34 Sch 18/10


Gericht OLG München Aktenzeichen 34 Sch 18/10 Datum 30.07.2012
Leitsatz
Zur fehlenden Anerkennungsfähigkeit eines ausländischen (ukrainischen) Schiedsspruchs, der im Heimatstaat aufgehoben worden ist (hier: vereinbarungswidrige Bildung des Schiedsgerichts, Verstoß gegen die öffentliche Ordnung).
RechtsvorschriftenEuÜ Art. IX Abs. 1
UNÜ Art. V Abs. 2
ZPO §§ 1061, 1062 Abs. 1 Nr. 4
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
Stichworte
Volltext
B E S C H L U S S
I. Der Antrag, den in Kiew (Ukraine) am 11. Dezember 2009 ergangenen Schiedsspruch (Nr. 130g/2009) des aus den Schiedsrichtern bestehenden Internationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine für vollstreckbar zu erklären, wird abgelehnt.
II. Es wird festgestellt, dass der vorgenannte Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.
III. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens.
IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
V. Der Streitwert wird auf 350.000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Antragstellerin, eine Handelsgesellschaft ukrainischen Rechts, begehrt die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines zu ihren Gunsten in Kiew/Ukraine ergangenen Schiedsspruches.
Die Antragsgegnerin, eine deutsche Handelsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH, stellt unter anderem Rübenerntemaschinen her. Sie hatte unter dem 11.3. 2005, geändert durch Nachtrag Nr. 2 vom 1.4.2005, einen Händlervertrag mit der Antragstellerin geschlossen und dieser für ihre Maschinen ein Alleinvertriebsrecht für das Gebiet der Ukraine eingeräumt. Unter Abschnitt 15 des Vertrags ist folgende Rechtswahl getroffen und folgende Schiedsklausel vereinbart:
Der vorliegende Vertrag wurde nach den Gesetzen der Ukraine errichtet und unterliegt diesen. Jede Streitigkeit, Auseinandersetzung oder Forderung, welche aus oder in Zusammenhang mit diesem Vertrag entsteht, ferner Bruch des Vertrages, seine Kündigung oder seine Gültigkeit werden ausschließlich und endgültig beigelegt durch einen Schiedsspruch in Übereinstimmung mit den Schiedsgerichtsregeln der Handels- und Industriekammer der Ukraine. Das Schiedsgerichtsverfahren ist in Kiew in englischer Sprache durchzuführen.
Die Anlage Nr. 2 enthält sinngemäß folgende Regelung:
… H. (= die Antragsgegnerin) verpflichtet sich, Strafsanktionen in Höhe der Händler-Marge (11 % vom Preis für eine neue Maschine) nach Abzug von 3.000,00 Euro für jeden nachgewiesenen Verstoß an den Dealer (= Antragstellerin) zu zahlen, wenn H. zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb der Laufzeit des Vertrages auf dem Vertragsgeltungsterritorium eigenständig oder mit Hilfe ihrer Tochtergesellschaft neben dem Dealer und unabhängig von diesem als Verkäuferin ihrer Waren, mit Ausnahme von den langjährigen Kunden der H. in der Ukraine in Übereinstimmung mit der Anlage Nr. 2 auftreten wird.

Da die Antragsgegnerin entgegen dem mit der Antragstellerin abgeschlossenen Vertrag zehn Zuckerrübenerntemaschinen unmittelbar an eine dritte Partei in der Ukraine verkauft hatte, erhob die Antragstellerin beim Internationalen Kommerziellen Schiedsgericht bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine (IKSG) Schiedsklage und machte eine Vertragsstrafe in Höhe von 353.242,00 € geltend. Die Antragsgegnerin beantragte Klageabweisung und erhob Widerklage u.a. mit dem Antrag, festzustellen, dass die Bestimmungen des ersten und zweiten Absatzes auf Seite 2 des Anhangs Nr. 2 zum Händlervertrag ungültig sind, ferner, die Antragstellerin zur Zahlung eines Schadensausgleichs wegen entgangenem Gewinn zu verurteilen, da nicht die im Vertrag vereinbarte Menge an Maschinen verkauft worden sei.
