Gericht | OLG München | Aktenzeichen | 34 Sch 38/05 | Datum | 08.05.2006 |
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Leitsatz | |||||
Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs Aufhebungsgründe gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind nur dann beachtlich, wenn sie entsprechend den Anforderungen, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechun g zur Revisionsbegründung (§ 551 Abs. 3 ZPO) entwickelt worden sind, geltend gemacht werden. An die Gewährung rechtlichen Gehörs durch Schiedsgerichte werden die gleichen strengen Anforderungen gestellt wie vor staatlichen Gerichten. (Ls d. Red.) | |||||
Rechtsvorschriften | § 551 Abs. 3 ZPO; § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO; § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO § 26 DIS-SchO | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Aufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Schiedsspruch, inländisch, - DIS, - Vollstreckbarerklärung Aufhebungs-/Versagungsgründe: - Geltendmachung, - ordre public, - rechtiches Gehör, Behinderung in den Angrif | ||||
Volltext | |||||
B E S C H L U S S: I. Das Schiedsgericht, bestehend aus den Schiedsrichtern Rechtsanwalt W. M., Dr. R.-D. S. und Dr. J. W., erließ in Würzburg in dem zwischen den Parteien geführten Schiedsverfahren am 19. Oktober 2005 (Datum laut Schiedsspruch: 19. August 2005) folgenden Schiedsspruch: "1. Der Antragsgegner wird verurteilt, an den Antragsteller 18.040,19 € nebst 8 % Zinsen hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.11.02 zu zahlen. Im Übrigen wird der Schiedsantrag zurückgewiesen. 2. Von den Kosten des Schiedsverfahrens und den außergerichtlichen Kosten hat der Antragsgegner 95 % und der Antragsteller 5 % zu tragen." II. Der vorstehend wiedergegebene Schiedsspruch wird in Ziff. 1 Satz 1 und in Ziff. 2 für vollstreckbar erklärt. III. Der Antragsgegner trägt die Kosten dieses Verfahrens. IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. V. Der Streitwert wird auf 18.040 € festgesetzt. G r ü n d e : I. Die Parteien sind Zahnärzte. Aufgrund eines "Praxisübernahmevertrags" vom 30.7.1998 übertrug der Antragsgegner die von ihm betriebene Zahnarztpraxis an den Antragsteller. Ferner vereinbarten die Parteien, dass der Antragsgegner als Praxisveräußerer seine zahnärztliche Tätigkeit gegen einen Stundensatz von 140 DM in seinen früheren Praxisräumen in eingeschränktem Umfang fortsetzen könne. § 8 des "Praxisnutzungsvertrags" enthält eine Schiedsabrede, ebenso § 15 des Übernahmevertrags. Nach § 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Schiedsvertrags vom 30.7.1998 entscheidet das Schiedsgericht nach geltendem materiellem Recht; es bestimmt das Verfahren nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der §§ 1025 ff ZPO. Zuständiges staatliches Gericht soll gemäß § 5 des Schiedsvertrags das Landgericht W. sein. Zum 30.9.2002 hoben die Parteien den Praxisnutzungsvertrag auf. In der Folgezeit entstand Streit über die restliche Abwicklung, insbesondere über das Entgelt für die Praxisnutzung. Der Antragsteller verlangte vor dem Schiedsgericht unter Verrechnung gegen eine noch offene Kaufpreisrate vom Antragsgegner die Zahlung von 18.881,71 €. Der Antragsgegner, der Klageabweisung beantragt hatte, wandte vor dem Schiedsgericht im Wesentlichen ein, der Antragsteller habe als aufgrund der Praxisübernahme zuständiger Arbeitgeber den vereinbarten Personalstand nicht eingehalten, was mehrfach gerügt worden sei. Durch die unzulässigen Personaleinsparungen sei ein prozentualer Abschlag von den Stundenvergütungen gerechtfertigt und ein Umsatzschaden entstanden, mit dem aufgerechnet werde. Das Schiedsgericht gab, wie aus dem Tenor ersichtlich, der Klage mit Ausnahme von Behandlungs- und Materialkosten in Höhe von 234,97 € und Kosten für die Bereitstellung von Arbeitskräften in