34 SchH 03/08


Gericht OLG München Aktenzeichen 34 SchH 03/08 Datum 26.05.2008
Leitsatz
Gerichtliche Ersatzbenennung eines beisitzenden Schiedsrichters
Das OLG hatte über einen Antrag auf gerichtliche Benennung eines Schiedsrichters für den Schiedsbeklagten zu entscheiden, dem eine Schiedsvereinbarung zugrunde lag, die alle Streitigkeiten aus dem Vertrag unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig einem Schiedsgericht zu wies. Es war darüber hinaus bestimmt, dass eine Schiedsvereinbarung in einer besonderen Urkunde als Anlage zum Vertrag niederzulegen war. Diese weitere Vereinbarung existiert nicht.
Das OLG erachtete die im Vertrag enthaltene Schiedsklausel als wirksam. Da die Parteien keine Verbraucher waren, war der Abschluss einer gesonderten Urkunde gem. § 1035 Abs. 5 ZPO nicht erforderlich. Die Schiedsklausel enthielt weiterhin die eindeutige Erklärung, die Streitigkeiten einem Schiedsgericht zuzuweisen, und nicht nur eine Absichtserklärung. Die - unterbliebene - nähere Ausgestaltung der Vereinbarung in einer gesonderten Urkunde ist nicht zwingend erforderlich und daher für die Wirksamkeit der Vereinbarung unschädlich.
Die Aufforderung an den Beklagten, einen Schiedsrichter zu benennen, war wirksam ergangen, auch wenn sie an den Beklagten selbst, und nicht an den Vertreter gesandt worden ist. Eine rechtsgeschäftliche Pflicht, mit dem Vertreter anstelle des Vertretenen zu korrespondieren, besteht nicht. Ein etwaiger Standesverstoß durch Umgehung des Gegenanwalts ist insoweit unschädlich.
Rechtsvorschriften§ 3 ZPO§ 1031 Abs. 1 ZPO, § 1034 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 1035 Abs. 3 ZPO
§ 12 BORA
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteBildung des Schiedsgerichts: - Benennungsverfahren; - Ersatzbenennung, gerichtliche Prüfungskompetenz/Umfang, Kosten Schiedsvereinbarung: - Zustandekommen/Formwirksamkeit, Verweisung auf andere Dokumente, gesonderte Urkunde
Volltext
B E S C H L U S S
I. Zum zweiten beisitzenden Schiedsrichter zur Durchführung eines Schiedsverfahrens zwischen den Parteien wegen Auseinandersetzung der gemeinschaftlichen Anwaltssozietät wird bestellt:
xxx.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Bestellungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 26.000 € festgesetzt.
G r ü n d e:
I.
Die Antragstellerinnen und der Antragsgegner sind Rechtsanwälte und waren Mitglieder einer Sozietät in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Im Sozietätsvertrag (§ 20) vom 16.6.2000 ist vereinbart, dass alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag oder über seine Gültigkeit, die zwischen den Partnern und/oder zwischen einem oder mehreren Partnern einerseits und der Sozietät andererseits entstehen, unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs von einem Schiedsgericht endgültig entschieden werden (Satz 1). Eine Schiedsvereinbarung, die nach Satz 2 in einer gesonderten Urkunde als Anlage zum Vertrag niederzulegen ist, existiert nicht.
Die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen fanden am 31.12.2005 ihr einvernehmliches Ende. Die Parteien streiten noch um die finanzielle Abwicklung. Der von den Antragstellerinnen veranlasste Auseinandersetzungsplan weist ihrem Vortrag zufolge ein vom Antragsgegner auszugleichendes Soll von 78.312,36 € aus. Mit ihrer beabsichtigten Klage zum Schiedsgericht wollen sie den Antragsgegner verpflichten, ihrem Auseinandersetzungsplan zuzustimmen. Einer an den Antragsgegner gerichteten und diesem am 24.1.2008 zugegangenen Aufforderung, einen Schiedsrichter zu benennen, kam dieser nicht nach. Unter dem 28.2.2008 haben die Antragstellerinnen deshalb beim Oberlandesgericht die Bestellung eines Schiedsrichters für den Antragsgegner beantragt.
Der Antragsgegner hat in seiner Stellungnahme vom 7.3.2008 einen Schiedsrichter benannt. Er vertritt die Ansicht, die Bestellung seinerseits sei rechtzeitig, weil die Aufforderung zur Schiedsrichterbenennung unwirksam sei. Diese sei nämlich an ihn persönlich, nicht jedoch an seine anwaltlichen Vertreter gerichtet gewesen. Diese hätten die Antragstellerinnen ausdrücklich auf das für die Kanzleiabwicklung bestehende Mandatsverhältnis hingewiesen.
