4Z Sch 14/98


Gericht BayObLG Aktenzeichen 4Z Sch 14/98 Datum 24.02.1999
Leitsatz
Kommen bei einem Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nach Aktenlage Aufhebungsgründe im Sinn des § 1059 Abs. 2 ZPO in Betracht, so ist die daraufhin gemäß § 1063 Abs. 2 ZPO anzuordnende mündliche Verhandlung entsprechend dem Grundsatz des § 128 Abs. 1 ZPO zwingend. Ist die Antragstellerin im anberaumten Verhandlungstermin säumig und wird daher kein Sachantrag in der nach § 297 ZPO vorgesehenen Form gestellt, mangelt es an einer prozessualen Voraussetzung für eine gerichtliche Sachentscheidung nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO.
Rechtsvorschriften§ 128 ZPO, § 297 ZPO, § 308 ZPO, § 1059 Abs. 2 ZPO, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, § 1063 Abs. 2 ZPO
FundstelleBayObLGZ 1999, 55 (=Nr. 14); BB, Beilage 12 zu Heft 50/2000 (RPS), S. 24; NJW-RR 2000, 807; Yearbook Comm. Arb'n XXVIII (2003), S. 249f.; CLOUT Case 437
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerklärungsverfahren: - IHK der Russischen Föderation; - Anerkennung; - formelle Antragserfordernisse Aufhebungs-/Versagungsgrund: - rechtliches Gehör
Volltext
I. Der zwischen den Parteien am 15. April 1997 ergangene Schiedsspruch des Internationalen Handels-Arbitragegerichts bei der Industrie und Handelskammer der Russischen Föderation (Gerichtsfall Nr. 198/1995) ist im Inland nicht anzuerkennen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtlichen Verfahrens.
III. Der Wert der Beschwer der Antragstellerin beträgt 67.575 DM.
G r ü n d e :
I.
Die Parteien streiten über die Bezahlung von Rohhäuten, die die Antragstellerin an die Antragsgegnerin geliefert haben will.
Das Internationale Handels-Arbitragegericht bei der Industrie- und Handelskammer der Russischen Föderation hat am 15.4.1997 u. a. entschieden,
den Beklagten ... (= Antragsgegnerin) zu verpflichten, zugunsten der ... (= Antragstellerin) den Betrag in Höhe von 39.750-00 USD und 5% der Jahreszinsen von der angegebenen Summe für den Zeitraum vom 15. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1994, sowie 15% der Jahreszinsen vom Betrag 39.750-00 USD, beginnend ab dem 1. Januar 1995 bis zum Tage der tatsächlichen Bezahlung, zu zahlen.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 5. 5. 1998 beantragt, den Schiedsspruch vom 15. 4. 1997 für vollstreckbar zu erklären.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 24. 11. 1998 beantragt, die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs zu versagen.
Die Antragsgegnerin wendet schriftsätzlich ein, sie habe von der Einleitung und der Durchführung eines gegen sie betriebenen Schiedsverfahrens keinerlei Kenntnis erlangt. Sie habe daher auch keine Gelegenheit gehabt, sich zu verteidigen. Eine Ladung sei ihr nicht zugegangen. Die Person, die den von der Antragstellerin vorgelegten Kaufvertrag und die darin enthaltene Schiedsklausel für die Antragsgegnerin unterzeichnet haben soll, sei der Inhaberin der Antragsgegnerin unbekannt.
Der Senat hat Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 28. 1. 1999 anberaumt. Zu diesem
Termin ist für die Antragstellerin niemand erschienen.
Der Antragsgegnervertreter hat im Termin vom 28. 1. 1999 seinen Antrag aus dem Schriftsatz vom 24. 11. 1998 gestellt.
II.
1. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und 5 ZPO i.V.m. § 6a ZVJu n.F. Die Antragsgegnerin hat ihren Sitz in Bayern.
Gemäß Art. 4 § 1 Abs. 3 SchiedsVfG vom 22.12.1997 ist für das gerichtliche Verfahren das neue Recht anzuwenden, weil der vorliegende Antrag auf Vollstreckbarerklärung erst nach dem Stichtag (1. 1. 1998) eingegangen ist.
