34 Sch 17/16


Gericht OLG München Aktenzeichen 34 Sch 17/16 Datum 11.08.2016
Leitsatz
1. Zur (teilweisen) Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs, der neben dem Kostenausgleich unter den Schiedsparteien auch einen Betrag tenoriert, den der Schiedsbeklagte dem Schiedsgericht zu erstatten hat. (amtlicher Leitsatz) 2. Die nach § 1057 ZPO - soweit möglich - bereits im Ausgangsschiedsspruch zu treffende Entscheidung über die Kosten enthält über die Erstattung verauslagter Kosten der einen Partei durch die andere Partei eine notwendige Fixierung und unbedenkliche Tenorierung. Unzulässig ist eine derartige Erstattungsanordnung zugunsten der einen Partei nicht deshalb, weil damit auch die Gebühren des institutionellen Schiedsgerichts und seiner Schiedsrichter mitumfasst sind. 3. Dass der Schiedsspruch wegen ungedeckter Kosten auch eine Verpflichtung des Antragsgegners ausspricht, dem Schiedsgericht einen Betrag zu erstatten, steht der Vollstreckbarerklärung, was den ebenfalls durchgeführten Kostenausgleich unter den Parteien angeht, nicht entgegen. Mag auch der Schiedsspruch insoweit ein Richten in eigener Angelegenheit und somit einen Verstoß gegen den materiellen ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO) beinhalten, so „infiziert“ der unzulässige Teil nicht die Anordnung der Kostenerstattung im Übrigen. 4. Der in der Formulierung unbeschränkte Parteiantrag kann entsprechend § 133 BGB dahin ausgelegt werden, dass Vollstreckbarerklärung nur begehrt wird, soweit dem Antragsteller selbst ein Anspruch auf Zahlung bestimmter Geldbeträge (Hauptsache sowie Erstattungsforderung) gegen die Antragsgegnerin zuerkannt wurde.
Rechtsvorschriften§§ 1057, 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b, 1060 Abs. 1 ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteVollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruches; Auslegung des Antrages auf Vollstreckbarkeitserklärung; Kostenentscheidung; Richten in eigener Sache, Verstoß gegen den ordre public
Volltext
Beschluss
I. Das aus den Schiedsrichtern D als Obmann, E und F bestehende Schiedsgericht der Bayerischen Warenbörse München-Landshut e. V. erließ in dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagten geführten Schiedsverfahren am 13. April 2016 in München folgenden Schiedsspruch: 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 3.477,50 zu bezahlen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Diese betragen insgesamt Euro 2.646,38 bestehend aus den Schiedsgerichtskosten in Höhe von Euro 2.014,00 zzgl. 19% USt. in Höhe von Euro 382,66, welche die Beklagte der Klägerin zu erstatten hat sowie Reisekosten/Auslagen der Schiedsrichter in Höhe von Euro 249,72, welche die Beklagte dem Schiedsgericht zu erstatten hat. II. Dieser Schiedsspruch wird in Ziffer 1 umfassend und in Ziffer 2 in der Kostengrundentscheidung (Satz 1) sowie in der Entscheidung zur Höhe (Satz 2) hinsichtlich eines von der (Schieds-)Beklagten der (Schieds-)Klägerin zu erstattenden Betrags in Höhe von 2.014,00 € zuzüglich 19 % USt. in Höhe von 382,66 € (= 2.396,66 €) – ausgenommen bleibt die Kostenerstattungsanordnung zugunsten des Schiedsgerichts im Betrag von 249,72 € - für vollstreckbar erklärt. III. Die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. V. Der Streitwert wird auf 5.874 € festgesetzt. Gründe:
