Gericht | OLG Hamburg | Aktenzeichen | 6 Sch 11/12 | Datum | 26.10.2012 |
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Leitsatz | |||||
1. Die Sicherungsvollstreckung nach § 1063 Abs. 3 ZPO wird dann als angemessen erachtet, wenn der Verdacht oder auch nur die Möglichkeit besteht, dass der Schuldner während des Vollstreckbarerklärungsverfahrens Vermögensgegenstände in einer Weise aus Deutschland abziehen könnte, dass die vollständige Befriedigung des Gläubigers aus dem Schiedsspruch gefährdet wäre. 2. Die Sicherungsvollstreckung nach § 1063 Abs. 3 ZPO kann wegen Wertungswiedersprüchen mit den insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften nicht beschieden werden, wenn sie dem Antragssteller einen Vorsprung vor anderen Gläubigern ermöglicht. | |||||
Rechtsvorschriften | §§ 1060 Abs. 1, 1063 Abs. 3 ZPO | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruches; Sicherungsvollstreckung; Verhältnis zu insolvenzrechtlichen Bestimmungen | ||||
Volltext | |||||
Beschluss Der Antrag des Antragstellers, den Schiedsspruch des Schiedsgerichts beim Verein der Getreidehändler der Hamburger Börse e.V. vom 21. Mai 2012 zum Aktenzeichen V 64/11 gemäß § 1063 Abs. 3 ZPO ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners mit der Maßgabe für vollstreckbar zu erklären, dass die Zwangsvollstreckung nicht über Maßnahmen zur Sicherung hinausgehen soll und der Antragsgegner befugt sein soll, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des Betrages, wegen dessen der Antragsteller vollstrecken kann, abzuwenden, wird zurückgewiesen. Gründe: I. Nach dem Vortrag des Antragstellers ist der Antragsgegner durch Schiedsspruch des Schiedsgerichts des Vereins der Getreidehändler der Hamburger Börse e.V., bestehend aus Herrn G als Obmann und den Herren H , verurteilt worden, an den Antragsteller 60.621,04 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 5.775,- € seit dem 11. 12. 2011 sowie auf 54.846,04 € seit dem 26. 2. 2012 zu zahlen. Nach dem Vortrag des Antragstellers ist der Antragsgegner ferner verurteilt worden, 4/5 der vom Antragsteller verauslagten Kosten (insgesamt 5.532,- €), mithin 4.425.60 €, zu erstatten. Der Antragsteller hat eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs eingereicht. Der Antragsteller stellt den Antrag, den genannten Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären. Der Antragsteller stellt ferner den Antrag, den genannten Schiedsspruch ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners mit der Maßgabe für vollstreckbar zu erklären, dass eine Zwangsvollstreckung nicht über Maßnahmen zur Sicherung hinausgehen soll und der Antragsgegner befugt sein soll, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des Betrages, wegen dessen der Antragsteller vollstrecken kann, abzuwenden. Der Antragsteller trägt vor, dass der anwaltliche Vertreter des Antragsgegners im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht sinngemäß ausgeführt habe, dass der Antragsgegner erstens schwer krank und zweitens durch die aus dem Schiedsspruch resultierende Zahlungsverpflichtung unmittelbar insolvenzgefährdet sei. Der Antragsgegner ist bisher nicht angehört worden. II. Der Antrag des Antragstellers, gemäß § 1063 Abs. 3 ZPO die Sicherungsvollstreckung ohne vorherige Anhörung des Gegners zuzulassen, ist zulässig, aber nicht begründet. Nach dem bisherigen einseitigen Vortrag des Antragstellers (vorbehaltlich der ausstehenden Stellungnahme des Antragsgegners) wäre der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs zwar in der Hauptsache begründet. Die begehrte Vollstreckbarkeitserklärung richtet sich nach §§ 1060 ff. ZPO. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergibt sich aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Der Antragsteller hat mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung den Schiedsspruch in beglaubigter Abschrift vorgelegt. Damit ist der Vorschrift des § 1064 Abs. 1 ZPO Genüge getan. Von Amts wegen zu beachtende Aufhebungsgründe, die gemäß § 1060 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 1059 Abs. 2 ZPO die Vollstreckbarerklärung hindern würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung des Bundesrepublik Deutschland widerspricht. Die in § 1063 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorgeschriebene Anhörung des Gegners hat im Hinblick auf den Eilantrag noch nicht stattgefunden. Der Eilantrag gemäß § 1063 Abs. 3 ZPO ist allerdings nicht begründet. Bei der Entscheidung nach § 1063 Abs. 3 ZPO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (vgl. Münch in Münchener Kommentar, ZPO, 3. Aufl., § 1063, Rn. 31; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 70. Aufl., § 1063, Rn. 4; Sessler/Schreiber, SchiedsVZ 2006, 119, 120). Das Gesetz gibt zwar ausdrücklich keine Ermessensrichtlinie vor (Sessler/ Schreiber, a.a.O., S. 121). Der Zweck, die effektive Sicherung von Vermögenswerten für die Zwangsvollstreckung, und das hierfür angewandte Mittel, die Erlaubnis der Sicherungsvollstreckung, müssen jedenfalls in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen (Sessler/ Schreiber, a.a.O., S. 122). Gesichtspunkte für die Ermessensentscheidung sind das Sicherungsbedürfnis und die Eilbedürftigkeit (vgl. Münch in Münchener Kommentar, a.a.O.). Diese müssen plausibel dargelegt werden (vgl. Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., § 1063, Rn. 13; Zöller/ Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 1063, Rn. 4; Sessler/ Schreiber, a.a.O., S. 123). Der Umstand, dass der anwaltliche Vertreter des Antragsgegners im Rahmen des Schiedsverfahrens geäußert hat, dass der Antragsgegner schwer krank und dass er durch die aus dem Schiedsspruch resultierende Zahlungsverpflichtung unmittelbar insolvenzgefährdet sei, reicht nicht aus, um dem Sicherungsinteresse des Antragstellers den Vorrang gegenüber dem Interesse des Antragsgegners einzuräumen, dass eine Zwangsvollstreckung erst nach Gewährung rechtlichen Gehörs ermöglicht wird. Die Erlaubnis der Sicherungsvollstreckung wird dann als angemessen erachtet, wenn der Verdacht oder auch nur die Möglichkeit besteht, dass der Schuldner während des Vollstreckbarerklärungsverfahrens Vermögensgegenstände in einer Weise aus Deutschland abziehen könnte, dass die vollständige Befriedigung des Gläubigers aus dem Schiedsspruch gefährdet wäre (vgl. Sessler/Schreiber, a.a.O., S. 123; Musielak/Voit, ZPO, 9. Aufl., § 1063, Rn. 9). Eine solche Gefahr kann insbesondere dann bestehen, wenn ein Schuldner mit Sitz im Ausland in Deutschland nur Bankguthaben besitzt (vgl. OLG Frankfurt SchiedsVZ 2010, 227, zitiert nach juris, dort Tz. 4). Auch das Verhalten des Schuldners im Schiedsverfahren und ggf. in anderen Vollstreckungsstaaten kann Berücksichtigung finden (Sessler/Schreiber, a.a.O., S. 123). Eine solche Gefahr ist hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Antragsgegner hat seinen Sitz und offenbar auch seinen Betrieb im Inland. Dass sich im Inland nur leicht ins Ausland zu verlagernde Vermögensgegenstände befinden, ist nicht erkennbar. Der bloße Umstand, dass der Antragsgegner schwer krank sein soll (ohne dass dies näher erläutert wäre), ist für die Erfolgsaussichten einer Zwangsvollstreckung ohne unmittelbare Bedeutung. Die Existenz oder Nichtexistenz von Vermögenswerten, in die eine Zwangsvollstreckung erfolgen könnte, wird durch die behauptete Krankheit des Antragsgegners nicht berührt. Auch der Umstand, dass der Antragsgegner aufgrund der im Schiedsspruch ausgeurteilten Zahlungsverpflichtung insolvenzgefährdet sein soll, rechtfertigt eine Sicherungsvollstreckung im Sinne von § 1063 Abs. 3 ZPO nicht. In der Kommentarliteratur wird zwar zum Teil bejaht, dass eine Sicherungsvollstreckung nach § 1063 Abs. 3 ZPO zuzulassen ist, wenn ein Insolvenzverfahren droht (vgl. Stein/Jonas/Schlosser, a.a.O.). Diese Ansicht teilt der Senat aber nicht. Die im vorliegenden Fall behauptete Insolvenzgefährdung soll auf der Zahlungsverpflichtung als solcher beruhen. Dann spielt der Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung keine entscheidende Rolle. Ein schnellerer Zugriff auf das Vermögen des Antragsgegners im Rahmen einer Sicherungsvollstreckung würde das Risiko einer Insolvenz nicht vermindern. Das etwaige Interesse des Antragstellers, sich durch schnellen Zugriff auf Vermögenswerte des Antragsgegners zu sichern, bevor es andere Gläubiger tun, wäre durch § 1063 Abs. 3 ZPO nicht geschützt. Eine Einzelzwangsvollstreckung (die durch § 1063 Abs. 3 ZPO zeitlich früher ermöglicht werden soll) würde nach der Rechtsprechung des BGH immer eine inkongruente Deckung im Sinne von § 131 InsO darstellen (vgl. etwa BGHZ 157, 350, 353), die ggf. nach § 131 InsO anfechtbar sein könnte, insbesondere dann, wenn der Antragsteller durch den Anwalt des Antragsgegners auf die unmittelbare Insolvenzgefährdung hingewiesen worden ist. Sinn und Zweck der Anfechtungsvorschriften ist es, die Gläubigergleichbehandlung zeitlich in die Krise vorzuverlegen (vgl. dazu BGH a.a.O., bei juris Tz. 11). Auch wenn man –da es noch gar nicht zu einer Zwangsvollstreckung und einem Insolvenzeröffnungsantrag gekommen ist– gar nicht beurteilen könnte, ob eine etwaige Sicherungszwangsvollstreckung ggf. anfechtbar wäre, kann es nicht Sinn und Zweck des § 1063 Abs. 3 ZPO sein, dem Antragsteller in einer Krise des Antragsgegners (von der angesichts des Vortrags des Antragstellers auszugehen ist) einen Vorsprung vor anderen Gläubigern zu ermöglichen. Das wäre ein Wertungswiderspruch zu den angeführten insolvenzrechtlichen Vorschriften. Die Insolvenzgefährdung allein kann daher die Zulassung einer Sicherungsvollstreckung gemäß § 1063 Abs. 3 ZPO nicht rechtfertigen. | |||||
