16 SchH 05/99


Gericht OLG Schleswig Aktenzeichen 16 SchH 05/99 Datum 30.03.2000
Leitsatz
Vollstreckbarerklkärung eines ausländischen Schiedsspruchs Leitsätze:

1\. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich nach § 1061 Abs.1 ZPO generell nach dem UNÜ. Die außerhalb des Anwendungsbereichs des UNÜ ergangene ständige Rechtsprechung des BGH zu § 1044 Abs. 2 Nr.1 ZPO a.F. findet keine Anwendung.

2\. Einem ausländischen Schiedsspruch ist generell nur bei offensichtlichen und schwerwiegenden Mängeln, die fundamentale Rechtswerte berühren, und die das Entscheidungsergebnis nicht mehr trag- und hinnehmbar erscheinen lassen, die Anerkennung zu versagen.


Rechtsvorschriften§ 1025 Abs. 4 ZPO; § 1061 Abs. 1 ZPO; Art. II UNÜ; Art. IV UNÜ; Art. V Abs. 1 lit a, lit d UNÜ, Art. V Abs. 2 lit b UNÜ
FundstelleYearbook Comm. Arb'n XXXI (2006), S. 652ff.
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAufhebungsverfahren Anerkennungsverfahren Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Vollstreckbarerklärung; - formelle Antragserfordernisse; - Präklusion Aufhebungsgründe Versagungsgründe: - Unwirksamkeit Ungültigkeit der Schiedsve
Volltext
B E S C H L U S S
I. Das Schiedsurteil des aus den Schiedsrichtern ... bestehenden Schiedsgerichts der Ungarischen Handelskammer in Budapest vom 25. Mai 1999 - VB/97142 - wird in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt.
Der Schiedsurteil lautet wie folgt:
Das Schiedsgericht verpflichtet die Beklagte (=Antragsgegnerin), daß sie innerhalb 30 Tagen, ge-rechnet von der Empfangnahme des gegenwärtigen Urteils, bei Zwangsvollstreckung der Klägerin (=Antragstellerin) DEM 46.957,02 Kaufpreis, ferner auf diese Summe ab der Fälligkeit, d.h. ab 15. September 1997 für den Zeitabschnitt bis zu dem eigentlichen Zahlungstag gerechnet, 5% Verzugszinsen zahlt.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Beschluß ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Verfahrenswert beträgt 46.957,02 DM.
G r ü n d e :
I.
Die Parteien stehen/standen mindestens seit 1995 in ständiger Geschäftsbeziehung. Die Antragsgegnerin kauft von der Antragstellerin seit Jahren Sauerkirschen und anderes Obst.
Im Juni 1997 kaufte die Antragsgegnerin 30 Lkw-Ladungen eingemachte Sauerkirschen (691.200 Gläser) mit einer Lieferfrist bis 15. August 1997. Die Antragstellerin bestätigte den Auftrag mit "Auftragsbestätigung" Nr. 7470 vom 6. Juni 1997 (Original Bl. 112) per Telefax. Das von ihr dafür - stets - verwendete Vertragsformular enthält unten - noch unterhalb der Unterschriftszeile - den kleingedruckten Hinweis "Gültig mit den umseitigen Allgemeinen Verkaufsbedingungen". Die auf der Rückseite abgedruckten "Allgemeine(n) Verkaufsbedingungen" enthalten unter Nr. 8 folgende Regelung:
"Im Falle von Rechtsstreitigkeiten unterwerfen sich die Parteien der Zuständigkeit des neben der Ungarischen Handelskammer in Budapest tätigen Schiedsgerichtes, jede der Parteien ist jedoch berechtigt - laut Wahl - gegen die andere auch vor dem ordentlichen Gericht des Landes des Beklagten einen Prozeß anzustrengen. Für den Vertrag sind die Regeln des Ungarischen Zivilrechts massgebend."
