Gericht | OLG München | Aktenzeichen | 34 Sch 10/13 | Datum | 14.08.2013 |
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Leitsatz | |||||
1. Trägt ein Berichtigungsbeschluss des Schiedsgerichts ein offensichtlich unrichtiges Datum, kann das auch vor bzw. ohne förmliche Berichtigung im Schiedsverfahren (siehe § 1058 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für inländische Schiedssprüche) entsprechend dem Rechtsgedanken des § 319 ZPO als offenbare Unrichtigkeit vom Oberlandesgericht berücksichtigt werden. 2. Zur Vereinfachung des Vollstreckungsverfahrens kann der Schiedsspruch um die Angabe des allgemein zugänglichen Mehrwertsteuersatzes, der zum fraglichen Zeitpunkt gegolten hat, ergänzt werden. | |||||
Rechtsvorschriften | §§ 1061 Abs. 1, 1064 Abs. 1 ZPO | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruches; Günstigkeitsprinzip; Berichtigungsbeschluss des Schiedsgerichts; offenbare Unrichtigkeit im Schiedsspruch; Ergänzung der Angabe des allgemein zugänglichen Mehrwer | ||||
Volltext | |||||
Beschluss I. Das aus den Schiedsrichtern G als Vorsitzendem, H und I bestehende Schiedsgericht bei der Ungarischen Handels- und Industriekammer erließ in dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und der J als Schiedsbeklagten in Budapest/Ungarn geführten Schiedsverfahren am 2. Mai 2013 folgenden mit Beschluss vom 15. Mai 2012 (richtig: 2013) berichtigten Schiedsspruch: 1. Die Beklagte wird vom Schiedsgericht verurteilt, der Klägerin als Kaufpreis EUR 780.000 (Euro siebenhundertachtzigtausend) und aufgrund dieses Betrages die von der Europäischen Zentralbank bestimmten Zinsen in der Höhe von 1% vom 1. Februar 2012 bis zum Tag der Auszahlung zu bezahlen. 2. Die Beklagte wird vom Schiedsgericht verurteilt, der Klägerin die Gebühren des Schiedsverfahrens in der Höhe von HUF 9.105.556,- (neun Millionen einhundertfünftausendfünfhundertsechsundfünfzig ungarische Forint) zu bezahlen. ... 3. Die Beklagte wird vom Schiedsgericht verurteilt, der Klägerin Vertretungshonorar in der Höhe von HUF 3.500.000,- + MwSt. (drei Millionen fünfhunderttausend Forint + MWSt) zu bezahlen. 4. Die Parteien haben ihrer Zahlungspflicht innerhalb von 30 Tagen nachzukommen. II. Dieser Schiedsspruch wird für die Antragstellerin mit der Maßgabe für vollstreckbar erklärt, dass 1. die Antragsgegnerin aufgrund zwischenzeitlicher Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der Schiedsbeklagten ist, 2. die gesetzliche Mehrwertsteuer gemäß Ziff. 3. 27 % beträgt. III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens. IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. V. Der Streitwert wird auf 823.000 € festgesetzt. Gründe: I. Die Antragstellerin als Verkäuferin und die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin als Käuferin schlossen am 18.11.2011 einen Kaufvertrag über verschiedene medizinische Geräte zum Preis von insgesamt 1.200.000 €. Der Vertrag wird in Ziff. 12 dem ungarischen Recht unterstellt und enthält eine Schiedsklausel. Die Gerätschaften wurden ausgeliefert. Die Käuferin zahlte nur 30 % des Kaufpreises (360.000 €). Mit der unter dem 5.3.2012 erhobenen Schiedsklage machte die Antragstellerin restliche Kaufpreisansprüche von noch 780.000 € geltend. Das Schiedsgericht gab mit Schiedsspruch vom 2.5.2013 (berichtigt am 15.5.2012 - richtig: 2013) dem Klageantrag statt und verurteilte die Schiedsbeklagte weiter, die Gebühren des Schiedsverfahrens in Höhe von HUF 9.105.556 und die Anwaltskosten der Antragstellerin in Höhe von HUF 3.500.000 (zuzüglich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. Unter Vorlage des Schiedsspruchs (samt Fehlerberichtigung) im Original hat die Antragstellerin am 3.7.2013 Vollstreckbarerklärung beantragt. Die Antragsgegnerin hatte Gelegenheit zur Äußerung, davon aber nicht Gebrauch gemacht. II. Dem Antrag ist stattzugeben. 1. Das Oberlandesgericht München ist zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des im Ausland ergangenen Schiedsspruchs (§ 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 2 und 5 ZPO i.V.m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012, GVBl. S. 295), denn die Antragsgegnerin hat ihren Sitz (§ 17 Abs. 1 ZPO) in Bayern. 