16 Sch 01/09


Gericht OLG Schleswig Aktenzeichen 16 Sch 01/09 Datum 15.05.2009
Leitsatz
s. III ZB 48/09
RechtsvorschriftenZPO § 1059 Abs. 2b; BGB § 389
FundstelleSchiedsVZ 2010, 276
Aktenzeichen der Vorinstanz
Stichworte
Volltext
B E S C H L U S S
Der Schiedsspruch des … Schiedsgerichts vom 31. Januar 2008 … wird mit nachfolgendem Wortlaut für vollstreckbar erklärt:
Die beklagte Partei ist verpflichtet, der klagenden Partei die Summe von 129.062,90 € zu bezahlen als auch die Prozesskosten in der Höhe von 1.029,889,40 SKK inkl. MwSt. zu erstatten, alles innerhalb von 15 Tagen seit der Rechtskräftigkeit dieses Schiedsspruchs.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Der Verfahrenswert beträgt 129.062,90 €.
Gründe
I.
Die Parteien verband ein Kaufvertrag … vom 22. Januar 2003 über die Lieferung von 54 kompletten Sätzen des verschlossenen Toilettensystems … für modernisierte Personenwagen. Durch Mängel der Toilettensysteme kam es zur Leerung des Wasserspeichers durch die WC-Schüssel und in der Folge zu Schäden an den Wagen. Die Schäden an drei Wagen waren Gegenstand des Schiedsverfahrens … . Die Schäden an weiteren neun Wagen sind Gegenstand anderer Schiedsverfahren (…). Auf die Forderung der Antragstellerin von 316.890,23 € zahlte die Antragsgegnerin 167.907,32 €. Hinsichtlich eines Betrages von 22.500,00 € machte sie geltend, dass es sich um Sowieso-Kosten gehandelt habe. Die Zahlung des darüber hinausgehenden Betrages verweigerte die Antragsgegnerin unter Hinweis auf eine Aufrechnung mit Kaufpreisforderungen aus anderen Verträgen (…). Die Antragstellerin berief sich darauf, dass die Aufrechnung der Antragsgegnerin ins Leere gehe, weil sie bereits zuvor gegen die Kaufpreisforderungen der Antragsgegnerin aus anderen Verträgen mit ihren Schadensersatzforderungen wegen anderer als der drei streitgegenständlichen Waggons aufgerechnet habe.
Das Schiedsgericht hat am 31. Januar 2008 eine Entscheidung mit nachfolgendem Wortlaut erlassen:
1. Bezüglich der Summe von 167.907,-- EUR wird das Verfahren eingestellt.
2. Die beklagte Partei ist verpflichtet, der klagenden Partei die Summe von 129.062,90 EUR zu zahlen als auch die Prozesskosten in der Höhe von 1.029,889,40 SKK inkl. MwSt. zu erstatten, alles innerhalb von 15 Tagen seit der Rechtskräftigkeit dieses Schiedsspruchs.
3. Die klagende Partei ist verpflichtet, dem Gericht die besonderen Kosten in der Höhe von 7.854,60 SKK zu bezahlen, innerhalb von 15 Tagen seit der Rechtskräftigkeit dieses Schiedsspruchs.
4. Die beklagte Partei ist verpflichtet, dem Gericht die besonderen Kosten in der Höhe von 372,55 EUR zu zahlen, innerhalb von 15 Tagen seit der Rechtskräftigkeit dieses Schiedsspruchs.
5. Im Übrigen Teil wird die Klage abgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2008, eingegangen am 6. Januar 2009, hat die Antragstellerin beantragt, in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II, S. 121) den Schiedsspruch des Schiedsgerichts der Slowakischen Handels- und Industriekammer in Bratislava … vom 31. Januar 2008 anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin macht geltend, dass der Schiedsspruch Entscheidungen enthalte, die die Grenzen der Schiedsabrede überschritten, dass die geltend gemachte Forderung durch Aufrechnung erloschen sei und dass die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs gem. § 1059 Abs. 2 b ZPO der öffentlichen Ordnung (ordre public) der Bundesrepublik Deutschland widerspreche.
II.
1. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist gem. §§ 1025 Abs. 4, 1061 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (nachfolgend: UNÜ) – BGBl. 1961 II, S. 121 – zulässig. Das UNÜ findet im Verhältnis zwischen der Slowakischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland Anwendung.
Die Zuständigkeit des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches folgt aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO, weil die Antragsgegnerin ihren Sitz im hiesigen Bezirk hat.
