34 Sch 12/12


Gericht OLG München Aktenzeichen 34 Sch 12/12 Datum 25.02.2013
Leitsatz
1. Ein förmlicher Schiedsspruch erfordert die (persönliche, eigenhändige) Unterschrift der Schiedsrichter. Vertretung in der Unterschriftsleistung ist unzulässig.
2. Die urkundsabschließende Unterschrift der Schiedsrichter auf unterschiedlichen Blättern ist für die formelle Wirksamkeit des Schiedsspruchs unschädlich
RechtsvorschriftenZPO §§ 1054, 1057, 1058, 1059 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b, § 1062 Abs. 1 Nr. 4
FundstelleBeckRS 2015, 16249; IHR 2013, 176; SchiedsVZ 2013, 230; WM 2014, 1152
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAntrag auf Aufhebung eines Auslegung- und Berichtigungsschiedsspruchs Antrag auf Aufhebung eines Kostenschiedsspruchs  
Volltext
B E S C H L U S S
I. Der Antrag, die durch das DIS-Schiedsgericht, bestehend aus den
Schiedsrichtern xxx, in dem Schiedsverfahren DIS-SV-XX-XX in München am 2. April 2012 (Hauptschiedsspruch) und am 29. Juni 2012 (Auslegungs- und Berichtigungsschiedsspruch sowie Kostenschiedsspruch) ergangenen Schiedssprüche aufzuheben, wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 586.755,00 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung inländischer Schiedssprüche.
1. Die Antragsgegnerin (= F), eine Herstellerin von Computer-Hardware, und die Antragstellerin schlossen am 27. 10. 2004 einen "Broadline-Distributionsvertrag". Dieser hatte für die GUS (CIS) außer Aserbaidschan Geltung. Der Distributor (= die Antragstellerin) war berechtigt, während der Vertragsdauer gewisse Produkte zusammen mit eigenen Produkten und Leistungen als Gesamtlösungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben (Ziff. 2.2). Bestimmt ist die Anwendung deutschen Rechts (Ziff. 19.1). Zur Stellung der Vertragsparteien ist im Vertrag u. a. noch Folgendes geregelt:
3.5.
Die Vertragspartner werden sich gegenseitig über Änderungen an ihren
Produkten und Leistungen informieren. F wird dem Distributor im Hinblick auf eine längerfristige Zusammenarbeit auch die Weiterentwicklungen der
F-Produkte, soweit sie für das Geschäft mit Distributoren vorgesehen sind, zur Aufnahme in diesem Vertrag anbieten.
...
4.1.
Jeder Vertragspartner benennt einen fachkundigen Ansprechpartner, der die
Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern koordiniert.
4.2.
Jeder Vertragspartner wird den anderen über die Marktentwicklung informieren.
Bei der Abwehr von Wettbewerbsverstößen und Schutzrechtsverletzungen
werden sich die Vertragspartner gegenseitig unterstützen.
4.3.
Der Distributor ist vorbehaltlich jederzeitigen Widerrufs berechtigt, für die Zwecke und die Dauer dieses Vertrags den Namen F und die Firmenmarke ... sowie andere für F eingetragene Marken ... zu gebrauchen. ...
4.4.
Zur Förderung ihrer Geschäftsziele werden sich die Vertragspartner für das bei
Abschluss dieses Vertrages laufende Geschäftsjahr und dann für jedes weitere
F-Geschäftsjahr (1.4. bis 31.3.) jeweils im Voraus über ihre Einschätzung der Marktlage, des Marktpotentials, der Geschäftsentwicklung, des Bedarfs etc.
informieren und ihre Ziele in einem Marketing- und Absatzplan festlegen.
Insbesondere werden die Vertragspartner in Marketing- und Absatzplan
gemeinsam ein verbindliches Jahresziel für den Umsatz des Distributors mit
F-Produkten festlegen.
5. Leistungen von F
F unterstützt den Distributor bei der Vermarktung von F-Produkten nach
Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen.
5.1.
F wird Mitarbeitern des Distributors die Teilnahme an Aus- und
Weiterbildungslehrgängen sowie an geeigneten Informationsveranstaltungen zu den bei F für Distributoren jeweils gültigen Bedingungen und Preisen
ermöglichen.
5.2
F wird den Distributor bei Marketingmaßnahmen für die F-Produkte und
-Leistungen nach Maßgabe der bei F für Distributoren jeweils gültigen
Bedingungen beraten und unterstützen. ...
5.3.
Zur Unterstützung bei der Entwicklung und Pflege seiner Softwareprodukte und für die Präsentation aller Produkte dieses Vertrages erhält der Distributor ... auf Wunsch Demonstrationsgeräte zu dem hierfür bei der F jeweils gültigen Bedingungen und Preisen.
6. Leistungen des Distributors
6.1.
Der Distributor wird seinen Markt mit den F-Produkten nach besten Kräften
erschließen und bearbeiten und die dazu notwendige Organisation, einschließlich des dazu erforderlichen qualifizierten Personals unterhalten;
werbewirksame Präsentationen der Produkte durchführen und Werbematerial
verbreiten;
er wird sein Händlernetz für F-Produkte aufbauen und erweitern;
seine Händler vor und nach dem Verkauf sachgerecht beraten sowie ihnen
Hilfestellungen und Anleitungen zur Anwendung der F-Produkte geben.
...
6.3.
Der Distributor wird die F-Produkte in seinen Verkaufsräumen werbewirksam und zielkundenorientiert präsentieren ...
6.4.
Der Distributor wird auf Anfrage F bei der Analyse von Marktdaten, wie z. B. Industriestatistiken und Marktkonditionen für die Produkte und Services
unterstützen und entsprechende Informationen erteilen.
6.5.
Der Distributor legt regelmäßig Informationen über den geplanten Einkauf
mindestens einmal innerhalb von 45 Tagen vor. Der Distributor liefert wöchentlich ein Stock-Reporting an den für das Territorium verantwortlichen
F-Sales-Manager.
...
6.7.
Der Distributor wird F unverzüglich von vermuteten Produktmängeln,
Sicherheitsproblemen und Klagen wegen solcher Mängel schriftlich in Kenntnis setzen, ...