Das Schiedsgericht erließ am 11.12.2009 schließlich folgenden Schiedsspruch:
Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, unverzüglich nach Erhalt des vorliegenden Schiedsspruchs der Antragstellerin 345.100,00 € als Vertragsstrafe aufgrund der Verletzung der Bestimmungen des Händlervertrages Nr. 001/2005 vom 11. März 2005 einschließlich seiner Änderungen und Nachträge aus Anhang Nr. 2 vom 1. April 2005 zum Vertrag, 10.389,37 € als Rückerstattung der Schiedsgebühr und 111,14 € als eine Hälfte der Vorabzahlung für die Übersetzungskosten während des Schiedsverfahrens, also insgesamt 355.600,51 € zu zahlen.
Im Übrigen wies das Gericht Klage und Widerklage ab. Der Schiedsspruch wurde der Antragsgegnerin am 18.2.2010 zugestellt.
Auf Antrag der Antragsgegnerin wurde der Schiedsspruch, soweit er deren Verurteilung zum Inhalt hatte, durch Entscheidung des Bezirksgerichts Kiew vom 9.9.2010 aufgehoben. Das Gericht führte zur Begründung aus, dass die zwischen den Parteien abgeschlossene Händlervereinbarung gegen ukrainisches Recht verstoße und darum der Annullierung unterliege. Außerdem sei auch die Zuständigkeit des IKSG nicht vereinbart worden. Die Parteien hätten nur festgelegt, dass ein Schiedsgericht die Streitigkeit entscheiden müsse, jedoch nicht welches.
Das Rechtsmittel der Antragstellerin hat das Appellationsgericht der Stadt Kiew am 27.10.2010 zurückgewiesen. Die Entscheidung des Stadtgerichts sei zutreffend, insbesondere in Einklang mit den geltenden ukrainischen Gesetzen. Der Schiedsspruch verstoße gegen den ordre public, er unterliege deshalb der Aufhebung durch das staatliche Gericht. Die Vereinbarung zur Zahlung einer Vertragsstrafe verstoße gegen Art. 12 des Gesetzes über den Schutz der Rechte von Käufern landwirtschaftlicher Maschinen, weil sie ein Hindernis für die Käufer solcher Maschinen darstelle. Die Antragsgegnerin werde damit verpflichtet, gegen die geltenden Gesetze der Ukraine zu verstoßen. Daher widerspreche die Entscheidung des IKSG der inländischen öffentlichen Ordnung. Das weitere Rechtsmittel der Antragstellerin hatte keinen Erfolg. Das Fachgericht der Ukraine in Zivil- und Kriminalsachen entschied am 15.2.2011, dass die Vorentscheide nicht abgeändert würden. Diese Entscheidung wurde am 7.5.2012 vom Hohen Gericht der Ukraine bestätigt.
Unter Vorlage des Schiedsspruchs in beglaubigter Abschrift und Übersetzung hat die Antragstellerin unter dem 18.6.2010 dessen Vollstreckbarerklärung beantragt.
Die Antragsgegnerin hat sich dem Antrag widersetzt und bringt dazu im Wesentlichen vor:
1. Der Schiedsspruch des IKSG sei von den staatlichen Gerichten der Ukraine aufgehoben worden.
2. Das IKSG sei für die Entscheidung nicht zuständig gewesen, worauf sie während des Schiedsverfahrens auch mehrmals hingewiesen habe.
In der Schiedsklausel sei nur die Entscheidung durch „Arbitration“ vereinbart worden. Die Schiedsklausel enthalte keinerlei Aussagen darüber, durch wen die „Arbitration“ durchgeführt werden solle. Der Hinweis auf die Regeln der Handels- und Industriekammer der Ukraine sei kein Indiz dafür, dass sich die Parteien darauf geeinigt hätten, das Schiedsverfahren auch vor dieser Institution durchzuführen. Vielmehr sei das Vertrauen beider Parteien in die Kompetenz und Unabhängigkeit staatlicher Institutionen und behördlicher Gremien in der Ukraine nicht groß gewesen, weshalb man die Zusammensetzung im Einzelfall habe selbst bestimmen wollen, um Sachkunde und Unabhängigkeit der Schiedsrichter zu gewährleisten.
