34 Sch 02/09


Gericht OLG München Aktenzeichen 34 Sch 02/09 Datum 14.12.2009
Leitsatz
Rechtsvorschriften
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
Stichworte
Volltext
B E S C H L U S S:
I. Der Antrag, den Schiedsspruch vom 2. Oktober 2008 in Ziffer 3 aufzuheben, wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert für das Verfahren wird auf 100.000,00 € festgesetzt.
G ründe:
I.
1. Die Antragstellerin ist gemäß eröffnetem notariellen Erbvertrag vom 17.9.2003 Alleinerbin des am 14.12.2008 verstorbenen Schiedsklägers. Mit Vertrag vom 21.6.1999 verkaufte der Schiedskläger an die Antragsgegnerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), ein medizinisches Labor. Der Vertrag der Parteien enthält u.a. eine Schiedsklausel. Im zugleich abgeschlossenen Schiedsvertrag war unter anderem die Geltung des 10. Buchs der ZPO vereinbart.
Der Vertrag sah vor, dass ein Kaufpreisanteil in Höhe von 1 Million DM zur Zahlung fällig ist drei Wochen nach Vorlage der entsprechenden Steuer- und Zinsbescheide, die sich auf Grund der Betriebsprüfung für die Jahre 1998 und 1999 ergeben, oder nach Vorlage einer Bankbürgschaft in Höhe von 1 Million DM. Der Schiedskläger erbrachte die Bankbürgschaft.
In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Unstimmigkeiten hinsichtlich der Vertragsabwicklung. Der Verkäufer rief deshalb das Schiedsgericht an und begehrte u.a. die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde. Das Schiedsgericht erließ nach Beweisaufnahme und mündlicher Verhandlung am 22.8.2006 einen Schiedsspruch, den der Senat nach Antrag des Schiedsklägers auf Vollstreckbarerklärung mit Beschluss vom 29.1.2007 (Az.: 34 Sch 023/06) aufhob. Das Verfahren wurde an das Schiedsgericht zurückverwiesen. Am 2.10.2008 erließ das Schiedsgericht in München sodann folgenden Schiedsspruch:
1. Die Schiedsbeklagte wird verurteilt, an den Schiedskläger 1.022.583,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 v. H. über dem Basiszinssatz seit dem 21.5.2004 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe der Bürgschaftsurkunde der …Bank vom 21.10.1999 in Höhe von bis zu 2 Mio. DM.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Schiedsbeklagte mit der Annahme der Leistung zu Ziffer 1 in Verzug befinden.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. (Kostenentscheidung)
5. (Streitwert)
Der Antrag des Schiedsklägers auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde über 1 Million DM wurde insoweit in Ziffer 3 des Schiedsspruchs abgewiesen.
Das Schiedsgericht führte dazu aus, dass die Parteien bei Abschluss des Vertrages davon ausgegangen seien, das Finanzamt werde den Schiedskläger für die Gewerbesteuer unmittelbar in Anspruch nehmen. Eventuelle Änderungen der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage für die Zeit bis zur Übergabe des Labors am 30.6.1999 hätten den Schiedskläger unmittelbar getroffen. Das Risiko der Antragsgegnerin hätte sich auf eine mögliche Betriebsübernahmehaftung beschränkt. Der Absicherung dieses Haftungsrisikos habe die Bürgschaft gedient.
Nunmehr stehe aber fest, dass das Finanzamt allein die unverändert fortbestehende Außengesellschaft als Schuldnerin behandle und dem Kläger bereits gezahlte Gewerbesteuer wieder zurückerstattet habe. Im Sinne ergänzender Vertragsauslegung gemäß § 157 BGB sei es angemessen, die Bankbürgschaft erweitert gelten zu lassen, da die Parteien, hätten sie bei Abschluss des Kaufvertrages eine solche Entwicklung für möglich gehalten, dieses Risiko abgesichert hätten. Das Gewinnminderungsrisiko werde insoweit dem Haftungsrisiko der Schiedsbeklagten gleichgestellt.
2. Bereits mit Schiedsspruch vom 28.7.2006 hatte das Schiedsgericht einen Antrag der Antragsgegnerin auf Feststellung, dass der Schiedskläger gemäß § 2 Ziffer 2.2.c) des Kaufvertrages vom 21.6.1999 verpflichtet sei, die Antragsgegnerin von sämtlichen Gewerbesteuermehrforderungen einschließlich Zinsen freizustellen, die für den Zeitraum 1.1.1998 bis 30.6.1999 festgesetzt werden, als unbegründet abgewiesen. Dieser Antrag sei zulässig, jedoch unbegründet, da die Antragsgegnerin kein Feststellungsinteresse habe.
3. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 7.1.2009 beantragt, den Schiedsspruch vom 2.10.2008 in Ziffer 3 aufzuheben, da der Schiedsspruch insoweit gegen den ordre public verstoße.
a) Das Schiedsgericht habe über das Rechtsinstitut der ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 BGB die Inanspruchnahme aus der Bankbürgschaft in das Belieben der Antragsgegnerin gestellt. Dies sei mit den Regeln über die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu vereinbaren. Die Antragstellerseite werde durch das Schiedsgericht zu einer Leistung verpflichtet, die mit dem Schiedsverfahren und dem zu Grunde liegenden Kaufvertrag nichts mehr zu tun habe.
b) Außerdem habe das Schiedsgericht, soweit es die Schiedsklage abgewiesen habe, die entgegenstehende Rechtskraft des Schiedsspruchs vom 28.7.2006 nicht beachtet. Die Antragsgegnerin habe im dortigen Verfahren erfolglos beantragt, festzustellen, dass der Schiedskläger verpflichtet sei, die Antragsgegnerin von sämtlichen Gewerbesteuermehrforderungen einschließlich Zinsen für den Zeitraum 1.1.1998 bis 30.6.1999 freizustellen. Auf die Einrede der entgegenstehenden Rechtskraft sei das Schiedsgericht in seinem Schiedsspruch nicht einmal eingegangen.
4. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf Teilaufhebung des Schiedsspruchs vom 2.10.2008 als unbegründet abzulehnen. Der Senat hat mit Beschluss vom 5.11.2009 die mündliche Verhandlung angeordnet und diese am 14.12.2009 durchgeführt. Wegen ihres Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
II.
1. Für Anträge auf Aufhebung von in Bayern ergangenen Schiedssprüchen (§ 1059 ZPO) ist das Oberlandesgericht München zuständig (§ 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 GZVJu vom 16.11.2004, GVBl. S. 471). Die sachliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ist derogationsfest (Reichold in Thomas/Putzo ZPO 30. Aufl. § 1062 Rn. 1)
Der Aufhebungsantrag ist gemäß § 1059 ZPO statthaft. Die Frist des § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist eingehalten.
2. Der Antrag ist nicht begründet.
In § 1059 Abs. 2 ZPO sind die gesetzlichen Aufhebungsgründe abschließend normiert. Ein Schiedsspruch kann nur aufgehoben werden, wenn der Antragsteller einen der Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO begründet geltend macht oder wenn das Gericht einen Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO feststellt (Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl. § 1059 Rn. 31). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
a) Es kann dahinstehen, ob ein Aufhebungsgrund i.S.v. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO überhaupt begründet geltend gemacht wurde. Soweit der Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c ZPO in Betracht kommt, liegt er nicht vor. Das Schiedsgericht hat die Grenzen der Schiedsvereinbarung nicht überschritten, da die Frage, ob die Bürgschaftsurkunde von der Antragsgegnerin herauszugeben war oder nicht, von der Schiedsvereinbarung umfasst ist. Eine Entscheidung darüber, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe die Bürgschaft von der Antragsgegnerin in Anspruch genommen werden darf, wurde nicht getroffen. Den Bürgen bindet die Entscheidung nicht (BGHZ 76, 222/230; 107, 92/96).
b) Soweit die Antragstellerin unter dem Gesichtspunkt des ordre public rügt, die durch das Schiedsgericht vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung nach § 157 BGB sei mit den Regeln über die ergänzende Vertragsauslegung nicht zu vereinbaren, liegt kein Verstoß gegen § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO vor. Es kann dahinstehen, ob das Schiedsgericht die Regeln richtig angewandt hat und zu einem zutreffenden Ergebnis gelangt ist. Ein Verstoß gegen wesentliche fundamentale Normen und Rechtsgrundsätze, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens berühren, eine Verletzung elementarer Rechtsgrundsätze oder ein untragbarer Widerspruch zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen (vgl. BGH NJW 2009, 1215) liegt jedenfalls nicht vor. Eine revision au fond, also die Überprüfung, ob das Schiedsgericht in der Sache richtig entschieden hat (Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Rn. 2147), findet nicht statt (vgl. Senat vom 29.7.2009, 34 Sch 006/09; vom 22.6.2006, 34 Sch 026/08; BayObLG vom 23.9.2004, 4Z Sch 005/04). Es kommt im Aufhebungsverfahren lediglich darauf an, einen Missbrauch der der privaten Schiedsgerichtsbarkeit zugestandenen Rechtsprechungsbefugnis zu verhindern. Fehler in der Rechtsanwendung allein genügen nicht, denn die sachliche Unrichtigkeit eines Schiedsspruchs stellt keinen Aufhebungsgrund dar.
