Gericht | OLG München | Aktenzeichen | 34 Sch 32/11 (2) | Datum | 18.06.2012 |
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Leitsatz | |||||
Rechtsvorschriften | |||||
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Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
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B E S C H L U S S: I. Auf Antrag des Gläubigers wird gegen den Schuldner wegen Nichterfüllung seiner Verpflichtung aus dem mit Beschluss des Senats vom 17. Oktober 2011 für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch vom 28. Juni 2012, dem Gläubiger Auskunft über den Bestand sämtlicher Bankkonten und Buchhaltungskonten der Rechtsanwaltssozietät xx zum 30.9.2008 zu erteilen, nämlich Auskunft zu erteilen über a) Umsatzerlöse der Rechtsanwälte xxx in der Zeit vom 01.01. bis 30.09.2008 b) Entwicklung und Stand des Fremdgeldkontos zum 30.09.2008 c) Kontoauszüge der Bankkonten Nr. xx bei der Sparkasse xx (BLZ xx) und Nr. xx bei der Volksbank xx (BLZ xx) ein Zwangsgeld von 2.000 € festgesetzt, falls diese Auskünfte nicht spätestens bis zum Ablauf des 20. Juli 2012 erteilt werden, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft. II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen. III. Die Kosten dieses Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Gründe: I. Der Gläubiger (Schiedskläger) hat gegen den Schuldner (Schiedsbeklagten) einen Teilschiedsspruch mit vereinbartem Wortlaut vom 27.6.2011 erwirkt, der im Tenor folgendermaßen lautet: I. Der Beklagte wird verurteilt, Auskunft über den Bestand sämtlicher Bankkonten und Buchhaltungskonten der Rechtsanwaltssozietät xx zum 30.09.2008 zu erteilen. Dies umfasst insbesondere a) Kapitalkonten der Gesellschafter zum 30.09.2008 b) Umsatzerlöse der Rechtsanwälte W., B., M., Dr. Ba. und O. in der Zeit vom 01.01. bis 30.09.2008 c) Entwicklung und Stand des Fremdgeldkontos zum 30.09.2008 d) Kontoauszüge der Bankkonten Nr. ... bei der Sparkasse R. (BLZ ...) und Nr. ... bei der Volksbank R. (BLZ ...) für den Zeitraum 01.01. bis 30.09.2008. e) Einnahmen-Überschussrechnung der Rechtsanwaltssozietät xx für den Zeitraum 01.01. bis 30.09.2008. Der Senat hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 17.10.2011 diesen Teilschiedsspruch für vollstreckbar erklärt. Der dem Schiedsverfahren zugrundeliegende Sozietätsvertrag enthält folgende Schiedsklausel: Streitigkeiten aus dem Sozietätsvertrag, aus Gewinnverteilungsverträgen oder aus Anteilsübernahmeverträgen werden unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch einen Schiedsrichter entschieden. Zu diesen Streitigkeiten gehören auch alle Auseinandersetzungen um das Zustandekommen vorerwähnter Verträge. Unter dem 28.2.2012 hat der Antragsteller (Gläubiger) beantragt, gegen den Antragsgegner (Schuldner) wegen Nichterteilung der Auskunft ein Zwangsgeld festzusetzen und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft. Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er wendet Unbestimmtheit des Antrags und außerdem Erfüllung der Auskunftspflicht ein. Beide Parteien sind sich darüber einig, dass die Einnahmen-Überschussrechnung der Rechtssanwaltssozietät für den Zeitraum 01.01. bis 30.9.2008 (Buchst. e) vorgelegt ist, zudem hat der Antragsteller eingeräumt, Auskunft gemäß Buchst. a der Leistungsverpflichtung erhalten zu haben. Im Übrigen streiten die Parteien über den Umfang der Verpflichtung des Schuldners und deren Erfüllung. II. Der Antrag ist zulässig und teilweise begründet. 1. Das Oberlandesgericht München ist zuständig auch für Entscheidungen nach §§ 887 f. ZPO, wenn Grundlage für die beantragte Zwangsvollstreckungsmaßnahme ein Schiedsspruch bildet, den dieses Gericht gemäß seiner Zuständigkeit nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 GZVJu vom 16.11.2004 (GVBl S. 471) für vollstreckbar erklärt hat (vgl. Senat vom 8.12.2011, 34 Sch 025/08; Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl. § 887 Rn. 6). Insoweit ist das Oberlandesgericht München Prozessgericht. 2. Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen (vgl. Zöller/Stöber vor § 704 Rn. 14 bis 17) liegen vor. Der Auskunftsanspruch ist als nicht vertretbare Handlung nach § 888 ZPO zu vollstrecken (Zöller/Stöber § 888 Rn. 2 und 3, dort Stichwort: Auskunft m.w.N.). Der Antrag ist ausreichend bestimmt. Er umfasst den gesamten für vollstreckbar erklärten Teilschiedsspruch. Soweit allerdings Erfüllung behauptet wird und als zugestanden zu behandeln ist, ist der Antrag nicht begründet. 3. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Erfüllungseinwand des Schuldners nicht nur im Verfahren der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO), sondern auch im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen (BGHZ 161, 67; Zöller/Stöber § 887 Rn. 7). Die Rechtsprechung zu § 887 ZPO ist auf § 888 ZPO übertragbar (Zöller/ Stöber § 888 Rn. 11; Musielak/Lackmann ZPO 9. Aufl. § 888 Rn. 8). Das Prozessgericht hat als Vollstreckungsgericht deshalb auch die Frage zu entscheiden, ob die vom Schuldner vorgenommenen Handlungen - solche haben hier unstreitig stattgefunden - das umfassen, was der Titel gebietet. Der Bundesgerichtshof leitet seine - zuvor stark umstrittene - Meinung aus dem in den genannten Bestimmungen zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers und insbesondere aus folgender Überlegung her: Die Prüfung des Erfüllungseinwands im Verfahren nach § 887 (§ 888) ZPO statt erst bei der Vollstreckungsgegenklage kann prozessökonomisch sinnvoll sein. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist, soweit nötig, in beiden Verfahren möglich und liegt stets in den Händen des Prozessgerichts. Dieses ist im Verfahren nach § 887 (§ 888) ZPO ohnehin grundsätzlich verpflichtet, Beweis zu erheben. Das Vollstreckungsverfahren würde auch nicht beschleunigt, wenn man den Schuldner auf den Weg der Vollstreckungsgegenklage verweisen würde. Bei Erhebung der Vollstreckungsgegenklage müsste dem Schuldner unter Umständen auch Vollstreckungsaufschub nach § 769 ZPO gewährt werden, so dass das Verfahren angesichts der einzuhaltenden Fristen letztlich verzögert würde. Die Frage, ob die vom Schuldner unstreitig vorgenommenen Handlungen das sind, was der Titel ihm gebietet, kann das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht aufgrund seiner Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits am ehesten entscheiden. 4. Dies kann aber nicht ohne weiteres auf Schiedssachen übertragen werden. Dort hat das Gericht, das über die Zwangsvollstreckung zu entscheiden hat, nicht über den materiell-rechtlichen Anspruch entschieden. Zwar lässt der Bundesgerichtshof auch auf der Grundlage des neuen Schiedsverfahrensrechts im Verfahren der Vollstreckbarerklärung vor dem Oberlandesgericht den Erfüllungseinwand zu, so dass der Schuldner nicht auf das selbständige Verfahren der Vollstreckungsabwehrklage zu verweisen ist (BGH WM 2010, 2236; siehe schon BGH WM 2008, 515/517 bei Rn. 19), für das ebenso das Oberlandesgericht zuständig wäre (BGH aaO. S. 2238). Jedoch gilt "selbstverständlich" anderes (BGH aaO. S. 2238 bei Rn. 10 a. E.), wenn der geltend gemachte Einwand seinerseits der Schiedsabrede unterliegt; dann ist das Schiedsgericht und nicht das Oberlandesgericht zur Entscheidung berufen (vgl. bereits BGHZ 99, 143/146). 