Gericht | OLG München | Aktenzeichen | 34 Sch 27/10 | Datum | 27.03.2013 |
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Leitsatz | |||||
Zur Zulässigkeit der Aufrechnung mit einer rückabgetretenen Forderung im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs (hier verneint wegen des Verbots der révision au fond). | |||||
Rechtsvorschriften | § 1025 Abs 4 ZPO, § 1061 ZPO, § 1062 Abs 1 Nr 4 ZPO | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
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Volltext | |||||
Beschluss: Tenor: I. Das aus drei Schiedsrichtern bestehende Schiedsgericht der Arbitragekammer an der Landwirtschaftskammer hat in dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagten geführten Schiedsverfahren beschlossen, den Beklagten zugunsten des Klägers mit zur Zahlung von 9.979,20 (neuntausendneunhundertneunundsiebzig 20/100) Euro mit den Vertragszinsen von 1 % monatlich bis zum Zahlungstag und zur Zahlung von 5000,- (fünftausend) PLN netto für Schiedsgebühren und außerdem zur Zahlung von 1.500,- (eintausendfünfhundert) PLN als Erstattung außergerichtlicher Auslagen für die Verhandlungsvertretung zu verurteilen. II. Dieser Schiedsspruch wird für vollstreckbar erklärt. III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens. IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. V. Der Streitwert wird auf 11.500 € festgesetzt. Gründe I. Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines polnischen Schiedsspruchs. Die Parteien betreiben Import und Export von Obst und Gemüse. Die Antragstellerin, ein polnisches Unternehmen (Sp. z o.o.), schloss als Verkäuferin mit der Antragsgegnerin, einer deutschen Handelsgesellschaft (GmbH), als Käuferin einen Vertrag über die Lieferung von tiefgekühltem Broccoli. Der Vertrag enthält folgende Schiedsklausel: Freundschaftlich bzw. Schiedsgericht bei der Wirtschaftskammer gemäß dessen Schiedsgerichtsordnung. Die Antragstellerin erhob Schiedsklage mit dem Antrag, die Antragsgegnerin zur Kaufpreiszahlung von 9.978,20 € für die Gemüselieferung zu verurteilen. Die Antragsgegnerin verteidigte sich damit, dass die Forderung wegen von ihr vollzogener Abzüge erloschen sei. Die Parteien hätten nämlich einen Vertrag geschlossen, wonach die Antragstellerin der Antragsgegnerin vier Wagenladungen Gefrierhimbeeren liefern sollte. Die Antragstellerin habe die Verpflichtung nur teilweise erfüllt, indem sie zwei Wagenladungen an die mit der Antragsgegnerin zusammenarbeitende Firma (im folgenden: O.) geliefert habe. Die Antragsgegnerin habe zu einem höheren Preis anderswo die fehlende Ware erwerben müssen. Die Antragsgegnerin machte einen Betrag von 42.000,- € geltend und erklärte mit dem Teilbetrag von 9.979,20 Euro gegen die Klageforderung die Aufrechnung. Zum Nachweis legte die Antragsgegnerin eine schriftliche "Erklärung über Abzüge" (Aufrechnungserklärung) vom 1.10.2007 vor. Das Schiedsgericht sprach mit Entscheid die Forderung der Antragstellerin als von der Antragsgegnerin nicht bestritten zu. Die Gegenforderung sei unbegründet. Es sei nicht bewiesen, dass die Antragsgegnerin von der Antragstellerin überhaupt die Auslieferung der Ware gefordert hätte. Im Übrigen sei die Lieferung an die O. aufgrund eines "Ersatzvertrages" erfolgt. Der Vertrag der Antragstellerin mit diesem Unternehmen habe denjenigen zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens ersetzt. Auch deshalb gebe es keine Grundlage für die geltend gemachte Gegenforderung. Das Urteil des Bezirksgerichts in L. über die Forderungen der O. gegen die Antragstellerin habe in der vorliegenden Sache keine Bedeutung. Dem Verfahren vor dem staatlichen Gericht lag folgendes zugrunde: Die Antragstellerin hatte gegen die O. Klage auf Zahlung einer Restforderung für die Lieferung verkaufter Himbeeren in Höhe von PLN 84.754,59 erhoben. Die Beklagte rechnete mit der von der hiesigen Antragsgegnerin abgetretenen Forderung in Höhe von 32.020,80 € (PLN 120.846,50) auf. Das erstinstanzliche Gericht verurteilte sie zur Zahlung der Klageforderung. Auf die Berufung der Beklagten wies das Bezirksgericht mit Urteil vom 24.4.2008 die Klage ab, da die Aufrechnungsforderung bestehe und die Aufrechnung auch prozessual wirksam sei. Die Antragstellerin hat in Deutschland Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs gestellt. Die Antragsgegnerin hat sich dem mit folgender Begründung widersetzt: Die Forderung sei aufgrund Aufrechnung mit einer eigenen Forderung gegen die Antragstellerin aus nicht erfülltem Vertrag "niedergeschlagen" worden. Sie habe die Forderung an die O. abgetreten. Mit Vertrag habe die O. die Forderung in Höhe von noch 36.091,91 PLN an sie rückübertragen. Hiermit rechnet die Antragsgegnerin nun im vorliegenden Verfahren auf. Sie legt dazu unter anderem Rechnungen für Deckungskäufe vor. Die Antragstellerin ist der Meinung, auf den Vertrag sei polnisches Recht anwendbar. Hiernach sei die Aufrechnung unwirksam. Das Schiedsgericht habe den Gegenanspruch der Antragsgegnerin als unbegründet erachtet. Die sachliche Prüfung des Schiedsspruchs im Vollstreckbarerklärungsverfahren sei unzulässig. Die Antragsgegnerin verweist hingegen darauf, dass Gegenstand ihrer Aufrechnung eine