Zur Vertragsdauer ist Folgendes geregelt:
18.1. Dieser Vertrag tritt mit Unterzeichnung durch beide Parteien in Kraft und gilt bis zum … . Die Gültigkeitsdauer des Vertrages wird bis zum … verlängert, solange keiner der Vertragspartner die Kündigung des Vertrages,..., angemeldet hat. ...
Der Vertrag enthält weiter folgende Schiedsvereinbarung:
19.2. Alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit dem
vorliegenden Vertrag ergeben, einschließlich aller Fragen betreffend das
Bestehen, die Gültigkeit oder Beendigung dieses Vertrages, sowie der Gültigkeit dieser Schiedsgerichtsklausel, sollen abschließend entschieden werden in einem Schiedsverfahren gemäß den Regeln des Schiedsgerichts-instituts der Handelskammer durch drei Schiedsrichter im Einklang mit der genannten Schiedsordnung unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges. Ort der Durchführung des Verfahrens ist München, Deutschland. Prozess- und Verhandlungssprache ist deutsch.
Weiter ist in Ziff. 20.3. geregelt:
Nebenabreden, Änderungen und/oder Ergänzungen zu diesem Vertrag bedürfen der Schriftform. Im Februar … schlossen die Parteien eine "Orderpoint-Vereinbarung", wonach die Bestellungen über diese Applikation ein Benutzerkonto und ein Passwort voraussetzen.
Die Vereinbarung enthält u. a. folgende Passage:
Unless otherwise agreed by the parties any and all orders submitted by the
User via F Orderpoint will be deemed as submitted based on the terms
and conditions of the respective Partner of Frame agreement in place
between the User and F at the time of order...
Orders submitted via F Orderpoint shall be binding on the ordering party
upon submission.
2. Mit ihrer Schiedsklage machte die Antragsgegnerin (= Klägerin oder Schiedsklägerin) Ansprüche auf Kaufpreiszahlung geltend, gestützt auf Bestellungen, welche die Antragstellerin (= Beklagte oder Schiedsbeklagte) in ihrer Eigenschaft als Distributorin aufgegeben und erhalten, aber nicht bezahlt habe.
a.) Der Klage liegen Bestellungen im Zeitraum von (…) März 2007 bis (…) Mai 2007 von Waren im Gesamtwert von 526.112,78 € zugrunde, die nach dem Vortrag der Klägerin die Beklagte zum Teil selbst aufgegeben hat. Zum anderen Teil seien sie durch die zum damaligen Zeitpunkt mit der Beklagten verbundenen Gesellschaft "DiFo" aufgegeben worden.
Es handelt sich um folgende Lieferungen:
1. … - 60.000,00 €
2. … - 186.156.00 €
3. … - 113.960,00 €
4. … - 21.956,02 €
5. … - 64.900,00 €
6. … - 205.000,00 €
7. … - 13.210,00 €
8. … - 18.500,00 €
9. … - 11.100,00 €
b.) Die Beklagte rügte die Zuständigkeit des Schiedsgerichts für die Forderungen aus den Bestellungen Nrn. 3 bis 9, die nach dem 31.3.2007 erfolgt waren. Sie war (und ist) der Auffassung, die Bestellungen Nrn. 3 bis 9 fielen nicht unter den damals schon ausgelaufenen Vertriebsvertrag. Somit gelte auch die Schiedsklausel nicht. Sie bestritt auch, dass die auf Seiten der Klägerin handelnde Person zum Abschluss des Vertriebsvertrags befugt gewesen sei. Die "DiFo", von der alle streitgegenständlichen Bestellungen bis auf eine stammen sollten, sei nicht berechtigt gewesen, für die Schiedsklägerin derartige Bestellungen aufzugeben.
3. Am 2. April 2012 erließ das Schiedsgericht einen Schiedsspruch, wonach die Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin 526.112,78 € nebst Zinsen zu bezahlen und die Kosten des Verfahrens zu tragen. Dieser ging der Klägerin am 23. April zu. Die Unterschriften unter den schriftlich abgefassten Schiedsspruch befinden sich auf dessen doppelt vorhandener Seite 26. Auf dem einen Blatt haben unterschrieben der Vorsitzende und einer der Schiedsrichter, auf dem anderen Blatt der Vorsitzende und der zweite Schiedsrichter. Eine Ortsangabe enthält der Schiedsspruch nicht.
a.) Zur Weitergeltung der Schiedsklausel und damit zur Zuständigkeit des
Schiedsgerichts führt der Schiedsspruch aus:
Zur Bevollmächtigung von der, auf Seiten der Klägerin handelnden xxx sei zwar nichts vorgetragen, die Klägerin habe den Vertrag, der die Schiedsklausel enthalte, jedoch erfüllt. In der Durchführung des Vertrags liege zumindest eine konkludente Genehmigung.
Die Bestellungen Nrn. 3 bis 9 würden zwar nicht unter den Vertriebsvertrag fallen, wenn dieser zum Bestellzeitpunkt bereits ausgelaufen gewesen sei. Damit würde auch die Schiedsklausel nicht für diese Bestellungen gelten. Nach § 89 Abs. 3 HGB gelte aber ein für eine bestimmte Zeit eingegangenes Vertragsverhältnis, das nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit von beiden Teilen fortgesetzt werde, als auf unbestimmte Zeit verlängert. Diese Bestimmung betreffe zwar in erster Linie Handelsvertreter, während die Beklagte Vertriebshändlerin der Klägerin gewesen sei. Sie werde aber auch auf
Verträge mit Vertragshändlern angewandt. Ob dies nur dann gelte, wenn der
Vertragshändler in das Absatzsystem des Herstellers eingegliedert sei, könne
dahinstehen, denn die Beklagte sei in das Absatzsystem der Klägerin eingegliedert gewesen, wie sich aus Ziffer 4 und 6 des Vertriebsvertrages ergebe. Sie habe deren Marke nutzen und das Vertragsgebiet für deren Produkte erschließen sollen.
