8 Sch 03/01


Gericht OLG Celle Aktenzeichen 8 Sch 03/01 Datum 02.10.2001
Leitsatz
Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs
Leitsatz der Redaktion:
Ist eine Partei der in einem ausländischen Schiedsverfahren zulässigerweise verwendeten Verfahrenssprache nicht mächtig, obliegt es ihr, sich selbst um einen Übersetzer/Dolmetscher zu bemühen.
Rechtsvorschriften§ 1059 Abs. 2 ZPO, § 1061 ZPO, § 1063 Abs. 2 ZPO
Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ
FundstelleYearbook Comm. Arb'n XXXII (2007), S. 303ff.
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteSchiedsvereinbarung: - Inhalt, Bestimmbarkeit des Schiedsgerichts Schiedsrichterliches Verfahren: - Sprache Aufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Schiedsspruch, ausländisch; - Vollstreckbarerklärung Aufhebungs-/Versa
Volltext
B E S C H L U S S:
Der Beschluss - Schiedsspruch - des Internationalen Handelsschiedsgerichts bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation, ..., vom 13. Juni 2000, Sache Nr. 280/1999, die Antragsgegnerin zu verpflichten, zugunsten der Antragstellerin 269.906,15 DM zu bezahlen und die gerichtlichen Kosten der Antragstellerin (Schiedsgerichtsgebühr) in Höhe von 7.097,60 US-Dollar zu ersetzen, wird für vollstreckbar erklärt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach einem Streitwert von bis zu 310.000 DM.
Dieser Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer der Antragsgegnerin übersteigt 60.000 DM.
G R Ü N D E:
1. Das Internationale Handelsschiedsgericht bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation, ..., hat auf die mündliche Verhandlungen vom 12. April und 13. Juni 2000 am 13. Juni 2000 als "Urteilsspruch" beschlossen, die Antragsgegnerin habe der Antragstellerin 269.906,15 DM zu zahlen sowie die gerichtlichen Kosten der Antragstellerin (Schiedsgerichtsgebühr) in Höhe von 7.097,60 US-Dollar zu ersetzen. Mit Antrag vom 29. Januar 2001, gerichtet an das Amtsgericht ..., welches die Sache durch Beschluss vom 15. Februar 2001 an das Oberlandesgericht Celle verwiesen hat, betreibt die Antragstellerin die Vollstreckbarerklärung dieses russischen Schiedsspruchs gemäß § 1061 ZPO. Dazu hat sie den genannten Schiedsspruch in russischer Sprache und deutscher Übersetzung vorgelegt sowie u. a. eine Ladung der Antragsgegnerin zum schiedsgerichtlichen Verhandlungstermin vom 13. Juni 2000. Des Weiteren hat sie den "Rahmenvertrag Nr. 75" vom 24. April 1998 zwischen den Parteien, abgefasst in russischer und deutscher Sprache, vorgelegt, in welchem es unter "9. Schiedsgericht" heißt:
"9.1. Alle Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, die sich aus diesem Vertrag oder im Zusammenhang mit ihm ergeben können, werden durch Verhandlungen geregelt. Falls die Erledigung der Streitigkeiten durch Verhandlungen nicht möglich ist, werden diese vom Internationalen kommerziellen Schiedsgericht bei der Handelskammer in Russland oder vom Internationalen Gericht in ... in Übereinstimmung mit den Regeln des Gerichtsverfahrens in diesen Gerichten gelöst. Die Entscheidungen dieser Gerichte sind endgültig und obligatorisch für beide Seiten".
