26 SchH 15/11


Gericht OLG Frankfurt am Main Aktenzeichen 26 SchH 15/11 Datum 13.02.2012
Leitsatz
Ohne amtlichen Leitsatz.
RechtsvorschriftenZPO § 1036 Abs 2
Fundstellehttp://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/s15/page/bslaredaprod.psml?&doc.id=JURE140000732%3Ajuris-r01&showdoccase=1&doc.part=L
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteGründe für die Ablehnung des Vorsitzenden eines Schiedsgerichts
Volltext
BESCHLUSS
Tenor:
Der Antrag der Schiedsklägerinnen, die Ablehnung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts, …, für begründet zu erklären, wird zurückgewiesen.
Die Schiedsklägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 9.309.753,- € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Schiedsklägerinnen begehren die gerichtliche Entscheidung über ihr Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden des Schiedsgerichts.
In dem seit dem Jahre 2008 anhängigen Schiedsverfahren streiten die Parteien um die Berechnung des Kaufpreises für Geschäftsanteile von sieben im Bereich des Breitbandkabelgeschäftes tätigen Tochtergesellschaften, die die Schiedsklägerinnen mit Vertrag vom 17./18.09.2007 (SPA) an die Schiedsbeklagte veräußerten. Nach weitgehend vergleichsweiser Erledigung der in dem Schiedsverfahren geltend gemachten Ansprüche geht es letztlich noch um einen im Wege der Widerklage erhobenen Anspruch auf Rückerstattung einer nach Auffassung der Schiedsbeklagten überhöhten Kaufpreiszahlung.
Nachdem die Verfahrensbevollmächtigten der Schiedsklägerinnen am 08.06.2011 davon Kenntnis erlangten, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts in einem anderen Schiedsverfahren auf Nachfrage einer Partei offengelegt hatte, für andere Mandanten der in diesem Verfahren beteiligten Rechtsanwaltskanzlei Gutachten erstattet zu haben, baten die Bevollmächtigten der Schiedsklägerinnen den Vorsitzenden des Schiedsgerichts unter anderem um Mitteilung, ob er während des hier zugrunde liegenden Schiedsverfahrens bzw. bis zu einem Zeitraum von drei Jahren davor für die Kanzlei A oder deren Mandanten Gutachten erstattet habe oder von Prozessbevollmächtigten dieser Kanzlei zum Schiedsrichter bestellt worden sei. Mit Schreiben vom 20.06.2011 wies der Vorsitzende des Schiedsgerichts darauf hin, dass er in der Vergangenheit verschiedentlich als Gutachter in Fällen tätig geworden sei, in denen die Kanzlei A involviert gewesen sei. Zudem sei er im Jahre 2007 durch eine von A benannte Partei zum Schiedsrichter bestimmt worden. Auf weitere Nachfrage der Bevollmächtigten der Schiedsklägerinnen vom 28.06.2011 ergänzte der Vorsitzende des Schiedsgerichts die Angaben zu seiner Gutachtertätigkeit. Danach erstattete er in den Jahren 2006 bis 2011 neun bzw. zehn Gutachten für Mandanten von A.
Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 05.07.2011 (Bl. 75 ff d. A.) Bezug genommen. Diese Mandanten sind weder in irgendeiner Form mit der Schiedsbeklagten verbunden noch gab es inhaltlich einen Bezug zu den im vorliegenden Schiedsverfahren gegenständlichen Fragen. Unstreitig ist ferner, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts in dem maßgeblichen Zeitraum eine Reihe weiterer Gutachten erstattet hat, unter anderem in Streitigkeiten, in denen A die Gegenseite vertritt bzw. vertreten hat.
Mit Schriftsatz vom 13.07.2011 lehnten die Schiedsklägerinnen den Vorsitzenden des Schiedsgerichts wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Nach dessen Stellungnahme wies das Schiedsgericht das Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 01.08.2011 zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf den zur Akte gereichten Beschluss verwiesen (Anlage ASt. 1 zum Ss. vom 29.08.2011).
Hiergegen wenden sich die Schiedsklägerinnen mit ihrem am 29.08.2011 eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Sie sind der Auffassung, wegen der zahlreichen Gutachten, die der Vorsitzende für Mandanten von A erstattet habe, rechtfertige sich die Besorgnis der Befangenheit, da hierdurch eine besondere Nähe in Form einer ständigen Geschäftsbeziehung zu den Bevollmächtigten einer Schiedspartei dokumentiert werde, die für einen vernünftigen Betrachter den Eindruck entstehen lasse, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts nicht mehr unvoreingenommen sei. Besonders schwer wiege in diesem Zusammenhang, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts seine Gutachtertätigkeit nach Beginn des Schiedsverfahrens fortgesetzt habe, ohne diese Tätigkeit offenzulegen und dass er ein Gutachten übernommen habe, das ihm von dem Bevollmächtigten der Schiedsbeklagten dieses Verfahrens angetragen worden sei. Wenn nach den „IBA Guidelines on Conflicts of Interests in International Arbitration“ (nachfolgend: IBA Guidelines) schon die mehr als dreimalige Beauftragung als Schiedsrichter durch einen Anwalt bzw. eine Kanzlei als offenbarungspflichtiger Umstand angesehen werde, müsse dies erst Recht für eine Gutachtertätigkeit gelten.