Bei der Frage, ob der Vertrag zwischen den Parteien durch Warenbestellungen und -lieferungen fortgeführt wurde, handle es sich um eine doppeltrelevante Tatsache. Da das Schiedsgericht zu dem Ergebnis komme, dass die Klage begründet sei, gelte der Vertriebsvertrag als verlängert.
b.) Die Parteien hätten Kaufverträge über die streitgegenständliche Ware geschlossen. Auch die Bestellung Nr. 4 sei im Namen der Beklagten aufgegeben worden. Diese habe hierzu mit der Klageschrift eine an die Klägerin unter ihrer Anschrift in Moskau gerichtete Auftragsbestätigung vorgelegt, nicht jedoch die behauptete Bestellung selbst.
Nachdem die Beklagte pauschal bestritten habe, die Waren bestellt zu haben, und hinsichtlich der Bestellung Nr. 4 fehlenden Vortrag dazu gerügt habe, wann, wo und durch wen diese aufgegeben worden sei, habe die Klägerin eine von Frau K., handelnd für ein Unternehmen R. Networking, versandte E-Mail vorgelegt, an die als Datei die Bestellung angehängt gewesen sei. Diese sei von der Beklagten selbst aufgegeben worden, Frau K. oder R. Networking hätten also nach dem Verständnis der Klägerin bei Aufgabe der Bestellung für die Beklagte gehandelt. Entsprechend habe die Klägerin ihre Annahmebestätigung an die Beklagte unter deren Anschrift in Moskau gerichtet.
Im weiteren Verlauf habe diese nur noch bestritten, dass "DiFo" für sie gehandelt habe, nicht aber Frau K. oder R. Networking. Sie könne sich daher nicht darauf berufen, dass die Bestellung Nr. 4 R. Networking und nicht sie benenne. Nach Ergänzung des Klägervortrags hätte sie nämlich substantiiert bestreiten müssen, dass Frau K. für sie gehandelt habe. Sie habe auch nicht vorgetragen, dass es ihr nicht möglich gewesen sei, die für ein substantiiertes Bestreiten notwendigen Informationen zu beschaffen, zumal die R. Networking ihre Tochtergesellschaft sei, die Auftragsbestätigung an sie selbst adressiert gewesen sei, die Zeugin B. bestätigt habe, sämtliche E-Mails mit den Bestell-anhängen wie vorgelegt erhalten zu haben und die Bestellung in das Orderpoint-System eingegeben gewesen sei. Die Bestellung Nr. 4 sei der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinsvollmacht zuzurechnen. Sie könne sich nicht darauf berufen, dass das russische oder ukrainische Recht keine Rechtsscheinsvollmacht kenne. Das anwendbare Recht sei vielmehr vom Schiedsgericht zu bestimmen. Dieses habe das Recht des Staates anzuwenden, mit dem der Gegenstand des Verfahrens die engsten Verbindungen aufweise (§ 23.2 DIS-SchO), sofern die Parteien die anzuwendenden Rechtsvorschriften nicht bestimmt hätten. Somit sei auf die Frage, ob die Antragstellerin einen Rechtsschein gesetzt habe, deutsches Recht anzuwenden, weil der Vertriebsvertrag aufgrund der getroffenen Rechtswahl deutschem Recht unterliege. Der Rechtsschein sei auch in München
entstanden, denn hier habe die Klägerin ihren Sitz.
Ergänzend wird hierzu auf die Randziffern 56, 59 bis 61 des Schiedsspruchs Bezug genommen. Auch die von der "DiFo" aufgegebenen Bestellungen Nrn. 1 bis 3 und 6 bis 9 seien der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinsvollmacht zuzurechnen. Insoweit wird auf die Randziffern 62 bis 67 Bezug genommen. Dasselbe gelte für die Bestellung Nr. 5. Entscheidend sei, dass diese Bestellung von Mitarbeitern der Klägerin der Beklagten zugeordnet worden sei, was die Zeugen B. und D. bestätigt hätten.
Pauschales Bestreiten sei demgegenüber unerheblich.
4. Es liegt ein Auslegungs- und Berichtigungsschiedsspruch vor, der u. a. Korrekturen von Rechtschreibfehlern und Änderungen hinsichtlich der zuerkannten Zinsen enthält, zudem unter demselben Datum ein Kostenschiedsspruch, in dem die von der Beklagten zu tragenden Kosten auf 60.642,69 € festgesetzt wurden. Die schriftlichen Fassungen gingen der Beklagten zu. Bei beiden Entscheidungen hat für einen der Beisitzer der Vorsitzende des Schiedsgerichts "kraft der in anwaltlich beglaubigter Kopie beigefügten Ermächtigung" unterschrieben.
5. Die Antragstellerin ist der Meinung, die nach Lieferung Nr. 2 erfolgten Bestellungen fielen nicht unter die Schiedsklausel. Damit liege insoweit ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vor. Die Anerkennung des Schiedsspruchs führe - auch im Übrigen - zu einem Ergebnis, das der öffentlichen Ordnung, insbesondere dem verfahrensrechtlichen ordre public
widerspreche (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO).
a.) § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO:
Es liege ein Fall mangelnder Schiedsbindung in der Form des Kompetenz-Übergriffs vor; die im angegriffenen Schiedsspruch entschiedene Streitigkeit sei teilweise nicht durch die Schiedsvereinbarung abgedeckt.
Eine konkludente Vertragsverlängerung habe nicht vorgelegen. Maßgeblich seien die vereinbarten Vertragslaufzeiten. Für eine Änderung eines befristeten Vertrags in einen unbefristeten sei eine übereinstimmende Willenserklärung beider Parteien notwendig gewesen. Daran fehle es. Allein daraus, dass - zumal durch Dritte - weitere Bestellungen aufgegeben worden seien, ergebe sich nicht automatisch der Wille der Vertragsparteien, einen unbefristeten Vertrag abzuschließen.
Eine konkludente Vertragsverlängerung sei auch wegen der Schriftformklausel nicht zustande gekommen. Keine der Parteien habe den Geschäftswillen gehabt, zum Einen die doppelte Schriftformklausel aufzuheben und zum Anderen einen bereits außer Kraft getretenen Vertrag wieder in Kraft zu setzen. Es hätte sich nämlich dabei nicht um eine reine Vertragsverlängerung gehandelt, sondern ein kompletter Neuabschluss sei notwendig gewesen. Bei beiden Parteien hätte derselbe Geschäftswille vorliegen müssen, was hier eher unwahrscheinlich sei. Eine doppelte Schriftformklausel könne nicht durch eine Vereinbarung abbedungen werden, die die Schriftform nicht wahre (siehe BGH NJW 2010, 336).