3. Das Verfahren vor dem IKSG sei mit schwerwiegenden Fehlern behaftet gewesen; diese Mängel begründeten einen Verstoß gegen den deutschen ordre public. So sei entgegen der Sprachenregelung das Verfahren nicht durchwegs in englischer Sprache geführt worden, nicht alle drei Schiedsrichter seien der Sprache auch mächtig gewesen und Dolmetscher nicht umfassend hinzugezogen worden. Das Schiedsgericht sei, was sie auch gerügt habe, nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Ihr sei nicht mitgeteilt worden, ob die beiden von den Parteien benannten Schiedsrichter den Obmann ausgewählt hätten oder ob infolge fehlender Übereinstimmung eine Bestimmung durch den Präsidenten der Handelskammer vorgenommen worden sei. Ebenso sei ihr die Einsicht in die Erklärungen der Schiedsrichter über deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verweigert worden. Das Schiedsgericht sei auch deshalb fehlerhaft besetzt gewesen, weil der Vorsitzende als Mitglied der Exekutive von der Ausübung des Amtes durch entsprechende ukrainische Rechtsvorschriften ausgeschlossen gewesen sei.
4. Das Urteil sei inhaltlich falsch. So habe das Gericht seine Zuständigkeit fehlerhaft begründet. Das Schiedsgericht sei auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin die Berechtigung der Vertragsstrafe anerkannt habe. Diese habe ihre Verteidigung vielmehr in erster Linie darauf gestützt, dass die Regelungen des Händlervertrages gegen zwingendes ukrainisches Recht verstoßen würden. So ergebe sich aus Art. 4 und 12 des ukrainischen Gesetzes über den Schutz der Rechte von Käufern landwirtschaftlicher Maschinen, dass jegliche Einschränkungen der Käufer bei der Auswahl des Händlers unzulässig seien. Dies habe das Schiedsgericht evident verkannt. Schließlich entbehre auch die Begründung des Schiedsgerichts zur Abweisung der Widerklage jeglicher Logik.
Die Antragstellerin erwidert hierauf im Wesentlichen:
1. Ein Verstoß gegen Art. IX Abs. 1 Buchst. a) bis d) EuÜ sei nicht begründet geltend gemacht. Außerdem sei die Aufhebung des Schiedsspruchs in der Ukraine für die inländische Vollstreckbarerklärung bedeutungslos. Darüber hinaus hätte bereits das Bezirksgericht der Stadt Kiew die Aufhebungsklage der Antragsgegnerin als unzulässig verwerfen müssen, weil der Antrag verfristet gewesen sei.
2. Die Antragsgegnerin habe nicht rechtzeitig die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt. Im Schriftsatz vom 6.5.2009 habe sie sich diese Rüge nur vorbehalten. Tatsächlich erhoben habe sie die Rüge zu keinem Zeitpunkt. Sie habe sich vielmehr mit späterem Schriftsatz zur Begründung der Zuständigkeit für ihre Widerklage auf die Schiedsklausel bezogen. Somit habe das Schiedsgericht seine Zuständigkeit bereits aufgrund Prorogation zutreffend angenommen. Darüber hinaus sei die Auffassung des Schiedsgerichts, es sei zuständig, zutreffend.
Die Zuständigkeitsrüge verstoße auch gegen Treu und Glauben, weil man nicht einerseits Widerklage zum IKSG erheben und andererseits dessen Unzuständigkeit rügen könne.
3. Aus dem Schiedsspruch (S. 22) ergebe sich, dass das Verfahren in englischer Sprache geführt worden sei. Das Schiedsgericht sei auch nicht verpflichtet gewesen, Dolmetscher für die Parteien beizubringen. Dass die Parteien eigene Dolmetscher gestellt hätten, widerspreche nicht den vereinbarten Schiedsregeln.
4. Der Obmann des Schiedsgerichts sei der Schiedsordnung entsprechend von den beiden Beisitzern bestimmt worden. Die Antragsgegnerin sei mit dieser Rüge auch präkludiert. Darüber hinaus hätte ein Fehler auch keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Schiedsspruchs, ebenso wenig wie die Frage, ob der Vorsitzende Mitglied der ukrainischen Exekutive gewesen sei und deshalb durch die Übernahme des Amtes gegen Dienstpflichten verstoßen habe. Gleiches gelte für den Vortrag der Antragsgegnerin, die Schiedsrichter hätten die erforderlichen Formularerklärungen über ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit nicht abgegeben. Im Übrigen lägen diese vor und hätten auf schriftlichen Antrag eingesehen werden können.
