Gericht | OLG Hamburg | Aktenzeichen | 6 Sch 15/16 | Datum | 23.02.2017 |
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Leitsatz | |||||
1. Da Schiedsgerichte nicht gehalten sind, jedes Vorbringen der Parteien in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden, lässt sich ein Verstoß gegen die Pflicht, Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zu ziehen, nur feststellen, wenn er sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt. 2. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass das Schiedsgericht der Verpflichtung auf Gewährung rechtlichen Gehörs nachgekommen ist. | |||||
Rechtsvorschriften | §§ 1042 Abs. 1 S. 2, 1059 Abs. 1, 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. b, 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d, 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Aufhebung eines Schiedsspruches; Aktivlegitimation; Beschränkung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel; Verstoß gegen den ordre public wegen Versagung rechtlichen Gehörs | ||||
Volltext | |||||
Beschluss 1. Der Antrag, den hamburgischen Schiedsspruch vom 2. Mai 2016, erlassen von den Schiedsrichtern Dr. I und Dr. J , aufzuheben, wird zurückgewiesen. 2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Aufhebungsverfahrens zu tragen. 3. Der Streitwert wird auf € 1.984.480,00 festgesetzt. Gründe: I. Die Antragstellerin begehrt mit Antrag vom 17. August 2016 die Aufhebung des Schiedsspruchs in Sachen D gegen B vom 2. Mai 2016 (Anlage Ast 1), mit der sie zur Zahlung von USD 2.239.982,64 nebst Zinsen verurteilt wurde. Gegenstand des Schiedsverfahrens ist die Inanspruchnahme der Antragstellerin und Schiedsbeklagten aus einer zugunsten der Antragsgegnerin abgegebenen „Chartergarantie“ für Heuerzahlungen einer Tochtergesellschaft, die von der Antragsgegnerin einen Öltanker gechartert hatte. Die Parteien haben u.a. über die Aktivlegitimation der Schiedsklägerin/Antragsgegnerin gestritten. Die Antragstellerin bringt vor, sie sei in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, indem ihr Schriftsatz vom 7. Januar 2016 vom Schiedsgericht nicht berücksichtigt worden sei. Dieses folge daraus, dass das Schiedsgericht sich weder in der Prozessgeschichte auf das Schreiben vom 7. Januar 2016 bezogen noch sich mit ihren Ausführungen mit diesem Schriftsatz auseinandergesetzt habe. Im Schriftsatz vom 7. Januar 2016 habe sie sich im Detail mit den im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 15. Dezember 2015 vorgelegten Dokumenten befasst. Die Antragsgegnerin habe die behauptete Weiterabtretung an die Bremer Landesbank nicht schlüssig dargelegt, da eine Abtretung nur an Hypothekengläubiger erfolgen durfte und die Antragsgegnerin die von ihr im Schriftsatz vom 7. Januar 2016 bestrittene Hypothekengläubigereigenschaft der Bremer Landesbank nicht nachgewiesen habe. Im Schiedsspruch finde sich zu all diesen Punkten keinerlei inhaltliche Auseineinandersetzung. Hätte das Schiedsgericht den Schriftsatz vom 7. Januar 2016 erwogen, hätte es zu dem Schluss kommen können und müssen, dass die Aktivlegitimation der Antragsgegnerin nicht bestand und damit die Schiedsklage für unzulässig zu erklären war. Die Antragstellerin beantragt, den hamburgischen Schiedsspruch vom 2. Mai 2016, erlassen von den Schiedsrichtern Dr. I und Dr. J , aufzuheben und der Antragsgegnerin die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen. Die Antragsgegnerin verteidigt den Schiedsspruch. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liege nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. II. Der Aufhebungsantrag hat keinen Erfolg. 1.) Das angerufene Oberlandesgericht ist für die Entscheidung über den Aufhebungsantrag der Antragstellerin gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zuständig, da Hamburg der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist. 2.) Der Aufhebungsantrag ist zulässig, insbesondere ist Präklusion durch Verspätung (§ 1059 Abs. 1, Abs. 3 Sätze 1 und 2 ZPO) nicht eingetreten. 3.) In der Sache erweist sich der Aufhebungsantrag jedoch als unbegründet. Gerügt wird die Versagung des rechtlichen Gehörs. Insoweit macht die Antragstellerin neben einem von Amts wegen zu beachtenden ordre public-Verstoß (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. B ZPO) zugleich einen Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. B und d ZPO geltend (vgl. Zöller/Geimer ZPO 31. Aufl. § 1059 Rn. 40, 44c, 68 m. w. N.). 3.1.) Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist unbegründet. Die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen eines Aufhebungsgrundes im Sinne von § 1059 ZPO trägt die Antragstellerin als diejenige, die sich auf das Vorliegen eines Aufhebungsgrundes beruft (vgl. BGH WM 1979, 1006, 1007; BayObLG NJW-RR 2000, 807, zitiert nach juris, Tz. 12; OLGR Naumburg 2006, 31, zitiert nach juris, Tz. 29; OLG Köln, Beschluss vom 23. 