I. In dem Schiedsverfahren zwischen der in Mindelheim (Bayern) ansässigen Antragstellerin als Schiedsklägerin und der in Sachsen ansässigen Antragsgegnerin als Schiedsbeklagten wegen offener Rechnungen für die Lieferung von ca. 125 to Rapsschrot aufgrund Kontrakts vom 30.4.2014 erließ das mit drei Schiedsrichtern besetzte Schiedsgericht der Bayerischen Warenbörse München-Landshut e. V. am 13.4.2016 in München einen mit Rechtsmittelbelehrung versehenen Schiedsspruch, mit dem die Beklagte verpflichtet wurde, an die Klägerin 3.477,50 € zu zahlen (Ziffer 1). Weiter sprach das Schiedsgericht aus, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (Ziffer 2 Satz 1) und diese insgesamt 2.646,38 €, betragen, bestehend aus Schiedsgerichtskosten zu 2.014 € zuzüglich 19 % USt in Höhe von 382,66 €, welche die Beklagte der Klägerin zu erstatten hat, sowie Reisekosten/Auslagen der Schiedsrichter in Höhe von Euro 249,72, welche die Beklagte dem Schiedsgericht zu erstatten hat. (Ziffer 2 Satz 2) Die dem Verfahren zugrundeliegende Schiedsgerichtsordnung (SGO) für das Schiedsgericht der Bayerischen Warenbörse vom 1.8.1978 i. d. F. vom 1.6.2008 regelt in Abschnitt III. das Verfahren vor dem Schiedsgericht und in § 24 Ziff. 1 die Beendigung des schiedsrichterlichen Verfahrens - von hier nicht einschlägigen Fällen abgesehen - mit dem endgültigen Schiedsspruch. Dieser muss gemäß § 22 Ziffer 1 SGO neben der Bezeichnung der Schiedsrichter und der Parteien einen Ausspruch zur Sache und über die Kosten sowie Entscheidungsgründe enthalten. Gemäß Abschnitt IV. (§§ 28 ff. SGO) steht den Parteien gegen den Schiedsspruch das Rechtsmittel der Berufung zum Oberschiedsgericht offen, das binnen einer Frist von 10 Geschäftstagen nach Zustellung oder Empfang des Schiedsspruchs einzulegen ist. Nach § 31 Buchst. a) SGO erteilt der Vorsitzende des Schiedsgerichts auf Verlangen Bescheinigungen darüber, dass Berufung nicht eingelegt wurde. Die Kosten regelt Abschnitt VI.: § 37 SGO schlüsselt die Gebühren des Schiedsgerichts nach Gebührentatbestand und Gebührenhöhe auf; § 38 SGO bestimmt zur Kostentragung, dass die Gebühren und Auslagen von der unterliegenden Partei getragen werden. Unter Vorlage des Schiedsspruchs sowie einer Bescheinigung, dass innerhalb der bezeichneten Frist keine Berufung beim Oberschiedsgericht eingelegt wurde, jeweils im Original, hat die Antragstellerin die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs beantragt. Die Antragsgegnerin hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, hiervon aber keinen Gebrauch gemacht. II. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist im begehrten Umfang erfolgreich. 1. Die Zuständigkeit des angerufenen Oberlandesgerichts München folgt aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012 (GVBl S. 295). 2. Der in der Formulierung unbeschränkte Parteiantrag kann entsprechend § 133 BGB dahin ausgelegt werden, dass Vollstreckbarerklärung nur begehrt wird, soweit der Antragstellerin selbst ein Anspruch auf Zahlung bestimmter Geldbeträge (Hauptsache sowie Erstattungsforderung) gegen die Antragsgegnerin zuerkannt wurde. Schiedssprüche sind zwar nicht nur insoweit für vollstreckbar zu erklären, als sie (für die Partei) einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben (vgl. BGH SchiedsVZ 2006, 278). Vielmehr dient die (umfassende) Vollstreckbarerklärung (auch) dazu, den Schiedsspruch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen zu sichern (BGH a. a. O.; zum alten Recht BGHZ 99, 143/148). Abgesehen davon, dass ein umfassendes „Immunisierungsinteresse“ der Antragstellerin nicht erkennbar ist, hat diese auch zu erkennen gegeben, ein solches nicht zu verfolgen. Den schriftlichen Hinweis des Senatsvorsitzenden, dass zum Kostenausspruch eine Vollstreckbarerklärung für Reisekosten/Auslagen der Schiedsrichter selbst nicht in Betracht komme, hat sie nämlich ohne Widerspruch hingenommen. 