Die Mitarbeiter auf Seiten der Antragsgegnerin und in - angeblicher - Vertretung der Antragstellerin hätten auch keine Vertretungsmacht gehabt, einen Distributionsvertrag auf unbestimmte Zeit zu verlängern oder abzuschließen. Es habe sich um einen nicht gerade unbedeutenden und mit umfangreichen rechtlichen Implikationen verbundenen Distributionsvertrag gehandelt. Der ursprüngliche Vertrag sei auf Seiten der Antragstellerin vom organschaftlichen Vertreter unterzeichnet, auf Seiten der Antragsgegnerin vom Financial Direktor ROS/CIS. Dass nunmehr "unterrangige" Vertriebs-mitarbeiter berechtigt gewesen sein sollten, einen derartigen Vertrag auf unbestimmte Zeit neu abzuschließen, sei abwegig.
§ 89 Abs. 3 HGB sei nicht anwendbar. Das Schiedsgericht habe die Problematik durch eine analoge Anwendung umgangen. Hierzu habe sich das Schiedsgericht in der Lage gesehen, ohne dass eine der Parteien von der Anwendbarkeit dieser Vorschrift ausgegangen sei oder dies auch nur behauptet habe, geschweige denn der entsprechende Sachvortrag zur tatsächlichen Vertragsabwicklung in den Prozess eingeführt worden sei.
Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift käme nur bei sogenannten echten
Vertragshändlern in Betracht, was auch das Schiedsgericht nicht verkenne. Es bejahe die Vertragshändlereigenschaft aber ausschließlich mit dem Hinweis auf Markennutzung und Gebietserschließung, dies im Übrigen auch nur aufgrund der reinen Vertragslage und ohne Prüfung der tatsächlichen Abwicklung und Handhabe. Die wesentlichen Indizien für die Annahme eines eingegliederten Vertragshändlers hätten aber nicht vorgelegen. Insbesondere habe die Antragstellerin keinem Wettbewerbsverbot unterlegen und habe die Kundenliste nicht bekannt geben müssen. Sie sei auch frei im Vertrieb der Produkte gewesen und habe weder Kunden- noch Gebietsschutz gehabt.
Im Gegenteil habe sich die Antragsgegnerin alle Vertriebsrechte vorbehalten. Die Antragstellerin verweist insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH BB 2002, 2520).
Die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien habe das Schiedsgericht übergangen und ergebnisorientiert eine analoge Anwendung bejaht. Es sei jedoch nicht nachvollziehbar, wie das Schiedsgericht lediglich aufgrund der gestatteten Nutzung des Logos und der "Gebietserschließung" pauschal einen Vertragshändlervertrag mit typischen Handelsvertreterpflichten habe bejahen können. Das Schiedsgericht arbeite im Übrigen mit Mutmaßungen zur Vertretungsmacht. Es sei aber unvertretbar anzunehmen, dass E-Mails, auf welche keine Nachricht erfolgt sei, dass diese nicht angekommen sei, als faktisch zugegangen gelten sollten. Das Schiedsgericht habe auf bestrittener und unwahrer Sachverhaltsbasis eine Rechtsscheins-vollmacht bejaht. Es habe ausgeführt, dass die Antragstellerin bereits vor den gegenständlichen Bestellungen Waren bestellt und bezahlt hätte. Beides habe die Zeugeneinvernahme nicht ergeben.
b.) § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO:
Der Schiedsspruch sei insgesamt aufzuheben, da er auf mangelnder Neutralität des Schiedsgerichts beruhe und somit gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstoße. Das Schiedsgericht habe nämlich bei der Anwendung des § 89 HGB die Vergleichbarkeit der Antragstellerin mit einem Handelsvertreter im Sinne des HGB grob fehlerhaft nicht geprüft. Wegen der Offensichtlichkeit fehlerhafter Analogiebildung könne die Außerachtlassung der gebotenen Vergleichbarkeitsprüfung nur durch mangelnde Neutralität erklärt werden. Im Übrigen liege in der Verwertung der Aussage der Zeugin K. eine Verletzung des Rechts der Antragstellerin auf rechtliches Gehör. Das Schiedsgericht habe die Ausführungen der Antragstellerin zur Vollmacht zwar zur Kenntnis genommen und Beweis erhoben, dann aber, um zu dem von ihm gewünschten
Ergebnis zu kommen, die tatsächlichen Aussagen der Zeugin ignoriert und im
Schiedsspruch die Vertretungsmacht auf Annahmen gestützt, die sich nicht der
Zeugenaussage entnehmen ließen.
6. Die Antragstellerin hat demgemäß beantragt, die Schiedssprüche aufzuheben.
7. Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Aufhebungsantrag zurückzuweisen, weil die Antragstellerin keine Aufhebungsgründe im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO begründet geltend gemacht habe und Aufhebungsgründe im Sinn von § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht vorlägen.
a.) Mit der Rüge, dass die Schiedsvereinbarung nur für zwei der neun streitgegenständlichen Bestellungen gelte, beanspruche die Antragsgegnerin eine unzulässige Nachprüfung in der Sache.
Die Parteien hätten den Vertrag fortgeführt. Die Antragstellerin habe über das zusätzlich vereinbarte Orderpoint-System bestellt und sei diversen Berichtsobliegenheiten nachgekommen, während die Antragsgegnerin geliefert und die Antragstellerin u. a. per E-Mail durch die Liefer-Avis vorab über die Lieferung informiert habe. Die Antragstellerin habe bestellt, indem sie bzw. die sie vertretende "DiFo" ihre Bestellungen per E-Mail übersandt und in das Orderpoint-System eingestellt habe. Bei letzterem handle es sich um ein geschlossenes, passwortgeschütztes System, für das die Antragstellerin eine eigene Benutzerkennung erhalten habe. Die Existenz und die Benutzungsregeln dieses Systems seien unstreitig. Die Antragstellerin habe auch Informationen über geplante Einkäufe, Stock-Reports und Sell-Out-Reports an die Antragsgegnerin weitergeleitet. Sie habe also nicht nur bestellt, sondern sei auch ihren sonstigen Verpflichtungen aus dem Distributionsvertrag vollumfänglich nachgekommen.
