34 Sch 1/14


Gericht OLG München Aktenzeichen 34 Sch 1/14 Datum 24.06.2014
Leitsatz
Ohne amtlichen Leitsatz.
RechtsvorschriftenZPO §§ 1059 Abs 2, 1064, 93, 91a
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteVollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs; Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens
Volltext
BESCHLUSS
Tenor:
Das aus den Schiedsrichtern Rechtsanwalt xxx als Vorsitzenden, Rechtsanwälte xxx und xxx als Beisitzer bestehende Schiedsgericht erließ in dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin(-widerbeklagten) und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagter(-widerklägerin) geführten Schiedsverfahren am 17. Dezember 2013 in München folgenden Schiedsspruch:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 6.921.726,39 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von

zu zahlen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
II. Dieser Schiedsspruch wird für die Antragstellerin in Ziffer 2 für vollstreckbar erklärt.
III. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens.
IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
V. Der Streitwert wird auf 25.000.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (= Schiedsklägerin und -widerbeklagte) befasst sich als mittel-ständischer Unternehmer mit Papierherstellung und Altpapierentsorgung. Die Antragsgegnerin (= Schiedsbeklagte und -widerklägerin) betreibt Kraftwerke im Bereich Abfallverbrennung. Diese verpflichtete sich mit Vertrag vom 28.7.2006, für die Dauer von 13,5 Jahren (mit einer Verlängerungsoption) der Antragstellerin Ersatzbrennstoffe (= EBS) zu liefern und pro gelieferter Tonne eine Zuzahlung von 45,00 € zu leisten. Ab 2010 senkte die Antragsgegnerin den vereinbarten Zuzahlungspreis ab. Sie sah sich dazu berechtigt, weil sich der Markt geändert habe. Die Antragstellerin leitete daraufhin das vertraglich vorgesehene Schiedsverfahren ein und beantragte zuletzt, die Antragsgegnerin für die Lieferperiode Dezember 2010 bis einschließlich November 2012 zu verurteilen, 6.921.726,39 € zu zahlen. Die Antragsgegnerin forderte widerklagend Zustimmung zu einer Anpassung des Zuzahlungspreises ab 31.1.2011. Weiterhin machte sie im Hinblick auf eine rückwirkend vorzunehmende Vertragsanpassung einen Anspruch wegen zu viel geleisteter EBS-Zuzahlungen geltend.
Am 17.12.2013 erging in München ein Schiedsspruch, mit dem die Antragsgegnerin zur Zahlung von 6.921.726,39 € (zuzüglich Zinsen) verpflichtet (Ziffer 1), die Widerklage umfassend abgewiesen (Ziffer 2) und die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt wurden (Ziffer 3). Der Schiedsspruch wurde den Parteien am 20.12.2013 zugestellt. Am 27.12.2013 wurde die Verpflichtung aus Ziffer 1 des Schiedsspruchs erfüllt.
Mit Schreiben vom 20.12.2013 forderten die anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin die Gegenseite auf, bis spätestens 3.1.2013 (gemeint: 2014), später verlängert bis 10.1.2014,
rechtsverbindlich zu erklären, dass sie in Folge der Entscheidung des Schiedsgerichts den EBS-Zuzahlungsbetrag von EUR 45/t EBS für die restliche Dauer des EBS Liefervertrages anerkennt und die Zuzahlungen ab Dezember 2013 in dieser Höhe wieder aufnehmen wird.
Die Antragsgegnerin gab am 9.1.2014 folgende unmittelbar dem Geschäftsführer der Antragstellerin per Fax am selben Tag und per Brief am 10.1.2014 zugegangene Erklärung ab:
Für die E. (=Antragsgegnerin) erklären wir, dass die E. ihren Verpflichtung aus dem EBS-Liefervertrag vom 28. Juli 2006 in der jeweils maßgeblichen Höhe nachkommen wird. Die Rückforderung ohne Rechtsgrund bezahlter Beträge bleibt ebenso vorbehalten, wie die Geltendmachung sämtlicher vertraglichen und gesetzlichen Rechte und Ansprüche.
