZPO gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO als das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt, zuständig.
b)
Es liegt eine wirksame Schiedsvereinbarung vor.
Eine Schiedsvereinbarung ist gemäß § 1029 Abs. I ZPO eine Vereinbarung der Parteien, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis vertraglicher oder nicht vertraglicher Art entstanden sind oder künftig entstehen, der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen. Die gemäß § 1031 ZPO erforderliche Form der Schiedsvereinbarung ist gemäß § 1031 Abs. 2 ZPO auch dann gewahrt, wenn die Schiedsvereinbarung in einem von einem Dritten beiden Parteien übermittelten Schriftstück enthalten ist und der Inhalt des Schriftstücks nach der Verkehrssitte als Vertragsinhalt angesehen wird.
Eine hiernach wirksame Schiedsvereinbarung ist jedenfalls durch das von der Rechtsanwaltskammer beiden Parteien übersandte Protokoll vom 12.01.2001 gegeben, in dem festgelegt worden war, dass die Parteien einen sie bindenden Einigungsvorschlag durch die Rechtsanwaltskammer wünschten und das Verfahren vor der Rechtsanwaltskammer abschließend sein und den Weg zu Gericht ausschließen sollte.
c)
Ferner existiert auch ein den Anforderungen des § 1054 ZPO genügender Schiedsspruch. „.Das Schreiben der Rechtsanwaltskammer vom 13.10.2004, wonach der Antragsgegner an die Antragstellerin einen Betrag von 20.000,- DM zahlen soll und damit alle gegenseitigen Ansprüche aus der Auflösung der Sozietät erledigt sein sollen, ist zwar als "Vorschlag" bezeichnet, lässt aber hinreichend erkennen, dass es den Abschluss des "Vermittlungsverfahrens" bildet und eine - wie von den Parteien gewünschte - bindende Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung des genannten Betrages beinhaltet.
Dieser Schiedsspruch ist im Folgenden begründet und unter Angabe von Ort und Datum sowohl vom Präsidenten als auch vom Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer unterschrieben und beiden Parteien übersandt worden.
Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung hat die Antragstellerin durch Vorlage des Schiedsspruchs vom 13.10.2004 im Original erfüllt (§ 1064 Abs. 1 ZPO).
d)
Schließlich besteht eine doppelte Rechtshängigkeit im Hinblick auf das vor dem Landgericht Stralsund schwebende und gemäß § 148 ZPO ausgesetzte Verfahren nicht. Denn dieses hat nur den - aufgrund fehlender Gegenzeichnung durch den Präsidenten der Rechtsanwaltskammer unwirksamen - Vermittlungsvorschlag der Rechtsanwaltskammer vom 27.11.2001 und nicht den hier streitgegenständlichen Schiedsspruch vom 13.10.2004 zum Gegenstand.
2.
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist jedoch, da ihm gemäß § 1060 Abs. 2 ZPO Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO entgegenstehen, unbegründet. Der Schiedsspruch war auf Antrag des Antragsgegners gemäß § 1059 ZPO aufzuheben.
a)
Zwar liegt mit dem Schreiben vom 13.10.2004 und mit der unter dem 17.05.2006 getroffenen Entscheidung der Rechtsanwaltskammer M-V über den Antrag des Antragsgegners gemäß § 1058 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 2 ZPO auf Berichtigung, Auslegung bzw. Ergänzung des Schiedsspruchs ein endgültiger, das schiedsrichterliche Verfahren gemäß § 1056 Abs. 1 ZPO beendender und einen Anspruch zuerkennender Schiedsspruch vor.
b)
Der Vollstreckbarerklärung dieses Schiedsspruchs stehen jedoch Aufhebungsgründe nach §
1059 Abs. 2 ZPO entgegen.
Ein Schiedsspruch ist aufzuheben, wenn ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1
ZPO begründet geltend gemacht wird oder wenn das Gericht einen Aufhebungsgrund nach
§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO feststellt.
aa)
Der Antragsgegner hat innerhalb der Frist des § 1059 Abs. 3 ZPO von drei Monaten nach Empfang des Schiedsspruchs den Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO geltend gemacht (§ 1060 Abs. 2 S. 3 ZPO).
bb)
Ob der Antragsgegner den Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO "begründet" geltend gemacht hat (die Begründung muss den Anforderungen genügen, die der Bundesgerichtshof zu § 551 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, d.h. zur Darstellung von Revisionsgründen entwickelt hat), kann letztlich dahinstehen.
cc)
Denn es liegt jedenfalls (auch) der Aufheb ungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO vor. Für diesen Aufhebungsgrund ist eine begründete Geltendmachung durch den Antragsgegner im oben genannten Sinne nicht erforderlich.
Gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO ist ein Schiedsspruch aufzuheben, wenn das Gericht feststellt, dass die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.
Auch die Nichtgewährung rechtlichen Gehörs durch das Schiedsgericht fällt unter § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 1059 Rdnr. 68).