5. Auch im Übrigen lägen keine Verfahrensmängel vor, die einer Vollstreckbarerklärung entgegenständen.
6. Die Frage, ob der Händlervertrag gegen ukrainisches Recht verstoße, sei von den deutschen Gerichten nicht zu prüfen.
Soweit ein Verstoß gegen das GWB in Betracht komme, sei nicht der erkennende Senat, sondern der Kartellsenat zur Entscheidung berufen Ein etwaiger Verstoß gegen Kartellrecht außerhalb der EU könne nur unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen den großzügigeren internationalen ordre public beurteilt werden. Ein Schiedsspruch, der sich in rechtlich vertretbaren Grenzen halte, stehe dazu nicht im Widerspruch. Die Entscheidung des IKSG hinsichtlich der kartellrechtlichen Problematik sei zudem vertretbar. Von einem nach deutschen Maßstäben unerträglichen Ergebnis könne nicht ausgegangen werden. Nach dem Vertrag bleibe es der Antragsgegnerin unbenommen, selbst zu verkaufen. In diesem Fall habe sie eine Vertragsstrafe in Höhe der Händlerprovision zu zahlen. Ein Käufer könne also unmittelbar mit der Antragsgegnerin kontrahieren, selbst wenn diese nicht so günstig kalkulieren könne wie die Antragstellerin. Derartige Händlerverträge mit Gebietsschutz seien auch in der EU nicht unüblich.
7. Art. 12 des Gesetzes der Ukraine über den Schutz der Käufer landwirtschaftlicher Maschinen schütze nicht das öffentliche, sondern nur das Individualinteresse, weil die Vorschrift nicht per se die Unwirksamkeit der Vereinbarung bestimme. Dies könne nur durch eine Vertragsanfechtung herbeigeführt werden. Weiterhin habe die Antragsgegnerin nicht belegt, inwiefern potentielle Käufer durch die Regelung behindert würden.
8. Die Antragsgegnerin habe sich in Widerspruch zu ihrem eigenen Vorgehen gesetzt, wenn sie einerseits beim Schiedsgericht die Feststellung der Nichtigkeit von Teilen des vertraglichen Anhangs Nr. 2 geltend mache, anderseits aber ihre Widerklage auf einen wirksamen Händlervertrag stütze. Sie handele auch arglistig, wenn sie sich auf einen ordre public-Verstoß berufe, andererseits aber ihre Widerklage damit begründet habe, dass die Antragstellerin ihren Käuferpflichten nicht nachgekommen sei, und sich somit auf die Wirksamkeit des Vertrags berufen habe.
9. Das Schiedsgericht habe den Antrag der Antragsgegnerin, den 1. und 2. Absatz des Anhanges Nr. 2 für nichtig zu erklären, zurückgewiesen. Die Zurückweisung insoweit sei nicht angefochten, die Aufhebungsklage vielmehr nur gegen die Verurteilung zur Zahlung erhoben worden, nicht auch hinsichtlich der abgewiesenen Anträge. Damit stehe aber fest, dass die Vertragsklauseln gerade nicht nichtig seien.
Der Senat hat mit Beschluss vom 7.3.2012 die mündliche Verhandlung angeordnet, die am 4.6.2012 durchgeführt wurde. Wegen ihres Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
II.
Der Antrag, den ukrainischen Schiedsspruch vom 11.12.2009 für vollstreckbar zu erklären, ist zulässig, aber unbegründet.
1. Für den Antrag, den im Ausland ergangenen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, ist das Oberlandesgericht München zuständig (§ 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und 5 ZPO i.V.m. § 8 - jetzt § 7 - Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 16.11.2004, GVBl S. 471), weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Bayern hat.
Die (interne) Zuständigkeit des (34.) Zivilsenats folgt aus der Jahresgeschäftsverteilung des Oberlandesgerichts für das Jahr 2011. Die Angelegenheit ist keine dem (29.) Kartellsenat zugewiesene Sache, sondern eine schiedsrichterliche bzw. eine solche nach § 1062 ZPO (Senatsgeschäftsaufgabe Nr. 4). Die Zuständigkeitsfrage ist allerdings zweifelhaft; teilweise wird eine analoge Anwendung des § 91 GWB mit Vorrang vor § 1062 ZPO befürwortet (vgl. OLG Düsseldorf vom 15.7.2002, 6 Sch 5/02, bei juris; Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker GWB 3. Aufl. § 87 Rn. 72). Es handelt sich um die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs in einer Streitigkeit, für die materielles ukrainisches Rechts vereinbart wurde. Um die Anwendung von deutschem oder von EU-Kartellrecht geht es deshalb nicht.