Summary | |||||
OLG Hamburg 6 Sch 11/12 The applicant asked the Higher Regional Court of Hamburg to direct, pursuant to section 1063 subsec. 3 of the German Code of Civil Procedure (ZPO), without having previously heard the party opposing the application, that the applicant may pursue compulsory enforcement under the arbitration award until a decision has been delivered regarding the application to declare the arbitral award enforceable. The court rejected the application. The decision under section 1063 subsec. 3 ZPO is a discretionary decision. The law expressly does not provide for a discretionary guideline. The court found that the purpose of this provision, the effective safeguarding of assets for enforcement, and the means used for this, the permission of enforcement by way of security, must stand in a reasonable relationship to each other. Aspects for the discretionary decision are the need for security and the urgency. These must be explained plausibly. The applicant asserted that the legal representative of the party opposing the application had stated in the arbitral proceedings that the defendant was seriously ill and that it was at risk of insolvency as a result of the payment obligation resulting from the arbitral award. The court found that these assertions were not sufficient to give priority to the applicant's interest in security over the interest of the party opposing the application that enforcement is only possible after a hearing has been granted. The court held that enforcement pursuant to section 1063 subsec. 3 ZPO is deemed appropriate if there is a suspicion or the possibility that the debtor could withdraw assets from Germany during the proceedings for a declaration of enforceability in such a way that the full satisfaction of the creditor would be jeopardised. Such a danger may exist, in particular, if a foreign debtor only has bank deposits in Germany. However, such a danger was neither presented by the applicant nor otherwise apparent. The party opposing the application was seated in Germany. It was also not apparent that there were assets in Germany that could be easily relocated abroad. The mere fact that the party opposing the application was ill (without this being explained in more detail) had no direct significance for the chances of success of an enforcement. The court further found that the fact that the party opposing the application was at risk of insolvency due to the payment obligation declared in the arbitral award did not justify enforcement by way of security within the meaning of section 1063 subsec. 3 ZPO either. Although some legal scholars are of the opinion that enforcement by way of security is to be permitted pursuant to section 1063 subsec. 3 ZPO if insolvency proceedings are imminent, the court did not follow this argumentation. The risk of insolvency alleged in the present case was based on the payment obligation as such. As a result, the time of the enforcement of the award did not play a decisive role. A quicker access to the assets of the party opposing the application would not have reduced its risk of insolvency. The interest of the applicant to get quick access to the assets of the party opposing the application before other creditors could do so was also not protected by section 1063 subsec. 3 ZPO. The court held that an individual enforcement would always constitute an incongruent coverage (Inkongruente Deckung) in the sense of section 131 of the German Insolvency Statute (InsO), which could possibly be contested, in particular, if the applicant had been informed about the immediate risk of insolvency of the party opposing the application. The purpose of sections 129 et seqq. InsO is to guarantee equal treatment of creditors before the start of insolvency. The purpose of section 1063 subsec. 3 ZPO therefore cannot be to enable an applicant to have a head start over other creditors in the event of a crisis on the part of the party opposing the application. This would result in a conflict of values to the aforementioned provisions of the German Insolvency Statute. As a result, the risk of insolvency did not justify the admission of enforcement pursuant to section 1063 subsec. 3 ZPO. |