6 Sch 4/12


Gericht OLG Hamburg Aktenzeichen 6 Sch 4/12 Datum 06.06.2012
Leitsatz
Rechtsvorschriften§§ 1060, 1062, 1064 ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAntrag auf Vollstreckbarerklärung eines Kostenschiedsspruchs
Volltext
B E S C H L U S S
Tenor
Der am 10. Februar 2012 erlassene Kostenschiedsspruch des Schiedsgerichts bestehend aus der Schiedsrichterin … als Vorsitzender und den Schiedsrichtern …, dessen Tenor zu 1) wie folgt lautet:
„Der Schiedsbeklagte wird verurteilt, an die Schiedsklägerin 76.303,53 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Dezember 2011 zu zahlen.
Der weitergehende Antrag der Schiedsklägerin wird zurückgewiesen."
wird für vollstreckbar erklärt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs über die Kosten eines inländischen Schiedsverfahrens.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 28.10.2004 erwarb die Antragstellerin von dem Antragsgegner dessen Geschäftsanteile an der... Gruppe (Anl. K 1). In § 11 („Steuerfreistellung") des Kaufvertrages verpflichtete sich der Antragsgegner, die Antragstellerin von im Umfang näher bezeichneten Steuerverbindlichkeiten freizuhalten (§ 11.2), darüber hinaus garantierte er im Wege eines unselbständigen Garantieversprechens für bestimmte Tatbestände (§11.3).
Unter Berufung auf diese Vertragsbestimmungen nahm die Antragstellerin (Schiedsklägerin) den Antragsgegner (Schiedsbeklagten) vor dem gem. § 18.9 des Kaufvertrages nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) konstituierten Schiedsgericht mit Sitz in Hamburg auf Erstattung von Steuern in Höhe von € 2.021.069,56 nebst Zinsen in Anspruch.
Mit Schiedsspruch vom 26.04.2011 (…) verurteilte das Schiedsgericht den Antragsgegner, an die Antragstellerin € 1.878,687,97 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2008 zu zahlen (Anl. K 2). Die weitergehende Schiedsklage wurde abgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens hatte die Antragstellerin 1/10 und der Antragsgegner 9/10 zu tragen.
Der Senat erklärte den Schiedsspruch mit Beschluss 16.09.2011, Az. 6 Sch 8/11, für vollstreckbar.
Unter dem 08.12.2011 beantragte die Antragstellerin beim Schiedsgericht, die Kosten des Schiedsverfahrens festzusetzen und die Verzinsung der vom Antragsgegner zu zahlenden festgesetzten Kosten mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem Eingang des Antrags auszusprechen (Anl. AG 1). Die ihr entstandenen Kosten bezifferte die Antragstellerin mit € 358.929,20. Davon machte sie € 328.036,28 (= 9/10) gegenüber dem Antragsgegner geltend.
Mit einem Kostenschiedsspruch vom 10.02.2012 hat das Schiedsgericht den Antragsgegner verurteilt, an die Antragstellerin € 76.303,53 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.12.2011 zu zahlen (Anl. K 3). Den weitergehenden Antrag der Antragstellerin hat es zurückgewiesen.
Die Antragstellerin beantragt,
den in dem Schiedsverfahren (…) zwischen den Parteien durch das Schiedsgericht bestehend aus der Schiedsrichterin … als Vorsitzender und den Schiedsrichtern … ergangenen und den Parteien übersandten und zugestellten Kostenschiedsspruch, durch den der Antragsgegner zur Zahlung von € 76.303,53 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.12.2012 an die Antragstellerin verurteilt worden ist, für vollstreckbar zu erklären,
den Beschluss für vorläufig vollstreckbar zu erklären,
dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag der Antragstellerin auf Vollstreckbarerklärung des Kostenschiedsspruchs unter Aufhebung des Kostenschiedsspruchs zurückzuweisen.
Der Antragsgegner meint, der Kostenschiedsspruch leide an derart gravierenden Fehlern, dass seine Vollstreckung im Sinne der §§ 1059, 1060 ZPO inakzeptabel sei.
