III ZB 48/09


Gericht BGH Aktenzeichen III ZB 48/09 Datum 29.07.2010
Leitsatz
Hat ein Schiedsgericht eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht berücksichtigt, kann der Aufrechnungseinwand vom Antragsgegner grundsätzlich im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung vor dem ordentlichen Gericht geltend gemacht werden. Allerdings kann im Vollstreckbarerklärungsverfahren eine Aufrechnung dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie ihrerseits einer Schiedsabrede unterliegt.
RechtsvorschriftenZPO §§ 1065 Abs. 1 S. 1, 1062 Abs. 1 Nr. 4; BGB § 242
FundstelleSchiedsVZ 2010, 275
Aktenzeichen der VorinstanzOLG Schleswig 16 Sch 01/09
Stichworte
Volltext
B E S C H L U S S
Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 15.Mai 2009 – 16 Sch 1/09 – wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).
Wert des Beschwerdegegenstandes: 129.062,90 €
Gründe:
[1] Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2, § 1025 Abs. 4 ZPO von Gesetzes wegen statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO).
[2] 1. Das Oberlandesgericht hat den streitgegenständlichen Schiedsspruch dahingehend ausgelegt, dass das Schiedsgericht nicht die Aufrechnung mit bestrittenen Gegenforderungen zugelassen, sondern sich einer Entscheidung über die Aufrechnung der Antragsgegnerin sowie die Gegenaufrechnung der Antragstellerin letztlich enthalten hat. Diese Auslegung hält der Senat für richtig. Die insoweit von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, das Schiedsgericht habe streitiges Vorbringen als unstreitig behandelt und dadurch den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör verletzt, geht daher ins Leere.
[3] 2. Hat ein Schiedsgericht eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht berücksichtigt, kann der Aufrechnungseinwand vom Antragsgegner grundsätzlich im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung vor dem ordentlichen Gericht geltend gemacht werden (vgl. nur BGHZ 38, 259, 263 ff; BGH, Urteil vom 7. Januar 1965 VII ZR 241/63 - NJW 1965, 1138, 1139). Dies gilt nicht nur für inländische, sondern ebenso für ausländische Schiedssprüche (vgl. nur BGHZ 34, 274, 277; 38, 259, 263; Urteil vom 7. Januar 1965 aaO). Hiervon ist auch das Oberlandesgericht zutreffend ausgegangen.
[4] Allerdings kann im Vollstreckbarerklärungsverfahren eine Aufrechnung dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie ihrerseits einer Schiedsabrede unterliegt (vgl. RG JW 1912, 132; RGZ 123, 348, 349 f; RG HRR 1936 Nr. 1419; BGHZ 38, 254, 257 f; 99, 143, 147; Senat, Beschluss vom 17. Januar 2008 III ZR 320/06 - NJW-RR 2008, 556 Rn. 10). Genauso hat der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf die entsprechende Situation bei der Schiedsabrede - die Aufrechnung bei Bestehen einer Parteivereinbarung behandelt, in der eine ausländische Gerichtsbarkeit vereinbart worden war (vgl. etwa BGHZ 60, 85, 89 ff; BGH, Urteile vom 20. Dezember 1972 VIII ZR 186/70 - NJW 1973, 421 f, und 12. Mai 1993 VIII ZR 110/92 - NJW 1993, 2753, 2755). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde besteht deshalb im Hinblick auf BGHZ 23, 17 - dort ist die Frage, ob eine Schiedsgerichtsklausel die Berücksichtigung des Aufrechnungseinwands im Zivilprozess ausschließt, letztlich offen gelassen worden - keine klärungsbedürftige Rechtsfrage (mehr).