II.
Der zulässige Bestellungsantrag ist begründet.
1. Die Zuständigkeit des Senats für die Bestellung eines Schiedsrichters folgt aus § 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, Abs. 5, § 1025 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 8 GZVJu vom 16.11.2004 (GVBl S. 471). Die Parteien des zukünftigen Schiedsverfahrens haben ihren Wohnsitz in Bayern.
2. Gegen die Wirksamkeit der Schiedsklausel in § 20 des Sozietätsvertrags vom 16.6.2000, die in späteren Ergänzungen unverändert blieb, bestehen keine durchgreifenden Bedenken, ohne dass es im Rahmen des Bestellungsverfahrens einer abschließenden Entscheidung über die Gültigkeit der Schiedsabrede bedarf.
Die Form des § 1031 Abs. 1 ZPO ist eingehalten. Die Schiedsvereinbarung kann auch in Form einer Klausel neben anderen vertraglichen Vereinbarungen geschlossen werden (§ 1029 Abs. 2 ZPO). § 1031 Abs. 5 ZPO ist nicht einschlägig, weil die Parteien in Bezug auf den gemeinsamen Gesellschaftsvertrag keine Verbraucher sind (§ 13 BGB; vgl. BGH WM 2005, 755).
Der Wirksamkeit der Schiedsabrede steht nicht entgegen, dass die Parteien die vorgesehene gesonderte Urkunde über die Schiedsvereinbarung als Anlage zum Gesellschaftsvertrag nicht erstellt haben. § 20 beinhaltet nämlich nach seinem Wortlaut die endgültige Schiedsvereinbarung der Parteien und nicht etwa nur die Absichtserklärung, erst noch eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen (vgl. Senat vom 23.5.2007, 34 SchH 001/07; ferner Kröll SchiedsVZ 2008, 62/64). Eine nähere Ausgestaltung der Schiedsvereinbarung ist nicht zwingend erforderlich (vgl. Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 6 vor Rn. 1).
3. Weil die Parteien keine abweichenden Bestimmungen getroffen haben, richtet sich das Verfahren zur Bildung des Schiedsgerichts und zur Bestellung von Schiedsrichtern nach den gesetzlichen Regeln. Maßgeblich sind § 1034 Abs. 1 Satz 2, § 1035 Abs. 3 ZPO. Hiernach besteht das Schiedsgericht aus drei Personen. Jede Partei bestellt zunächst einen Schiedsrichter. Hat eine Partei den Schiedsrichter nicht innerhalb eines Monats nach Empfang einer entsprechenden Aufforderung durch die andere Partei bestellt, so ist der Schiedsrichter auf Antrag der anderen Partei durch das Gericht zu bestellen (§ 1035 Abs. 3 Satz 3 ZPO).
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLGZ 2002, 17; a.A. Musielak/Voit ZPO 6. Aufl. § 1035 Rn. 10 m.w.N.), der sich der Senat angeschlossen hat (Beschluss vom 26.4.2006, 34 SchH 004/06 = OLG-Report 2006, 535 - Leitsatz), geht die Kompetenz zur Bestellung des Schiedsrichters mit fruchtlosem Ablauf der Monatsfrist auf das Gericht über. Voraussetzung ist allerdings die wirksame Aufforderung, die nach herrschender Meinung die schriftliche Bezeichnung des eigenen Schiedsrichters und die ausreichende Bezeichnung der Rechtsstreitigkeit verlangt (Schwab/Walter Kap. 10 Rn. 19 und 20). Diese Voraussetzungen erfüllt das Aufforderungsschreiben der Antragstellerinnen vom 19.1.2008. Der Wirksamkeit steht nicht entgegen, dass die Aufforderung nicht dem Vertreter, sondern dem Antragsgegner unmittelbar zuging. Eine rechtsgeschäftliche Pflicht, mit dem Vertreter anstelle des Vertretenen zu korrespondieren, besteht nicht. Ein etwaiger Standesverstoß in Form der Umgehung des Gegenanwalts (§ 12 BORA) berührt die Wirksamkeit der Aufforderung als einer geschäftsähnlichen Handlung nicht (Hartung Anwaltliche Berufsordnung, 3. Aufl. § 12 Rn. 20; Henssler/Prütting BRAO 2. Aufl. § 11 BORA Rn. 10).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumung (§ 1035 Abs. 3 Satz 3 ZPO) kommt nicht in Betracht (Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. § 1035 Rn. 15).