Höhe von 606,55 € statt. In den Entscheidungsgründen führte das Gericht aus, die Parteien hätten sowohl im Praxisübernahmevertrag als auch im Praxisnutzungsvertrag Schriftform vereinbart. Sie hätten weitgehend einvernehmlich für den Zeitraum vom 1.9.1998 bis einschließlich September 2001 die Abwicklung der Verträge vorgenommen. Trotz Hinweises in der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht am 13.7.2005 seien keine entsprechenden schriftlichen Rügen vorgebracht worden. Auch sei weder Anzahl noch Qualifikation der bereitzustellenden Mitarbeiter in den Verträgen festgelegt worden. Das erstmals im Schriftsatz des Bevollmächtigten des Antragsgegners vom 12.8.2005 vorgelegte "Protokoll" der Personalversammlung vom 16.7.2001 weise erhebliche Mängel auf und enthalte jedenfalls keine entscheidungsrelevanten konkreten Rügen für eine unzureichende Personalausstattung. Bei den im Nachhinein erfolgten und unter "Beweis gestellten" Ausführungen fehle es insbesondere an einem konkreten Vortrag, wann und zu welchem Zeitpunkt angebliche, insbesondere personelle Unzulänglichkeiten vorgelegen hätten. Die Beweisanträge hierzu stellten daher einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar. Der Antragsteller hat die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs beantragt. Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten. Er vertritt die Auffassung, dass der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1b ZPO vorliege. In dem Schriftsatz vom 12.8.2005, der durch Schriftsatz vom 15.8.2005 lediglich wegen eines Diktatversehens korrigiert worden sei, sei das Protokoll der Personalversammlung vom 16.7.2001 vorgelegt sowie Zeugen benannt und ein Sachverständigengutachten angeboten worden. Das Gericht habe es unter Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens unterlassen, sich mit den Ausführungen und Beweisangeboten für die Tatsache, dass der Antragsgegner von Anfang an die personelle Unterbesetzung der Praxis gerügt habe, auseinanderzusetzen. Das Gericht habe auch zuvor keine Ausschlussfrist gesetzt. Der Antragsteller hält einen Aufhebungsgrund für nicht gegeben. Der Antragsgegner habe im Laufe des schiedsgerichtlichen Verfahrens genug Zeit gehabt, zur Sache vorzutragen. Das Schiedsgericht habe ihn auch jeweils über die zu wahrenden Fristen belehrt. Zudem habe es das Protokoll vom 16.7.2001 gewürdigt und im Hinblick auf die Rügen für personelle Unzulänglichkeiten ausgeführt, dass es diesbezüglich an konkretem Sachvortrag fehle. Der Senat hat gemäß Beschluss vom 13.3.2006 am 8.5.2006 eine mündliche Ver-handlung durchgeführt. Wegen des Ergebnisses wird auf die Niederschrift verwiesen. II. Der zulässige Antrag ist begründet. 1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München beruht auf § 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 GZVJu i.d.F vom 16.11.2004, GVBl S. 471). Die Eingangszuständigkeit des Oberlandesgerichts kann nicht durch Ver-einbarung der Parteien abgeändert werden (Zöller/Geimer ZPO 25. Aufl. § 1062 Rn. 1). 2. Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung hat der Antragsteller durch Vorlage des Schiedsspruchs im Original erfüllt (§ 1064 Abs. 1 Satz 1 ZPO). 3. Dem Antrag ist stattzugeben. Zu berücksichtigende Aufhebungsgründe im Sinne von § 1059 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor (§ 1060 Abs. 2 ZPO). a) Aufhebungsgründe gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind nur dann beachtlich, wenn sie entsprechend den Anforderungen, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Revisionsbegründung (§ 551 Abs. 3 ZPO) entwickelt worden sind, geltend gemacht werden (HansOLG Hamburg OLGR 2000, 19; Zöller/Geimer § 1059 Rn. 33; Kröll SchiedsVZ 2004, 113/118). Wird - wie hier - z.B. die Nichtanhörung von Zeugen oder Nichterholung eines Gutachtens geltend gemacht, ist detailliert vorzutragen, was die Zeugen ausgesagt bzw. der Sachverständige festgestellt hätten, und wie sich das auf das Verfahren ausgewirkt hätte (Kröll aaO). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Antragsgegners nicht. b) Abgesehen davon sind dem Vorbringen des Antragsgegners keine der in § 1059 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO genannten Gründe zu entnehmen. (1) Der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1b ZPO trifft schon deswegen nicht zu, weil sich diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht auf einzelne Verteidigungsmittel bezieht (HansOLG Hamburg aaO; Zöller/Geimer § 1059 Rn. 40). (2) Auch § 1059 Abs. 2 Nr. 1d ZPO greift nicht durch. Nach der von den Parteien vereinbarten DIS-Schiedsgerichtsordnung (vgl. § 26) wie nach § 1042 Abs. 1 Satz 2 ZPO muss das Schiedsgericht vor Erlass des Schiedsspruchs rechtliches Gehör gewähren. An die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) sind dabei die gleichen strengen Anforderungen zu stellen wie vor den staatlichen Gerichten (BayObLG IPRspr. 1999 Nr. 184; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 15 Rn. 1; Zöller/Geimer § 1042 Rn. 5). Das Gericht ist somit nicht nur verpflichtet, den Parteien Gelegenheit zu geben, sich zu äußern, sondern auch das Vorgetragene zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (Reichold in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. Einl. I Rn. 13 m.w.N.). Wie aus den Entscheidungsgründen des Schiedsspruchs hervorgeht, hat sich das Schiedsgericht mit dem Vorbringen des Antragsgegners hinsichtlich der aus seiner Sicht unzureichenden Personalausstattung der Praxis ausführlich befasst. Eine Reduzierung des vereinbarten Stundensatzes für die Praxisnutzung hielt es schon deswegen für nicht gerechtfertigt, weil die vom Antragsgegner erhobenen Rügen nicht dem vertraglich festgelegten Schriftformerfordernis entsprochen hätten. Eine vom Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 12/15.8. 2005 erklärte Aufrechnung mit vermeintlichen Schadensersatzforderungen erachtete es für verspätet, da den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom13.7.2005 lediglich Gelegenheit gegeben worden sei, sich zu einem Vergleichsvorschlag sowie abschließend zum Sach- und Streitstand zu äußern. Unabhängig davon sei der Sachvortrag - wie bereits der zur beantragten Herabsetzung des Nutzungsentgelts - nicht hinreichend substantiiert, um die Durchführung einer Beweisaufnahme, sei es durch die Einvernahme von Zeugen, sei es durch die Erholung eines Sachverständigengutachtens, zu ermöglichen. Das Gericht hat somit das Vorgetragene durchaus zur Kenntnis genommen und sich damit auseinandergesetzt. Hinzu kommt, dass das Schiedsgericht, ebenso wie ein staatliches Gericht, nicht jedes Vorbringen der Parteien in den Gründen einzeln verbescheiden muss (BayObLG aaO). Es besteht die Vermutung, dass das Gericht seiner Verpflichtung zur umfassenden Würdigung des Parteivortrags nachgekommen ist. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass das Gericht das durch Schriftsatz vom 12.8.2005 vorgelegte Protokoll der Personalversammlung vom 16.7.2001 nicht für ausreichend erachtete, um hieraus den Beweis konkreter "Rügen" ableiten zu können. Erhöhte Anforderungen an das rechtliche Gehör rechtfertigen sich nicht aus dem Umstand, dass das Schiedsgericht vereinbarungsgemäß abschließend und verbindlich ohne Überprüfungsmöglichkeit durch eine weitere Instanz zu entscheiden hatte. Eine Überprüfung der Beweiswürdigung des Schiedsgerichts oder der sachlichen Richtigkeit des Schiedsspruchs findet im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht statt (vgl. Zöller/Geimer § 1059 Rn. 74). (3) Ein Verstoß gegen den ordre-public-Vorbehalt des § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO ist ebenfalls weder dargetan noch ersichtlich. Ein offenkundiger Verstoß gegen elementare Verfahrensregeln, zu denen auch der Grundsatz des rechtlichen Gehörs zählt (vgl. BayObLGZ 1999, 55/57), liegt, wie bereits ausgeführt, nicht vor. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. 5. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 1064 Abs. 2 ZPO. 6. Der Geschäftswert wird nach §§ 3, 4, 6 ZPO, §§ 39, 43 GKG festgesetzt. | |||||