Die Antragstellerin übermittelte mit Telefax nur die von ihr unterzeichnete Vorderseite, nicht die Rückseite mit den Geschäftsbedingungen. Die Antragsgegnerin unterschrieb die Fernkopie auf der Vorderseite in der Unterschriftszeile und faxte sie an die Antragstellerin zurück. Die Antragstellerin konnte die Kaufmenge in der vereinbarten Lieferzeit wegen witterungsbedingter Schwierigkeiten nur zum Teil liefern. Die Antragsgegnerin verweigerte daraufhin die Bezahlung der gelieferten Teilmenge und machte Gegenansprüche wegen Deckungskaufes geltend.
Die Antragstellerin erhob Klage vor dem Schiedsgericht der Ungarischen Handelskammer, die Antragsgegnerin Widerklage auf Schadensersatz wegen ihr entstandener Kosten aus Deckungskauf sowie wegen eines weiteren - ebenfalls im Wege des Austausches von unterzeichneten Fernkopien der Vorderseite des von der Antragstellerin verwendeten Vertragsformulars abgeschlossenen - Kaufvertrages über Gemüsemais gemäß "Auftragsbestätigung" der Antragstellerin vom 6. August 1997 (Bl. 71), der nicht durchgeführt wurde.
Das Schiedsgericht stellte auf Zuständigkeitsrüge der Antragsgegnerin durch Beschluß vom 29. September 1998 (Bl. 74-76) vorab seine Zuständigkeit fest. Zur Begründung führte es aus, daß zwar die Verträge der Parteien die Bestimmungen des (ungarischen) Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit von 1994 mangels gesonderter Unterzeichnung der die Schiedsgerichtsklausel enthaltenden Allgemeinen Verkaufsbedingungen nicht erfüllten, aber die Zuständigkeit des Schiedsgerichts sich nach § 5 Abs. 4 des Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit auch daraus ergebe, daß die Antragsgegnerin in ihrer Klagerwiderung die in der Klage behauptete Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht gerügt habe.
Das Schiedsgericht erließ am 25. Mai 1999 folgendes Urteil:
1. Das Schiedsgericht verpflichtet die Beklagte, daß sie innerhalb 30 Tagen, gerechnet von der Empfangnahme des gegenwärtigen Urteils, bei Zwangsvollstreckung der Klägerin DEM 46.957,02 Kaufpreis, ferner auf diese Summe ab der Fälligkeit, d.h. ab 15. September 1997 für den Zeitabschnitt bis zu dem eigentlichen Zahlungstag gerechnet, 5% Verzugszinsen zahlt.
Ansonsten weist das Schiedsgericht die Klage der Klägerin und die Widerklage der Beklagten ab.
2.- 4. ...
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches zu Ziffer 1.
Dem tritt die Antragsgegnerin mit folgender Begründung entgegen:
Es fehle an einer wirksamen schriftlichen Schiedsvereinbarung im Sinne des Art II UNÜ. Das schiedsrichterliche Verfahren habe dem ungarischen Recht nicht entsprochen (Versagungsgrund nach Art V Abs. 1 lit d UNÜ). Dem Schiedsspruch sei schließlich aus dem Gesichtspunkt des Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ wegen Verstoßes gegen den ordre public die Anerkennung und Vollstreckbarkeit zu versagen.
Im einzelnen macht sie geltend:
(1) keine wirksamen Schiedsvereinbarung im Sinne des Art II UNÜ:
Wie das Schiedsgericht in seinem Beschluss vom 29. September 1998 bereits zutreffend ausgeführt habe, fehle es an einer wirksamen Schiedsgerichtsvereinbarung nach dem hierfür maßgeblichen ungarischen Recht deshalb, weil die AGB-Klausel Ziffer 8 nicht durch die Unterschriften abgedeckt gewesen sei.
Zu Unrecht habe das Schiedsgericht seine Zuständigkeit aber daraus hergeleitet, dass sie, die Antragsgegnerin, in ihrer Klagerwiderung vom 30. Januar1998 im Schiedsgerichtsverfahren das Zustandekommen einer Schiedsgerichtsvereinbarung nicht in Abrede genommen habe. Damit habe es aber nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin in der Klage den Abschluss einer Schiedsklausel nicht behauptet gehabt habe. Nach ungarischem Recht (hier: § 5 Abs. 4 des Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit) komme ein Schiedsvertrag durch Einlassung im schiedsgerichtlichen Verfahren aber nur in Betracht, wenn der Kläger den Abschluss eines
Schiedsvertrages in der Klage behaupte.