Die vom Schiedsgericht mit insgesamt €4.114,74 zugesprochenen Reisekosten seien unverhältnismäßig hoch. Das Schiedsgericht habe die Anreise zu den mündlichen Terminen am … und am … mit nicht weniger als drei Rechtsanwälten von diversen Flughäfen in Deutschland ebenso anerkannt wie die Übernachtungskosten in erstklassigen und dementsprechend kostspieligen Hotels. Damit habe das Schiedsgericht gegen den das deutsche Zivilrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in einem Maße verstoßen, das nicht nur gegen einfach gesetzliche Verfahrensvorschriften des deutschen Zivilverfahrensrechts verstoße, sondern das wegen seiner eklatanten Unverhältnismäßigkeit auch im Rahmen dieses Aufhebungsverfahrens als inakzeptabel zu qualifizieren sei. Denn sowohl nach den Grundsätzen des deutschen Zivilprozessrechts, konkretisiert in RVG-VV Nr. 7003 bis 7006, als auch nach § 35.1 DIS-SchiedsO seien nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.
Der Kostenschiedsspruch sei auch deshalb aufzuheben, weil das Schiedsgericht der Antragstellerin ohne Rechtsgrundlage eine Verzinsung des ihr angeblich zustehenden Kostenerstattungsspruchs zugebilligt habe. Die analoge Heranziehung des § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO durch das Schiedsgericht sei wegen der Unterschiede zwischen dem staatlichen Verfahren und dem privaten Schiedsverfahren unzulässig. Auch § 35 DIS-SchiedsO, der eine abschließende Regelung zur Kostenentscheidung enthalte, sehe keine § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO entsprechende Regelung vor.
II.
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Kostenschiedsspruchs ist zulässig und begründet.
Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt im Bezirk des erkennenden Gerichtes. Der Antragsteller hat eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs vorgelegt. Damit ist der Vorschrift des § 1064 Abs.1 ZPO Genüge getan.
Von Amts wegen zu beachtende Aufhebungsgründe, die gemäß § 1060 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 1059 Abs. 2 ZPO die Vollstreckbarerklärung hindern würden, sind nicht gegeben. Auch Kostenentscheidungen sind als Schiedssprüche von den staatlichen Gerichten im Aufhebungs- und im Vollstreckungserklärungsverfahren gem. §§ 1059 ff ZPO überprüfbar, aber eben auch nur in den durch diese Bestimmungen gezogenen Grenzen. Der Prüfungsumfang ist dementsprechend auch bei Kostenschiedssprüchen durch das Verbot der „revision au fond" beschränkt. Im Aufhebungs- und Vollstreckungsverfahren geht es dem Staat nicht um die sachliche Nachprüfung des Schiedsspruchs. Die sachliche Unrichtigkeit ist ebenso wie bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Anerkennung ausländischer Urteile kein Aufhebungsgrund (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 1059 Rn. 74). Da Verfahrensfehler nicht gerügt werden, kommt hier nur eine Prüfung im Hinblick auf einen Verstoß gegen den ordre public gem. § 1059 Abs. 2, Nr. 2 b ZPO in Betracht (vgl. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Rn. 1917). Die vom Antragsgegner erhobenen Einwände im Hinblick auf die Reisekosten und die Verzinsung der Erstattungsansprüche rechtfertigen aber nicht die Befürchtung, dass die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland widerspricht.
Es kann dahinstehen, ob die Anerkennung der Reisekosten für die zwei Verhandlungstermine in Hamburg in Höhe von € 4.114,74 für zwei bzw. drei Rechtsanwälte und deren Unterbringung in erstklassigen Hotels im Einzelnen einer Überprüfung nach den gesetzlichen Regelungen in RVG-W Nr. 7003 bis 7006 standhalten würde. Für das Schiedsgericht waren es jedenfalls ausdrücklich Kosten, die gem. § 35.1 DIS-SchO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (vgl. auch § 1057 Abs. 1 S. 1 ZPO). Selbst wenn man dieser Wertung nicht folgen wollte, würde eine Vollstreckung des Schiedsspruchs nicht gegen den ordre public verstoßen. Denn die Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen Verstoßes gegen den inländischen ordre public setzt voraus, dass die Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechtes offensichtlich unvereinbar ist, das heißt wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht; der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen. Nicht jeder Widerspruch der Entscheidung des Schiedsgerichts zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts stellt danach einen Verstoß gegen den ordre public dar. Vielmehr muss es sich um eine nicht abdingbare Norm handeln, die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist (vgl. BGH NJW 2009, 1215 Tz. 5; Zöller/Geimer, a.a.O., § 1059 Rn. 47, 56 f). Diese Anforderungen erfüllen die Reisekostenregelungen in RVG-W Nr. 7003 bis 7006 ersichtlich nicht, zumal Nr. 7004 und Nr. 7006 durch die Verwendung des Begriffs „angemessen" eine Anpassung an die Umstände des Einzelfalls ermöglichen.