Der von beiden Parteien genannte "Rahmenvertrag" betrifft die Herstellung und Lieferung von Waren durch die Antragstellerin an die Antragsgegnerin, nach einer "Lieferspezifikation für 1998" - wohl u. a. - Bremstrommeln; der "Gesamtwert des Vertrages" soll 5 Mio. DM betragen, dieser Vertrag enthält außerdem Regelungen über Liefertermine, Qualität, Zahlungsbedingungen, Versand, Gewährleistungen usw.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Internationalen Handelsschiedsgerichts bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation, ..., vom 13. Juni 2000, Sache Nr. 280/1999, für vollstreckbar zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie trägt dazu, unter Hinweis auch auf Schriftwechsel zwischen ihr und dem genannten Schiedsgericht, vor: Sie sei im Schiedsgerichtsverfahren nicht ordnungsgemäß angehört worden, ihr sei auch nicht die Möglichkeit zu einer Verteidigung eingeräumt worden. Das genannte Internationale Handelsschiedsgericht sei nicht zuständig gewesen. Zum einen sei dessen Zuständigkeit wegen der Alternativfassung im Rahmenvertrag vom 24. April 1998 nicht wirksam vereinbart worden, zum anderen sei das gesamte Vertragsverhältnis von der Antragstellerin selbst gekündigt worden. Der "Rahmenvertrag" sei zudem ausdrücklich in russischer und deutscher Vertragssprache abgefasst worden. Sie habe aber Schriftstücke von Seiten des Schiedsgerichts allein in russischer Schrift und Sprache erhalten, die sie nicht habe verstehen und "nachvollziehen" können. Ihr entsprechender Hinweis an das Schiedsgericht sei ohne Erfolg geblieben. Dieses habe auch allein mit ihr selbst korrespondiert, nicht, was allein richtig gewesen wäre, mit ihren legitimierten Verfahrensbevollmächtigten. Da sie selbst und ihre Verfahrensbevollmächtigten nicht Russisch lesen und verstehen könnten, habe sie keine Kenntnis von dem für Deutschland für vollstreckbar zu erklärenden Beschluss erhalten. Sie habe allerdings "auf die Zustellung eines Dokuments mit "Rechtsmittel" reagiert". Näheres ergebe sich im Übrigen aus ihren an das Schiedsgericht gerichteten Schreiben vom 15. Januar, 13. März, 11. April, 23. August und 11. September 2000.
Die Antragstellerin erwidert zur Untermauerung ihres Vollstreckbarerklärungsantrages, die Antragsgegnerin sei zu den Verhandlungen des Schiedsgerichts ordnungsgemäß geladen worden, sie habe schriftsätzlich, wie sich aus ihren zu den Akten gereichten Schreiben ergebe, auch u. a. zur Sache vorgetragen. Sie, die Antragstellerin, habe vorgerichtlich auch mehrfach gegenüber der Antragsgegnerin ihre Absicht bekundet, die Sache vor das russische Schiedsgericht zu bringen; die Antragsgegnerin habe auch erklärt, sie habe grundsätzlich nichts dagegen, den Streit gerichtlich auszutragen. Selbstverständlich habe das russische Schiedsgericht in russischer Schrift und Sprache mit der Antragsgegnerin korrespondiert. Sie, die Antragstellerin, habe im Klageverfahren vor dem russischen Schiedsgericht die entsprechenden Unterlagen aber auch in deutscher Sprache eingereicht, sodass der Antragsgegnerin entsprechende Schriftsätze auch in deutscher Sprache zur Verfügung gestanden hätten. Im Übrigen wäre es Sache der Antragsgegnerin gewesen, sich wegen des Gebrauchs der russischen Sprache eines Übersetzers oder Dolmetschers zu bedienen.
2. Der Vollstreckbarerklärungsantrag der Antragstellerin - § 1061 ZPO i.V.m. dem UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958, BGBI. 61 II S. 122, - den Erfordernissen des Art. IV dieses Übereinkommens ist Genüge getan - ist begründet. Die Zuständigkeit des erkennenden Senats des Oberlandesgerichts Celle ergibt sich aus § 1062 ZPO. Der Senat entscheidet nach § 1063 ZPO durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung, nach erfolgter Anhörung der Antragsgegnerin.
Die Überlegungen der Antragsgegnerin, das russische Schiedsgericht sei nicht zuständig gewesen, dessen Zuständigkeit sei auch nicht wirksam vereinbart worden, gehen fehl. Nr. 9. des von den Parteien schriftlich geschlossenen Rahmenvertrages Nr. 75 vom 24. April 1998, in Einklang stehend mit Art. II des genannten UN-Übereinkommens, enthält eine zulässige und eindeutige Schiedsgerichtsvereinbarung, wobei auch von einer "Alternativzuständigkeit" im Sinne der Auffassung der Antragsgegnerin nicht die Rede sein kann, weil die Parteien eindeutig vereinbart haben, es könne entweder das russische Schiedsgericht o d e r das "Internationale Gericht in ..." angerufen werden. Hier hat also die Antragstellerin zulässigerweise von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das russische Schiedsgericht anzurufen. Die Zuständigkeit dieses richtigerweise/zulässigerweise angerufenen russischen Schiedsgerichts ist auch dadurch nicht beeinträchtigt, dass die Antragstellerin das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien - es ist nicht bekannt, wann - "gekündigt" hat. Denn die allgemein gefasste Schiedsgerichtsvereinbarung betrifft "alle Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten, die sich aus diesem Vertrag oder im Zusammenhang mit ihm ergeben", also auch über ein etwaiges Vertragsende hinaus oder gerade auch im Zusammenhang mit der Vertragsabwicklung nach seiner Beendigung.