Am 13.1.2014 hat die Antragstellerin Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in Ziffern 2 und 3 (Abweisung der Widerklage und Kostengrundentscheidung) beantragt. Am 10.2.2014 hat die Antragsgegnerin den ihr am 22.1.2014 zugestellten Antrag unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt. Daraufhin hat die Antragstellerin am 25.2.2014 zu Ziffer 2 des Schiedsspruchs Vollstreckbarerklärung auf das Anerkenntnis hin beantragt sowie zu Ziffer 3 Erledigung erklärt, nachdem ein Kostenschiedsspruch mittlerweile erlassen worden war und die Antragsgegnerin hierauf am 31.1.2014 gezahlt hatte.
Zu den Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens vertritt die Antragstellerin die Ansicht, diese seien der Antragsgegnerin aufzuerlegen, weil Anlass zur Stellung des Antrags bestanden habe.
Sie habe einen Anspruch auf einen vollstreckungsfähigen Titel als Druckmittel, sie brauche nicht abzuwarten, ob freiwillig erfüllt werde.
Die Antragsgegnerin meine immer noch, dass eine Vertragsanpassung für die Zukunft grundsätzlich möglich sei. Deshalb bestehe das Bedürfnis, für ein künftiges Schiedsverfahren den Schiedsspruch über die Vollstreckbarerklärung zu sichern.
Die Antragsgegnerin habe am 3.1.2014 nur eine gekürzte Zahlung auf die Rechnung der Antragstellerin vom 5.12.2013 für den Monat November 2013 geleistet und auch bis zum 3.1.2014 die geforderte Erklärung nicht abgegeben. Ihrem Verfahrens-bevollmächtigten sei bei Antragstellung die dann am 9.1.2014 abgegebene Erklärung der Antragsgegnerin nicht bekannt gewesen. Denn diese sei direkt an einen ihrer Geschäftsführer übersandt worden. Aus der Erklärung sei ihr auch nicht klar ersichtlich gewesen, dass die Einleitung eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens unnötig sein würde.
Die Antragsgegnerin hält dem entgegen, dass sie im beantragten Umfang sofort anerkannt und ihre Verpflichtungen aus dem Schiedsspruch umfassend erfüllt habe. Sie habe im Übrigen auch keinen Grund zur Antragstellung gegeben, vielmehr den Schiedsspruch vom 17.12.2013 vollständig umgesetzt. Sie sei nicht nur allen Verpflichtungen aus dem Schiedsspruch selbst, sondern auch allen weiteren Forderungen der Antragstellerin nachgekommen, soweit diese hierauf einen Anspruch habe.
Sie habe in dem Schreiben vom 9.1.2014 klargestellt, dass sie den vertraglich festgelegten Zuzahlungen unter Berücksichtigung der Rechtsansicht des Schiedsgerichts nachkommen werde. Auf eine Erklärung, dass die Zuzahlung bis zum Ende der Vertragslaufzeit unverändert geleistet werde, bestehe jedoch kein Anspruch, da das Schiedsgericht festgestellt habe, dass eine Anpassung des Zuzahlungspreises in der Zukunft nicht vollständig ausgeschlossen sei.
Schließlich habe sie auch weitere, im Schiedsverfahren gar nicht eingeklagte EBS-Zuzahlungen in Höhe von über 10 Mio. € auf Anforderung umgehend erfüllt, überdies auch den erst am 27.1.2014 ergangenen Kostenschiedsspruch über 1.076.964,17 €.
