Gericht | OLG Frankfurt am Main | Aktenzeichen | 26 W 101/02 | Datum | 26.09.2002 |
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Leitsatz | |||||
Zwangsvollstreckung/Erinnerung gegen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss | |||||
Rechtsvorschriften | § 567 Abs. 1 Nr.1 ZPO, § 793 ZPO, § 794 Abs. 1 Nr. 4 lit. a ZPO, § 1061 Abs. 1 ZPO, § 1065 Abs. 1 ZPO § 119 Abs. 1 lit. b GVG | ||||
Fundstelle | Yearbook Comm. Arb'n XXX (2005), S. 505ff. | ||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | 83 M 12303/01 - AG Frankfurt/Main | ||||
Stichworte | Aufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Schiedsspruch, ausländisch; - Vollstreckbarerklärung Aufhebungs-/Versagungsgründe: - Restitutionsgründe sonstige Gerichtsverfahren: - Vollstreckungsschutz Vollstreckun | ||||
Volltext | |||||
B E S C H L U S S: Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main - AZ: 83 M 12303/2001 - vom 19. März 2002 (Ergänzungsbeschluss vom 2. April 2002) wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Schuldnerin zu tragen. Beschwerdewert: 50.000 EUR. G R Ü N D E: I. Der Gläubiger erwirkte am 7. Juli 1998 vor einem internationalen Schiedsgericht in Stockholm/Schweden einen Schiedsspruch, durch welchen die Schuldnerin u.a. verpflichtet wurde, an den Gläubiger US-$ 2.350.000 einschließlich Zinsen sowie SEK 495.000 zu zahlen, daneben sollten die Parteien jeweils die von ihnen verursachten Kosten des Schiedsverfahrens tragen. In der Folgezeit trat der Gläubiger die zuerkannten Ansprüche an einen Dritten ab, ist jedoch aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit dem Zessionar zur Einziehung ermächtigt. Der Schiedsspruch wurde durch Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 16. Februar 2001 für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Vollstreckbarerklärung ist mit Klausel und Zustellvermerk versehen. Die Schuldnerin betreibt vor dem Amtsgericht (Stadtgericht) Stockholm ein Restitutionsverfahren gegen den Schiedsspruch. Am 22. Januar 2002 erwirkte der Gläubiger beim Amtsgericht Frankfurt am Main einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, durch welchen wegen eines Teilbetrages der für vorläufig vollstreckbar erklärten Forderungen in Höhe von 204.516,75 EUR alle angeblichen gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche der Schuldnerin aus allen mit den aus dem Rubrum ersichtlichen Drittschuldnern unterhaltenen Geschäftsverbindungen gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen wurden; in dem Pfändungsbeschluss wurden Botschaftskonten von der Pfändung ausgenommen und die Pfändung auf Handelskonten beschränkt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 22. Januar 2002 verwiesen. Der Beschluss wurde der Drittschuldnerin zu 2.) am 25. Januar 2002 zugestellt; ein Zustellungsnachweis bzgl. der Drittschuldnerin zu 1.) befindet sich nicht bei der Akte. Mit Schriftsatz vom 31.Januar 2002 legte die Schuldnerin Vollstreckungserinnerung gegen den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ein, mit welcher sie im Wesentlichen eine falsche Schuldnerbezeichnung, eine nicht ordnungsgemäße Zustellung der Vollstreckbarerklärung und einen unzulässigen Eingriff in Hoheitsrechte der Russischen Föderation geltend machte. Mit Beschluss vom 19. März 2002 wies das Amtsgericht die Erinnerung als unbegründet zurück; bereits aus dem Beschluss des Kammergerichts, mit dem der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wurde, ergebe sich, dass dort die Schuldnerbezeichnung und die Frage der Zustellung Verfahrensgegenstand gewesen sei. Gegen diesen am 25. März 2002 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts, dessen Rubrum durch Beschluss vom 2. April 2002 berichtigt wurde, hat die Schuldnerin mit per Telefax am 7. April 2002 eingegangenem Schriftsatz vom 5. April 2002 sofortige Beschwerde eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 17. April 2002 zusätzlich darauf gestützt hat, der Gläubiger betreibe die Vollstreckung aus einem nicht bestehenden Titel, denn das mit der Prüfung des dem Beschluss des Kammergerichts zugrunde liegenden Schiedsspruchs befasste Amtsgericht Stockholm habe - was unstreitig ist - am 26. Oktober 1998 die zeitweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung verfügt; diesen Umstand habe der Gläubiger dem Kammergericht verschwiegen. Die Schuldnerin h a t b e a n t r a g t, den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 19. März 2002 - einschließlich der Ergänzung vom 2. April 2002 - aufzuheben. Der Gläubiger h a t b e a n t r a g t, die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 19. März 2002 zurückzuweisen. Er hält die Anfechtung des Schiedsspruches vor einem ordentlichen Gericht in Schweden für unzulässig und für das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung und das daran anschließende Vollstreckungsverfahren unerheblich. Die Vollstreckung greife auch nicht in Hoheitsrechte der Russischen Föderation ein; die Schuldnerin habe auf etwaige Immunitätsrechte verzichtet. Mit Beschluss vom 17. Mai 2002 hat das Amtsgericht der Beschwerde aus den fortbestehenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen und die Akte dem Landgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht hat seinerseits die Sache mit Verfügung vom 23. Juli 2002 unter Verweis auf § 119 Abs. 1 lit. b GVG zuständigkeitshalber dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. II. Das zulässige Rechtsmittel der Schuldnerin ist unbegründet. 