c) Die Rüge, das Schiedsgericht hätte die entgegenstehende Rechtskraft des Schiedsspruchs vom 28.7.2006 nicht beachtet und hierdurch gegen den ordre public verstoßen, ist ebenfalls nicht begründet.
Es spielt für diese Frage keine Rolle, dass die Parteibezeichnung der Antragsgegnerin im Schiedsspruch vom 28.7.2006 und dem vorliegenden Schiedsspruch unterschiedlich ist. Jedenfalls besteht zwischen der Antragsgegnerin und der Erwerbergemeinschaft Labor Dr. S. Identität (vgl. Senat vom 12.11.2007, 34 Sch 010/07).
Der Schiedsspruch hat, begrenzt auf die Parteien, die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils (§ 1055 ZPO).
Ist die im Schiedsspruch entschiedene Rechtsfrage präjudiziell für ein weiteres - späteres - Schiedsverfahren, wirkt auch hier die Rechtskraft. Der Schiedsspruch bindet wie ein Urteil und bestimmt bzw. begrenzt die richterliche Entscheidungsfindung. Da aber exakte Vorschriften für den Aufbau des Schiedsspruchs fehlen, wird es rein praktisch oftmals schwierig sein, den rechtskraftfähigen Ausspruch festzustellen. Es verbleibt zwar bei dem Grundsatz, dass nur der Tenor und nicht die Entscheidungsgründe in Rechtskraft erwachsen (MüKo/Münch 3. Aufl. § 1055 Rn. 15). Jedoch ist eine Auslegung des Schiedsspruchs anhand der Entscheidungsgründe nicht nur zulässig, sondern oftmals unerlässlich, weil nur durch eine Auslegung der Umfang der Rechtskraft exakt bestimmbar ist (MüKo/Münch aaO.). Im Schiedsspruch vom 28.7.2006 ist der Antrag der Antragsgegnerin auf Feststellung mangels Feststellungsinteresses abgewiesen worden. Die Rechtskraftwirkung geht auch beim Schiedsspruch nur so weit, wie über den durch die Schiedsklage erhobenen Anspruch entschieden wurde (Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kapitel 21 Rn. 8). Im vorgenannten Schiedsspruch wurde nur über das Feststellungsinteresse, das der materiellen Berechtigung vorgelagert ist und eine Entscheidung hierüber voraussetzt, nicht aber über das Bestehen oder Nichtbestehen der bürgschaftsgesicherten Forderung selbst befunden. Der Antrag wurde durch das Schiedsgericht ausdrücklich deshalb abgewiesen, weil ein Feststellungsinteresse nicht bestanden habe; denn die Antragsgegnerin könne tatsächlich nicht für Gewerbesteuernachforderungen im Zeitraum vor dem 30.6.1999 in Anspruch genommen werden. Da die hierauf bezogenen Entscheidungsgründe und Feststellungen nicht von der Rechtskraft erfasst werden, war das Schiedsgericht an die damalige Beurteilung der Sach- und Rechtslage im vorliegenden Verfahren nicht gebunden.
d) Weitere Aufhebungsgründe gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde beruht auf § 3 ZPO, § 48 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG. Der Gegenstandswert ist dabei nicht mit dem Wert der dieser zugrundeliegenden Forderung identisch, sondern nach § 3 ZPO zu schätzen (BGH NJW-RR 1994, 758; Musielak/Heinrich ZPO 7. Aufl. § 3 Rn. 23). Der Senat setzt diesen nur mit einem Bruchteil des inzwischen mit höchstens rund 338.000 € konkretisierten Haftungsbetrags an, weil durch den Schiedsspruch nicht feststeht, ob der Bürge, den die Entscheidung des Schiedsgerichts nicht bindet (BGHZ 76, 222/230; 107, 92/96), tatsächlich für diesen Betrag wird aufkommen müssen.
Summary