(I)
Vorliegend hat die Rechtsanwaltskammer rechtliches Gehör in mehrfacher Hinsicht zu Lasten des Antragsgegners nicht (hinreichend) gewährt.
Schiedsgerichte müssen rechtliches Gehör in wesentlich gleichem Umfang wie staatliche Gerichte gewähren. Die Gewährung rechtlichen Gehörs erschöpft sich nicht darin, den Parteien Gelegenheit zu geben, alles ihnen erforderlich Erscheinende vorzutragen, sondern erfordert auch eine angemessene Berücksichtigung erheblichen Vorbringens bei der Entscheidungsfindung. Das Schiedsgericht muss das jeweilige Vorbringen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen (BGH, NJW 1986, 1436 ff. m.w.N.).
(a)
Unstreitig hat der Antragsgegner im Dezember 2001 auf die laut Schiedsspruch zu zahlenden 20.000,- DM bereits 5.077,49 DM an die Antragstellerin gezahlt, und zwar auf der Grundlage des damaligen (unwirksamen), mit dem jetzigen Schiedsspruch vom 13.10.2004 gleichlautenden "Vorschlags" der Rechtsanwaltskammer vom 27.11.2001. Die Zahlung dieses Betrages hat der Antragsgegner der Rechtsanwaltskammer mit Schreiben vom 08.12.2001 mitgeteilt. Darüber hinaus hat die Rechtsanwaltskammer hiervon auch im Laufe der sich anschließenden Diskussion über die Frage der Aufrechnungsmöglichkeit des Antragsgegners Kenntnis erlangt. Da das Schiedsverfahren erst mit dem wirksamen Schiedsspruch vom 13.10.2004 beendet wurde, hätte die Rechtsanwaltskammer diese Zahlung des Antragsgegners bei ihrem Schiedsspruch berücksichtigen müssen. Dies ist ganz offensichtlich nicht erfolgt - wohl aufgrund der (unzutreffenden) Auffassung der Rechtsanwaltskammer, das als "Vermittlungsverfahren" bezeichnete und als Schiedsverfahren zu wertende Verfahren sei bereits mit dem unwirksamen Vorschlag vom 27.11.2001 beendet gewesen. Die Begründung des Schiedsspruchs vom 13.10.2004 geht bei der Berechnung des vom Antragsgegner zu zahlenden Betrages in Höhe von 20.000,-DM in keiner Weise auf die Zahlung ein. Der Begründung kann auch sonst nicht entnommen werden, dass die Zahlung Berücksichtigung gefunden hat. Selbst nachdem der Antragsgegner mit Schreiben vom 18.10.2004 Berichtigung und Auslegung bzw. Ergänzung des Schiedsspruchs beantragt und sich dabei ausdrücklich auch auf die Zahlung der 5.077,49 DM berufen hatte, hat die Rechtsanwaltskammer in ihrer daraufhin ergangenen Entscheidung vom 17.05.2006 die Zahlung mit keinem Wort erwähnt oder sonst berücksichtigt.
Demnach hat die Rechtsanwaltskammer den - unstreitigen - Vortrag zur bereits erfolgten teilweisen Zahlung des vorgeschlagenen Ausgleichsbetrages übergangen. Hierin liegt eine Verletzung rechtlichen Gehörs.
(b)
Gleiches gilt hinsichtlich der vom Antragsgegner mit Schreiben an die Antragstellerin vom 08.12.2001 zur Aufrechnung gestellten Forderungen unter den dort aufgelisteten Positionen 20. - 23.. Dieses Schreiben hat der Antragsgegner am selben Tag auch an die Rechtsanwaltskammer übermittelt. Auch diese Aufrechnungsforderungen waren der Rechtsanwaltskammer damit lange vor Abschluss des Schiedsverfahrens am 13.10.2004 bekannt. Dennoch wurden sie - was die Rechtsanwaltskammer diesbezüglich sogar ausdrücklich im Schreiben vom 17.05.2006 bestätigt hat - im Rahmen des Schiedsverfahrens und bei Abfassung des Schiedsspruchs vom 13.10.2004 in keiner Weise berücksichtigt.
