Gericht | OLG München | Aktenzeichen | 34 Sch 22/16 | Datum | 22.11.2016 |
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Leitsatz | |||||
1. Vollstreckbarerklärung eines keine Ortsangabe enthaltenden Feststellungsschiedsspruchs einschließlich seines die Widerklage abweisenden Teils und der Kostengrundentscheidung. (amtlicher Leitsatz) 2. Dass der Schiedsspruch entgegen § 1054 Abs. 3 ZPO keine ausdrückliche Angabe über den Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens enthält macht den Schiedsspruch weder unwirksam noch zwingend ergänzungsbedürftig, wenn der Schiedsort aus den Umständen oder aus einer zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern ausdrücklich getroffenen Vereinbarung hergeleitet werden kann. 3. Für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs besteht auch dann ein rechtlich anzuerkennendes Interesse, wenn der Schiedsspruch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Die Vollstreckbarerklärung dient nicht nur dazu, die Zwangsvollstreckung (§ 1060 Abs. 1, § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO) zu ermöglichen; sie soll den Schiedsspruch vielmehr auch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen sichern. 4. Dass eine Begleichung der dem Antragsgegner auferlegten Verfahrenskosten allein aufgrund der Vollstreckbarerklärung der Kostengrundentscheidung schon deshalb nicht (mehr) im Raum steht, weil auf Antrag inzwischen auch ein Kostenschiedsspruch nach § 1057 Abs. 2 Satz 2 ZPO erlassen wurde, steht dem nicht entgegen. | |||||
Rechtsvorschriften | §§ 1054 Abs. 3, 1057 Abs. 2 S. 2; 1060 Abs. 1 ZPO | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruches; Fehlen der Angabe des Orts des schiedsrichterlichen Verfahrens; Kostenschiedsspruch; Schiedsspruch ohne vollstreckbaren Inhalt; Rechtsschutzbedürfnis | ||||
Volltext | |||||
Beschluss Das aus den Schiedsrichtern Dr. H, Dr. I und Dr. J bestehende Schiedsgericht erließ in dem zwischen dem Antragsteller als Schiedskläger und dem Antragsgegner als Schiedsbeklagtem geführten Schiedsverfahren am 20. Mai 2016 in München folgenden Schiedsspruch: 1. Es wird festgestellt, dass durch das Kündigungsschreiben des Schiedsbeklagten vom 04.10.2012 der Schiedsbeklagte zum 31.12.2013 aus der gemeinsamen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (Dr. m. K und Dr. m. L, Fachärzte für Chirurgie, Gesellschaft des bürgerlichen Rechts) ausschied und seine 50 prozentige Beteiligung an dieser gemeinsamen Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, betrieben an den Standorten M und N, dem Schiedskläger gegen Zahlung einer Abfindung gemäß § 12 Nr. 1 i. V. m. § 12 Nr. 2b i. V. m. § 12 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrags vom 01. Oktober 2000 anwächst. 2. Die Widerklagen werden abgewiesen. 3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. II. Dieser Schiedsspruch wird für vollstreckbar erklärt. III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens. IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. V. Der Streitwert wird auf 115.175 € festgesetzt. Gründe: I. Die Parteien waren die Gesellschafter einer mit Vertrag vom 1.10.2000 gegründeten zweigliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts, zu der sie sich zum Betrieb einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis an Standorten in München zusammengeschlossen hatten. In dem zwischen ihnen geführten Schiedsverfahren begehrte der Antragsteller als Schiedskläger die Feststellung, dass der Antragsgegner und Schiedsbeklagte aufgrund der Kündigung vom 4.10.2012 zum 31.12.2013 aus der Gesellschaft ausgeschieden sei und dessen Hälfteanteil dem Schiedskläger gegen Abfindungszahlung angewachsen sei. Der Schiedsbeklagte hatte widerklagend die Feststellung begehrt, dass die Gesellschaft durch die Kündigung vom 4.10.2012 mit sofortiger Wirkung beendet worden sei. Außerdem machte er verzinsliche Zahlungsansprüche von 1.641,96 € und 13.533,85 €, hilfsweise die Feststellung geltend, dass die bezifferten Ansprüche in die Auseinandersetzungsbilanz einzustellen seien. Nach dem zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern für das Verfahren geschlossenen Vertrag (§ 9) ist München der Sitz des Schiedsgerichts. Am 20.5.2016 erließ das Schiedsgericht einen Schiedsspruch mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Inhalt. Eine Ortsangabe enthält der Schiedsspruch nicht. Unter Vorlage des Spruchs im Original hat der Antragsteller beantragt, den Schiedsspruch umfassend für vollstreckbar zu erklären. Er hat geltend gemacht, dass keine Aufhebungsgründe vorlägen und der Antragsgegner trotz Aufforderung seiner dem Grunde nach titulierten Kostenerstattungspflicht nicht nachgekommen sei. Außerdem würde die Vollstreckbarerklärung die endgültige Streiterledigung erleichtern. Die fehlende Vollstreckungsfähigkeit stehe einem berechtigten Interesse an der Vollstreckbarerklärung nicht entgegen. Der Antragsgegner hält den Antrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig. Er hat deshalb die kostenpflichtige Antragszurückweisung beantragt. II. Dem Antrag ist stattzugeben. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es hierzu nicht, weil es an der begründeten Geltendmachung von Aufhebungsgründen fehlt (vgl. BGHZ 142, 204/207). 