6 SchH 01/08


Gericht OLG Hamburg Aktenzeichen 6 SchH 01/08 Datum 25.06.2008
Leitsatz
Ersatzbenennung eines Schiedsrichters / Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens
Zum Prüfungsumfang des staatlichen Gerichts hinsichtlich der Aktivlegitimation eines Antragstellers im Rahmen eines Antrags auf Schiedsrichterbestellung bzw. eines Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit eines Schiedsverfahrens.
(Ls. d. Red.)
Rechtsvorschriften§ 33 ZPO, § 1031 ZPO, § 1032 Abs. 2 ZPO, § 1035 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO
§§ 389 ff BGB
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteBildung des Schiedsgerichts: - Benennungsverfahren; - Ersatzbenennung, gerichtliche Prüfungskompetenz/Umfang sonstige Gerichtsverfahren: - Verfahrensgegenstand, Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens; - gerichtliche Prüfungsk
Volltext
B E S C H L U S S:
1. Auf Antrag der Antragstellerin wird für die Antragsgegnerin unter der Schiedsvereinbarung in der Zusatzklausel 13 zur Liner Booking Note vom 14. Juli 2005 als Schiedsrichter bestellt:
Herr
Rechtsanwalt W.
2. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens wird zurückgewiesen.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens nach einem Wert von € 260.443,20.
G r ü n d e:
1. Der gemäß § 1062 Abs.1 Nr.1 ZPO zulässige Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters ist auch begründet. Die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung eines weiteren beisitzenden Schiedsrichters sind gemäß § 1035 Abs. 3 ZPO gegeben.
a) Ein wirksamer Schiedsvertrag liegt vor. Die Klausel: "Es gilt deutsches Recht, Schiedsverfahrensort ist Hamburg" genügt dem Bestimmtheitserfordernis des § 1029 ZPO. Notwendiger Inhalt einer wirksamen Schiedsvereinbarung im Sinne des § 1029 ZPO ist die eindeutige Benennung des zuständigen Schiedsgerichts (vgl. etwa Zöller/Geimer, Zivilprozessordnung, 26. Auflage, § 1029 Rn. 28). Aus der genannten Klausel geht eindeutig hervor, dass Streitigkeiten aus dem im Tenor genannten Frachtvertrag auf ein Schiedsgericht übertragen werden sollen; eine andere Auslegung der Klausel wird auch von der Antragsgegnerin nicht dargelegt. Da auch der Sitz des zu bildenden Schiedsgerichts bestimmt ist, steht der Durchführbarkeit der Schiedsvereinbarung nichts entgegen. Dass keine weitergehenden Vereinbarungen etwa über die Bildung des Schiedsgerichts getroffen worden sind, steht der Annahme eines formgerechten Schiedsvertrages nicht entgegen, da insoweit ergänzend die gesetzlichen Vorschriften der §§ 1034 ff ZPO eingreifen.
b) Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, die Antragstellerin sei als "Agent" nicht Partei des Fracht- und Schiedsvertrages, kann sie hiermit im Bestellungsverfahren nach § 1035 Abs.3 ZPO nicht gehört werden. Derartige materiellrechtliche Fragen sind nicht Gegenstand des Ernennungsverfahrens, sie sind im Schiedsgerichtsverfahren zu klären, da es nicht dem Sinn und Zweck des Bestellungsverfahrens entspricht, durch nicht im Gesetz genannte Anforderungen Komplikationen in das Verfahren hineinzutragen (vgl. hierzu Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Auflage, S. 212 Rdn. 800; Stein/Jonas, ZPO, 22. Auflage § 1035 Rdn.6).
c) Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin durch ihr Schreiben vom 14. Dezember 2007, zugestellt am 19. Dezember 2007, zur Schiedsrichterbestellung gemäß § 1035 Abs.3 ZPO aufgefordert. Die Antragsgegnerin hat jedoch für ihre Seite nicht innerhalb der Monatsfrist des § 1035 Abs.3 S.3 ZPO einen Schiedsrichter benannt. Ob der Wirksamkeit dieser Aufforderung entgegensteht, dass diese im Namen von "B." und nicht unter Nennung der Firmierung der Antragstellerin erfolgt ist, kann dahinstehen. Denn der der Antragsgegnerin am 26. März 2008 zugestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellt eine erneute und in jedem Fall formal wirksame Aufforderung dar (Stein/Jonas, a.a.O., § 1035 Rdn.4). Eine Schiedsrichterbenennung ist auch nicht im Verlaufe dieses Verfahrens erfolgt; die hilfsweise Benennung stellt eine solche Handlung nicht dar.
d) Gemäß § 1035 Abs. 3 ZPO ist deshalb für die Antragsgegnerin ein Schiedsrichter durch das Gericht zu benennen. Obgleich die Antragsgegnerin nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzlichen Frist ihr Recht auf Schiedsrichterernennung verloren hat (vgl. hierzu BayObLG NJW-RR 2002, 933), ist der Senat nicht gehindert, den von der Antragsgegnerin vorsorglich benannten Rechtsanwalt W. zum zweiten beisitzenden Schiedsrichter zu bestellen. Gründe, die einer Bestellung entgegenstünden, sind weder von der Antragstellerin vorgetragen noch ersichtlich.
2.) Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens ist als Widerantrag (§ 33 ZPO) zu dem Bestellungsantrag zulässig und vor Konstituierung des Schiedsgerichts gestellt. Zwischen den beiden Anträgen besteht ein prozessualer Zusammenhang.
