34 SchH 8/11


Gericht OLG München Aktenzeichen 34 SchH 8/11 Datum 30.08.2011
Leitsatz
Ls. des Gerichts
(Weite) Auslegung einer gesellschaftsvertraglichen Schiedsvereinbarung in Bezug auf einen am selben Tag abgeschlossenen Vertrag mit einem der Gesellschafter über die monatliche Vorabvergütung als kalkulatorischen Unternehmerlohn.
RechtsvorschriftenZPO §§ 1029, 1040 Abs. 3, § 1062 Abs. 1 Nr. 2
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
Stichworte
Volltext
B E S C H L U S S
I. Der Antrag, die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts für die am 29. April 2011 eingereichte Schiedsklage festzustellen, wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 25.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller, der Antragsgegner und eine weitere Person gründeten mit Vertrag vom 1.7.2005 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zum Betrieb eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) gemäß § 95 SGB V.
In § 25 dieses Gesellschaftsvertrages ist geregelt:
„Über etwaige Streitigkeiten aus diesem Gesellschaftsvertrag und über seine Wirksamkeit entscheidet ein Schiedsgericht. Hierzu schließen die Vertragsparteien einen eigenen Schiedsvertrag ab, der diesem Gesellschaftsvertrag als Anlage beigefügt ist.“
Der Schiedsvertrag vom selben Tag enthält unter (2) die Klausel:
„Sämtliche Streitigkeiten aus dem am heutigen Tag geschlossenen GbR-Vertrag sollen unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges von einem Schiedsgericht endgültig entschieden werden.“
Ebenfalls am 1.7.2005 schloss der Antragsgegner mit der GbR einen "Vertrag über die Vergütung ärztlicher Leistungen und Regelung der Zusammenarbeit", der die Pflichten des Praxisarztes, insbesondere aber die Arbeitszeit und die Vergütung regelt.
Der MVZ-Gesellschaftsvertrag regelt in § 1 ("Vertragszweck"):
„(1) Die Gesellschafter verbinden sich zur gemeinsamen Ausübung der vertragsärztlichen und privatärztlichen Tätigkeit nach Maßgabe dieses Vertrages mit Wirkung zum 1.7.2005.
(2) Die Gesellschafter üben ihre vertragsärztliche und privatärztliche Tätigkeit als Medizinisches Versorgungszentrum nach § 95 SGB V gemeinsam aus ..."
In § 3 ("Grundsätze der Zusammenarbeit") ist geregelt:
...
„(2) Gesellschafter 1 (= Antragsgegner) ist ärztlicher Leiter des MVZ und damit Ansprechpartner für die KV in allen abrechnungstechnischen und organisatorischen Belangen. Innerbetrieblich hat der ärztliche Leiter gegenüber den anderen Gesellschaftern und allen anderen Ärzten im MVZ Weisungsbefugnis.
...
(4) Die Gesellschafter stellen der Gesellschaft ihre gesamte Arbeitskraft im Rahmen und zur Förderung des Vertragszwecks uneingeschränkt zur Verfügung.“
...
Der Vertrag über die Vergütung ärztlicher Leistungen und Regelung der Zusammenarbeit enthält in § 5 ("Vergütung") folgende Regelung:
„1) Der Praxisarzt erhält eine monatliche Vorabvergütung als kalkulatorischen Unternehmerlohn von 5.000,00 € (in Worten: fünftausend Euro). Für die Funktion des ärztlichen Leiters erhält der Praxisarzt eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 2.500,00 € zusätzlich. Die Vergütung ist nachträglich zum Monatsende bis zum 5. des Folgemonats zu entrichten."
Der Antragsgegner erhob mit Klageschrift vom 27.4.2011 - Eingang 29.4.2011 – gegen den Antragsteller und den weiteren Gesellschafter Schiedsklage, mit welcher er einen Zahlungsanspruch in Höhe von 75.000,00 € aus dem am 1.7.2005 geschlossenen Vertrag über die Vergütung ärztlicher Leistungen und Regelung der Zusammenarbeit geltend macht.
Der Antragsteller hat die Zuständigkeit des Schiedsgerichts gerügt. Das Schiedsgericht hat sich mit Zwischenentscheid vom 21.6.2011 als zuständig bezeichnet.