Darüber hinaus sind bei der Prüfung, ob die Anerkennung und Vollstreckung des ausländischen Schiedsspruchs der inländischen öffentlichen Ordnung widerspricht (Art. V Abs. 2 Buchst. b UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958, BGBl 1961 II S. 122 – UNÜ), kartellrechtliche Fragen nur in diesem Rahmen beachtlich. Eine etwaige Versagung beruht nicht auf einem Verstoß gegen nationale kartellrechtliche Vorschriften, sondern allein darauf, ob dieser zu einem unerträglichen Ergebnis führt. So kann im Rahmen der Anerkennungsprüfung das staatliche Gericht nicht seine eigenen Rechtsansichten zum Kartellrecht an die Stelle derjenigen des Schiedsgerichts setzen. Ist strittig, ob ein Verstoß gegen Kartellrecht vorliegt, so steht ein Schiedsspruch, der sich in den Grenzen rechtlich vertretbarer Rechtserwägungen hält, jedenfalls nicht im Widerspruch zum ordre public (Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. Anhang § 1061 Rn. 148). All dies spricht dagegen, jedenfalls in der gegebenen Konstellation von einer Kartellsache auszugehen.
2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist zulässig (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1, § 1064 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Soweit Art. IV UNÜ über § 1064 Abs. 1 und 3 ZPO hinausgehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden, Übersetzungen und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UNÜ das Günstigkeitsprinzip (BGH NJW 2005, 3499). Das anerkennungsfreundlichere nationale Recht verlangt zwingend auch für ausländische Schiedssprüche nur die Vorlage des Schiedsspruchs im Original oder in anwaltlich beglaubigter Abschrift. Um die Anerkennungsvoraussetzungen sachgerecht zu prüfen, kann das nationale Gericht allerdings die Beibringung von Übersetzungen anordnen (vgl. § 142 Abs. 3 ZPO; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 33. Aufl. § 1061 Rn. 6). Die Antragstellerin hat diesen Voraussetzungen genügt, indem sie den in englischer Sprache abgefassten Schiedsspruch vom 11.12.2009 und eine von einer allgemein beeidigten Dolmetscherin gefertigte deutsche Übersetzung in anwaltlich beglaubigter Abschrift vorgelegt hat. Die Authentizität dieser Dokumente ist überdies unbestritten.
3. Der Antrag ist abzulehnen; zugleich ist nach § 1061 Abs. 2 ZPO auszusprechen, dass der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.
a) Der Begründetheit des Antrags steht bereits entgegen, dass der Schiedsspruch im zusprechenden Teil vom staatlichen Bezirksgericht Kiew annulliert worden ist, und zwar nicht nur wegen der vertraglichen Einschränkung von Verkäufern und Käufern landwirtschaftlicher Maschinen bei der freien Wahl des Vertragspartners, sondern zugleich und unabhängig hiervon, weil die Bildung des Schiedsgerichts der Vereinbarung der Parteien nicht entsprochen hat (Art. IX Abs. 1 Buchst. d Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961, BGBl 1964 II S. 426 – EuÜ; zu dessen Anwendbarkeit Reichold in Thomas/Putzo § 1061 Rn. 10).
Nach dem IHSGG und der Verfahrensordnung kann gegen einen Schiedsspruch nur die Aufhebungsklage vor den staatlichen Gerichten als außerordentlicher Rechtsbehelf erhoben werden (Art. 34 Ziff. 2 Abs. 1 Gesetz über das Internationale Handelsschiedsgericht - IHSGG, Nr. 9.2. Verfahrensordnung des Internationalen Handelsschiedsgerichts bei der IHK der Ukraine; siehe Sourjikova-Giebner, Schiedsgerichtsbarkeit in der Ukraine, S. 70).
Die Aufhebung des Schiedsspruchs ist nach Art. V Abs. 1 Buchst. e UNÜ dann beachtlich, wenn sie durch die zuständige Behörde des Landes erfolgte, in dem oder nach dessen Recht der Schiedsspruch ergangen ist, also der sogenannte Heimatstaat des Schiedsspruchs (MüKo/Adolphsen ZPO 3. Aufl. UNÜ Art. V Rn. 60). Territorial wie verfahrensrechtlich ist dies die Ukraine. Wird ein ausländischer Schiedsspruch im Herkunftsland aufgehoben, kann er auch im Inland nicht mehr wirken; für eine Vollstreckbarerklärung ist dann kein Raum mehr. Rechtshängig gewordene Anträge sind daher nach Art. V Abs. 1 Buchst. e UNÜ abzuweisen (MüKo/Münch § 1061 Rn. 28 sowie Rn. 10).