Aus der gekürzten Zahlung für den Liefermonat November 2013 könne nicht geschlossen werden, dass sie ihren Verpflichtungen aus dem Schiedsspruch nicht nachkommen werde. Die EBS-Zuzahlung für November 2013 sei nicht Gegenstand des Schiedsverfahrens gewesen, das Schiedsgericht habe nur über Ansprüche aus früheren Perioden entschieden. Da das Schiedsgericht angedeutet habe, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine Anpassung der Zuzahlungen in Betracht käme, könne aus dem Verhalten für den Liefermonat November 2013 nicht geschlossen werden, die Antragsgegnerin werde den Schiedsspruch nicht erfüllen. Darüber hinaus sei die Zahlung des gekürzten Betrags schon vor Erlass des Schiedsspruchs eingebucht gewesen. Die Differenz sei dann bereits am 20.1.2014 nachbezahlt worden.
II.
Entsprechend dem Anerkenntnis ist der Schiedsspruch im zuletzt noch beantragten Umfang für vollstreckbar zu erklären.
1. Das Oberlandesgericht München ist zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des in München ergangenen Schiedsspruchs (§ 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 16.11.2004, GVBl S. 471). Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung hat die Antragstellerin durch Vorlage einer anwaltlich beglaubigten Abschrift des Schiedsspruchs erfüllt (§ 1064 Abs. 1 ZPO).
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, auch wenn der Ausspruch über die Abweisung der Widerklage als solcher (Ziffer 2) keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Denn für die Vollstreckbarerklärung besteht auch dann ein rechtlich anzuerkennendes Interesse, wenn der Schiedsspruch (bzw. dessen von der Vollstreckbarerklärung betroffene selbständige Teil) nicht vollstreckbar ist. Die Vollstreckbarerklärung dient nicht nur dazu, die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen, sondern auch den Schiedsspruch gegen die Geltendmachung von Aufhebungsgründen umfassend abzusichern (BGH NJW-RR 2007, 1366; 2006, 995/996).
3. Dem Antrag ist stattzugeben, da Versagungs- oder Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO weder vorgetragen noch ersichtlich sind. Überdies hat die Antragsgegnerin den Antrag anerkannt (vgl. § 307 ZPO), was außerhalb notwendiger Amtsprüfung zu berücksichtigen ist (Senat vom 26.3.2010, 34 Sch 26/09; OLG Frankfurt vom 31.5.2001, 8 Sch 1/01 bei juris; MüKo/Münch ZPO 4. Aufl. § 1064 Rn. 8; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 27 Rn. 29).
III.
Im Übrigen – was die Kostengrundentscheidung in Ziffer 3 angeht - haben die Parteien die Hauptsache für erledigt erklärt, die Antragstellerin ausdrücklich im Schriftsatz vom 25.2.2014 und die Antragsgegnerin zumindest konkludent (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 30. Aufl. § 91a Rn. 10), da sie auf die Erledigterklärung der Antragstellerin nur noch zur Frage, wem die Kosten aufzuerlegen sind, Stellung genommen hat.
1. Der Senat hat demnach eine Entscheidung über die Kosten nach § 93 ZPO (i. V. m. § 91a ZPO) zu treffen.
Der Antragstellerin sind die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens aufzuerlegen. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO, weil die Antragsgegnerin keinen Anlass zur Stellung des Antrags gegeben hat. Anlass besteht dann, wenn der Antragsgegner durch sein Verhalten vor Antragstellung bei der Gegner den Eindruck erweckt hat, dieser werde nicht ohne gerichtliche Hilfe zu seinem Recht kommen (OLG Frankfurt vom 21.6.2013, 26 SchH 3/13 nach juris).