Es kann offen bleiben, ob die förmlichen Anerkennungsvoraussetzungen gem. Art. 4 UNÜ erfüllt, d. h. die dort genannten Unterlagen (Schiedsspruch, Schiedsvereinbarung) in der in Art. 4 UNÜ geregelten Form vorgelegt worden sind. Denn Art. 4 UNÜ als bloße Beweismittelregelung greift nicht ein, wenn – wie hier – die Authentizität der Unterlagen nicht bestritten ist (BGH NJW 2000, 3650). Die Antragstellerin hat den Schiedsspruch im Original und in beglaubigter Übersetzung und den Kaufvertrag Nr. 1011/2003 mit der Schiedsklausel in Kopie und in beglaubigter Übersetzung vorgelegt.
2. Der Geltendmachung von Einwänden gegen die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin von der Möglichkeit, in der Slowakischen Republik mittels einer Klage die Aufhebung des Schiedsspruchs zu erreichen, keinen Gebrauch gemacht hat. Die unterlegene Schiedspartei kann legitime Gründe für ein solches Verhalten haben. Muss eine Partei keine Nachteile aus dem Schiedsspruch im Erlassstaat befürchten, etwa weil sie dort kein Vermögen hat, ist nicht ersichtlich, warum sie gehalten sein sollte, dort ein Kosten verursachendes Aufhebungsverfahren anzustrengen (BGH BGHReport 2008, 810).
Anerkennungsversagungsgründe i. S. von Art. 5 Abs. 1 UNÜ, für die die Antragsgegnerin den Beweis zu erbringen hätte, werden von ihr nicht geltend gemacht.
Versagungsgründe i. S. von Art. 5 Abs. 2 UNÜ, die von Amts wegen zu beachten sind, liegen nicht vor. Danach darf die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruches auch versagt werden, wenn die zuständige Behörde des Landes, in dem die Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird, feststellt, dass entweder der Gegenstand des Streites nach dem Recht dieses Landes nicht auf schiedsrichterlichem Wege geregelt werden kann oder dass die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruches der öffentlichen Ordnung dieses Landes widersprechen würde.
Der Schiedsspruch widerspricht nicht der öffentlichen Ordnung (§ 1059 Abs. 2 b ZPO).
Nicht jeder Widerspruch der Entscheidung des Schiedsgerichts zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts stellt einen Verstoß gegen den ordre public dar. Vielmehr muss es sich um eine nicht abdingbare Norm handeln, die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist. Die Entscheidung muss zu einem Ergebnis führen, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechtes offensichtlich unvereinbar ist, d. h. wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht; der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen (BGH NJW 2009, 1215).
Das Schiedsgericht hat die im Schiedsverfahren eingereichten Unterlagen, insbesondere das Schreiben der Antragsgegnerin vom 5. Oktober 2005, mit dem diese die Aufrechnung mit ihren Kaufpreisforderungen aus anderen Verträgen erklärt hat, dahin ausgelegt, dass der Schaden an den streitgegenständlichen drei Wagen in Höhe von 304.950,42 € unumstritten und nur hinsichtlich der Sowieso-Kosten in Höhe von 22.500,00 € umstritten ist. Es hat die auf eine Aufrechnung gerichtete Handlung der Antragsgegnerin als Schuldanerkenntnis interpretiert und dabei insbesondere auf die Formulierung „Summe der akzeptierten Forderungen“ im Schreiben vom 5. Oktober 2005 (…) abgestellt. In einem weiteren Schritt ist das Schiedsgericht davon ausgegangen, dass die Aufrechnung der Antragsgegnerin ins Leere gegangen ist, weil bereits zuvor die Antragstellerin gegen die Kaufpreisforderungen der Antragsgegnerin mit ihren Schadensersatzforderungen wegen anderer Waggons aufgerechnet hatte. Sodann hat es formuliert (Seite 18, Schiedsspruch in der Fassung der vorgelegten Übersetzung) „Das Senat geht für den Bedarf dieses Verfahrens davon aus, dass die Forderungen formell geltend gemacht worden, kompensiert wurden und es ist nicht nachgewiesen worden, dass diese ein Gegenstand eines Streitverfahrens wären. Hiermit möchte aber das Senat beim eventuellen Streit über die Existenz und Höhe der kompensierten Forderungen nicht entscheiden, was ihm nicht obliegt und welche von beliebiger Partei zur Geltung gebracht werden können.“ Die letztgenannte Formulierung ist in dem Sinne zu verstehen, dass das Schiedsgericht sich einer Entscheidung über die Frage, ob die Aufrechnungserklärungen einerseits der Antragstellerin und andererseits der Antragsgegnerin zum Erlöschen von Forderungen geführt haben, ausdrücklich enthalten hat. Es hat nur den Umstand, dass die Antragsgegnerin aufgerechnet und nicht etwa die Forderung bestritten hat, als Anerkenntnis ausgelegt, woraus sich dann zwangsläufig eine Restforderung der Antragstellerin im Schiedsverfahren ergeben hat.