4.Gemäß § 1035 Abs. 3 Satz 3, Abs. 5 ZPO bestellt der Senat die oben bezeichnete Person zum Schiedsrichter.
Besondere Anforderungen an die schiedsrichterliche Qualifikation haben die Parteien nicht festgelegt. Gegenstand des beabsichtigten Schiedsverfahrens bildet die Schlussabwicklung einer aufgelösten Anwaltssozietät. Strittig ist nur noch die endgültige Festlegung des finanziellen Ausgleichs in Form einer Auseinandersetzungsbilanz. Der bestellte Schiedsrichter ist, wie die Parteien, Rechtsanwalt. Er ist auf dem Gebiet des Schiedswesens tätig und mit Verfahren dieser Art schon befasst gewesen. Er bietet die Gewähr für eine sachgerechte Besetzung des Schiedsgerichts.
Soweit der Antragsgegner im Bestellungsverfahren einen eigenen Personalvorschlag gemacht hat, ist dem der Senat nicht nähergetreten. Der von ihm benannte Rechtsanwalt war 2004, jedenfalls als Mediator, in die damals schon bestehenden Auseinandersetzungen der Parteien eingeschaltet. Die Antragstellerinnen bringen Einwände gegen dessen Unparteilichkeit und Unabhängigkeit vor. Es kann dahinstehen, ob diese letztlich berechtigt sind. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass das Schiedsverfahren von vornherein mit Zweifeln an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit dieser Person als Schiedsrichter belastet wäre.
III.
Die Streitwertbestimmung beruht auf § 3 ZPO. Der Senat geht, anders als die Antragstellerinnen, nicht von einer Feststellungs-, sondern von einer Leistungsklage auf Abgabe einer Willenserklärung aus (vgl. Zöller/Herget § 3 Rn. 16 Stichwort "Willenserklärung"). Abzustellen ist darauf, welcher Erfolg mit der Erklärung erstrebt wird. Maßgeblich ist insoweit der Wert des Guthabens, das in der Auseinandersetzungsbilanz festgelegt werden soll. Mit einem Bruchteil (etwa 1/3 des Hauptsachebetrags von rund 78.000 €) ist im Regelfall, so auch hier, eine angemessene Bewertung für die Bestellung gegeben (vgl. z.B. Senat vom 23.5.2007, 34 SchH 001/07).
Summary
Higher Regional Court (OLG) München, Decision of 26 May 2008 - 34 SchH 03/08
Substitute appointment of arbitrator by court
Claimant filed a request for nomination of a co-arbitrator for the respondent to the Higher Regional Court Munich, when the respondent had failed to nominate an arbitrator within the time-limit set by the claimant in a request directed at the respondent directly (not ist attorney).
Respondent objected the request, arguing that the arbitration agreement was not valid and subsidiarily that the request to nominate an arbitrator had not been delivered properly and that therefore the time-limit for nominating an arbitrator had not expired yet. The respondent in the proceedings nominated an arbitrator, against whom claimant expressed doubts as to his independence and impartiality.
The Higher Regional Court held that the arbitration clause was valid. The arbitration clause was contained in an agreement between the parties and stated that all disputes were to be decided finally by an arbitral tribunal and without recourse to the ordinary courts. The clause stated further that a separate arbitration agreement was to be concluded by the parties in a separate document attached to the contract. The separate agreement was never concluded.
The court found that the first section of the arbitration clause was a clear and unequivocal agreement to submit all disputes to an arbitral tribunal, and not merely an expression of an intention to conclude such an agreement. Therefore the failure to conclude an additional, separarate agreement to regulate the further details of the arbitral procedure did not affect the validity of the arbitration clause. Since neither party was a consumer, there was no obligation to conclude the arbitration agreement in a separate document (Sec. 1031 sub. 5 Code of Civil Procedure - ZPO).
The court held furthermore that the request to nominate an arbitrator had been properly delivered to the respondent. The failure send it to respondent's attorney did not affect the validity of the request. There was no legal duty to correspond with the attorney only, and a possible violation of the professional ethical rules could not affect the validity of the correspondence.
Furthermore the court held that it was not bound by the nomination made by the respondent. Without evaluating it the objections raised by claimant against the independence and impartiality of the arbitrator nominated by the respondent were justified - the proposed arbitrator had already acted in the past as mediator in the dispute between the parties - the court held that it could not be excluded that the proceedings would be burdened from the outset with doubts as to that arbitrator's independence and impartiality.
Accordingly the court appointed another person as arbitrator.