Ein derartiger Eindruck ist hier zu verneinen. Die Hauptsacheforderung aus dem ihr am 20.12.2013 zugestellten Schiedsspruch hat die Antragsgegnerin unverzüglich bereits am 27.12.2013, also innerhalb dreier Arbeitstage, erfüllt. Die verkürzte Zahlung für die November-Lieferung ist als solche nicht Anlass, ohne weitere Aufforderung Vollstreckbarerklärung zu beantragen. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin den Differenzbetrag mit Datum vom 20.1.2014 - innerhalb eines Monats nach Zugang der schiedsrichterlichen Entscheidung, noch vor Zustellung des Antrags und innerhalb eines mit Blick auf die wirtschaftliche Dimension der Entscheidung noch hinreichend engen Zeitrahmens (vgl. Zöller/Stöber § 788 Rn. 9b) - nachbezahlt hatte, war dieser nicht Gegenstand des Schiedsspruchs. Ebenfalls bereits innerhalb weniger Arbeitstage, nämlich am 9.1.2014, hat die Antragsgegnerin auch auf Verlangen der Antragstellerin eine Erklärung zu ihrem künftigen Verhalten abgegeben. Selbst wenn die Erklärung nach Ansicht der Antragstellerin nicht ausreichend war, so hat doch die Antragsgegnerin dadurch hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie bereit ist, den Schiedsspruch mit dem von diesem eröffneten – wenn auch geringfügigen (vgl. dort S. 29 zum noch vorhandenen Anwendungsbereich der Wirtschaftlichkeits- klausel) – Spielraum insgesamt zu akzeptieren. In dieser Lage wäre die Antragstellerin, hätte sie den von ihr behaupteten Anspruch auf Abgabe einer weitergehenden Erklärung gehalten gewesen, vor Einleitung gerichtlicher Schritte sich nochmals mit der Antragsgegnerin in Verbindung zu setzen (OLG Frankfurt vom 24.4.2014, 6 W 118/13 für Eilantrag nach Abmahnung), zumal eine besondere Eilbedürftigkeit für die Vollstreckbarerklärung des nicht vollstreckungsfähigen Teils des Schiedsspruchs nicht erkennbar ist.
Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob die dazu aufgeforderte Antragsgegnerin die Erklärung dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin hätte übermitteln müssen, nicht aber direkt mit dem gesetzlichen Vertreter der Partei Kontakt aufnehmen durfte. Rechnet man die fragliche Phase noch als „Annex“ zum Schiedsverfahren, so gilt § 172 ZPO ohne Abrede nicht (MüKo/Häublein ZPO 4. Aufl. §172 Rn. 3). Zustellungen unter Abweichung § 5.5 der hier vereinbarten DIS-SGO sind wirksam (Theune in Schütze Internationale Schiedsgerichtsbarkeit 2. Aufl. § 5 DIS-SGO Rn. 9). Es liegt dann im Risikobereich der Antragstellerin, wenn ihr Bevollmächtigter unmittelbar nach Ablauf einer (ohnehin angesichts der Weihnachtsfeiertage sehr knapp bemessenen) Frist (der 10.1.2014 war ein Freitag, die Antragstellung erfolgte bereits am Montag) einen Antrag bei Gericht stellt, ohne sich zu vergewissern, ob die verlangte Erklärung bereits der Partei vorliegt.
2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO auszusprechen.
3. Der Streitwert bemisst sich nach § 48 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO am Wert der abgewiesenen Widerklage, deren Vollstreckbarerklärung verfahrensgegenständlich ist.
Summary
The applicant initiated arbitration proceedings and asked for damages as a result of alleged unjustified price reduction for substitute fuel by the respondent. The arbitral tribunal granted the claim.
The applicant asked the Higher Regional Court of Munich to declare the award enforceable and oblige the respondent to bear the costs of the court’s enforcement proceedings.
The Higher Regional Court of Munich declared the award enforceable. The respondent raised no objections as to the enforceability of the award and moreover had immediately complied with the obligations imposed thereunder. The Court found that an award (its part) may be declared enforceable even without enforceable content. The declaration of enforceability allows not only for a compulsory execution of the award but also protects it from possible set-aside objections.
The Court further decided that the applicant should bear the costs of the proceedings, because it had no reason to apply for a court’s declaration of enforceability. Such a cause exists when the applicant gets the impression – caused by the respondent’s behavior - that the justice may not be done without court’s interference. This was not the case at hand. The respondent had voluntarily complied with the award before the application to the court was made.