Gericht | OLG Karlsruhe | Aktenzeichen | 10 Sch 02/06 | Datum | 04.07.2006 |
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Leitsatz | |||||
Gegenstand: Schiedsrichterablehnung Leitsatz der Redaktion: Die Vorbefassung eines Schiedsrichters mit dem Gegenstand des Verfahrens im Sinne des § 41 Nr. 5 ZPO begründet in der Regel Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit im Sinne des § 1036 Abs. 2 Satz 1 ZPO. | |||||
Rechtsvorschriften | § 1036 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 1037 Abs. 3 ZPO, § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO § 41 Nr. 5 ZPO | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Bildung des Schiedsgerichts: - Ablehnung, Ablehnungsgr | ||||
Volltext | |||||
B e s c h l u s s 1. Die Ablehnung des Schiedsrichters Prof. Dr.-Ing. D. ist begründet. 2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 3. Streitwert des Verfahrens: 206.142,56 Euro. G r ü n d e I. Der Antragsgegner hat als Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. & Co. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) ein schiedsgerichtliches Verfahren gegen die Antragstellerin zur Geltendmachung von Werklohn eingeleitet und hierfür als Schiedsrichter Prof. Dr.-Ing. D. benannt. Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 08.03.2006 der Benennung von Prof. Dr.-Ing. D. widersprochen, da dieser im selbständigen Beweisverfahren, das die Schuldnerin vor dem Landgericht Frankfurt/Main gegen die Antragstellerin geführt hatte, gerichtliche Gutachten erstattet hatte. Der Antragsgegner hat an der Benennung von Prof. Dr.-Ing. D. festgehalten. Mit Schriftsatz an das Oberlandesgericht vom 27.03.2006, eingegangen am gleichen Tag, hat die Antragstellerin beantragt, die Ablehnung des vom Antragsgegner benannten Schiedsrichters für begründet zu erklären. II. 1. Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin als vertretungsberechtigte Gesellschafterin der A. Rohbau F. W. und die Schuldnerin haben gemäß §§ 1029 Abs. 2,1031 Abs. 1 formwirksam am 02.11.1998 eine Schiedsabrede getroffen. Diese ist dahingehend auszulegen, dass auch Streitigkeiten zwischen einem Gesellschafter der A. und der Schuldnerin im Zusammenhang mit dem Nachunternehmervertrag durch ein Schiedsgericht zu entscheiden sind. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Ablehnung des vom Antragsgegner benannten Schiedsrichters ist gemäß § 1037 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 ZPO fristgerecht eingegangen. Gemäß § 11 Abs. 1 der Schiedsgerichtsordnung für das Bauwesen (SGO Bau), die als Verfahrensordnung in der Schiedsgerichtsvereinbarung vom 02.11.1998 vereinbart wurde, ist der Antrag spätestens innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Äußerung der anderen Partei über die Ablehnung bei Gericht zu stellen. Die Frist hat die Antragstellerin eingehalten: Der Antragsgegner hat sich mit Schreiben vom 22.03.2006 zur Ablehnung von Prof. Dr.-Ing. ... geäußert; am 27.03.2006 hat die Antragstellerin die gerichtliche Entscheidung über die Ablehnung beantragt. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für die Entscheidung über die Begründetheit der Ablehnung des Schiedsrichters (§ 1037 ZPO) zuständig. Die im Schiedsverfahren in Anspruch genommene Antragstellerin und die Schuldnerin haben dessen Zuständigkeit in der Schiedsabrede vom 02.11.1998 vereinbart. 2. Der Antrag ist begründet. Die Antragstellerin hat den vom Antragsgegner als Schiedsrichter benannten Prof. Dr.-Ing. D. zu Recht abgelehnt. Nach § 10 Abs. 1 der SGO Bau kann ein Schiedsrichter abgelehnt werden, wenn Gründe vorliegen, die Anlass zu berechtigten Zweifeln an seiner Unparteilichkeit und Unabhängigkeit geben. Die Vorschrift stellt demnach - ebenso wie der inhaltlich entsprechende § 1036 Abs. 2 Satz 1 ZPO - darauf ab, ob objektive Gründe vorliegen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung geeignet sind, bei einer Partei Misstrauen gegen seine Unvoreingenommenheit zu erwecken (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 42 Rn. 9). Die in § 41 ZPO geregelten Gründe für den Ausschluss eines Richters im Verfahren vor den staatlichen Gerichten finden nach § 1036 Abs. 2 Satz 1 ZPO keine (unmittelbare) Anwendung (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., § 1036 Rn. 4). Sie sind in § 10 Abs. 1 SGO Bau auch nicht ausdrücklich als Ablehnungsgründe genannt. Auf § 41 ZPO nimmt nur § 9 SGO Bau ausdrücklich Bezug, die Regelung über die Verpflichtung des Schiedsrichters, seine Ernennung abzulehnen. Das bedeutet aber nicht, dass bei Vorliegen der Gründe für den Ausschluss eines staatlichen Richters generell ein Schiedsrichter nicht wegen Befangenheit abgelehnt werden kann. Vielmehr begründen die Tatbestände des § 41 ZPO in der Regel Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Schiedsrichters (Zöller/Geimer, a.a.O., § 1036 