2. Die formellen Voraussetzungen für eine Vollstreckbarerklärung in diesem Umfang sind durch Vorlage des Originals des Schiedsspruchs sowie der Bescheinigung, dass Berufung beim Oberschiedsgericht nicht eingelegt wurde, erfüllt (§ 1064 Abs. 1 ZPO). Die zur Vollstreckbarerklärung gestellte Entscheidung stellt sich ihrem Inhalt nach als endgültiger Schiedsspruch im Sinne von § 24 Ziffer 1 SGO dar, mit dem das Verfahren beendet wurde. 3. Der Schiedsspruch kann im begehrten Umfang zugunsten der Antragstellerin für vollstreckbar erklärt werden. a) Der im Original unterschriebene Schiedsspruch weist neben dem inländischen Schiedsort das Erlassdatum aus (§ 1054 Abs. 3 ZPO) und entspricht den (übrigen) gesetzlichen Formvorschriften (§ 1054 Abs. 1 und 2 ZPO). b) Versagungs- oder Aufhebungsgründe i. S. v. § 1060 Abs. 2, § 1059 Abs. 2 ZPO sind, was die Entscheidung zur Hauptsache (Ziffer 1) und die Kostengrundentscheidung (Ziffer 2 Satz 1; siehe dazu BGH SchiedsVZ 2006, 278 Rn. 13) angeht, weder vorgetragen noch ersichtlich. 4. Der inmitten stehende Verstoß des Schiedsgerichts gegen § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO (ordre public) durch ein Richten in eigener Sache im Rahmen der Kosten(erstattungs)entscheidung hindert die Vollstreckbarerklärung des davon nicht betroffenen Teils im Übrigen nicht. a) Die nach § 1057 ZPO - soweit möglich - bereits im Ausgangsschiedsspruch zu treffende Entscheidung über die Kosten enthält über die Erstattung verauslagter Kosten der einen Partei (der Antragstellerin) durch die andere Partei (der Antragsgegnerin) eine insoweit notwendige Fixierung und unbedenkliche Tenorierung (vgl. etwa Zöller/Geimer § 1057 Rn. 1; MüKo/Münch ZPO 4. Aufl. § 1057 Rn. 4; Manner in Nedden/Herzberg ICC-SchO/DIS-SchO § 35 DIS-SchO Rn. 9). Unzulässig ist eine derartige Erstattungsanordnung zugunsten der einen Partei nicht deshalb, weil damit auch die Gebühren des institutionellen Schiedsgerichts und seiner Schiedsrichter mitumfasst sind (vgl. § 33 i. V. m. § 37 SchO). Denn nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 193, 38 Rn. 10; Senat vom 21.6.2012, 34 Sch 4/12 = SchiedsVZ 2013, 287/288) wird nur über den Erstattungsanspruch der Parteien untereinander entschieden (vgl. § 1055 ZPO), nicht hingegen im Hinblick auf die Gebührenansprüche zwischen dem Schiedsgericht und den Parteien (BGH a. a. O.). Die Höhe des Erstattungsanspruchs der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin lassen sich aufgrund der gewählten Fassung des Schiedsspruchs in Ziffer 2 (Satz 2) durch eine einfache Rechenoperation von weiteren - nicht im Voraus entrichteten - Kosten (des Schiedsgerichts) trennen. b) Die Unwirksamkeit des Schiedsspruchs insoweit, als er wegen ungedeckter Kosten auch eine Verpflichtung der Antragsgegnerin ausspricht, dem Schiedsgericht einen Betrag von 249,72 € zu erstatten, steht der Vollstreckbarerklärung, was den ebenfalls durchgeführten Kostenausgleich zugunsten der Antragstellerin angeht, nicht entgegen. Mag auch der Schiedsspruch insoweit ein Richten in eigener Angelegenheit und somit einen Verstoß gegen den materiellen ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO) beinhalten (vgl. BGH WM 1977, 319/320 f.; siehe auch BGHZ 193, 38 Rn. 6; Zöller/Geimer § 1057 Rn. 4; Übersicht bei Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 1886 ff.), so „infiziert“ der unzulässige Teil nicht die Anordnung der Kostenerstattung im Übrigen. Nach ständiger Rechtsprechung (BGH SchiedsVZ 2009, 176/178 Rn. 