5. Anders ist dies auch im gegenständlichen Verfahrensabschnitt (Zwangsvollstreckung) nicht zu beurteilen. Die Zuständigkeit des Prozessgerichts, über den Erfüllungseinwand im Rahmen der Vollstreckung nach §§ 887, 888 ZPO zu entscheiden, ergibt sich aus einem Gleichlauf mit der Zuständigkeit im Erkenntnisverfahren (vgl. oben II. 3.). Bei der Zuweisung des Streits an ein Schiedsgericht besteht ein derartiger Gleichlauf nicht. Vielmehr würde in die parteiautonom bestimmte schiedsgerichtliche Zuständigkeit durch das staatliche Gericht eingegriffen, wenn dieses im Rahmen der Vollstreckung nun befugt wäre, selbst über den Erfüllungseinwand zu entscheiden. Es ergäbe sich zudem ein Widerspruch zum vorgeschalteten Vollstreckbarerklärungsverfahren, in dem ein entsprechender Einwand mit Rücksicht auf die Schiedsklausel nicht überprüfbar gewesen wäre. Hinzu kommt, dass der Gläubiger ohne Vollstreckungsmöglichkeit schutzlos gestellt würde, weil nicht erkennbar ist, wie er dem Erfüllungseinwand im Schiedsverfahren angemessen begegnen könnte. Auch das Oberlandesgericht Frankfurt (Beschluss vom 10.12.2010, 13 Sch 1/10, zitiert nach juris) weist keinen Weg auf, wie der Antragsteller zu einer positiven Entscheidung des Schiedsgerichts gelangen kann. Es geht aber ebenfalls davon aus, dass angesichts der Schiedsklausel nicht das staatliche Gericht, sondern das Schiedsgericht zur Entscheidung über den Erfüllungseinwand berufen ist (bei Rz. 8). Die Sichtweise des Senats führt zu keinen Unzuträglichkeiten für den Schuldner. Dieser kann sowohl beim Schiedsgericht als auch beim - für Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zuständigen - staatlichen Gericht um den erforderlichen Rechtsschutz nachsuchen (vgl. § 1033 ZPO; § 1041 ZPO). Einwendungen, die nach Vollstreckbarerklärung entstanden sind, können mit der Vollsteckungsabwehrklage durchgesetzt werden (vgl. BGH WM 2008, 515/519). Die Frage, ob der Schuldner mit dem Erfüllungseinwand präkludiert ist, spielt an dieser Stelle keine Rolle (anders OLG Frankfurt aaO.), da der Schuldner mit einem Einwand, über den das staatliche Gericht im Verfahren nach § 888 ZPO wegen der Schiedsvereinbarung nicht entscheiden kann, auch nicht präkludiert sein kann. Die Situation ist nicht anders zu beurteilen als die umgekehrte bei der Geltendmachung materiell-rechtlicher Einwendungen im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach § 1060 ZPO. Einwendungen, die nicht der Schiedsvereinbarung unterfallen (vgl. Zöller/Geimer § 1060 Rn. 9), und Einwendungen, die zwar der Schiedsvereinbarung unterfallen, über die das Schiedsgericht aber nicht entschieden hat (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 33. Aufl. § 1060 Rn. 3), bleiben zulässig. 6. Die - weit auszulegende - Schiedsklausel umfasst den Erfüllungseinwand. 7. Soweit ein Teil der Verpflichtung nach der Einlassung der Parteien als erfüllt anzusehen ist - nämlich hinsichtlich Buchst. a) und e) der im Schiedsspruch konkretisierten Auskunftspflicht, wird der Antrag zurückgewiesen, ebenso, soweit über die genannten konkretisierten Handlungen hinaus ("inbesondere") eine allgemeine Verpflichtung ausgesprochen ist, Auskunft über den Bestand sämtlicher Bankkonten und Buchhaltungskonten der Rechtsanwaltssozietät xx zum 30.09.2008 zu erteilen. Denn in diesem Punkt ist der Schiedsspruch nicht ausreichend bestimmt (siehe auch Senat vom 8.12.2011, 34 Sch 025/08). Was die Kontoauszüge angeht (Buchst. d) hat der Gläubiger seinen Antrag auf den Zeitraum ab 1.1. 2008 beschränkt (Schriftsatz vom 18.5.2012). 8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 891 ZPO i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es im gegenständlichen Verfahren nicht. Insoweit gelten streitwertunabhängige Festgebühren (KV 2111; siehe OLG Hamm vom 7.6.2010, I-7 W 13/10, bei juris). 9. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen (§ 574 Abs. 2 ZPO), beschränkt auf die Frage, ob das staatliche Gericht im Verfahren der Zwangsgeldfestsetzung der Schiedsvereinbarung unterliegende Einwendungen prüfen darf; diese ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. | |||||
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