Das Gericht des Vollstreckungsstaates hat sich bei der Prüfung, ob die Aufhebungsentscheidung anzuerkennen und damit beachtlich ist, darauf zu beschränken, ob diese auf einem der vier in Art. IX Buchst. a bis d EuÜ enthaltenen Gründe beruht. Keinesfalls darf das Exequaturgericht nachprüfen, ob das staatliche Gericht, das den Schiedsspruch aufgehoben hat, das Gesetz bzw. das genannte Übereinkommen richtig angewandt hat, ob also die Aufhebungsgründe auch tatsächlich vorgelegen haben. Die Prüfungskompetenz beschränkt sich allein auf die Frage der Zuständigkeit des den Schiedsspruch aufhebenden staatlichen Gerichts (MüKo/Adolphsen Art. IX EuÜ Rn. 10).
Aus diesem Grunde kommt es entgegen der Ansicht der Antragstellerin hier nicht darauf an, ob der Aufhebungsantrag fristgerecht beim staatlichen Gericht gestellt worden ist (was im Übrigen im nationalen Instanzenzug geprüft und bejaht wurde). Ebenso wenig kann geprüft werden, ob das Bezirksgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Antragsgegnerin mit ihrem Einwand, das Schiedsgericht sei für die Entscheidung nicht zuständig, nach deutschem Recht präkludiert wäre. Zu prüfen ist an dieser Stelle einzig und allein, ob das aufhebende Gericht für die Aufhebung zuständig war.
Anhaltspunkte dafür, dass das nationale Gericht in Kiew unzuständig gewesen wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Dem Schiedsspruch ist bereits aus diesem Grunde die Vollstreckbarerklärung zu versagen. Der Spruch des Bezirksgerichts wurde darüber hinaus in sämtlichen nationalen Instanzen im Ergebnis bestätigt. In dem Beschluss des Obersten Fachgerichtes der Ukraine vom 15.2.2011 heißt es ausdrücklich, dass auch hinsichtlich der Entscheidung des Bezirksgerichts keine Änderung veranlasst sei. Somit ist im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens davon auszugehen, dass die Entscheidung des Bezirksgerichts zur Zuständigkeit des Schiedsgerichts als selbständiges Begründungselement für die Annullierung ausdrücklich bestätigt wurde.
b) Die Vollstreckbarerklärung ist aber auch deshalb zu versagen, weil der Schiedsspruch, soweit er die Verurteilung der Antragsgegnerin zur Zahlung beinhaltet, gegen Art. V Abs. 2 Buchst. b UNÜ verstößt (ordre public). Seine Anerkennung würde zu einem Ergebnis führen, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre (MüKo/Adolphsen Art. V UNÜ Rn. 69).
(1) Die Parteien haben ihre vertraglichen Beziehungen dem materiellen Recht der Ukraine unterstellt. Art. 12 des Gesetzes der Ukraine über den Schutz der Käufer landwirtschaftlicher Maschinen bestimmt:
Verpflichtungen der Hersteller, Verkäufer, Auftragnehmer in Bezug auf die Auswahl der Käufer.
Hersteller, Verkäufer, Auftragnehmer dürfen die Käufer an der freien Auswahl der Verkäufer und Beförderungsart der Maschinen, sowie Auftragnehmer, Dienstleistungen des technischen Services nicht hindern.
Die Bestimmung betrifft (u.a.) Hersteller und Verkäufer von landwirtschaftlichen Maschinen. Sie verbietet diesen, potentielle Käufer daran zu hindern, frei auszuwählen, von wem sie ihre Maschinen kaufen und warten lassen wollen. Ohne dies hier weiter zu bewerten, findet eine derartige staatliche Regelung ihre innere Rechtfertigung in einer nationalen Wirtschaftordnung, die der Agrarentwicklung und der Sicherstellung der Lebensmittelproduktion einen überragenden Stellenwert einräumt. So sehen es auch die mit der Sache befassten nationalen Gerichte der Ukraine. Deshalb sind – wenn auch in anderen Staaten innerhalb gewisser Grenzen grundsätzlich zulässige – Gebietsschutzverträge, soweit landwirtschaftliche Maschinen davon betroffen sind, in der Ukraine verboten, um die Käufer solcher Maschinen vor einer Einschränkung ihrer Wahlfreiheit zu schützen. Art. 12 verbietet es den Herstellern und Händlern deshalb ausdrücklich, durch solche vertraglichen Maßnahmen etwaige Käufer von landwirtschaftlichen Maschinen an der freien Auswahl ihres Vertragspartners zu hindern. Um eine unbeachtliche Ordnungsvorschrift, die allein etwaigen Individualinteressen dient, handelt es sich hierbei nicht. Vielmehr zielt die Regelung ersichtlich auf einen staatlichen Schutz von Käufern landwirtschaftlicher Maschinen im Allgemeininteresse ab.