Die Schiedsklausel sei umfassend und gelte für alle Lieferungen, auch für die
Bestellungen Nr. 3 bis 9.
Überprüfbar im Verfahren nach § 1059 ZPO sei nur die Schiedsvereinbarung selbst. Diese gelte für alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Vertrag sowie dessen Beendigung. Die Rüge der Antragstellerin betreffe daher nicht die Schiedsvereinbarung, sondern die Auslegung des Parteiverhaltens. Eine Überprüfung, ob das Schiedsgericht dieses Verhalten richtig ausgelegt habe, sei als Sachprüfung unzulässig. Streitigkeiten über sämtliche Bestellungen fielen unter die Schiedsklausel; diese sei nicht zeitlich befristet und sei - wie üblich - grundsätzlich weit auszulegen. Die Klausel umfasse also auch die Entscheidung, ob der Distributionsvertrag beendet sei, ob die streitgegenständlichen Bestellungen darunter fielen und welche Ansprüche sich
daraus ergäben.
Die Rüge treffe auch inhaltlich nicht zu, die Parteien hätten den Distributionsvertrag konkludent verlängert und damit auch die in ihm enthaltene Schiedsklausel. Die Bestellungen seien der Antragstellerin zuzurechnen. Die Parteien hätten die - einfache, nicht doppelte - Schriftformklausel stillschweigend aufgehoben, was jederzeit formfrei und stillschweigend möglich sei. Die Parteien hätten auch keinen gänzlich neuen Vertrag schließen müssen, sondern einfach durch die fortlaufende Tätigkeit diesen fortgesetzt.
Die Vertretungsmacht sei unerheblich. Es genüge aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers, dass die Parteien zu denselben vertraglichen Konditionen weiter zusammengearbeitet hätten und insbesondere die Bestellungen unter der Benutzerkennung der Antragstellerin in das Orderpoint-System eingestellt worden seien.
Die Antragsgegnerin habe die fortgesetzten Bestellungen nur als Angebot zur
Fortsetzung des Vertrags auffassen können. Hätte die Antragstellerin dies nicht gewollt, hätte sie das Passwort ändern, ihren Zugang zum Bestellsystem kündigen, den Bestellbestätigungen widersprechen und jedenfalls die empfangenen Waren zurückweisen müssen.
Für den Distributionsvertrag gelte § 89 Abs. 3 HGB, weil die Antragstellerin
Vertragshändlerin sei. Die Qualifikation als Vertragshändler erfordere nach der
inländischen Rechtsprechung (BGH vom 25.3.1983, Az. 1 ZR 146/80, bei Juris; BGH NJW 1983, 2877) nicht, dass dem Händler ein Alleinvertriebsrecht mit Gebietsschutz erteilt werde, ebenso wenig ein Wettbewerbsverbot. Sie setze lediglich voraus, dass der Händler in die Absatzorganisation des Herstellers eingegliedert und zur Überlassung des Kundenstamms verpflichtet sei. Dies sei hier der Fall gewesen. Für die Vertragsverlängerung genüge dann die unwidersprochene Fortsetzung. Es reiche aus, wenn bloß eine Partei den Vertrag fortführe und die andere nicht widerspreche. Hier habe die Antragsgegnerin die Bestellung der Antragstellerin sogar angenommen und sie
ausgeführt.
Unerheblich seien die Ausführungen der Antragstellerin zur vermeintlich fehlenden Vertretungsmacht. Diese sei für § 89 Abs. 3 HGB bedeutungslos.
Die Antragstellerin habe hinreichenden Rechtsschein gesetzt, den Vertrag fortsetzen zu wollen und hierzu bevollmächtigt zu sein, in dem sie die ihr von der Antragsgegnerin per E-Mail zugesandten Lieferavise unwidersprochen angenommen habe. Die Rechtsscheinsvollmacht beruhe auch darauf, dass alle streitgegenständlichen Bestellungen per E-Mail an die Antragsgegnerin erfolgt seien und alle - mit einer Ausnahme - in das Orderpoint-System eingestellt worden seien. Sie müsse sich jedenfalls gemäß § 242 BGB an der einvernehmlichen Fortsetzung des Distributionsvertrags festhalten lassen.
b.) Auch die Rüge zur Verletzung des ordre public betreffe lediglich die richtige Anwendung des § 89 Abs. 3 Satz 1 HGB sowie die Beweiswürdigung. Damit wolle die Antragstellerin - unzulässig - die sachliche Richtigkeit des Schiedsspruches überprüfen lassen.
Bloße unrichtige Rechtsanwendung in Form der Analogie sei kein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung. Außerdem habe das Schiedsgericht die Vorfrage, ob § 89 Abs. 3 HGB analog anwendbar sei, nicht übergangen. Es habe vielmehr (siehe Schiedsspruch Rn. 47) die Analogie hinreichend geprüft. Im Übrigen könne aus falscher Rechtsanwendung nicht auf die Parteilichkeit des Schiedsgerichts geschlossen werden.
Außerdem müsse sich ein etwaiger Verstoß auf den Schiedsspruch ausgewirkt haben können. Dies wäre indes nicht der Fall, weil dasselbe Ergebnis - Verlängerung des Distributionsvertrages - auch ohne Heranziehung des § 89 Abs. 3 Satz 1 HGB erreicht worden wäre bzw. sich die Antragstellerin gemäß § 242 BGB an einer einvernehmlichen Fortsetzung hätte festhalten lassen müssen. Es liege auch keine Verletzung rechtlichen Gehörs vor. Die Rüge betreffend die Aussage der Zeugin K. richte sich nur gegen die inhaltliche Richtigkeit des Schiedsspruchs und sei unbegründet, weil die vom Schiedsgericht angestellten Erwägungen zur Beweiswürdigung keine grundlegenden Fehler enthielten. Das Schiedsgericht habe die Aussage nicht ignoriert. Die Zeugin habe lediglich beiläufig bestätigt, dass eine RRC-Gruppe existiere. Für die Schiedsklage gegen die Antragstellerin sei dies unerheblich. Es könne also dahinstehen, ob diese Teil der Firmengruppe ist, weil die Bestellungen gerade über das abgesicherte Orderpoint-System erfolgt seien. Eine Überprüfung der Rüge sei auch mangels Vorlage des Verhandlungs-protokolls nicht möglich. Zudem sei die Verfahrensrüge unbeachtlich und eine Kausalität des angeblichen Verstoßes nicht dargelegt.