1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Die Schuldnerin hat gegen die ihre Vollstreckungserinnerung zurückweisende Entscheidung des Amtsgerichts innerhalb der Rechtsmittelfrist das statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 793 ZPO eingelegt. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 119 Abs. 1 lit. b GVG. 2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Amtsgericht die Erinnerung gegen seinen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 22. Januar 2002 als unbegründet zurückgewiesen. Die Vollstreckungsmaßnahme ist nämlich verfahrensfehlerfrei ergangen. Die für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erforderlichen Voraussetzungen waren gegeben. Sämtliche Einwendungen der Schuldnerin sind rechtlich nicht tragfähig: 2.1 Die Schuldnerbezeichnung in der Vollstreckbarkeitserklärung. die mit derjenigen des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses übereinstimmt, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme ohne Bedeutung. Soweit die Schuldnerin die Unrichtigkeit ihrer Parteibezeichnung in dem Vollstreckungstitel behauptet, lässt sich ihrem Vortrag nicht sicher entnehmen, ob sie die Rüge einer ungenauen oder unrichtigen Parteibezeichnung erheben oder geltend machen will, sie sei nicht die richtige Schuldnerin. In keinem Fall könnte dies die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses begründen. Handelte es sich lediglich um die Rüge einer ungenauen oder unrichtigen Parteibezeichnung, wäre das Beschwerdevorbringen unerheblich, weil eine solche Unrichtigkeit in der Parteibezeichnung grundsätzlich unschädlich ist und, sofern sie tatsächlich vorliegen sollte, jederzeit von Amts wegen berichtigt werden kann (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Auflage, vor § 50 Rn. 7). Will die Schuldnerin geltend machen, sie sei nicht die richtige Schuldnerin, ist ihr Vortrag für das Vollstreckungsverfahren unbeachtlich, weil die Vollstreckungsorgane an den Titel gebunden sind. Zu Recht hat das Amtsgericht insoweit darauf verwiesen, dass bereits im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches durch das Kammergericht festgestellt worden ist, dass das streitige Rechtsverhältnis zwischen den Parteien des Vollstreckungsverfahrens - nämlich dem ermächtigtem Verfahrensstandschafter des Zessionars als Gläubiger und der Russischen Föderation als Schuldnerin - besteht. 2.2 Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch durch ein ordentliches Stockholmer Gericht ist für das deutsche Vollstreckungsverfahren ebenso wenig von Relevanz. Die Schuldnerin übersieht, dass das Vollstreckungsverfahren in Deutschland nicht an den im Schiedsverfahren zuerkannten materiellen Anspruch anknüpft, sondern dass Grundlage der Vollstreckung grundsätzlich nur ein Titel sein kann. Dieser besteht vorliegend in der Vollstreckbarerklärung durch Beschluss des Kammergerichts vom 16. Februar 2001. Entscheidungen, die ausländische Schiedssprüche auf der Grundlage von § 1061 Abs. 1 ZPO für vollstreckbar erklärt haben, sind als Titel taugliche Grundlagen für Vollstreckungshandlungen im Inland, § 794 Abs. 1 Nr. 4 lit. a ZPO, wenn sie rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind. Vorliegend ist die Vollstreckbarerklärung rechtskräftig: Eine Aufhebung der Vollstreckbarerklärung hätte nur im Rahmen der - von der Schuldnerin nicht wirksam eingelegten - Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nach Maßgabe der Vorschrift des § 1065 Abs. 1 ZPO a. F. erfolgen können. Eine nach dem für den Schiedsspruch maßgeblichen Recht fehlende Verbindlichkeit bzw. Endgültigkeit des Schiedsspruchs hätte die Schuldnerin ebenso wie eine vorläufige Einstellung der Vollstreckung oder eine Aufhebung des Schiedsspruchs durch ein staatliches schwedisches Gericht im Verfahren nach §§ 1061 ff ZPO geltend machen müssen. Im Vollstreckungsverfahren selbst ist die Schuldnerin mit diesen Einwendungen präkludiert. 2.3 Die Einwendungen der Schuldnerin gegen eine ordnungsgemäße Zustellung der Vollstreckbarerklärung sind rechtlich irrelevant. Die Schuldnerin leitet diese Auffassung allein aus einer - angeblich - nicht zutreffenden Parteibezeichnung her. Eine unrichtige Parteibezeichnung begründet aber keinen Mangel der Zustellung. Zustellung ist die Bekanntgabe eines Schriftstücks an eine Person in der von der ZPO vorgesehenen Form. Eine solche Zustellung ist erfolgt. Der entsprechende Nachweis wird durch den auf der Vollstreckbarkeitserklärung angebrachten Zustellvermerk geführt. 