12. 2011, 19 Sch 27/10, zitiert nach juris, Tz. 65). Der verfassungsrechtlich in Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör ist gemäß § 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO auch im Schiedsverfahren zu beachten. Dabei müssen Schiedsgerichte rechtliches Gehör grundsätzlich im gleichen Umfang wie staatliche Gerichte gewähren (Zöller/Geimer, ZPO 31. Aufl., § 1042 Rz 5; OLG Frankfurt, SchiedsVZ 2006, S. 220). Da die Gerichte - und wie sie die Schiedsgerichte - nicht gehalten sind, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 5, 22, 24), lässt ein Verstoß gegen die Pflicht, Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zu ziehen, sich nur feststellen, wenn er sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (BVerfGE 22, 267, 274; 80, 269, 286; stRspr, zitiert nach BGH, Urteil vom 14. Mai 1992 – III ZR 169/90 –, Rn. 15, juris). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes hat das Schiedsgericht den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör gewahrt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass grundsätzlich ein Schiedsspruch nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüft werden darf. Es gilt das Verbot der sog. „révision au fond“ (vgl. BGH NJW 1999, 2974, zitiert nach juris, Tz. 5; Zöller/Geimer, a.a.O., § 1059, Rz 74). Eine bloße - etwaige - unrichtige Beurteilung des Vortrags der Antragstellerin zu der Aktivlegitimation der Antragsgegnerin würde daher eine Aufhebung des Schiedsspruchs nicht rechtfertigen. Im Einzelnen: a.) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin lässt sich aus der Tatsache, dass ihr Schriftsatz vom 7. Januar 2016 nicht ausdrücklich in der Prozessgeschichte aufgeführt ist und das Schiedsgericht im Schiedsspruch ausführt: „Following receipt of these submissions the Tribunal gave both parties the option to make final submissions by the end of January 2016. Neither party made use of this option.” (Anlage Ast 1, S.5) nicht schließen, dass das Schiedsgericht ihren Schriftsatz vom 7. Januar 2016 nicht zur Kenntnis genommen hat. Im Gegenteil könnte vielmehr der Umstand, dass das Schiedsgericht, nachdem die Antragstellerin außer einem Schriftsatz vom 15. Dezember 2015 einen weiteren Schriftsatz vom 7. Januar 2016 eingereicht hat, den Parteien mit Verfügung vom 11. Januar 2016 eine weitere Schriftsatzfrist bis zum 1. Februar 2016 gewährt hat, für eine Kenntnis des Schriftsatzes vom 7. Januar 2016 sprechen, der außerhalb der ursprünglich gesetzten Schriftsatzfrist eingereicht wurde. Da der Schriftsatz der Antragstellerin vom 7. Januar 2016 bereits vorlag, als das Schiedsgericht die weitere Schriftsatzfrist gewährte, und unstreitig auch keine weiteren Schriftsätze eingereicht wurden, sind auch die Ausführungen des Schiedsgerichts zutreffend, dass keine der Parteien von der weiteren Schriftsatzfrist Gebrauch gemacht hat. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Schriftsätze der Parteien vom 15. Dezember auch nicht mit Datum erwähnt wurden, vielmehr wurde in dem Schiedsspruch allgemein das zusammengefasste Vorbringen beider Parteien wiedergegeben. B.) Ein Gehörsverstoß zeigt sich auch nicht darin, dass sich das Schiedsgericht in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich mit der Argumentation der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 7. Januar 2016 auseinandersetzt. Denn wie dargelegt gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG zwar, dass das Schiedsgericht den Vortrag der Parteien zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht. Im Regelfall ist allerdings davon auszugehen, dass das Schiedsgericht dieser Verpflichtung auch nachgekommen ist. Da die Gerichte - und wie sie die Schiedsgerichte - nicht gehalten sind, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden, lässt ein Verstoß gegen die Pflicht, Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zu ziehen, sich aber nur feststellen, wenn er sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (BGH NJW 1992, 2299, zitiert nach juris, Tz 15, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Die Kürze der Begründung ist dabei regelmäßig nicht ausreichend (vgl. BGH a.a.O., Tz 17). Derartige besondere Umstände liegen hier nicht vor. Die Antragstellerin hat die Frage der Aktivlegitimation der Antragsgegnerin nicht erstmals mit Schriftsatz vom 7.Januar 2016 problematisiert, sondern hat die Aktivlegitimation der Antragsgegnerin von Beginn an in Abrede genommen, weshalb das Schiedsgericht zu dieser Frage in der mündlichen Verhandlung vom 17. November 2015 ausführlich Stellung genommen (Protokoll Anlage Ast 2) und sich auch im Schiedsspruch mit diesem Aspekt befasst hat (Anlage Ast 1, S.6). Dass das Schiedsgericht sich in dem Schiedsspruch nicht ausdrücklich mit