Das Schiedsgericht habe fehlerhaft auch nicht berücksichtigt, dass sie sich nicht vorbehaltlos auf die Schiedsklage eingelassen, sondern deutlich gemacht habe, sich eine endgültige Entscheidung über die Durchführung des Schiedsverfahrens nach Festlegung der Verfahrenssprache vorzubehalten. Nachdem das Schiedsgericht Ungarisch als Verfahrenssprache bestimmt gehabt habe, habe sie bereits mit Schriftsatz vom 16. März 1998 die mangelnde Zuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt.
(2) Versagungsgrund nach Art V Abs. 1 lit d UNÜ
Das Schiedsgericht habe aufgrund des § 9 Abs. 3 der Verfahrensordnung die ungarische Sprache als Verfahrenssprache festgelegt.
Nach § 9 Abs. 3 der Verfahrensordnung könne Ungarisch als Verfahrenssprache gewählt werden, wenn die ausländische Partei von einem ungarischen Rechtsanwalt vertreten werde. Dies sei tatsächlich jedoch nicht der Fall gewesen. Sie sei durch die Repräsentanten der Rechtsanwälte Nörr pp in Budapest vertreten worden, die jedoch nicht ungarische Anwälte seien.
Darüber hinaus sei die Festlegung der ungarischen Sprache für das Verfahren rechtsmissbräuchlich gewesen. Wie das Schiedsgericht mit seinem Schreiben vom 4.3.1998 ausgeführt habe, seien alle Mitglieder des Schiedsgerichtes der deutschen Sprache kundig. Gleiches gelte für die Antragstellerin. Einer Durchführung des Verfahren in deutscher Sprache habe mithin nichts entgegen gestanden, sondern sei gemäß § 9 Abs. 2 der Verfahrensordnung geboten gewesen. Wenn gleichwohl die ungarische Sprache festgelegt worden sei, habe dies ausschließlich sie als einzige Verfahrensbeteiligte, die nicht beide in Betracht kommenden Sprachen beherrsche, benachteiligt. Das Schiedsgericht hätte schon nach dem auch in Ungarn geltenden Grundsatz eines fairen Verfahrens die deutsche Sprache wählen müssen.
(3) Versagungsgrund nach Art V Abs. 2 lit b UNÜ
Die Entscheidung des Schiedsgerichtes enthalte einen ausgedehnten, in erheblichem Umfang verwirrend formulierten Tatbestand; demgegenüber bestünden die Entscheidungsgründe aus wenigen apodiktischen Behauptungen, die nicht als Begründung für die getroffene Entscheidung angesehen werden könnten. So sei z.B. dem Schiedsspruch kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, warum der von der Antragsgegnerin geltend gemachte Anspruch gerade in einem Verhältnis von 60:40 verteilt worden sei.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf ihre gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist gemäß §§ 1025 Abs. 4, 1061 Abs. 1 ZPO (nF) in Verbindung mit dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 - (nachfolgend: UNÜ) - BGBl 1961 II, S. 121 - zulässig und begründet.
1. Die (örtliche) Zuständigkeit des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches ergibt sich aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO, weil die Antragsgegnerin ihren Sitz im hiesigen Bezirk hat.
Die förmlichen Anerkennungsvoraussetzungen nach §§ 1064, 1061 ZPO in Verbindung mit Art. IV UNÜ sind erfüllt. Den Anerkennungsvoraussetzungen nach Art. IV UNÜ ist bereits dann Rechnung getragen, wenn Urkunden (Schriftstücke) vorgelegt werden, die sich auf einen Vertragsschluss beziehen und in denen von einer Schiedsvereinbarung die Rede ist (Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl. 1994, Anh. zu § 1044 Rn 52 aE). Ob ein wirksamer Schiedsvertrag vorliegt, ist für Art IV UNÜ unerheblich.