30; bereits RGZ 46, 419; siehe auch OLG Dresden vom 20.10.2010, 11 Sch 4/09 juris, für überschießende Vertragsstrafe; Zöller/Geimer § 1057 Rn. 5) lassen sich Aufhebung wie Vollstreckbarerklärung auf selbständige Teile des Schiedsspruchs beschränken. Das ist bei der hier gewählten Fassung der Kostenentscheidung durchaus noch der Fall. Zwar sind die Auslagen der Schiedsrichter durch die Parteivorschüsse offensichtlich nicht vollständig abgedeckt. Die durch Vorschüsse der Antragstellerin abgedeckten Teile sind jedoch bestimmbar und sind einem Ausgleich unter den Parteien entsprechend der Grundentscheidung (Satz 1) zugänglich. Dass ein Restbetrag von Kosten des Schiedsgerichts offensteht und nicht ausgeglichen wird, ist fehlerhaft, berührt aber die Wirksamkeit des Schiedsspruchs im Übrigen nicht. 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Der Streitwert ergibt sich aus § 48 Abs. 1 GKG, §§ 3, 4 und 5 ZPO. Dem Hauptsachebetrag hinzuzurechnen ist auch der zugleich durch den Schiedsspruch zuerkannte Kostenbetrag (vgl. Senat vom 23.2.2007, 34 Sch 31/06 juris).
Summary
The applicant asked the Higher Regional Court of Munich for a declaration of enforceability of an arbitral award. The court declared the award enforceable.
The court found that the application, which was unrestricted in its wording, was to be interpreted in accordance with section 133 of the German Civil Code (BGB) as meaning that a declaration of enforceability was only sought after insofar as the applicant had been granted a claim to the payment of certain sums of money (principal claim and claim for reimbursement) against the party opposing the application. The applicant accepted the court’s written indication that a declaration of enforceability for travel expenses of the arbitrators themselves could not be considered, without objection. The court held that a decision on the costs to be made under section 1057 of the German Code of Civil Procedure (ZPO) already in the original arbitral award contains a necessary fixation of the reimbursement of costs incurred by one party (the applicant) due to the other party. Such a refund order in favour of one party that also includes the fees for the arbitral institution and its arbitrators would not be inadmissible, because only the claim for reimbursement between the parties would be decided by it, but not the claims between the arbitral tribunal and the parties.
A possible infringement of section 1059 subsec. 2 no. 2 lit. b ZPO (public policy) due to a violation of the prohibition to judge in one’s own case with regard to the cost (reimbursement) decision by the arbitral tribunal did not prevent the declaration of enforceability of the other parts of the award. The invalidity of the arbitral award insofar as it also imposed an obligation on the party opposing the application to reimburse the arbitral tribunal an amount of € 249.72 on account of uncovered costs did not "infect" the order for reimbursement of costs in other respects. A declaration of enforceability can therefore be limited to independent parts of the arbitral award. According to the court, this was still possible regarding the application here. While the expenses of the arbitrators were not completely covered by the parties’ advances, the parts covered by the applicant were determinable and therefore able to be settled between the parties by the arbitral tribunal. The fact that a residual amount of costs of the arbitral tribunal was left open and not compensated was erroneous but did not affect the validity of the rest of the arbitral award.