1. Der Antrag ist zulässig. a) Das Oberlandesgericht München ist zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs (§ 1025 Abs. 1, § 1043 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012 (GVBl S. 295). b) Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung sind durch die Vorlage des unterschriebenen Schiedsspruchs im Original erfüllt (§ 1064 Abs. 1, § 1054 ZPO). Dieser enthält zwar entgegen § 1054 Abs. 3 ZPO nur den Tag, an dem er erlassen wurde, hingegen keine ausdrückliche Angabe über den Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens. Das macht den Schiedsspruch aber weder unwirksam noch zwingend ergänzungsbedürftig, weil der Schiedsort aus den Umständen und insbesondere aus § 9 der zwischen den Parteien und den Schiedsrichtern ausdrücklich getroffenen Vereinbarung hergeleitet werden kann (vgl. Senat vom 25.2.2013, 34 Sch 12/12 = SchiedsVZ 2013, 231 m. Anm. Münch; vom 2.3.2011, 34 Sch 6/11 = SchiedsVZ 2011, 167; OLG Stuttgart NJW-RR 2003, 1438/1439; Zöller/Geimer ZPO 31. Aufl. § 1054 Rn. 10; Thomas/Putzo ZPO 37. Aufl. § 1054 Rn. 8; a. A. MüKo/Münch ZPO 4. Aufl. § 1054 Rn. 35; Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 1756 ff.). c) Für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs besteht ein rechtlich anzuerkennendes Interesse, obwohl der Schiedsspruch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Dass eine Begleichung der dem Antragsgegner auferlegten Verfahrenskosten allein aufgrund der Vollstreckbarerklärung der Kostengrundentscheidung schon deshalb nicht (mehr) im Raum steht, weil auf Antrag inzwischen auch ein Kostenschiedsspruch nach § 1057 Abs. 2 Satz 2 ZPO erlassen wurde, steht dem nicht entgegen. Die Vollstreckbarerklärung dient nicht nur dazu, die Zwangsvollstreckung (§ 1060 Abs. 1, § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO) zu ermöglichen; sie soll den Schiedsspruch vielmehr auch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen sichern. Gemäß § 1059 Abs. 3 Satz 4 ZPO kann der Aufhebungsantrag nur dann - stets - nicht mehr gestellt werden, wenn der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt worden ist (BGH NJW-RR 2006, 995/996). Dass die endgültige Erledigung des Streits gefördert werden kann, indem jeder Zweifel an der Wirksamkeit und Bestandskraft des Schiedsspruchs (§ 1055 ZPO) mit der Vollstreckbarerklärung ausgeräumt wird, ist schon deshalb anzunehmen, weil die wirtschaftliche Auseinandersetzung der Parteien aus Anlass der Auflösung der Gesellschaft noch bevorsteht. Der Spruch enthält Feststellungen über das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien und mit dem Ausspruch zur Widerklage weitere Vorgaben, die für die Berechnung des Auseinandersetzungsanspruchs von maßgeblicher Bedeutung sind. Entsprechendes gilt hinsichtlich der dem Grunde nach titulierten Kostentragungspflicht. 2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Aufhebungsgründe (§ 1059 Abs. 2 ZPO) sind weder begründet geltend gemacht noch ersichtlich. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Der Streitwert entspricht dem Wert des Schiedsverfahrens (§ 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO). | |||||
Summary | |||||
The applicant asked the Higher Regional Court of Munich for a declaration of enforceability of an arbitral award. The court declared the award enforceable. The application fulfilled the formal requirements for the declaration of enforceability, although the arbitral award, contrary to section 1054 subsec. 3 of the German Code of Civil Procedure (ZPO), only contained the date on which it was issued, but did not indicate of the place of the arbitral proceedings. The court found that this did not render the arbitral award ineffective or in need of supplementation, because the place of arbitration could be derived from the circumstances and in particular from an agreement expressly reached between the parties and the arbitrators. The court further found that the applicant also had a legally recognisable interest in the declaration of enforceability of the arbitral award, although the arbitral award itself did not have an enforceable content. The fact that reimbursement of the procedural costs imposed on the party opposing the application in the arbitral award, which contained a basic decision on costs, was not (or no longer) an issue, because an arbitral award on costs pursuant to section 1057 subsec. 2 sentence 2 ZPO had meanwhile also been issued, did not preclude this. The declaration of enforceability not only serves to enable enforcement (section 1060 subsec. 1, section 794 subsec. 1 no. 4 lit. a ZPO), but is also intended to secure the arbitral award against the assertion of grounds for setting aside. According to section 1059 subsec. 3 sentence 4 ZPO, the application for setting aside can no longer be filed if the arbitral award has been declared enforceable. That the final settlement of the dispute between the party could be promoted by removing any doubts as to the validity and enforceability of the arbitral award with a declaration of enforceability declaration was to be assumed because the economic dispute between the parties was still pending with regard the dissolution of the company both parties had been part of. The award contained statements on the legal relationship between the parties and further specifications which were of decisive importance for the calculation of the claims. |