Unter dem 29.6.2011 - eingegangen am selben Tag - hat der Antragsteller beantragt, festzustellen, dass die Zuständigkeit des Schiedsgerichts für die am 29.4.2011 eingelegte Schiedsklage nicht bestehe. Es handle sich nicht um eine Streitigkeit aus dem Gesellschaftsvertrag. Der Antragsgegner mache vielmehr Ansprüche aus einem gesonderten Vertrag über die Vergütung ärztlicher Leistungen und Regelungen der Zusammenarbeit geltend, der nicht Bestandteil des Gesellschaftsvertrags sei und keine Schiedsvereinbarung enthalte. Die erhobenen Ansprüche beträfen solche des Schiedsklägers gegen die GbR im Außenverhältnis. Der Umstand, dass der Kläger statt der GbR einen vollhaftenden Gesellschafter in Anspruch nehme, ändere nichts daran, dass es sich um einen Anspruch gegen die GbR handle, der nicht das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betreffe. Dies werde umso deutlicher, wenn man den Gesamtcharakter des Vertrags betrachte. Es handle sich im Wesentlichen um einen Arbeitsvertrag. Die GbR sei nicht Partei des Schiedsvertrags.
Der Antragsgegner beantragt die Zurückweisung des Antrags. Es gehe um die Vorabvergütung eines Gesellschafters. Der Schiedskläger mache nicht arbeitsrechtliche Ansprüche aus seinem Anstellungsvertrag geltend, sondern seinen Anspruch auf Vorabgewinn. Es liege eine Streitigkeit im Rahmen der gesellschaftlichen Gewinnverteilung vor. § 18 Abs. 1 des MVZ-Vertrags erlaube im Einvernehmen der Gesellschafter eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Gewinnverteilung etwa in Fällen, in denen ein Missverhältnis zwischen Tätigkeit und Gewinnanteil entstehe. Die Klausel binde den Anstellungsvertrag als Detailregelung in den Gesellschaftsvertrag ein.
Deshalb gelte der Schiedsvertrag auch und gerade für eine solche Ergänzungsregelung, aus der konkrete Ansprüche des Gesellschafters abzuleiten seien.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Das Oberlandesgericht München ist gemäß § 1040 Abs. 3, § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz (vom 16.11.2004, GVBl S. 471) zuständig für die Entscheidung über die Zulässigkeit des in Bayern geführten Schiedsverfahrens.
2. Der Antrag hat trotz Wahrung der Frist des § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO in der Sache keinen Erfolg. Das Schiedsgericht hat zu Recht seine Zuständigkeit bejaht.
a) Das Schiedsgericht hat im Zwischenentscheid im Wesentlichen ausgeführt:
Die geltend gemachte Aufwandsentschädigung, die sich aus § 5 Abs. 1 des Vertrages über die Vergütung ärztlicher Leistungen und Regelung der Zusammenarbeit stütze, bilde eine Streitigkeit aus dem am selben Tag geschlossenen GbR-Vertrag im Sinne von Ziffer (2) des Schiedsvertrags. Der Vertrag über die Vergütung u.a. zwischen der GbR einerseits und dem Schiedskläger andererseits regle in § 1 Abs. 1 und 3 die Tätigkeit des Schiedsklägers im Rahmen der Leistungserbringergemeinschaft des MVZ, wobei der Schiedskläger als Facharzt für Orthopädie und Chirurgie zum Zwecke der ärztlichen Leistungserbringung des MVZ mitarbeite und das Vertragsverhältnis eine ständige Mitarbeit in der "Mitunternehmergemeinschaft" gemäß der Zulassung des MVZ begründe. Außerdem nehme der Schiedskläger nach dem Vertrag die Funktion des ärztlichen Leiters des MVZ wahr. Gemäß § 1 Abs. 4 des Vertrages über die Vergütung ärztlicher Leistungen fänden auf das Vertragsverhältnis die arbeitsrechtlichen Vorschriften gemäß §§ 611 ff. BGB keine Anwendung, die monatliche Vorabvergütung sei bezeichnet als "kalkulatorischer Unternehmerlohn".