2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist zulässig und begründet. a) Der Antrag richtet sich gegen einen anderen Rechtsträger als die im Schiedsverfahren belangte Partei. Indessen ist durch die vorgelegten Handelsregisterauszüge nachgewiesen, dass die damalige Schiedsbeklagte als übertragender Rechtsträger mit der Antragsgegnerin als aufnehmendem Rechtsträger gemäß Verschmelzungsvertrag vom 28.3.2013 verschmolzen wurde. Dies wurde am 31.5.2013 im Handelsregister eingetragen. b) Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung hat die Antragstellerin mit Vorlage des Schiedsspruchs - einschließlich des Berichtigungsschiedsspruchs - im Original erfüllt (§ 1064 Abs. 1 ZPO). Der Berichtigungsbeschluss trägt ein offensichtlich unrichtiges Datum (2012 statt richtig 2013). Dies kann auch vor bzw. ohne förmliche Berichtigung im Schiedsverfahren (siehe § 1058 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für inländische Schiedssprüche) entsprechend dem Rechtsgedanken des § 319 ZPO als offenbare Unrichtigkeit vom Senat berücksichtigt werden. Zwar stellt Art. IV Abs. 1 Buchst. b des hier einschlägigen UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II, S. 122; abgedruckt bei Reichold in Thomas/Putzo ZPO 34. Aufl. § 1061 vor Rn. 1; im Folfenden: UN-Ü) an die Vorlage von Urkunden spezielle Anforderungen, denen die hier vorgelegten Originale nicht entsprechen. Gemäß Art. VII Abs. 1 UN-Ü gilt aber auch für die formelle Seite das Günstigkeitsprinzip (Reichold in Thomas/Putzo § 1061 Rn. 6; vgl. BGH SchiedsVZ 2010, 332; BGH NJW 2005, 3499). Nach dem anerkennungsfreundlicheren nationalen Recht (siehe § 1064 Abs. 1 ZPO) bedarf es nur der Vorlage des Schiedsspruchs im Original oder in beglaubigter Abschrift. c) Anerkennungshindernisse, die nur auf Antrag berücksichtigt werden können (Art. V Abs. 1 UN-Ü), sind nicht geltend gemacht. Gründe, die gemäß Art. V Abs. 2 UN-Ü von Amts wegen zu berücksichtigen wären, sind nicht ersichtlich. d) Der Senat hat Ziffer 3 des Schiedsspruchs zur Vereinfachung für das Vollstreckungsverfahren um die Angabe des allgemein zugänglichen Mehrwertsteuersatzes, der zum fraglichen Zeitpunkt in Ungarn gegolten hat (siehe www.die-mehrwertsteuer.de/de/ umsatzsteuer-ungarn.html), ergänzt (vgl. BGH WM 2012, 179; bereits BGH WM 1990, 1122). Dass Anwaltshonorar einem gemäßigten Steuersatz unterfiele, ist nicht ersichtlich. Soweit die getroffene Vollstreckbarerklärung die Gebührenfestsetzung ("Feststellung") des Schiedsgerichts ausnimmt (Ziff. 2 Satz 2 des Schiedsspruchs), beruht dies darauf, dass die Festsetzung keine Wirkungen im Verhältnis der Parteien zum Schiedsgericht oder zu ihren Bevollmächtigten entfaltet (siehe im Einzelnen BGH NJW 2012, 1811). Deshalb ist auch nur der von der Schiedsbeklagten an die Schiedsklägerin zu erstattende Gebührenbetrag (Ziff. 2 Satz 1) Gegenstand der Vollstreckbarerklärung. 4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Der Streitwert setzt sich zusammen aus der Hauptsache, den Gebühren des Schiedsverfahrens und den Kosten, die der Antragstellerin außergerichtlich entstanden sind. Auch die beiden zuletzt genannten Positionen kann die Antragstellerin aufgrund des gegenständlichen Titels nunmehr im Inland gegen die Antragsgegnerin vollstrecken (siehe § 794 Abs. 1 Nr. 4 a ZPO). | |||||
Summary | |||||
The applicant asked the Higher Regional Court of Munich for a declaration of enforceability of a foreign arbitral award. The court declared the award enforceable. The applicant fulfilled the formal requirements for the declaration of enforceability upon submission of the original arbitral award issued in Hungary, including a corrective arbitral award (section 1064 subsec. 1 of the German Code of Civil Procedure (ZPO)). The corrective decision by the arbitral tribunal bore an obviously incorrect date (2012 instead of 2013). The court found that this could also be taken into account by the court before or respectively without formal correction in the arbitral proceedings (see section 1058 subsec. 1 no. 1 ZPO for domestic arbitral awards) in accordance with the legal concept of section 319 ZPO for an obvious incorrectness. While Art. IV subsec. 1 lit. b of the applicable United Nations Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards of 10 June 1958 (NYC) sets specific requirements to the submission of documents, which the originals submitted here did not correspond to, according to Art. VII subsec. 1 NYC, the principle of favourability applies. According to the more enforcement-friendly national law (section 1064 subsec. 1 ZPO), only the original or certified copy of the arbitral award had to be submitted. In order to simplify the procedure for a declaration of enforceability, the court added to the arbitral award the indication of the generally accessible value added tax (VAT) rate applicable in Hungary at the time in question. It was not apparent that the lawyer's fee would be subject to a moderate tax rate. Insofar as the court had excluded the determination of fees by the arbitral tribunal in the declaration of enforceability, this was based on the fact that the determination had no effect in the relationship of the parties to the arbitral tribunal or to their authorised representatives. Because of that, only the amount of the fee to be refunded by the party opposing the application to the applicant was the subject of the declaration of enforceability. |