8. Der Senat hat mit Beschluss die mündliche Verhandlung angeordnet und diese durchgeführt. Wegen ihres Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
II.
Der Antrag ist abzuweisen.
1. Das Oberlandesgericht München ist zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung der Schiedssprüche (§ 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012 [GVBl. S. 295]). Diese enthalten zwar entgegen § 1054 Abs. 3 ZPO keine ausdrückliche Angabe über den Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens. Das macht den Schiedsspruch aber nicht unwirksam (vgl. Zöller/Geimer ZPO 29. Aufl. § 1054 Rn. 10). Der Schiedsort ergibt sich hier zum Einen aus der Schiedsklausel, zum Anderen ist unter den Beteiligten unstreitig, dass in München verhandelt und (auch) entschieden wurde.
2. Der Antrag ist hinsichtlich des Kostenschiedsspruchs (§ 1057 ZPO) bereits unzulässig. Dieser stellt in der bisher vorliegenden Fassung keinen der Aufhebung nach § 1059 ZPO zugänglichen Schiedsspruch dar.
Gemäß § 1054 Abs. 1 ZPO ist der Schiedsspruch durch die Schiedsrichter zu
unterschreiben. Die Unterschrift ist höchstpersönlich und eigenhändig zu leisten (vgl. etwa Musielak/ Voit ZPO 9. Aufl. § 1054 Rn. 6; Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 1054 Rn. 6). Denn der Schiedsrichter kann die ihm übertragene Verantwortung nicht auf eine dritte Person - auch nicht auf ein anderes Mitglied desselben Kollegiums - übertragen. Der Unterzeichner eines Schiedsspruchs - insoweit gilt nichts anderes als für das Urteil eines staatlichen Gerichts - übernimmt die Verantwortung, dass der Schiedsspruch dem Ergebnis der Beratungen in der Sache entspricht. Dies obliegt dem Kollegium in seiner Gesamtheit. Eine aufgrund einer Ermächtigung erfolgte Unterschrift,
lässt nicht erkennen, ob die vertretene Person tatsächlich an Beratung und
Entscheidung mitgewirkt hat. Die Unterschrift ist zwar nachholbar; bis dahin liegt aber kein aufhebbarer Schiedsspruch vor.
In schiedsrichterlichen Verfahren mit mehr als einem Schiedsrichter genügt zwar die Unterschrift der Mehrheit aller Mitglieder des Schiedsgerichts, sofern der Grund für eine fehlende Unterschrift angegeben wird (§ 1054 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dies ist aber nicht geschehen. Der in der Urkunde vermerkte Umstand, dazu ermächtigt zu sein, erklärt nur die zweite Unterschrift des Obmanns und ist kein Grund für die fehlende Unterschrift des Vollmachtgebers selbst. Der Umstand der Ortsabwesenheit ist als Grund für die fehlende Unterschrift nicht angeführt. Ob er einen hinreichenden Grund bilden könnte, kann dahinstehen.
Ein Scheinschiedsspruch, den die Gegenpartei für wirksam hält und daraus Rechte herleitet, wäre zwar zur Klarstellung aufzuheben (vgl. etwa OLG Frankfurt OLG-Report 2001, 302). Ein solcher liegt aber nicht vor. Das Schiedsgericht hat aufgrund einer Schiedsklausel, gegen deren grundsätzliche Wirksamkeit keine Bedenken bestehen, ein Schiedsverfahren durchgeführt. Wird die Unterschrift nachgeholt - was jederzeit möglich ist (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 33. Aufl. § 1054 Rn. 10) - läge ein wirksamer-gegebenenfalls der Aufhebung unterliegenden - Schiedsspruch vor. Da es an einem der Aufhebung zugänglichen - formell wirksamen – Kostenschiedsspruch fehlt, ist der Antrag insoweit unzulässig und zurückzuweisen.
3. Der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Soweit der unselbständige Berichtigungs- und
Auslegungsschiedsspruch diesen abändern sollte, richtet sich dessen formelle Wirksamkeit ebenfalls nach § 1054 ZPO (siehe § 1058 Abs. 5 ZPO). Er ist aus den unter II.2 dargestellten Gründen bisher nicht wirksam. Deshalb ist für die Prüfung der (Nicht-) Anerkennungsfähigkeit der Schiedsspruch in seiner Fassung vom 2.4.2012 zugrunde zu legen. Anhaltspunkte, dass dieser ohne die Berichtigung/Auslegung nicht anerkennungsfähig wäre, bestehen nicht.
a.) Der Schiedsspruch genügt den Formerfordernissen des § 1054 ZPO. Die hiergegen von der Antragstellerin erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es möglich ist, dass gleichlautende Ausfertigungen durch jeweils einen Schiedsrichter unterzeichnet werden (dagegen z. B. MüKo/Münch ZPO 3. Aufl. § 1054 Rn. 10 und Musielak/Voit § 1054 Rn. 6). Denn die Unterschriften sämtlicher Schiedsrichter decken hier den Schiedsspruch räumlich ab. Sie sind nicht in verschiedenen Ausfertigungen enthalten. Der Schiedsspruch stellt eine durch diese Unterschriften gedeckte einheitliche Urkunde dar. Dass das Unterschriftenblatt (S. 26) doppelt vorhanden ist, rechtfertigt nicht den von der Antragstellerin gezogenen Schluss, dass ursprünglich die Schiedsrichter ihre Unterschriften jeweils auf unterschiedlichen gleichlautenden Urkunden geleistet hätten. Denn vorgelegt sind schriftliche Fassungen des Schiedsspruchs, die jeweils zweimal die Seite 26 enthalten. In welcher Form und Abfolge die Schiedsrichter ihre Unterschriften geleistet haben, hat das staatliche Gericht nicht zu überprüfen. Dies könnte es auch nicht. Selbst Blankounterschriften würden der
Formvorschrift des § 1054 Abs. 4 ZPO genügen (vgl. etwa MüKo/Münch § 1054 Rn. 12). Es liegt in der Verantwortung des einzelnen Schiedsrichters, wie er sich von der notwendigen Übereinstimmung zwischen der Beratung und dem im schriftlichen Schiedsspruch niedergelegten Ergebnis überzeugt.