Summary | |||||
Higher Regional Court (OLG) Munich, Decision of 8 May 2006 - 34 Sch 38/05 Declaration of enforceability of domestic arbitral award R u l i n g: A court may only reject an application to declare enforceable an arbitral award if the party opposing the application has shown substantive grounds for setting aside corresponding to the requirements for review grounds in review proceedings (Sec. 551 sub. 3 ZPO). In arbitral proceedings the same strict requirements for due process apply as in proceedings before state courts. F a c t s: The parties are dentists. The claimant had taken over the medical practice of the respondent pursuant to a take-over agreement. The parties had also agreed that the defendant could continue his practice in a restricted scope in the chambers against payment of a fixed hourly rate. A dispute arose as to the compensation for the use of the chambers and the claimant - subject to a set-off with the remainder of the purchase price - requested payment of approc. 18,000 from the respondent. The respondent objected, alleging damages resulting from the claimant's inefficient management of the medical practice. The arbitral tribunal granted the claim to an almost full extent. The claimant, in the current proceedings, requested that the award be declared enforceable. The respondent objected to the motion, on the basis that the arbitral tribunal had failed to take his defenses properly into account, and had thereby violated its right to due process and fair proceedings. The Higher Regional Court of Munich declared the award enforceable. G r o u n d s: The request to declare the award enforceable was admissible and founded since the respondent has not advanced ground which justified the setting aside of the award. If a party alleges that an arbitral tribunal has failed - as in the present case - to hear witnesses or expert witnesses, that party has the burden to show what facts such witnesses could have proven or what expert opinion the expert would have delivered. In the present case, the respondent has failed to substantiate his allegations in this manner. The respondent has also not shown that other grounds to refuse enforcement existed. In particular, the respondent had not shown that the conduct of the arbitration fell foul of Sec. !059 sub. 2 no. 1 b ZPO, since that provision does not apply to a failure to take into consideration individual means of evidence. Neither were ground pursuant to Sec. 1059 sub. 2 no. 1 d ZPO advanced. Pursuant to the applicable DIS Arbitration Rules and Sec. 1042 sub. 1 ZPO, the arbitral tribunal must observe the same strict standard of due process (Art. 103 sub. 1 Basic Law - GG) as a state court. That means that an arbitral tribunal must give each party the right to present its case and, in its decision, it must give due consideration of the arguments advanced by the parties. As can be seen from the reasoning of the award, the arbitral tribunal has dealt extensively with the arguments of the respondent. However, an arbitral tribunal is not obliged to deal with each argument individually. There is a presumption that an arbitral tribunal has fulfilled its obligation to give due regard to the entire case presented by each party. In the present case, the respondent has not shown cause to depart from this presumption. As no other grounds to refuse enforcement were alleged or in evidence, the motion to declare the award enforceable had to be granted. |