Die Schiedsklägerinnen bzw. deren Bevollmächtigte hätten vor der Mitteilung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts auch keine Kenntnis von dessen Gutachtertätigkeit gehabt.
Allein der Umstand, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts als Universitätsprofessor und international anerkannter Fachmann auf den Gebieten des …- und …rechts häufiger Gutachten für … bzw. die sie vertretenden Anwaltskanzleien erstatte, sei unerheblich, da allein auf die Kenntnis im konkreten Fall abzustellen sei.
Schließlich gründe sich die Besorgnis der Befangenheit auch auf einzelne Formulierungen in dem Beschluss des Schiedsgerichts vom 01.08.2011 (Seite 8 lit. d); damit werde den Schiedsklägerinnen unterstellt, das Ablehnungsverfahren missbräuchlich zu betreiben.
10.  Die Schiedsklägerinnen beantragen,
11.  die Ablehnung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts, …, für begründet zu erklären.
12.  Die Schiedsbeklagte beantragt,
13.  den Antrag zurückzuweisen.
14.  Sie ist der Auffassung, die gutachterliche Tätigkeit des Vorsitzenden des Schiedsgerichts sei weder offenbarungspflichtig gewesen noch rechtfertige sie die Besorgnis der Befangenheit. Eine ständige Geschäftsbeziehung und damit eine besondere Nähe zu A sei durch diese Tätigkeit nicht begründet worden, da, so behauptet die Schiedsbeklagte, in allen Fällen die Gutachtenaufträge von den Mandanten selbst erteilt worden seien.
15.  Das Gutachten, bei dem der Bevollmächtigte der Schiedsbeklagten, Herr B „involviert“ gewesen sei, sei von der Bank … in einem der zahlreichen Verfahren X / Y in Auftrag gegeben worden, die auch den Gutachter ausgesucht habe. Die „Involvierung“ des Rechtsanwaltes B habe darin bestanden, dass dem Gutachter auf Bitten der Bank … Kopien der Verfahrensakte zur Verfügung gestellt worden seien.
16.  Den Schiedsklägerinnen bzw. ihren Bevollmächtigten sei bekannt gewesen, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts als Universitätsprofessor und international anerkannter Fachmann auf den Gebieten des Unternehmens- und Wirtschaftsrechts häufiger Gutachten für Unternehmen bzw. die sie vertretenden Anwaltskanzleien erstatte. Diesen Umstand erst drei Jahre nach Beginn des Schiedsverfahrens zum Anlass für ein Befangenheitsgesuch zu nehmen sei rechtsmissbräuchlich. Insoweit handle es sich auch nicht um einen offenbarungspflichtigen Umstand, so dass auch auf die unterbliebene Offenlegung dieser Tätigkeiten die Befangenheit nicht gestützt werden könne. Aus den IBA Guidelines könne eine Offenbarungspflicht ebenfalls nicht abgeleitet werden, da der in Ziffer 3.3.7 erwähnte Umstand sich ausschließlich auf die Benennung als Schiedsrichter beziehe; ein Erst-Recht-Schluss im Hinblick auf eine Gutachtertätigkeit komme nicht in Betracht, da die Guidelines die zu beachtenden Verhaltensmaßregeln ausdrücklich normiere, so dass die nicht erwähnten Tätigkeiten auch nicht zu offenbaren seien. Ohnehin begründe ein Verstoß gegen Offenbarungspflichten im Sinne des § 1036 Abs. 1 ZPO nicht die Ablehnung des Schiedsrichters, sondern löse lediglich Sekundäransprüche aus.
17.  Der Beschluss des Schiedsgerichts vom 01.08.2011 beinhalte keine unsachlichen Ausführungen; dass Schiedsgericht habe vielmehr den Sachverhalt zutreffend wiedergegeben und die nach seiner Auffassung daraus abzuleitende rechtliche Einordnung dargelegt.
18.  Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Schiedsklägerinnen vom 29.08.2011 (Bl. 1 ff d. A.), 28.10.2011 (Bl. 125 ff d. A.) und 01.12.2011 (Bl. 141 ff d. A.) sowie auf die Schriftsätze der Schiedsbeklagten vom 18.11.2011 (Bl. 134 ff d. A.) und vom 12.02.2010 (Bl. 59 ff d. A.), jeweils nebst Anlagen, verwiesen.
II.
19.  Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Ablehnung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts ist nach § 1037 Abs. 3 ZPO statthaft und form- und fristgerecht bei dem insoweit zuständigen Gericht (§ 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) gestellt worden; in der Sache ist dem Antrag jedoch kein Erfolg beschieden.