Sonstige Bedenken hinsichtlich der notwendigen Form sind nicht ersichtlich.
b.) Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO sind nicht begründet vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
Die Bestimmungen der Schiedsklausel umfassen den gesamten dem Schiedsgericht unterbreiteten Streitstoff, so dass ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vorliegt. Allerdings kann das Schiedsgericht nicht endgültig über die eigene Zuständigkeit entscheiden (vgl. z. B. Zöller/Geimer § 1040 Rn. 1). Eine Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts besteht im deutschen Recht nicht (vgl. § 1040 Abs. 3 ZPO; BGH NJW 2005, 1125). Damit bindet die Entscheidung des Schiedsgerichts, dass der Vertrag über den ursprünglich festgesetzten Zeitpunkt hinaus fortgesetzt wurde, das staatliche Gericht nicht dahin, dass die nachfolgenden Bestellungen unter die Schiedsklausel fallen.
Gemäß Nr. 19.2. des Distributionsvertrags unterliegen der Schiedsabrede alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag ergeben, einschließlich aller Fragen betreffend das Bestehen, die Gültigkeit oder Beendigung dieses Vertrages. Das bedeutet zwar nicht, dass das Schiedsgericht mit der Entscheidung zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses auch endgültig über die zeitliche Geltung der Schiedsvereinbarung entscheiden konnte. Indessen fallen die späteren Bestellungen noch unter die Schiedsklausel. Denn sie gehören zu den Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag ergeben. Unstreitig hat die Antragstellerin zur Durchführung des Vertrags ein Kennwort erhalten. Dieses System wurde - unter Benutzung des ausschließlich der Antragstellerin zugeteilten Kennworts - auch nach dem Vertragsende weiter benutzt. Damit stehen die Bestellungen im anschließenden Zeitraum und damit aber auch Bestellungen, die in diesem Zeitraum ohne Benutzung des Kennworts getätigt wurden, noch im Zusammenhang mit dem Vertrag. Denn das Kennwort wurde im Rahmen des Vertrages zugeteilt.
Das Schiedsgericht ist aber auch zu Recht davon ausgegangen, dass der
Distributionsvertrag gemäß § 89 Abs. 3 HGB verlängert wurde. § 89 Abs. 3 HGB gilt zwar dem Wortlaut nach nur für Handelsvertreter. Die Vorschrift wird aber auch analog auf Verträge mit Vertragshändlern angewandt. Die Antragstellerin war nach dem Vertrag Vertragshändlerin der Antragsgegnerin. Voraussetzung hierfür ist nämlich, dass die Antragstellerin durch den Distributionsvertrag nicht nur berechtigt war, Waren der Antragsgegnerin im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben, sondern auch in die Verkaufsorganisation des Herstellers eingegliedert war. Handelsvertreterrecht ist entsprechend anwendbar, wenn der Vertragshändler durch den Rahmenvertrag handelsvertretertypische Rechte und Pflichten übernommen hat und in erheblichem Umfang Aufgaben erfüllt, wie sie auch vom Handelsvertreter wahrgenommen werden (vgl. BGH BB 2002, 2520). Vertragshändler ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Waren eines Unternehmers zu vertreiben und deren Absatz zu fördern (zur Definition vgl. Schwytz BB 1997, 2385). Handelsvertreter und Vertragshändler gemeinsam ist die auf Dauer angelegte vertragliche Bindung an einen Hersteller oder Dritten, verbunden mit der Pflicht, ständig um den Absatz der Vertragserzeugnisse bemüht zu sein, wobei beim Vertragshändler der Warenumschlag im Vordergrund steht, beim Handelsvertreter die Abstimmung zwischen Angebot und Nachfrage (vgl. Schwytz aaO.). Eine gesetzliche Regelung fehlt. Anzuwenden sind analog einzelne Vorschriften des Handelsvertreterrechts, wofür Voraussetzung ist, dass die rechtliche und wirtschaftliche Stellung des Händlers im Innenverhältnis an die eines Handelsvertreters angenähert ist (vgl. z.B. Roth in Koller/Roth/Morck HGB 7. Aufl. vor § 84 Rn. 8). Da es immer nur um die Anwendung einzelner Vorschriften gehen kann, ist eine allgemeine Definition des Vertragshändlervertrags nicht erforderlich. Der Vertragspartner muss der Stellung eines Handelsvertreters insoweit angenähert sein, dass die Anwendung einzelner Vorschriften gerechtfertigt ist. Das bedeutet auch, dass
etwa (vgl. BGH NJW 1983, 2877) ein Wettbewerbsverbot für den Händler zwar ein Indiz darstellen kann, aber keine notwendige Voraussetzung für die Anwendung gerade des § 89 Abs. 3 HGB auf den Händler ist. Denn § 89 Abs. 3 HGB dient ersichtlich der Rechtssicherheit für beide Vertragsparteien, die sich angesichts der über einfache Lieferverträge hinausgehenden Bindungen als erforderlich erweist.