Die zugesprochenen Zinsen stehen einer Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs wegen eines Verstoßes gegen den ordre public gleichfalls nicht entgegen. Das Schiedsgericht hat den Zinsanspruch auf den Kostenerstattungsanspruch mit einer analogen Anwendung von § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO begründet. Der Antragsgegner weist zwar zutreffend darauf hin, dass sich Stimmen in der Literatur gegen eine Übertragung dieser Bestimmung aus dem staatlichen Zivilprozess auf die Kostenerstattung im Schiedsverfahren wenden (vgl. Lachmann, a.a.O., Rn. 1906; Risse/Altenkirch, SchiedsVZ 2012, 5, 14). Lachmann stützt seine Bedenken allerdings darauf, dass die Verzinsungspflicht in der staatlichen Gerichtsbarkeit ab Anbringung des Kostenfestsetzungsgesuchs angemessen sei, weil der Kostenfestsetzungsantrag erst nach Erlass des Urteils gestellt werden könne. Dagegen würden die Kosten im Schiedsverfahren schon vor Erlass der Hauptsacheentscheidung „mitgeteilt". Diese Problematik besteht hier aber nicht, weil die Antragstellerin den Antrag auf Kostenfestsetzung erst nach Erlass des Hauptsacheschiedsspruchs vom 26.04.2011 gestellt und auch die Verzinsung erst ab dem Eingang ihres Festsetzungsantrags vom 08.12.2011 beantragt hat (Anl. AG 1). Unabhängig davon wird die analoge Anwendung von § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO, auch unter Geltung der DIS-SchO, ausdrücklich befürwortet (Gerstenmaier, SchiedsVZ 2012, 1, 3). Als Anspruchsgrundlage für eine Verzinsung werden zudem vertreten § 291 BGB (Gerstenmaier, SchiedsVZ 2012, 1, 3) und § 1057 ZPO (Risse/Altenkirch, SchiedsVZ 2012, 5, 14). Vor diesem Hintergrund hat das Schiedsgericht mit ihrer Entscheidung für eine Verzinsung kein Ergebnis herbeigeführt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechtes offensichtlich unvereinbar ist oder das zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht (vgl. BGH NJW 2009, 1215 Tz. 5).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 1064 Abs. 2 ZPO.
 
Summary
The arbitral award on costs dated 10 February 2012 is enforceable.
Applicant requests an order of enforcement for an arbitral award on costs of a domestic arbitration. According to the award, respondent has to pay 76,303.53 € to claimant.
Respondent objected to the enforcement of the award due to alleged grave mistakes. The travelling costs awarded by the arbitral tribunal in the amount of 4,114.74 € would be disproportionately high. Respondent alleges that the arbitral tribunal has breached the principle of proportionality in an unbearable way. According to the principles of German Civil Procedure (ZPO) and section 35 DIS Rules, only the costs necessary for the claims preparation are reimbursed.
Respondent alleges further that the arbitral award must be annulled due to the fact that the arbitral tribunal awarded interest the costs of the proceedings to claimant without an adequate legal basis. The analogue application of section 104 paragraph 1, second sentence German Code of Civil Procedure could be applied in court proceedings only but not in arbitration.
The Higher Regional Court of Hamburg granted enforcement. It held that an arbitral award can only be annulled if the result of its enforcement would be a breach of a fundamental provision of the German rule of law. The provisions concerning reimbursement of travelling costs are not part of these fundamental principles.
The same reasoning applies to the objection concerning interest granted according to section 104 ZPO.