Nach dem übrigen Vorbringen der Antragsgegnerin, sie sei im Schiedsgerichtsverfahren nicht ordnungsgemäß angehört worden, ihr sei nicht hinreichend die Möglichkeit zur Verteidigung eingeräumt worden, könnte ein Grund i.S. des Art. V. (1) b) des genannten UN-Übereinkommens für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung des russischen Schiedsspruchs gegeben sein. Entgegen den Überlegungen der Antragsgegnerin lässt sich aber solches nicht feststellen, sodass auch § 1063 Abs. 2 i.V.m. § 1059 Abs. 2 ZPO nicht zur Anwendung kommt, der Senat also nicht nach mündlicher Verhandlung zu entscheiden hat, sondern durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung. Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass das zulässigerweise angerufene russische Schiedsgericht - geradezu "selbstverständlich", anderes ist auch nicht etwa vereinbart - in russischer Sprache (und Schrift) korrespondieren und verhandeln durfte, ohne allein dadurch etwa der Antragsgegnerin nicht hinreichend rechtliches Gehör zu gewähren, ihr etwa nicht genügend Verteidigungsmöglichkeiten einzuräumen. Mag auch der maßgebliche "Rahmenvertrag" vom 24. April 1998 in russischer und deutscher Sprache abgefasst worden sein, so finden sich darin doch keine näheren Regelungen zum anrufbaren russischen Schiedsgericht und dessen Tätigwerden. Unabhängig davon, dass - womöglich - für das Schiedsgerichtsverfahren bedeutsame Schriftstücke der Antragsgegnerin auch in deutscher Sprache/Übersetzung vorgelegen haben, und unabhängig davon, dass die Antragsgegnerin, wie von ihr zu den Akten gereichte Schriftstücke zeigen, durchaus Gelegenheit genommen hat, in deutscher Sprache mit dem russischen Schiedsgericht zu korrespondieren, d.h. insbesondere auch Einwendungen formeller und materieller Art vorzubringen, wäre es doch allein Sache der Antragsgegnerin gewesen, sich selbst um Übersetzer/Dolmetscher zu bemühen, um etwa "vollgültig" an dem russischen Schiedsgerichtsverfahren teilnehmen zu können. Die Antragsgegnerin hat es sich angesichts ihrer Verhaltensweise, d.h. angesichts der Einnahme des Standpunkts, sie und ihr Verfahrensbevollmächtigter könnten nicht Russisch lesen und verstehen, deshalb hätten sie von dem ganzen Schiedsgerichtsverfahren praktisch nichts verstanden und sei für sie "alles nicht nachvollziehbar", selbst zuzuschreiben, dass sie in dem russischen Schiedsgerichtsverfahren nicht mehr und nicht anderes zu ihrer "Verteidigung" gegen den Zahlungsanspruch der Antragstellerin vorgebracht hat, als sich aus ihren von ihr zu den Akten gereichten, in deutscher Sprache abgefassten Schriftstücken ihrer Verfahrensbevollmächtigten ergibt. Die Antragsgegnerin hätte bei der gebotenen "richtigen" Teilnahme an dem russischen Schiedsgerichtsverfahren bei Bemühung eines entsprechenden Übersetzers/Dolmetschers durchaus die Möglichkeit gehabt, sich ordnungsgemäß und umfassend "zu verteidigen", insbesondere auch an den mündlichen Verhandlungen teilzunehmen und auch etwaige Gegenansprüche vorzubringen. Es ist nicht ersichtlich, dass sie daran durch irgendeine Vorgehensweise des russischen Schiedsgerichts gehindert worden wäre, weshalb sich auch nicht feststellen lässt, dass sie in ihrer "Verteidigung" enthört und beschnitten worden wäre.
Da auch sonst Gründe für eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckung des russischen Schiedsspruchs i. S. des Art. V. des genannten UN-Übereinkommens nicht ersichtlich und auch nicht vorgebracht sind, steht der beantragten Vollstreckbarerklärung nichts im Wege. Allein die Tatsache, dass die Antragsgegnerin nach ihrer Darstellung gegen den russischen Schiedsgerichtsbeschluss ein "Rechtsmittel" eingelegt hat, bedeutet nicht, dass etwa ein Versagungsgrund nach Art. V. (1) b) des genannten UN-Übereinkommens gegeben ist.
Nach § 91 ZPO hat die Antragsgegnerin die Kosten dieses Vollstreckbarerklärungsverfahrens zu tragen. Nach § 1064 Abs. 2 ZPO ist dieser Vollstreckbarerklärungsbeschluss seinerseits für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Festsetzung der Beschwer der Antragsgegnerin erfolgt im Hinblick auf § 1065 i. V. m. § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Summary