Die Interessenlage ist insoweit nicht anders, ob nun ein Wettbewerbsverbot oder ein Alleinvertriebsrecht vereinbart wurde oder nicht. Solche Bindungen ergeben sich aus dem vorgelegten - inhaltlich unstreitigen - Vertrag, wobei keine Anhaltspunkte bestehen, dass dieser nicht entsprechend den Vereinbarungen durchgeführt worden wäre. So darf die Antragstellerin die verschiedenen für die Antragsgegnerin eingetragenen Marken – in einer von letzterer schriftlich genehmigten Form - gebrauchen. Die Parteien haben sich
(Ziffer 4.4.) im Voraus über ihre Einschätzung der Marktlage, des Marktpotentials, der Geschäftsentwicklung, des Bedarfs usw. zu informieren und ihre Ziele in einem Absatzplan festzulegen. Vertragspartner legen gemeinsam ein verbindliches Jahresziel für den Umsatz des Distributors mit den Produkten der Antragsgegnerin fest. Vereinbart sind auch die Unterstützung bei Marketing-maßnahmen und bei Gewährleistungs- und Serviceverpflichtungen, andererseits die Verpflichtungen des Distributors, den Markt für die Produkte der Antragsgegnerin zu erschließen und zu bearbeiten und eine dazu erforderliche Organisation zu unterhalten, werbewirksame Präsentationen der Produkte durchzuführen und Werbematerial zu verbreiten und ein Händlernetz (Ziffer 6.1.) gerade für die Produkte der Antragsgegnerin aufzubauen und zu erweitern. Er ist (siehe Ziffer 6.3.) auch zur Präsentation der Produkte verpflichtet und zur Unterstützung der Antragsgegnerin bei der Analyse von Marktdaten und insbesondere zur Vorlage von Informationen ("Stock-Reporting").
Gemäß § 89 Abs. 3 HGB gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn er nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit von beiden Teilen fortgesetzt wird. Dies gilt auch, wenn der Handelsvertreter (Vertragshändler) einfach seine Tätigkeit fortsetzt und der Unternehmer die von ihm beigebrachten Geschäfte ausführt. Eine erneute Einigung oder ein Fortdauern des einig seins der Parteien über sämtliche Bedingungen ihrer Zusammenarbeit ist nicht erforderlich (vgl. etwa Thume in Röhricht/Graf von Westphalen HGB 3. Aufl. § 89a Rn. 27; Baumbach/Hopt HGB 35. Aufl. § 89 Rn. 21).
Für die Antragsgegnerin mussten sich aber die Bestellungen unter Benutzung des unstreitig der Antragstellerin exklusiv zugeteilten Passwortes als Fortsetzung darstellen, was diese akzeptiert hat. Damit wurde, ohne dass es einer besonderen Einigung bedurfte, das Vertragsverhältnis - einschließlich der Schiedsklausel - fortgesetzt.
4. Ein Verstoß gegen den (verfahrensrechtlichen) ordre public ist nicht ersichtlich. Der Schiedsspruch ist daher auch nicht nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO aufzuheben.
a.) Dahingestellt sein kann, ob ein Aufhebungsgrund nach dieser Vorschrift in einer mangelnden Neutralität des Schiedsgerichts liegen kann, oder ob diese Rüge nicht in Form einer Ablehnung während des Schiedsverfahrens hätte vorgebracht werden müssen. Die Ablehnung kann freilich nicht mehr nachgeholt werden, wenn der Schiedsspruch erlassen ist. Mangelnde Neutralität kann aber nicht schon in einer falschen Gesetzesanwendung allein gesehen werden. Von daher ist der Einwand der Antragstellerin schon nicht schlüssig. Zudem ist das Schiedsgericht auch nach Ansicht des Senats zu einem richtigen Ergebnis gelangt. Ob die Begründung, an die im Schiedsverfahren wesentlich geringere Anforderungen als im Verfahren vor einem staatlichen Gericht zu stellen sind, ausreicht, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
b.) Ebenso liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Auch die Antragstellerin behauptet nicht, dass das Schiedsgericht Beweisangebote übergangen hätte. Wenn das Schiedsgericht Aussagen der Zeugin K. aus welchen Gründen auch immer nicht zur Begründung mit heranzieht, kann dies unter Umständen einen Verfahrensfehler bilden, stellt aber ohne das Hinzutreten weiterer Umstände noch keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör dar. Die Argumentation des Schiedsgerichts zur Fortsetzung des Vertrags ist in sich schlüssig. Auch aus den Darlegungen der Antragstellerin ergibt sich nicht, was die Berücksichtigung (welchen Bestandteils) der Aussage der Zeugin K. daran ändern würde. Für die Argumentation des Schiedsgerichts spielte die Aussage ersichtlich keine Rolle. Die Tatsache, dass die Zeugin zu einem letztlich unerheblichen Punkt gehört wurde, kann keinen Gehörsverstoß begründen. Weitere Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den ordre public sind nicht ersichtlich.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
6. Der Streitwert bestimmt sich nach dem Interesse der Antragstellerin an der
Aufhebung der Schiedssprüche (§ 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG).
Summary
Principles:
1. For an effective arbitral award the personal, autographic signature of the arbitrators is necessary. The signature may not be made by a proxy.
2. The signature of the arbitrators at the end of the award may be made on different sheets of paper without invalidating the arbitral award.
The Higher Regional Court Munich was asked to decide about a request for annulment of a domestic arbitral award. The Chairman had signed the award by proxy for one of the party nominated arbitrators who had authorized him to do so.
The applicant motioned to annul the award based inter alia on section 1059.2 no. 2 b ZPO (German Code of Civil Procedure). It submitted a violation of the ordre public in case the award would be recognized and enforced.
The Higher Regional Court Munich dismissed the application to annul the award.
In its reasoning the Court stated that the application was not admissible as the award had not been signed by all arbitrators. The award therefore had not yet become effective. Pursuant to section 1054.1 ZPO the arbitral award has to be signed by all arbitrators personally. An arbitrator cannot transfer this task to a third person – not even to one of his colleagues of the arbitral tribunal. As signatory, the arbitrator takes over the responsibility to confirm that the arbitral award reflects the arbitral tribunal’s deliberations in the matter at hand. This responsibility is shared by the arbitrators collectively. A signature given on the basis of a power of authority does not reveal whether the principal actually participated in the deliberations and in the decision making. The signature can be made subsequently but until that time no arbitral award exists and therefore a request for annulment is not admissible.
In arbitral proceedings with more than one arbitrator the signature of the majority is indeed sufficient for the validity of the award (1054.2 ZPO). However, this was not the case here. It was not stated that the party nominated arbitrator who did not sign was absent.
Apart from the missing signature, the arbitral award does comply with all other form requirements according to section 1054 ZPO. The signatures of all arbitrators complete the award although the signatures are on different sheets of paper. It is innocuous that page 26 of the award exists twofold. Which arbitrator signs first, is not for the State Court to review. It is the responsibility of each arbitrator to satisfy himself that the written award correctly reflects the arbitral tribunal’s deliberations.