Der Widerantrag ist allerdings unbegründet. Im gerichtlichen Verfahren nach § 1032 Abs.2 ZPO hat bezüglich der geltend gemachten Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens eine Prüfung nur dahingehend zu erfolgen, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht, sie durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens dieser Schiedsvereinbarung unterfällt (BayObLGZ 1999, 255/269).
a) Hinsichtlich der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung verweist der Senat auf seine Ausführungen zum Bestellungsantrag (s.o.1.).
b) Die wirksame Schiedsvereinbarung gilt auch für die Parteien dieses Verfahrens und des zukünftigen Schiedsverfahrens. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin nicht Partei der Schiedsvereinbarung ist. Ein Schiedsvertrag kann sich nämlich auf dritte Personen erstrecken. Dies gilt insbesondere auch für den Sonderrechtsnachfolger auf der Gläubigerseite wie den Abtretungsempfänger (vgl. etwa BGHZ 68, 356). Die Antragstellerin hat schriftsätzlich im Einzelnen dargelegt, dass der Vertragspartner der Antragsgegnerin, der "B.", die Poolmangerin B. GmbH sowohl durch den Poolvertrag vom 28. März 2002 als auch durch den gesonderten Beschluss vom 2. Mai 2008 zur gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsvertretung des Pools - auch durch Dritte - ermächtigt hat; diese Ermächtigung umfasst auch das Recht, die damit im Zusammenhang stehenden Forderungen einzufordern. Aufgrund dieser Ermächtigung hat die Poolmanagerin B. GmbH der Antragstellerin sämtliche etwaigen Ansprüche aus dem in Rede stehenden Frachtvertrag zum Zwecke der Einziehung abgetreten. Demgemäß hat die Antragstellerin schlüssig dargelegt, dass sie aus der wirksamen Schiedsvereinbarung im eigenen Namen Ansprüche gelten machen kann. Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, sie habe der Anzeige der Abtretung gemäß § 410 BGB widersprochen, steht dies der Aktivlegitimation der Antragsgegnerin nicht entgegen, da insoweit allenfalls ein in diesem Verfahren nicht zu berücksichtigendes Leistungsverweigerungsrecht bestehen könnte. Ebenfalls nicht gehört werden kann die Antragsgegnerin damit, dass sie das Vorliegen einer wirksamen Ermächtigung der Poolmanagerin zur Einziehung von Forderung des "B." (mit Nichtwissen) bestreitet. Das von der Antragstellerin eingeleitete Verfahren dient nämlich nicht dazu, die materiell-rechtliche Aktivlegitimation abschließend zu prüfen; die Prüfung dieser Frage bleibt – soweit jedenfalls die Aktivlegitimation schlüssig vorgetragen ist – dem Schiedsgericht vorbehalten.
Die Antragsgegnerin hat nicht dargetan, aus welchen Gründen die zwischen den Parteien in Rede stehenden Streitigkeiten nicht unter die in der Zusatzklausel 13 getroffene Schiedsabrede fallen sollte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 3 ZPO, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG; der Wert für die Schiedsrichterbestellung wird durch den Antrag nach § 1032 Abs.2 ZPO wirtschaftlich gesehen nicht erhöht.
Summary
Das Hans. OLG Hamburg benannte auf Antrag einen Schiedsrichter für die Antragsgegnerin. Der Antrag auf Benennung war begründet. Die dem Antrag zu Grunde liegende Schiedsklausel ("Es gilt deutsches Recht, Schiedsverfahrensort ist Hamburg") war wirksam. Der Wille, die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts zu vereinbaren, war eindeutig. Sofern die Vereinbarung keine Regelungen über das Verfahren enthält, gelten die gesetzlichen Bestimmungen. Im Rahmen des Benennungsantrags hat das benennende Gericht nicht zu prüfen, ob die Ast. (als "Agent") Partei der Schiedsvereinbarung ist. Dies ist eine materiellrechtliche Frage, die dem zu bildenden Schiedsgericht vorbehalten ist.
Obwohl die Ag. ihr Recht auf Benennung eines Schiedsrichters nach Ablafu der Frist verloren hat, benannte das OLG den von der Ag. "hilfsweise" benannten Schiedsrichter. Gründe die seiner Bestellung entgegenstünden, sind vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Die Ag. hatte zugleich (als Widerantrag gem. § 33 ZPO) Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens gestellt. Dieser Antrag war zulässig, da er vor Konstituierung des Schiedsgerichts gestellt worden war. Auch bestand zwischen den Anträgen ein prozessualer Zusammenhang.
Im Rahmen des § 1032 Abs. 2 ZPO prüft das Gericht lediglich, ob eine wirksame Vereinbarung besteht, sie durchführbar ist und der Gegenstand des Verfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt.
Die ist vorliegend der Fall. Die Schiedsvereinbarung galt auch für die Ast. Zwar war diese – als Agent – nicht Partei der Schiedsvereinbarung. Eine Schiedsvereinbarung kann sich jedoch auch auf Dritte erstrecken. Im vorliegenden Fall hat die Ast. nachgewiesen, dass die Vertragspartnerin der Ag. ihre Rechte zum Zwecke der Einziehung an die Ast. abgetreten hat. Ob dies im Einzelfall wirksam erfolgt ist, ist nicht Gegenstand der Prüfung im Rahmen der Feststellung der Zulässigkeit/Unzulässigkeit eines schiedsgerichtlichen Verfahrens.