2.4 Auch der Einwand der Schuldnerin, die Zwangsvollstreckung greife rechtswidrig in ihre Immunität ein, ist unzutreffend. Allerdings ist die Schuldnerin nicht bereits deshalb an der Erhebung der Rüge gehindert, weil schon das Kammergericht im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung die Problematik der Vollstreckungsimmunität erörtert hat. Denn erst im Vollstreckungsverfahren selbst geht es darum, ob der konkrete unmittelbare Zugriff auf Vermögensgegenstände des ausländischen Staates erlaubt ist oder ob insoweit trotz in den vorangegangenen Verfahrensabschnitten möglicherweise fehlender Immunität hier Vollstreckungsimmunität besteht (Senat, Beschluss vom 3. August 2000, 26 W 82/2000 - Zentralbank des Jemen). Schon in seinem Beschluss vom 12. Dezember 1996 (26 W 11/96 - "Irak") hat der Senat unter Bezugnahme auf die einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG E 46, 369) darauf hingewiesen, dass eine allgemeine Regel des Völkerrechts, die über Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts wäre, nicht existiert, nach welcher dem Gerichtsstaat die Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat schlechthin verwehrt wäre. Das Völkerrecht erlaubt allerdings nicht die Zwangsvollstreckung in das Vermögen fremder Staaten, soweit dieses einen hoheitlichen Verwendungszweck besitzt. Dies gilt selbst dann, wenn der Vollstreckungstitel im Zusammenhang mit einem nicht hoheitlichen Handeln des Staates entstanden ist. Forderungen aus einem allgemeinen, laufenden Bankkonto eines fremden Staates oder seiner Botschaft, das im Gerichtsstaat besteht und zur Deckung der Ausgaben und Kosten der Botschaft bestimmt ist, unterliegen aus diesem Grund nicht der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat. Entsprechendes gilt für Devisenguthaben, die aus währungspolitischen Gründen im Gerichtsstaat unterhalten werden (vgl. auch BVerfGE 64, 1, 45). Der danach völkerrechtlich gebotenen Notwendigkeit der Begrenzung der Pfändung trägt der angegriffene Pfändungsbeschluss bereits in ausreichendem Umfange Rechnung. Er nimmt nämlich solche Forderungen von der Pfändung aus, die sich auf Guthaben beziehen, bei denen es sich um Botschaftskonten handelt. Gepfändet worden sind ausweislich des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nämlich nur Forderungen auf sogenannte Handelskonten. Insoweit war es Sache der Schuldnerin, den von ihr hinsichtlich sämtlicher Konten ohne nähere substantiierende Ausführungen behaupteten hoheitlichen Verwendungszweck näher darzulegen. Zwar kann im Normalfall - also wenn die Verfügungsbefugnis des fremden Staates bzw. seiner exterritorialen Botschaft nicht bspw. infolge von Embargobestimmungen eingeschränkt ist - die Grenze zu einer völkerrechtswidrigen Einmischung überschritten sein, wenn von dem fremden Staat bzw. seiner Botschaft verlangt wird, den hoheitlichen Verwendungszweck substantiiert darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Es ist jedoch nicht völkerrechtswidrig, von dem Entsendestaat bzw. seiner Botschaft zu verlangen, durch eine gehörige Versicherung glaubhaft zu machen, dass auch die betroffenen Handelskonten zur Aufrechterhaltung der diplomatischen Vertretung dienen (BVerfG a.a.O., 400) oder aus währungspolitischen Gründen unterhalten werden. Daran fehlt es. Die Schuldnerin hat zwar die hoheitliche Zwecksetzung von Guthaben auf Konten der Schuldnerin bei der Drittschuldnerin zu 1.) behauptet; sie hat sich insofern jedoch darauf beschränkt, zur Begründung auszuführen, die Drittschuldnerin zu 1.) sei kein privatrechtlich verfasstes Kreditinstitut, das "ein gewöhnliches Konto" für die Schuldnerin führe. Auch in den Ausführungen der Schriftsätze vom 30. Mai 2002, 19. Juli 2002, 22. August 2002 und 2. September 2002 finden sich keine substantiierenden Darlegungen zu einer hoheitlichen Zwecksetzung. Eine Vollstreckungsimmunität der Schuldnerin besteht danach nicht. Es bedarf daher keiner Entscheidung durch den Senat, ob schon aus dem Umstand, dass der titulierte Anspruch auf der Grundlage des zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepublik geschlossenen Investitionsförderungs- und Schutzvertrages vom 13. Juni 1989 beruht, der wegen der Vollstreckung auf das New Yorker UN-Übereinkommen vom 10. Juni 1998 verweist, die Berufung auf die Verletzung von Immunitätsrechten ausgeschlossen ist. 2.5 Soweit die Schuldnerin schließlich geltend macht, der Schiedsspruch sei inhaltlich unrichtig, ist dieser Vortrag für das Vollstreckungsverfahren ohne Relevanz. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 3, 97 ZPO. | |||||
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