bestehende und fällige Forderung sei. Sie bezieht sich auf das ihr günstige Urteil des Bezirksgerichts. II. Der Antrag, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, ist zulässig und begründet. Das Oberlandesgericht München ist für die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung zuständig (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und Abs. 5 i. V. m. § 8 GZVJu vom 16.11.2004, GVBl S. 471), weil kein deutscher Schiedsort besteht und die Antragsgegnerin ihren Sitz in Bayern hat. 1. Der Antrag ist formgerecht gestellt und auch im Übrigen zulässig (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1 Satz 1, § 1064 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Der Schiedsspruch wurde zwar nur in beglaubigter Abschrift vorgelegt, außerdem die deutsche Übersetzung durch eine in Polen beeidigte Dolmetscherin, die Schiedsvereinbarung nur in Ablichtung. Diese Form genügt, da die Regelungen in Art. II mit Art. IV Abs. 1 Buchst. a und b des Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II S. 122 - im Folgenden UNÜ) nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern als Beweisbestimmung zu verstehen sind (BGH NJW 2000, 3650; WM 2001, 971; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 33. Aufl. §1061 Rn. 6). Jedenfalls sind die anerkennungsfreundlicheren Anforderungen des nationalen Rechts (§ 1064 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 ZPO) erfüllt (vgl. Art. VII Abs. 1 UNÜ). Das Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl 1964 II S. 426) enthält hierzu keine Bestimmungen. Im Übrigen sind die Schiedsabrede, die Existenz und Authentizität des Schiedsspruchs sowie dessen tragender Inhalt zwischen den Parteien unstreitig. 2. Die Vollstreckbarerklärung ist auszusprechen, weil Gründe, die Anerkennung und Vollstreckung zu versagen (Art. V Abs. 1 und Abs. 2 UNÜ, § 1061 Abs. 2 ZPO), nicht vorliegen. Über die Aufrechnung hat das Schiedsgericht bereits entschieden. Diese Entscheidung ist wegen des Verbots der sachlichen Nachprüfung (révision au fond) hinzunehmen. a) Versagungsgründe nach Art. V Abs. 1 und Abs. 2 UNÜ, namentlich Verstöße gegen den von Amts wegen zu beachtenden inländischen ordre public, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. b) Soweit die Antragsgegnerin mit einem rückabgetretenen Teilbetrag der von ihr behaupteten, zunächst an die O. abgetretenen Forderung aufrechnet, bringt dies unabhängig von der Frage, welches Recht für die Gegenforderung maßgeblich ist, die schiedsgerichtlich zuerkannte (Haupt-) Forderung nicht zum Erlöschen. Allerdings hat das staatliche Gericht im Vollstreckbarerklärungsverfahren auch über eine Aufrechnung zu entscheiden, wenn gegenüber der der Aufrechnung zu Grunde liegenden Forderung nicht zu Recht die Schiedseinrede erhoben wird und wenn das Schiedsgericht die Aufrechnung - zu Recht oder zu Unrecht - nicht berücksichtigt hat (siehe BGH NJW-RR 2011, 213; Reichold in Thomas/Putzo § 1060 Rn. 3). Jedoch hat die Antragsgegnerin bereits im Schiedsverfahren mit derselben Forderung aufgerechnet und das Schiedsgericht darüber in der Sache entschieden, nämlich dergestalt, dass die Voraussetzungen des Anspruchs nicht bewiesen seien und der Vertrag mit der Antragsgegnerin, aus dem der Anspruch hergeleitet wurde, ersetzt ist durch einen Vertrag mit der O. Offen bleiben kann an dieser Stelle, ob die Gegenforderung tatsächlich besteht: Hat sie nicht bestanden, ging auch die Aufrechnung ins Leere. Ebenso gilt dies für die erneut erklärte Aufrechnung. Sollte die Forderung bestanden haben, so hat doch das Schiedsgericht negativ darüber entschieden. Dies kann wegen des Verbots der révision au fond nicht durch das staatliche Gericht überprüft werden (vgl. BGH SchiedsVZ 2008, 40/42; Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1060 Rn. 24). Die zwischenzeitlich erfolgte Rückabtretung kann daran nichts ändern, weil die Forderungsidentität davon unberührt bleibt. Ebensowenig ist das Urteil des Bezirksgerichts erheblich. Die Antragsgegnerin hat nämlich bereits mit Erklärung aufgerechnet. Dann ist die Forderung - wenn sie bestanden hat und aufrechenbar war - erloschen und konnte auch nicht mehr an die Firma O. abgetreten, damit auch nicht rückabgetreten werden. Die O. hat nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin in dem Rechtsstreit vor dem staatlichen Gericht ausdrücklich die ihr von der Antragsgegnerin abgetretene Forderung geltend gemacht, so dass sich ein anderes Ergebnis auch nicht daraus ergibt, dass die O. der Antragsgegnerin eine eigene Forderung - über die das Schiedsgericht noch nicht entschieden hat und die nicht einer Schiedsabrede unterliegt - abgetreten hätte. Offen bleiben kann daher, ob die Aufrechnungsvoraussetzungen nach polnischem Recht vorgelegen haben. III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Der Streitwert entspricht gemäß dem Vollstreckungsinteresse der Antragstellerin dem Wert der Hauptsache zuzüglich der betragsmäßig bezifferten Verfahrenskosten (§ 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 und § 5 ZPO). Die Primäraufrechnung wirkt nicht streitwerterhöhend (vgl. § 45 Abs. 3 GKG). | |||||
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