Damit korrespondierten die Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag. Die Gesellschafter hätten gemäß § 4 der Gesellschaft ihre gesamte Arbeitskraft im Rahmen des Vertragszwecks uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen, der Schiedskläger sei nach § 3 Abs. 2 ärztlicher Leiter des MVZ und damit Ansprechpartner für die KV in allen abrechnungstechnischen und organisatorischen Belangen. Innerbetrieblich habe der ärztliche Leiter gegenüber den anderen Gesellschaftern und anderen Ärzten im MVZ Weisungsbefugnis. Vertragszweck der Gesellschaft sei die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen und privatärztlichen Tätigkeit der Gesellschafter (§ 1 Abs. 1).
Hieraus ergebe sich, dass der Vertrag über die Vergütung ärztlicher Leistungen die in §§ 3 und 4 des Gesellschaftsvertrags vereinbarten Beiträge der Gesellschafter konkretisiere. Denn die Tätigkeit des Schiedsklägers als ärztlicher Leiter des MVZ sei als gesellschaftsrechtliche (Beitrags-) Pflicht ausgestaltet, ebenso die Verpflichtung, die Arbeitskraft als Facharzt der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Wenn aber die Leistungen des Schiedsklägers, für die er die vereinbarte Gegenleistung mit der Schiedsklage geltend mache, gesellschaftsrechtlich aus dem Gesellschaftsvertrag des MVZ qualifiziert seien, so stelle dies den Zusammenhang auch mit der hierfür nach der Behauptung des Schiedsklägers vereinbarten Gegenleistung her und verknüpfe beide Verträge.
b) Diese zutreffenden Erwägungen des Schiedsgerichts teilt der Senat. Für Schiedsklauseln wie die in § 25 des Gesellschaftsvertrags in Verbindung mit Ziffer (2) des Schiedsvertrags gilt der Grundsatz der weiten Auslegung. Maßstab sind dabei Sinn und Zweck der Schiedsvereinbarung (§ 1029 ZPO). Die weite Auslegung entspricht der Intension der Parteien, die sich berechtigterweise darauf verlassen, dass alle aus dem betreffenden Rechtsverhältnis folgenden Streitigkeiten der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen sind (vgl. Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 472 m. w. N.; Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl. § 1029 Rn. 74). Zwar ist auch dann, wenn mehrere selbstständige Vertragsverhältnisse zwischen den Parteien bestehen, für jedes einzelne gesondert zu prüfen, ob die Schiedsvereinbarung insoweit bestehen soll, und zwar auch dann, wenn die Verträge rechtlich oder wirtschaftlich miteinander zusammenhängen (vgl. z. B. OLG München - 7. Zivilsenat - NJW 2005, 832; OLG Köln vom 23.9.2010, 19 SchH 15/10, bei juris). Dies ist aber vorliegend der Fall. Der Grundsatz der weiten Auslegung gilt nämlich insbesondere dann, wenn die Parteien, so wie hier, eine Schiedsklausel denkbar umfassend formuliert haben (vgl. Lachmann Rn. 473). Danach sollen sämtliche Streitigkeiten aus dem GbR-Vertrag von der Schiedsabrede erfasst sein. Mit dem Vertrag über die Vergütung ärztlicher Leistungen wird gerade der Gesellschaftsvertrag im Hinblick auf den Antragsteller in seiner Eigenschaft als Gesellschafter konkretisiert. Es handelt sich nicht um einen Vertrag zwischen der GbR und einem Außenstehenden, sondern um die nähere Ausgestaltung der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen gemäß §§ 3 und 4 des Gesellschaftsvertrags. Die Streitigkeit lässt sich zwanglos und widerspruchsfrei als solche qualifizieren, die im Konnexitätsverhältnis mit den gesellschaftsrechtlichen Pflichten des Antragstellers steht. Dann spricht aber nichts dafür, dass die Parteien die Vergütungsklage eines Gesellschafters gegen die Mitgesellschafter von der Schiedsvereinbarung ausschließen wollten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
4. Der Streitwert bestimmt sich nach dem Interesse des Antragstellers an der Entscheidung, also an der Vermeidung des schiedsrichterlichen Verfahrens. Es ist als Bruchteil der Hauptsache (hier 1/3 von 75.000,00 €) zu schätzen (vgl. Zöller/Herget § 3 Rn. 16 "Schiedsrichterliches Verfahren").
Summary