Die Parteien haben nach den von der Antragstellerin vorgelegten Urkunden eine der Formvorschrift des Art II Abs. 2 UNÜ genügende schriftliche Schiedsvereinbarung geschlossen. Der auf der Vorderseite des Vertragsdokuments am unteren Rand enthaltene (allgemeine) Hinweis auf die rückseitig abgedruckten AGB, die ihrerseits die Schiedsklausel enthalten, ist hierfür als ausreichend anzusehen.
2. Einwand fehlender (ungültiger) Schiedsvereinbarung
Der Einwand der Ungültigkeit des Schiedsvereinbarung betrifft den Versagungsgrund nach Art V Abs. 1 lit a UNÜ, für den die Antragsgegnerin - wie für sämtliche Versagungsgründe nach Art V Abs. 1 UNÜ - darlegungs- und beweispflichtig ist.
a) Voraussetzung ist indessen, dass überhaupt eine den Erfordernissen des Art II UNÜ genügende (formell) wirksame Schiedsvereinbarung vorliegt (..., dass die Parteien, die eine Vereinbarung im Sinne des Art II geschlossen haben, ...). Nach dem Wortlaut des Art V Abs. 1 lit a UNÜ ist dafür derjenige beweispflichtig, der sich darauf beruft. Das ist die Antragstellerin (so auch Stein/ Jonas/ Schlosser, aaO Rn 56 aE; MüKo-ZPO/Gottwald, IZPR, Art V UNÜ Rn 6)
Vom Vorliegen einer iSd Art II Abs. 2 UNÜ formwirksamen, nämlich schriftlichen Schiedsvereinbarung ist auszugehen.
(1) Es ist anerkannt, dass Art II UNÜ eine Sachnorm darstellt, die - soweit es um die formellen Voraussetzungen geht - jegliches nationale Recht überlagert. Zur Auslegung und Reichweite kann deshalb nicht auf nationales Recht zurückgegriffen werden (Grundsatz der autonomen Interpretation), sei es nun hinsichtlich der Formvoraussetzungen strenger oder großzügiger. Dies ergibt sich (nunmehr) auch aus § 1061 ZPO nF, wonach die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche sich (allein) nach dem UNÜ richtet.
Unerheblich ist deshalb in diesem Zusammenhang zunächst einmal, dass das Schiedsgericht die nach ungarischem Recht unter Umständen engeren Formvorschriften nicht als gewahrt angesehen hat.
Das von der Antragstellerin verwendete Vertragsformular mit dem am unteren Rand enthaltenen kleingedruckten Hinweis "Gültig mit den umseitigen Allgemeinen Verkaufsbedingungen", die auch auf der Rückseite abgedruckt sind, genügt den formellen Gültigkeitsvoraussetzungen des Art II Abs. 2 UNÜ, auch wenn sich der Hinweis außerhalb des unterschriebenen Vertragstextes - weil unter der Unterschriftszeile - befindet. Dennoch handelt es sich um einen im Vertrag, nämlich in der Vertragsurkunde, enthaltenen Hinweis. Das reicht aus (vgl zB Bülow/Böckstiegel/Geimer/ Schütze (Bredow), Internationaler Rechtsverkehr Bd. II Anm. 714.16; BayObLG, RIW 1998, 965, 966; Stein/Jonas/Schlosser, aaO, Rn 41; ähnl. Wackenhuth, ZZP 99 [1986], S. 445, 457, 458). Die Antragsgegnerin hat diesem Vertrag und damit der Einbeziehung auch der AGB der Antragstellerin mit der Schiedsklausel zugestimmt.