Rn. 10; Schwab /Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Auflage, Kap. 14 Rn. 5). Ein solcher Regelfall liegt hier vor. Zu den in § 41 ZPO aufgeführten Tatbeständen gehört auch die Vorbefassung des Richters mit dem Gegenstand des Verfahrens als Zeuge oder Sachverständiger (Nr. 5). Der Tatbestand ist erfüllt. "Vernommen" im Sinn von § 41 Nr. 5 ZPO ist ein Sachverständiger auch, wenn er in der in Betracht kommenden rechtlichen Angelegenheit, wenn auch in einem anderen Prozess, ein schriftliches Gutachten erstattet hat (Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Auflage, § 41 Rn. 15). Mit der gesetzlichen Regelung sollen von vornherein Bedenken ausgeschlossen werden, die entstehen können, wenn ein Richter Mittel des Beweises ist und selbst gleichzeitig den erhobenen Beweis, das heißt sich, kritisch würdigen muss. Dieser Rechtsgedanke, dass sich aus einer "Doppelfunktion" Bedenken gegen die Unvoreingenommenheit des Richters ergeben können, insbesondere bei der Partei, zu dessen Ungunsten die Beweiserhebung, hier die Gutachtenerstattung, ausgegangen ist, kommt auch im vorliegenden Fall zum Tragen. Die Erstattung des Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren durch den vom Antragsgegner benannten Schiedsrichter Prof. Dr.-Ing. D. ist geeignet, bei der Antragstellerin Befürchtungen zu wecken, dieser stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Bei der Erstattung des Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren hatte er die ihm vorgelegten Fragen über eine Mangelhaftigkeit von Arbeiten der Schuldnerin zu beantworten. Dies hat er, teilweise zulasten der Antragstellerin, getan. Eine mögliche Mangelhaftigkeit ist auch im Schiedsgerichtsverfahren über die Werklohnforderung, die aus diesen Arbeiten resultiert, von Bedeutung, wie die Antragstellerin unwidersprochen vorgetragen hat (AS 27). Deshalb liegt ein objektiver Grund vor, zu befürchten, dass Prof. Dr.-Ing. D. das Ergebnis seines eigenen Gutachtens übernehmen könnte, ohne dieses gegebenenfalls aufgrund von Einwendungen der Antragstellerin kritisch zu überdenken. Ob das von ihm erstattete Gutachten möglicherweise (teilweise) unzutreffend ist und ob er tatsächlich unkritisch an seinem für das Gutachten gefundenen Ergebnis festhalten würde, ist unerheblich. Die strengen Anforderungen, die an die Unvoreingenommenheit des Schiedsrichters damit gestellt werden, sind gerechtfertigt. Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters ist elementare Grundlage auch der Schiedsgerichtsbarkeit (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., § 1036 Rn. 1). 3. Da das Ablehnungsgesuch der Antragstellerin begründet ist, hat der Antragsgegner gemäß § 91 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die Streitwertfestsetzung wird gemäß § 3 ZPO auf das Interesse der Antragstellerin an der Nichtteilnahme des abgelehnten Richters am Schiedsgerichtsverfahren abgestellt. Nach der Rechtsprechung des Senats wird das Interesse nach einem Drittel des Streitwerts der Schiedsklage bemessen. In der Schiedsklage möchte der Antragsgegner eine Werklohnforderung in Höhe von 618.427,68 Euro geltend machen. Der Streitwert des vorliegenden Verfahrens beträgt somit 206.142,56 Euro. | |||||
Summary | |||||
Facts: Der Antragsgegner hatte als Insolvenzverwalter einer GmbH ein schiedsgerichtliches Verfahren gegen die Antragstellerin zwecks Zahlung von Werklohn eingeleitet und als Schiedsrichter Prof. Dr.-Ing. D. benannt. Die Antragstellerin lehnte den Schiedsrichter mit der Begründung ab, dass dieser in einem von der Schuldnerin gegen die Antragstellerin geführten selbständigen Beweisverfahren vor dem LG Frankfurt/Main gerichtliche Gutachten erstattet hatte. Der Antragsgegner hat an seiner Benennung festgehalten. Grounds: Der Senat hat die Ablehnung antragsgemäß für begründet erklärt. Wenngleich die Vorschrift des § 41 ZPO im Schiedsverfahren im Hinblick auf § 1036 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht direkt anwendbar und dementsprechend in der SGO Bau auch nicht in Bezug genommen sei, seien bei Vorbefassung eines Richters mit dem Gegenstand des Verfahrens als Zeuge oder Sachverständiger (§ 41 Nr. 5 ZPO) Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit im Sinne des § 1036 Abs. 2 Satz 1 ZPO und des § 10 Abs. 1 SGO-Bau in der Regel berechtigt. Im vorliegenden Fall hatte der Schiedsrichter bei der Erstattung seines Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren die Mangelhaftigkeit von Arbeiten der Antragstellerin zu beurteilen und eine Mangelhaftigkeit teilweise bejaht. Im Hinblick darauf müsse die Antragstellerin befürchten, dass der Schiedsrichter die Ergebnisse seines Gutachtens übernehmen würde, ohne diese aufgrund von Einwänden der Antragstellerin kritisch zu überdenken. Den Streitwert hat der Senat mit einem Drittel des Wertes der Hauptsache bemessen. |