Gericht | OLG München | Aktenzeichen | 34 Sch 25/10 | Datum | 14.03.2011 |
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Leitsatz | |||||
Rechtsvorschriften | |||||
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Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
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B E S C H L U S S I. Das aus dem Einzelschiedsrichter bestehende Schiedsgericht erließ in dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und dem Antragsgegner als Schiedsbeklagten in N. geführten Schiedsverfahren am 12. August 2010 folgenden Schiedsspruch: I. Der Schiedsbeklagte wird verurteilt, an die Schiedsklägerin 58.417,75 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 55.984,15 € seit 1.4.2006 zu zahlen. II. Auf Schiedswiderklage hin wird die Schiedsklägerin verurteilt, an den Schiedsbeklagten 3.354,55 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.328,42 € seit 1.4.2006 und aus 26,13 € seit 6.11.2009 zu zahlen. III. Die Parteien werden verurteilt, die Kündigung der Konten der Gemeinschaftspraxis ... auszusprechen, der Kündigung der jeweils anderen Partei zuzustimmen und die ... Bank anzuweisen, die Konten abzurechnen und die jeweiligen Guthaben je zur Hälfte an die Schiedsklägerin und den Schiedsbeklagten freizugeben. IV. Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien aus dem Betrieb der kieferorthopädischen Gemeinschaftspraxis ... und deren Beendigung über die vorstehend zugesprochenen Ansprüche hinaus keine weiteren Ansprüche mehr bestehen. V. ... VI. ... II. Dieser Schiedsspruch wird in Ziffer I. in Höhe von 556,40 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.10.2010 für vollstreckbar erklärt. III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens. IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. V. Der Streitwert wird auf 556,40 € festgesetzt. Gründe: I. Die Parteien schlossen am 3.12.1999 einen Gesellschaftsvertrag zur gemeinsamen Ausübung einer kieferorthopädischen Praxis. Im Juni 2005 kündigte die Antragstellerin die Gemeinschaftspraxis zum 31.12.2005. Versuche, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts einverständlich auseinanderzusetzen, blieben erfolglos. Es kam zu mehreren gerichtlichen Auseinandersetzungen. Am 4./7.12.2008 schlossen die Parteien eine Schiedsvereinbarung: "zur Regelung aller zwischen ihnen bestehenden Streitigkeiten, namentlich des Rechtsstreits beim Landgericht R., Az.: ..., jedoch auch aller Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der bis Ende 2005 bestehenden früheren Gemeinschaftspraxis der Parteien...". Ort des Schiedsverfahrens sollte Nürnberg sein. Das von der Antragstellerin angerufene Schiedsgericht erließ am 12.8.2010 den aus dem Tenor ersichtlichen Schiedsspruch. Am 1.10.2010 bezahlte der Antragsgegner einen Betrag von 77.931,74 €. Die sich aus Ziff. I. (zugesprochene Klageforderung nebst Zinsen) abzüglich Ziff. II. (zugesprochene Widerklageforderung nebst Zinsen) zugunsten der Antragstellerin ergebende Differenz betrug am 30.9.2010 unstreitig 78.488,24 € (siehe Anlage B 6 zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 29.10.2010). Im Hinblick auf den offenen Rest hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 1.10.2010 Vollstreckbarerklärung beantragt. Die Antragstellerin beantragt, den Schiedsspruch wegen einer Forderung in Höhe von 556,40 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.10.2010 für vollstreckbar zu erklären. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat mit einem Betrag von insgesamt 556,40 € aufgerechnet. Dieser errechnet sich aus Nachbelastungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung vom 1.9.2010, von denen er die Hälfte (28,31 €) geltend macht, sowie aus einem weiteren (Hälfte-) Betrag von 528,19 €. Hierbei soll es sich um Gelder aus Überweisungen von Patienten des Antragsgegners nach Beendigung der früheren Gemeinschaftspraxis handeln, die nichts desto weniger auf Konten der Gemeinschaftspraxis geflossen sind. Er trägt weiter vor, er habe sich die Ansprüche der Patienten aus den vorgenommenen Fehlüberweisungen abtreten lassen, und beruft sich zum Beweis auf Abtretungsvereinbarungen aus dem Jahre 2007. Die Antragstellerin erhebt die Einrede der Schiedsklage. Sie ist ferner der Meinung, die aufgerechneten - bestrittenen - Ansprüche könnten nicht mehr geltend gemacht werden, da im Schiedsspruch festgestellt sei, dass zwischen den Parteien aus dem Betrieb der kieferorthopädischen Gemeinschaftspraxis und deren Beendigung über die zugesprochenen Ansprüche hinaus keine weiteren Ansprüche mehr bestünden. Mit dem Schiedsspruch seien sämtliche denkbare Ansprüche zwischen den Parteien aus der Auseinandersetzung der Gemeinschaftspraxis erledigt. Die geltend gemachten Forderungen seien schließlich, weil vor Erlass des Schiedsspruchs entstanden, präkludiert. Die Ansprüche wegen der Fehlüberweisungen habe der Antragsgegner in dem in der Schiedsabrede ausdrücklich erwähnten Streitverfahren im Wege der Widerklage geltend gemacht. Damit seien diese Ansprüche ebenfalls Gegenstand des Schiedsverfahrens gewesen. Der Antragsgegner ist der Meinung, Ziel des Schiedsverfahrens sei nicht die Trennung der finanziellen Verhältnisse der Parteien, sondern die Auseinandersetzung der Gemeinschaftspraxis gewesen. II. 1. Das Oberlandesgericht München ist zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des in N. ergangenen Schiedsspruchs (§ 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i. V. m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 16.11.2004, GVBl S. 471). 