2. Die beantragte Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist abzulehnen. Die Antragstellerin hat keinen prozessual ordnungsgemäßen Sachantrag auf Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs vom 15. 4. 1997 gestellt.
a) Über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs war gemäß § 1063 Abs. 2 ZPO aufgrund notwendiger mündlicher Verhandlung (§ 128 Abs. 1 ZPO) zu entscheiden; denn nach Aktenlage kamen Aufhebungsgründe im Sinn des § 1059 Abs. 2 ZPO in Betracht. Die Antragsgegnerin hat - bei Auslegung ihres schriftsätzlichen Vorbringens - geltend gemacht, von dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden zu sein (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1b), sich einer gültigen Schiedsabrede nicht unterworfen zu haben (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1c ZPO) und auch keinerlei Mitwirkungsmöglichkeit am Schiedsverfahren erhalten zu haben (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1d). Für derartige Aufhebungsgründe trägt die Antragsgegnerin im Vollstreckbarerklärungsverfahren zwar die Beweislast. Für die Frage, ob gemäß § 1063 Abs. 2 ZPO die mündliche Verhandlung anzuordnen ist, reicht es jedoch aus, wenn Gründe dieser Art nach Aktenlage in Betracht kommen. Soweit die Antragsgegnerin behauptet, von dem Schiedsverfahren nicht in Kenntnis gesetzt worden zu sein und keine Möglichkeit gehabt zu haben, sich daran zu beteiligen, rügt sie die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Beachtung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, eines elementaren Verfahrensgrundrechts, gehört zum unverzichtbaren Standard eines rechtsstaatlichen Verfahrens und ist damit Teil des internationalen ordre public, der auch von Amts wegen zu beachten ist (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO).
b) Die somit gemäß § 128 Abs. 1 ZPO gebotene mündliche Verhandlung hat zur Folge, daß der Sachantrag auf Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs vom 15. 4. 1997 wirksam nur in mündlicher Verhandlung durch Verlesung aus einem vorbereitenden oder zur Protokollanlage erklärten Schriftsatz oder durch Bezugnahme auf einen solchen hätte gestellt werden können (§ 297 ZPO). Da dies wegen der Säumigkeit der Antragstellerin im Termin vom 28. 1. 1999 unterblieben ist, fehlt der in der alleinigen Dispositionsbefugnis der Antragstellerin stehende Sachantrag, an den das Gericht kraft Gesetzes gebunden ist und ohne den ihm eine Sachentscheidung verwehrt ist (§ 308 ZPO). Diese prozessuale Voraussetzung für die von der Antragstellerin erstrebte gerichtliche Entscheidung war daher nicht gegeben.
Gemäß § 1061 Abs. 2 ZPO war daher auszusprechen, daß der Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist, ohne daß es einer Entscheidung darüber bedarf, ob die von der Antragsgegnerin behaupteten, der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs entgegenstehenden Versagungsgründe im Sinn des Art. 5 UN-Übk (§ 1061 Abs. 1 ZPO) auch tatsächlich vorgelegen haben bzw. gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen sind.
Summary
Bay ObLG (Bavarian Highest Regional Court), Order of Feb. 23, 1999 - 4 Z Sch 14/98
Recognition/Enforcement of foreign arbitral award
(Award of the Court of Arbitration of the Chamber of Industry and Commerce of the Russ. Fed.)
R u l i n g:
If an application for enforcement of an arbitral award shows cause for grounds for setting aside the arbitral award pursuant to Sec. 1059 sub. 2 ZPO (Code of Civil Procedure - version of 1998), the court is obliged - pursuant to Sec. 1063 sub. 2 ZPO - to order an oral hearing to be held.
If the applicant fails to appear at such hearing, and consequently fails to file a motion as to the merits in the manner prescribed by Sec. 297 ZPO, one of the procedural prerequisites for a judicial decision on the merits pursuant to Sec. 1062 sub. 1 No. 4 ZPO is lacking. Thus the declaration of enforceability must be denied.