(c)
Hinsichtlich der vom Antragsgegner im Schreiben vom 08.12.2001 zur Aufrechnung gestellten Forderungen unter den dortigen Positionen 1. - 19. hat die Rechtsanwaltskammer zwar erklärt, diese seien bei dem am 27.11.2001 unterbreiteten "Vorschlag" bzw. im Schiedsspruch vom 13.10.2004 bereits berücksichtigt worden, auch wenn sie in der jeweiligen Begründung nicht ausführlicher erwähnt worden seien. Die Begründungen sind jedoch hinsichtlich der erfolgten Berechnung der Ausgleichszahlung von 20.000,- DM - und zwar ohne Einberechnung der Aufrechnungsforderungen - in sich schlüssig und nachvollziehbar. Auch ist eine nach Auffassung der Rechtsanwaltskammer zu Gunsten des Antragsgegners zu berücksichtigende Forderung gegen die Antragstellerin in Höhe von 2.501,58 DM in die Begründung des Schiedsspruchs ausdrücklich aufgenommen worden und hat sich auf die vorgeschlagene Ausgleichszahlung ausgewirkt, während die zur Aufrechnung gestellten Forderungen mit keinem Wort Erwähnung gefunden haben. Dies spricht dafür, dass die zur Aufrechnung gestellten Forderungen tatsächlich nicht berücksichtigt wurden. Bei deren Berücksichtigung hätten sie entweder die Berechnung der Ausgleichszahlung in irgendeiner Weise beeinflussen müssen oder es hätte eines Hinweises der Rechtsanwaltskammer bedurft, dass die diesbezüglichen Einwendungen des Antragsgegners aus bestimmten sachlichen Gründen nicht berücksichtigungsfähig sind. Dass weder das eine noch das andere erfolgt ist, lässt nur den Schluss zu, dass auch die Aufrechnungspositionen 1. - 19. tatsächlich keinerlei Eingang in den Schiedsspruch gefunden haben und demnach auch insoweit von der Rechtsanwaltskammer rechtliches Gehör versagt wurde.
(2)
Die Verweigerung des rechtlichen Gehörs fuhrt dazu, dass der Schiedsspruch aufgehoben werden muss, soweit er darauf beruhen kann (BGH, a. a. O.). Vorliegend war der Schiedsspruch in vollem Umfang aufzuheben, da der nach ihm zu zahlende Ausgleichsbetrag von 20.000,- DM von den vom Antragsgegner zur Aufrechnung gestellten - im Übrigen von der Antragstellerin nicht bestrittenen - Forderungen und der erfolgten Teilzahlung von 5.077,49 DM vollständig aufgezehrt wird.
dd)
Ob daneben auch ein unter § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO fallender erheblicher Begründungsmangel des Schiedsspruchs zu bejahen ist, bedarf keiner Entscheidung mehr.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Streitwert bemisst sich nach § 3 ZPO.
Summary
Die Parteien (Mitglieder einer Rechtsanwaltssozietät) hatten im Jahr 1995 vereinbart, für den Fall von Rechtsstreitigkeiten vor Anrufung der Gerichte den Vorstand der Rechtsanwaltskammer um "Vermittlung" zu bitten und sich einem "Einigungsvorschlag" der Kammer zu unterwerfen. In einem beiden Parteien übersandten schriftlichen Protokoll der Rechtsanwaltskammer vom 12.01.2001 wurde festgehalten dass die Parteien einen "bindenden Einigungsvorschlag" wünschten und der Weg zu den ordentlichen Gerichten ausgeschlossen sein sollte. Nach Einleitung eines Verfahrens vor der Rechtsanwaltskammer unterbreitete diese mit Schreiben vom 13.10.2004 einen "Vorschlag", wonach der Antragsgegner an die Antragstellerin einen Betrag von 20.000 DM zahlen sollte, wobei der Vorschlag erkennbar den Abschluss des Verfahrens bildenden sollte. Die Antragstellerin beantragte Vollstreckbarerklärung, der Antragsgegner Aufhebung des Schiedsspruchs, und zwar mit der Begründung, dass von ihm vor Erlass des "Vorschlags"“ geleistete Zahlungen nicht berücksichtigt worden seien bzw. man sich mit den von ihm zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht auseinandergesetzt habe. Der Senat hat den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückgewiesen und den Schiedsspruch aufgehoben.
Der Senat hat eine wirksame Schiedsvereinbarung jedenfalls in dem von den Parteien unwidersprochen gebliebenen Protokoll der Kammer vom 12.01.2001 gesehen. Ferner lag in seinen Augen ein den Anforderungen des § 1054 ZPO genügender Schiedsspruch vor. Das Schreiben der Kammer vom 13.10.2004 sei zwar als "Vorschlag" bezeichnet, lasse aber hinreichend deutlich erkennen, dass es den Abschluss des Verfahrens bilden sollte. Der Schiedsspruch war jedoch nach Ansicht des Senats wegen Verstoßes gegen den ordre public aufzuheben, da die Kammer in mehrfacher Hinsicht gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen habe (Nichtberücksichtigung geleisteter Zahlungen, keine Auseinandersetzung mit den vom Antragsgegner zur Aufrechnung gestellten Forderungen). Ob diese Versäumnisse auch einen unter § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO fallenden erheblichen Begründungsmangel des Schiedsspruchs darstellten, konnte nach Ansicht des Senats dahingestellt bleiben. Die vollständige Aufhebung des Schiedsspruch war nach seinen Feststellungen geboten, weil die zuerkannten 20.000 DM von der erfolgten Teilzahlung und den zu Recht zur Aufrechnung gestellten Forderungen vollständig aufgezehrt worden seien.