Die Antragsgegnerin macht allerdings geltend, ihr seien die auf der Rückseite abgedruckten AGB nicht bekannt gewesen, ihr sei nur die Vorderseite des streitgegenständlichen Vertrages per Fax übermittelt worden. Das trifft indessen nicht zu. Zum einen hat die Antragstellerin durch Vorlage weiterer Urkunden belegt, dass sie seit 1995 stets das gleiche Vertragsformular für ihre Geschäftsabschlüsse mit der Antragsgegnerin verwendet. Zum anderen hat sie - unwidersprochen - dargelegt, die Parteien hätten üblicherweise die "Auftragsbestätigungen" dergestalt unterzeichnet, dass jeweils ein Original bei jeder Vertragspartei verblieben sei. Dann aber hatte die Antragsgegnerin Kenntnis von den AGB der Antragstellerin und damit auch Kenntnis von der darin enthaltenen Schiedsklausel. Wenn sie unter solchen Umständen die "Auftragsbestätigung" unterschrieben an die Antragstellerin zurückfaxt, sind nicht nur die Formerfordernisse des Art II UNÜ erfüllt, sondern liegt eine aufgrund Einigung wirksame Schiedsvereinbarung vor. Unerheblich ist, dass die Antragsgegnerin bei einem anderen Vertrag - nämlich der Auftragsbestätigung vom 6. August 1997 über die Lieferung von Gemüsemais (Bl. 72), die Gegenstand ihrer Widerklage vor dem Schiedsgericht war - unter ihrer Unterschrift handschriftlich hinzugefügt hatte "Bitte umgehend die umseitigen allgemeinen Verkaufsbedingungen schicken, können wir nicht akzeptieren, da wir diese nicht kennen". Dieser Vertragsschluss erfolgte zeitlich später und kann schon deshalb für den hier im Streit stehenden Vertrag keine Rolle spielen, so dass offen bleiben kann, aus welchen Gründen die Antragsgegnerin erstmalig den AGB widersprach.
(2) Auch wenn die Parteien ursprünglich keine wirksame Schiedsklausel gemäß Art II Abs. 2 UNÜ vereinbart hätten, ergäbe sich im Ergebnis nichts anderes, weil die Antragsgegnerin sich im Schiedsgerichtsverfahren (schriftsätzlich) rügelos zur Hauptsache eingelassen hat. Ihr ist deshalb die Berufung auf den Formmangel verwehrt. Dem steht nicht entgegen, dass Art II UNÜ, anders als beispielsweise Art V Abs. 2 Genfer Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. April 1961 (EuÜ) oder nationale Rechtsordnungen (zB § 1031 Abs. 6 ZPO), eine solche Heilungsmöglichkeit im Falle des Mangels der Schriftform für die Schiedsvereinbarung nicht ausdrücklich vorsieht.
Allerdings ist zu beachten, dass - wie bereits ausgeführt - Art II UNÜ eine jegliches nationale Recht überlagernde Sachnorm darstellt, so dass zur Auslegung und Reichweite allein auf Art II UNÜ abzustellen ist. Der Auffassung, die eine Heilungsmöglichkeit durch rügelose Einlassung zulässt, liegt aber zugrunde, dass das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ein (auch) dem UNÜ innewohnendes Rechtsprinzip darstellt, das im Rahmen des Art II UNÜ zu beachten sei (hM, vgl. zB Stein /Jonas /Schlosser, aaO, Rn 39; Schwab /Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 5. Aufl. 1995, Kap 44 Rn 10; Wackenhuth RIW 1985, 568, 569ff; Haas IPrax 1993, 382, 384 mwN). Dieser Auffassung schließt der Senat sich an. Zudem wird durch die schriftsätzliche rügelose Einlassung auch die Schriftformfunktion des Art II UNÜ (Stein/Jonas/Schlosser, aaO; Wackenhuth aaO) gewahrt.
Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin ein, sie habe sich nicht vorbehaltlos eingelassen. Ausweislich ihrer auf die Schiedsklage eingereichten Klageerwiderung vom 30. Januar 1998 (Bl. 77 ff) - überschrieben mit "Antrag auf Bestimmung der Schiedssprache, Klagerwiderung und Widerklage" - hat sie sich gerade nicht auf das Fehlen einer Schiedsvereinbarung berufen, sondern sich zur Sache eingelassen und sogar Widerklage erhoben. Unerheblich ist der ihrem Antrag, als Sprache des Schiedsverfahrens Deutsch zu bestimmen, beigefügte Hinweis, die nachfolgenden Ausführungen (gemeint sind Klageerwiderung und Widerklage) hätten nur vorläufigen Charakter und erfolgten "vorbehaltlich der Entscheidung des Hohen Schiedsgerichts zur Sprache des Schiedsverfahrens. Sie behalte sich insbesondere vor, nach Festlegung der Schiedssprache den vorliegenden Schriftsatz zu ergänzen oder gegebenenfalls abzuändern." Das stellt mitnichten einen die rügelose Einlassung hindernden zulässigen Vorbehalt dar.