[5] 3. Es bedarf ferner keiner Klärung der mit der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Frage, ob ein Schiedsvertrag auch dann die Beachtung einer Aufrechnung mit einer der Schiedsabrede unterfallenden Forderung hindert, wenn diese unstreitig ist. Zum einen beantwortet sich die Frage von selbst. Die vorzitierte Rechtsprechung befasst sich nur mit streitigen Forderungen und beruht auf der Überlegung, dass die Schiedsvereinbarung es ausschließt, dass ein ordentliches Gericht anstelle des Schiedsgerichts - über den Bestand (Grund und Höhe) der Forderung entscheidet. Ist die Forderung aber unstreitig, liegt ein Eingriff in die von den Parteien vereinbarte Entscheidungsbefugnis des Schiedsgerichts nicht vor (so auch Senat, Beschluss vom 17. Januar 2008, aaO, für den vergleichbaren Fall, dass über die Gegenforderung ein abschließender Schiedsspruch bereits vorliegt). Zum anderen übersieht die Antragsgegnerin, dass die von ihr zur Aufrechnung gestellten Kaufpreisforderungen zwar als solche unstreitig gewesen sind, jedoch insoweit streitig war, ob diese Forderungen durch die zeitlich zuvor von der Antragstellerin erklärte Aufrechnung mit (weiteren) Schadensersatzansprüchen untergegangen waren. Deshalb war durchaus streitig, ob der Antragsgegnerin eine aufrechenbare Forderung überhaupt (noch) zustand.
[6] 4. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage liegt auch nicht im Hinblick auf § 242 BGB vor. Dass im Einzelfall die Erhebung der Schiedsabrede im Prozess gegen § 242 BGB verstoßen kann und deshalb unbeachtlich ist, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur BGHZ 23, 17, 26 f; 38, 254, 259; BGH, Urteil vom 20. Juni 1979 VIII ZR 228/76 - WM 1979, 978, 979 f). Die dort im Zusammenhang mit einem Vermögensverfall des Schuldners der zur Aufrechnung gestellten Forderung angestellten Erwägungen treffen auf den vorliegenden Rechtsstreit ersichtlich nicht zu, abgesehen davon, dass sich die Antragsgegnerin vor dem Oberlandesgericht überhaupt nicht auf § 242 BGB berufen hat. Der in der Rechtsbeschwerde angeführte Umstand, dass die Antragsgegnerin im Hinblick auf ihre Gegenforderungen (Kaufpreis) gegebenenfalls später in der Slowakei Vollstreckungsmaßnahmen durchführen muss, ist letztlich Folge ihrer Geschäftsbeziehungen mit einem ausländischen Unternehmen (Antragstellerin) und der mit diesem abgeschlossenen Verträge und vermag, da das Oberlandesgericht eine Vermögenslosigkeit der Antragstellerin nicht festgestellt hat und die Rechtsbeschwerde insoweit auch keinen übergangenen Sachvortrag aufzeigt, keinen Einwand aus § 242 BGB zu begründen.
Summary
In an arbitral proceeding applicant sought the payment of damages. Respondent declared a set-off with a purchase price claim against a part of applicant's claim. Applicant objected to the setting off on the ground that the purchase price claim had already been extinguished by virtue of a previous set-off declared by himself. The Tribunal refrained from deciding upon the objection to set-off and rendered an award pursuant to which defendant was obligated to pay damages to applicant. Applicant sought to have the award recognized and declared enforceable before the Higher Regional Court of Schleswig. Respondent objected that the alleged claim was extinguished by set-off.
The Higher Regional Court granted the request. It held that the arbitral tribunal did not decide upon a set-off that it had itself recognized as contested. The court stated that the arbitral tribunal had abstained from deciding upon the set-off and had referred the parties to otherwise assert the set-off claims. The court held that the arbitral tribunal's interpretation of respondent's set-off declaration as a recognition of the initial claim was admissible. Furthermore, applicant's claim had not expired by virtue of a set-off declared in the proceedings to obtain a declaration of enforceability. Pursuant to the case law of the German Federal Court of Justice, in proceedings to obtain a declaration of enforceability objections to the claim can even be raised if these objections can be subject to an action raising an objection to the judgment claim (“Vollstreckungsgegenklage”) pursuant to Sec. 767 para 2 CCP. However, only those objections which are not subject to an arbitration agreement may be considered. Finally, as the jurisdiction of a different arbitral tribunal was agreed in the present case, the Higher Regional Court's competence to decide upon the set-off did not arise from the fact that the arbitral tribunals did not decide upon the set-off.
The Federal Court of Justice confirmed the decision of the Higher Regional Court and stated that the court's decision to uphold the set-off did not offer grounds to file a review motion.