2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist im begehrten Umfang zulässig und begründet. a) Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung hat die Antragstellerin durch Vorlage des Schiedsspruchs im Original erfüllt (§ 1064 Abs. 1 Satz 1 ZPO). b) Versagungs- und Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO sind weder vorgetragen noch ersichtlich. c) Die vom Antragsgegner vorgebrachte Aufrechnung (§§ 387, 389 BGB) steht der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht entgegen. (1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist im Vollstreckbarerklärungsverfahren die Aufrechnung zulässig (vgl. BGH NJW-RR 2008, 659; BGH MDR 2010, 1415). Dies gilt auch nach der Reform des Schiedsverfahrensrechts durch das Gesetz vom 22.12.1997 (BGBl I S. 3224). Allerdings müssen in entsprechender Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO die Gründe, auf denen die Einwendung beruht, grundsätzlich nach dem Schiedsverfahren entstanden sein, das heißt hier, die Aufrechnungslage darf nicht bereits während des Schiedsverfahrens bestanden haben. Anders ist es nur, wenn der Schuldner schon vor dem Schiedsgericht aufgerechnet hat, das Schiedsgericht aber über die zur Aufrechnung gestellte Forderung - z. B. mit der Begründung, es sei für diese nicht zuständig - nicht befunden hat. Gleiches gilt, wenn der Schuldner zwar vor dem Schiedsgericht nicht aufgerechnet hat, aber feststeht, dass das Schiedsgericht über die Gegenforderung bei erfolgter Aufrechnung nicht entschieden hätte (vgl. BGH aaO.; Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 2460). Dabei genügt es, wenn die Einwendung bestanden hat. Kenntnis der Partei vom Grund wird nicht verlangt (vgl. z. B. Zöller/Herget ZPO 28. Aufl. § 767 Rn. 14). Die Aufrechnung scheidet ferner aus, wenn die Gegenforderung ebenfalls der Schiedsabrede unterliegt und der Gläubiger die Schiedseinrede erhoben hat (vgl. BGH MDR 2010, 1415; Senat vom 27.6.2005 MDR 2005, 1244). (2) Die Antragstellerin hat die Schiedseinrede erhoben. Die zur Aufrechnung gestellten Forderungen unterfallen der Schiedsvereinbarung vom 4./7.12.2008. Nach dieser sollen alle zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten und alle Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der Gemeinschaftspraxis durch den Schiedsrichter entschieden werden, insbesondere auch solche, die den Gegenstand eines bestimmten Rechtsstreits bildeten. Die Nachbelastung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung war den Parteien zwar bei Abschluss der Schiedsvereinbarung noch nicht bekannt, stand für den objektiven Beobachter aber bereits fest. Ebenso erfolgten die Zahlungen auf das Gemeinschaftskonto lange vor der Schiedsvereinbarung. Soweit der Antragsgegner seine Gegenansprüche (auch) auf die Abtretung von Rückerstattungsansprüchen stützt, haben die Zessionen ebenfalls schon geraume Zeit vor Abschluss der Schiedsabrede stattgefunden. Sämtliche Ansprüche fallen unter die Schiedsvereinbarung. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Antragstellerin waren die strittigen Überweisungen auf das Gemeinschaftskonto Gegenstand des in der Schiedsabrede ausdrücklich erwähnten Rechtsstreits. Geklärt werden sollten alle zwischen den Parteien bestehenden Streitigkeiten, nämlich alle Meinungsverschiedenheiten im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der Gemeinschaftspraxis. Hierzu gehörte naturgemäß auch die Auflösung der Gemeinschaftskonten. Dies wurde im Schiedsspruch sogar ausdrücklich behandelt. Die damit im Zusammenhang stehenden Fragen unterfallen der Schiedsklausel, auch wenn Einzelheiten den Parteien noch nicht bewusst waren. Daran ändert nichts, dass die Rückerstattungsansprüche ursprünglich nicht dem Antragsgegner zustanden. Mit der Abtretung im Jahr 2007 waren es ersichtlich solche, die im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung der Gemeinschaftspraxis standen und nun - wofür übrigens auch die Abtretung als solche spricht - einer umfassenden Klärung zugeführt werden sollten. Es gilt das allgemein anerkannte Prinzip der weiten Auslegung von Schiedsvereinbarungen (dazu Lachmann Rn. 472 f. m.w.N.), wobei als Maßstab auf deren Sinn und Zweck abzustellen ist. Dies zugrunde gelegt sollten aber gerade derartige praxisbezogene Auseinandersetzungen, mögen sie auch nicht unmittelbar aus den Vertragsbeziehungen der Parteien untereinander stammen, davon umfasst sein. 3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Der Streitwert entspricht dem offenen Betrag, wegen welchem der Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären ist. | |||||
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