b) Ist nach allem von einer im Sinne des Art II UNÜ (formell) wirksamen Schiedsvereinbarung auszugehen, kommt es darauf an, ob der Einwand der Antragsgegnerin durchgreift, das Schiedsgericht habe seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen, weil nach dem hier maßgeblichen ungarischen Recht eine (materiell) wirksame Schiedsvereinbarung nicht vorliege und damit ein Versagungsgrund gemäß Art V Abs. 1 lit a UNÜ vorliege. Das ist nicht der Fall.
(1) Die Antragsgegnerin ist allerdings mit diesem Einwand entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil sie von ihrem Recht, die Aufhebung des Schiedsspruchs unter Berufung auf das Fehlen einer (form-) wirksamen Schiedsabrede vor den (zuständigen) Gerichten Ungarns zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht hat.
Richtig ist, dass der Antragsgegnerin ein fristgebundener Rechtsbehelf zur Verfügung gestanden hätte. Nach § 55 Abs. 1 lit b des ungarischen Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit von 1994 kann binnen sechzig Tagen nach Aushändigung des Schiedsspruches Klage beim Gericht auf Aufhebung des Schiedsspruches erhoben werden, wenn die Schiedsvereinbarung nach ungarischem Recht - das macht die Antragsgegnerin geltend - ungültig wäre.
Auch hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (zB BGHR ZPO § 1044 Abs. 2 Nr 1 Einwendungen 1; NJW 1984, 2763-2765, jeweils mwN) die Auffassung vertreten, dass zu dem die Rechtswirksamkeit des ausländischen Schiedsspruches bestimmenden ausländischen Recht auch das Verfahrensrecht gehöre. Daraus folge, dass Einwendungen, die im Ausland mit einem fristgebundenen Rechtsbehelf geltend zu machen gewesen wären, aber nicht geltend gemacht worden seien, für das inländische Verfahren der Vollstreckbarerklärung verloren seien. Diese Rechtsprechung ist allerdings - außerhalb des Anwendungsbereichs des UNÜ - zu § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (aF) ergangen, wonach der Antrag auf Vollstreckbarerklärung abzulehnen war, wenn der Schiedsspruch rechtsunwirksam und für die Rechtswirksamkeit des Schiedsspruchs, soweit nicht Staatsverträge ein anderes bestimmten, das für das Schiedsverfahren geltende Recht maßgeblich war.
Insoweit hat sich die Rechtslage aber durch das am 1. Januar 1998 in Kraft getretene "Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts" geändert. Nach § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO (nF) richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nunmehr - unbeschadet des in § 1061 Abs. 1 Satz 2 verankerten Meistbegünstigungsprinzips - generell nach dem UNÜ. Damit verbleibt dem Antragsgegner im Vollstreckbarerklärungsverfahren die ihm durch Art V Abs. 1 lit a UNÜ ausdrücklich eröffnete Möglichkeit des Nachweises der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung.
(2) Das Schiedsgericht hat über die von der Antragsgegnerin erhobene Einrede der Unzuständigkeit nach Maßgabe der §§ 24, 25 des Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit vorab durch Zwischenentscheid vom 29. September 1998 seine Zuständigkeit festgestellt. Diese Entscheidung bindet das staatliche Gericht zwar nicht (keine Kompetenz-Kompetenz). Das Schiedsgericht, das die Zuständigkeitsrüge nicht - wie die Antragsgegnerin meint - gemäß Art V Abs. 2 UNÜ als präkludiert behandelt hat, hat die Rüge aber zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.
Für die Beurteilung der Frage, ob der Schiedsspruch im Sinne des Art V Abs. 1 lit a UNÜ ungültig ist, kommt es - worauf auch die Antragsgegnerin selbst zutreffend hinweist - auf das für das Schiedsverfahren geltende Recht, hier das ungarische Recht, an. Insoweit ist zumindest von einer konkludenten Rechtswahl auszugehen oder aber, mangels Rechtswahl, das Recht Ungarns deshalb zugrunde zu legen, weil der Schiedsspruch in Ungarn ergangen ist.