Diese Wertungen des Schiedsgerichts widersprechen nicht grundlegenden Wertentscheidungen des deutschen Gesetzgebers. Insbesondere hat das Schiedsgericht nicht eine Aufrechnung mit Forderungen der Antragstellerin zugelassen, die es selbst als bestritten angesehen hat (…). Es hat sich vielmehr insoweit einer Entscheidung enthalten und die Parteien des Schiedsverfahrens mit der Formulierung „welche von beliebiger Partei zur Geltung gebracht werden können“ darauf verwiesen, die wechselseitigen Forderungen anderweitig geltend zu machen. Die Auslegung der Aufrechnungserklärung der Antragstellerin als Anerkenntnis hinsichtlich der Forderung, gegen die aufgerechnet worden ist, ist nicht zu beanstanden. Eine weitergehende inhaltliche Überprüfung des Schiedsspruchs findet im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht statt.
Aus Vorstehendem folgt zugleich, dass ein Verstoß gegen den ordre public sich nicht aus einer Verletzung des Anspruchs der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör ergibt. Das Schiedsgericht hat gerade nicht ohne vorherigen Hinweis eine Aufrechnung mit einer bestrittenen Forderung zugelassen. Die Frage der Anerkennung der Forderungen der Antragstellerin durch Zahlung und Aufrechnungserklärung ist Gegenstand der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien gewesen, deren Inhalt ausführlich im Schiedsspruch wiedergegeben worden ist (…).
3. Die Forderung der Antragstellerin ist nicht durch Aufrechnung erloschen, § 389 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Einwendungen gegen den Anspruch selbst im Vollstreckbarerklärungsverfahren erhoben werden, soweit auf sie eine Vollstreckungsgegenklage gestützt werden könnte, § 767 Abs. 2 ZPO (BGH NJW-RR 2008, 659; BGH NJW 1990, 3210; BGH NJW 1961, 1627; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 27 Rn 12 ff.).
Im Vollstreckbarerklärungsverfahren können jedoch - jedenfalls dann, wenn der Aufrechnungsgegner sich auf die Schiedsgerichtsklausel beruft - nur solche Einwendungen berücksichtigt werden, die nicht ihrerseits einer Schiedsabrede unterliegen (Schwab/Walter, a.a.O., Kap. 3 Rn 13; Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 1060 Rn 12; BGH MDR 1963, 125; OLG München MDR 2005, 1244). Die Antragsgegnerin rechnet mit Kaufpreisforderungen aus den als Anlage AG 1 und AG 2 vorgelegten Kaufverträgen auf, die in Ziff. IX jeweils eine Schiedsabrede enthalten. Danach sind eventuelle aufgrund und im Zusammenhang mit diesem Vertrag entstehende Streitigkeiten vorzugsweise durch die Vereinbarung und durch das Suchen des gemeinsamen Ausgangspunktes zu lösen und sind alle aus dem vorliegenden Vertrag sich ergebenden Differenzen einem Dreier-Schiedsgericht der Zürcher Handelskammer mit Sitz in Zürich zur endgültigen Entscheidung gemäß den Vorschriften ihres Schiedsverfahren zu unterbreiten, wobei die Parteien je einen Schiedsrichter selbst bestimmen. Die Antragstellerin hat sich auf den Vorrang der Schiedsabrede berufen, indem sie auf Seite 3 ihres Schriftsatzes vom 19. März 2009 die Unzulässigkeit der erhobenen Einwendungen im Vollstreckbarerklärungsverfahren geltend gemacht hat. Da für die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche der Antragsgegnerin ein anderes Schiedsgericht zuständig ist, folgt eine Zuständigkeit des Senats auch nicht daraus, dass das Schiedsgericht sich einer Entscheidung über die Aufrechnung ausdrücklich enthalten hat.
4. Der Senat beschränkt die Vollstreckbarerklärung auf Ziff. 2 des Schiedsspruchs, weil sich aus Ziff. 1 sowie aus Ziff. 3 bis 5 kein vollstreckbarer Inhalt ergibt und die Antragstellerin dies in ihrem Antrag durch Fettdruck von Ziff. 2 des Schiedsspruchs zum Ausdruck gebracht hat.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 1064 Abs. 2 ZPO. Für die Streitwertfestsetzung ist nur die Hauptforderung berücksichtigt worden.
Summary
see III ZB 48/09