dem neuen Vorbringen der Antragstellerin befasst hat, begründet aus den dargelegten Gründen ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör der Antragstellerin nicht. Entgegen der Ansicht der Antragsstellerin deutet die Aussage des Schiedsgerichts „that the original loans granted by the financing banks were meanwhile repaid“ (Anl. Ast 1 S. 6) auch nicht darauf hin, dass das Schiedsgericht den streitgegenständlichen Sachverhalt mit dem Sachverhalt in dem parallel verhandelten Schiedsverfahren vermengt hat. Denn im Streitfall war es ausweislich des Schreibens der Bremer Landesbank vom 08.06.2015 zu einer Refinanzierung gekommen (Anl. Ast 8). Ob das Schiedsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Antragsgegnerin die Wirksamkeit der Abtretung an die Bremer Landesbank lückenlos belegt und damit ihre Aktivlegitimation nachgewiesen hat, muss offen bleiben, da der Schiedsspruch nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüft werden darf. 3.2.) Auch ein Verstoß gegen den ordre public, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. B ZPO, kann nicht festgestellt werden. Auf die Ausführungen unter 2.1.) wird Bezug genommen. 4.) Der Senat hat gemäß § 1063 ZPO über den Aufhebungsantrag mündlich verhandelt. 5.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO. Den Streitwert hat der Senat entsprechend dem Wert des Schiedsspruchs ohne Zinsen und Kosten festgesetzt (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 3 ZPO Rz 16 "Schiedsrichterliches Verfahren") und eine Umrechnung in EURO zum Kurs bei Eingang des Aufhebungsantrags vorgenommen. | |||||
Summary | |||||
OLG Hamburg 6 Sch 18/16 The applicant asked the Higher Regional Court of Hamburg to set aside an arbitral award. The court rejected the application. The applicant asserted that its right to a fair hearing was violated by the arbitral tribunal failing to take into account one of its submissions relating to the right to sue in relation to the matter in question (Aktivlegitimation) of the party opposing the application. This would follow from the fact that the arbitral tribunal neither referred to the specific submission in the history of the proceedings nor expressly dealt with the submission in the written arbitral award. As a result, in addition to a public policy violation to be observed ex officio pursuant to section 1059 subsec. 2 no. 2 lit b of the Code of Civil Procedure (ZPO), the applicant invoked grounds for setting aside pursuant to section 1059 subsec. 2 no. 1 lit. b and d ZPO. The court found that the applicant’s right to be heard was not violated. The constitutional right to be heard guaranteed by Art. 103 subsec. 1 of the Basic Law for the Federal Republic of Germany (GG) is also to be observed in arbitral proceedings pursuant to section 1042 subsec. 1 sentence 2 ZPO. In principle, arbitral tribunals must grant a hearing to the same extent as state courts. Art. 103 subsec. 1 GG thus ensures that the arbitral tribunal takes note of the parties' submissions and considers them. As a rule, however, it must be assumed that the arbitral tribunal has fulfilled this obligation to grant the parties a fair opportunity to present their case. Since courts - and likewise arbitral tribunals - are not required to expressly address every submission of the parties involved in the reasoning of the decision, a violation of the obligation to consider the parties' submissions can only be established if it results from the special circumstances of the case. The brevity of an arbitral award is generally not sufficient. In this context, it should be noted that an arbitral award may not be reviewed on the merits. The prohibition of the so-called "révision au fond" applies. A mere incorrect assessment of the applicant's submission regarding the opponent's right to sue in relation to the matter in question would therefore not have justified the setting aside of the arbitral award. On the basis of this standard, the court found that the arbitral tribunal had safeguarded the applicant's right to a fair hearing. The fact that the arbitral award did not expressly deal with the applicant's argumentation brought forward in the relevant submission did not show that there was a violation of the applicant’s right to be heard, as further special circumstances did not exist. The applicant had raised the issue of the right to sue in relation to the matter in question of the party opposing the application not only in the relevant submission. It had denied its right to file an action from the outset, which is why the arbitral tribunal gave its detailed opinion on this issue in the oral hearing. The fact that the arbitral tribunal did not expressly deal with the applicant's new submission in the award did therefore not constitute a violation of the applicant's right to be heard. |