Das hiernach maßgebliche ungarische Recht (§ 5 Abs. 3 u. 5 des Gesetzes Nr. LXXI von 1994 über die Schiedsgerichtsbarkeit) mag strengere Anforderungen als Art II UNÜ an die Schriftform stellen und verlangen, dass im unterzeichneten Vertragstext selbst mindestens ein Hinweis auf die gesondert abgedruckte Schiedsgerichtsklausel enthalten sein müsse, woran es bei dem streitgegenständlichen Vertrag in der Tat fehlt. Ob solche strengeren Formvorschriften des für die Schiedsvereinbarung anzuwendenden Rechts im Hinblick auf Art II UNÜ überhaupt beachtlich sind und über den Gültigkeitseinwand des Art V Abs. 1 lit a UNÜ berücksichtigt werden können, dürfte aus den bereits dargelegten Gründen zu verneinen sein, kann indes auf sich beruhen, weil auch nach ungarischen Recht die schiedsgerichtliche Zuständigkeit durch rügelose Einlassung begründet wird ("Als schriftlich abgeschlossener Schiedsvertrag ist auch zu betrachten, wenn eine der Parteien in ihrer Klagschrift behauptet und die andere Partei in der Beantwortung nicht verneint, dass zwischen ihnen ein Schiedsvertrag zustande kam", § 5 Abs. 4 des Gesetzes…über die Schiedsgerichtsbarkeit). Diese Regelung entspricht allgemeinen Rechtsgrundsätzen und deckt sich beispielsweise mit dem deutschen Recht (§ 1040 Abs. 2 ZPO -nF-).
Hiernach liegen die Voraussetzungen einer auch nach ungarischem Recht wirksamen - schriftlichen - Schiedsvereinbarung vor, weil die Antragsgegnerin sich auf die Schiedsklage, wie bereits ausgeführt, schriftsätzlich rügelos eingelassen hat.
3. Versagungsgrund nach Art V Abs. 1 lit d)
Ohne Erfolg beanstandet die Antragsgegnerin die Durchführung des Verfahrens und hier den Umstand, dass das Schiedsgericht Ungarisch als Verfahrenssprache gewählt hat. Sie ist dadurch nicht benachteiligt worden, weil sie durch einen ungarischen Prozessbevollmächtigten vertreten war.
4. Die schiedsrichterliche Entscheidung verstößt nicht gegen den - von Amts wegen zu beachtenden - ordre public (Art. V Abs.2 lit b UNÜ):
Ein Verstoß gegen den ordre public liegt nach deutschem Recht nur vor, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Zusammenlebens regelt, oder wenn er mit deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht (zB BGH NJW-RR 1991, 757). Dabei entspricht es ganz überwiegender Meinung, dass die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche auch im Hinblick auf den ordre public regelmäßig einem weniger strengen Regime als die inländischen Schiedsgerichtsentscheidungen zu unterwerfen ist, weil zwischen dem ordre public interne und dem ordre public international zu unterscheiden ist (zB BGH NJW 1990, 2199, 2200). Generell wird deshalb einem (ausländischen) Schiedsspruch nur bei offensichtlichen und schwerwiegenden Mängeln, die fundamentale Rechtswerte berühren, und die das Entscheidungsergebnis als nicht mehr trag- und hinnehmbar erscheinen lassen, die Anerkennung zu versagen sein.
Davon kann hier nach dem Inhalt des Schiedsspruches (einschließlich seiner Begründung) unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsgegnerin keine Rede sein. Das gilt insbesondere auch für die vom Schiedsgericht für den Schadensersatzanspruch der Antragsgegnerin zugrunde gelegte Verteilungsquote von 60:40. Die Begründung eines Schiedsspruchs durch das Schiedsgericht gehört grundsätzlich nicht zum deutschen ordre public (BGH BGHR ZPO § 1044 Abs. 2 Nr. 2 Begründung 1).
Summary