(2) Durch die zwischen der Antragstellerin (= Händler bzw. Dealer) und der Antragsgegnerin (= Hersteller) vereinbarte - massive - Vertragsstrafe sollte die Antragsgegnerin demnach gezwungen werden, sich unmittelbaren Offerten von Kunden zu verschließen, obwohl sie gesetzlich gehalten gewesen wäre, mit dem Kunden zu kontraktieren. Damit würde sie gegen die vorgenannte Norm des ukrainischen Rechts verstoßen. Es widerspricht jedoch den Prinzipien eines Rechtsstaates, eine Vertragspartei durch eine Vertragsstrafe dazu zu zwingen, sich gesetzwidrig zu verhalten. Der ordre public-Vorbehalt hat zu gewährleisten, dass wirtschaftsrechtliche Vorschriften eines Staates nicht auf den Umweg über die Schiedsgerichtsbarkeit missachtet werden können (Schlosser in Stein/Jonas Anhang § 1061 Rn. 145). Dazu käme es hier, weil auf dem Umweg über das Schiedsgericht durch zuerkannte Vertragsstrafen gerade die Nichteinhaltung der gesetzlichen Ordnung erzwungen werden soll. Daher ist dem Schiedsspruch die Anerkennung zu versagen.
(3) Dem steht nicht entgegen, dass im staatlichen Gerichtsverfahren nur die Verurteilung der Schiedsbeklagten aufgehoben wurde. Selbst wenn die Antragsgegnerin ausdrücklich nur die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt hatte, soweit sie zur Zahlung verurteilt wurde, und die Entscheidung über die Widerklage – darunter auch der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der Strafvereinbarung – nicht angefochten worden ist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Verstoß gegen die öffentliche Ordnung manifestiert sich in der Verurteilung der Antragsgegnerin, nicht in der unterbliebenen Aufhebung der als Anspruchsgrundlage herangezogenen vertraglichen Regelung. Der Grundsatz, dass niemand auf dem Umweg über eine Vertragsstrafe dazu gezwungen werden darf, gegen gesetzliche Regelungen zu verstoßen, kann durch eine vertragliche Regelung nicht beseitigt werden. Darüber hinaus ist die Versagung der Vollstreckbarerklärung wegen eines Verstoßes gegen Art. V Abs. 2 Buchst. b UNÜ nicht davon abhängig, dass die Antragsgegnerin die in der Ukraine möglichen - weitergehenden - Rechtsmittel gegen einen Schiedsspruch ergreift (vgl. dazu ausführlich BGH NJW 2011, 1290; Prütting/Gehrlein ZPO 3. Aufl. § 1061 Rn. 36).
(4) Gleiches gilt für den Einwand der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe sich arglistig und treuwidrig verhalten, weil sie versucht habe, Rechte aus dem Vertrag geltend zu machen. Denn zum einen würde – die Richtigkeit der Einwände unterstellt – dies den Grundsatz, dass niemand zu gesetzwidrigem Handeln gezwungen werden darf, nicht außer Kraft setzen. Zum anderen braucht die Frage, ob der Antragsgegnerin diese Ansprüche zugestanden hätten, hier nicht geklärt zu werden.
3. Da der ukrainische Schiedsspruch vom 11.12.2009 schon aus den vorgenannten Gründen im Inland nicht für vollstreckbar erklärt werden kann, kommt es auf die weiteren von der Antragsgegnerin behaupteten Versagungsgründe nicht mehr an.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Der Streitwert entspricht dem Vollstreckungsinteresse der Antragstellerin; dies ist der Wert der schiedsgerichtlichen Verurteilung in der Hauptsache.
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