20.  Zwar wird man nicht feststellen können, dass die Schiedsklägerinnen mit den von ihnen vorgebrachten Ablehnungsgründen bereits präkludiert sind, weil diese Gründe nicht innerhalb der Zwei-Wochenfrist gemäß § 1037 Abs. 2 ZPO bzw. § 18.2 DIS-Schiedsordnung dem Schiedsgericht mitgeteilt worden seien. Denn die Frist beginnt nur zu laufen, wenn der Partei der Ablehnungsgrund zur Kenntnis gelangt ist, wobei die positive Kenntnis aller die Ablehnung begründenden Umstände erforderlich ist. Diese Kenntnis hatten die Schiedsklägerinnen noch nicht auf der Grundlage des Schreibens des Vorsitzenden des Schiedsgerichts vom 20.06.2011, da er in diesem Schreiben lediglich pauschal auf eine Gutachtertätigkeit in der Vergangenheit hingewiesen hat, ohne den Umfang und die zeitliche Dimension seiner Tätigkeit näher zu erläutern. Gerade diese Gesichtspunkte sind aber für die Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Schiedsrichters die Besorgnis der Befangenheit zu begründen geeignet ist, maßgeblich. Über diese Einzelheiten wurden die Schiedsklägerinnen erst mit dem weiteren Schreiben des Vorsitzenden des Schiedsgerichts vom 05.07.2011 informiert. Darüber hinaus kann für den Zeitpunkt der Kenntniserlangung im Sinne der oben zitierten Vorschriften auch nicht darauf abgestellt werden, dass die Schiedsklägerinnen bzw. ihre Bevollmächtigten wussten bzw. wissen mussten, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts als Universitätsprofessor und international anerkannter Fachmann auf den Gebieten des Unternehmens- und Wirtschaftsrechts häufiger Gutachten für Unternehmen bzw. die sie vertretenden Anwaltskanzleien erstattete. Entscheidend ist, dass sie keine konkrete Kenntnis von Tätigkeiten für Mandanten von A in dem hier maßgeblichen Zeitraum hatten; dass dies der Fall war, haben die Schiedsklägerinnen hinreichend dargetan. Damit erfolgte ihr Befangenheitsgesuch vom 13.07.2011 fristwahrend.
21.  Dem Antrag war gleichwohl kein Erfolg beschieden, da die geltend gemachten Ablehnungsgründe eine Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden des Schiedsgerichts im Ergebnis nicht rechtfertigen.
22.  Ein Schiedsrichter kann nach den inhaltlich identischen Vorschriften des § 1036 Abs. 2 ZPO und des § 18.1 der DIS-Schiedsordnung nur abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen. Der Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Befangenheit eines Schiedsrichters richtet sich weiterhin nach denjenigen Kriterien, die für die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit gelten.
23.  Zwar weicht § 1036 Abs. 2 ZPO in der seit dem 01.01.1998 geltenden Fassung von der früheren Fassung des § 1032 Abs. 1 ZPO ab, wonach für die Ablehnung eines Schiedsrichters die den staatlichen Richter betreffenden Ablehnungsgründe heranzuziehen waren. Eine sachliche Änderung war damit jedoch nicht beabsichtigt. Der Gesetzgeber wollte sich damit vielmehr bewusst an Art. 12 Abs. 2 des UNCITRAL Model Law anlehnen und damit eine für ausländische Parteien nur schwer nachvollziehbare Verweisung auf nationale Verfahrensvorschriften vermeiden (BT-Drucks. 13/5274, S. 40; vgl. auch OLG Naumburg, SchiedsVZ 2003, 134 ff). Eine Besorgnis der Befangenheit kann daher nur dann angenommen werden, wenn nach den Umständen des konkreten Falles ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Schiedsrichters zu rechtfertigen. Maßgebend hierfür ist nicht, ob der abgelehnte Richter wirklich befangen ist oder sich selbst für befangen hält, sondern allein, ob vom Standpunkt der Partei aus genügend objektive Gründe vorliegen, die aus der Sicht eines vernünftigen Menschen die Befürchtung wecken können, der betreffende Schiedsrichter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. OLG Naumburg, a.a.O., m.w.N.; OLG Bremen, SchiedVZ 2007, 53 ff; OLG Frankfurt, SchiedsVZ 2008, 199; NJW-RR 2008, 801).
24.  Dies zugrunde legend geben die von den Schiedsklägerinnen vorgetragenen Umstände aus der Sicht einer „ruhig und vernünftig denkenden Partei“ keinen Anlass, an der Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden des Schiedsgerichts zu zweifeln. Die angeführten Gründe rechtfertigen weder für sich genommen noch in einer Gesamtschau die geltend gemachte Ablehnung.
25.  1. Gutachtertätigkeit
26.  Die Schiedsklägerinnen stützen ihr Ablehnungsgesuch vornehmlich darauf, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts vor und insbesondere während des Schiedsverfahrens eine Reihe von Gutachten für Mandanten von A erstattet hat. Grundsätzlich sind aber nur enge persönliche oder geschäftliche Beziehungen zwischen dem Richter und einem Verfahrensbeteiligten geeignet, die Unparteilichkeit eines Richters in Frage zu stellen (vgl. BGH, BGHReport 2005, 1350; OLG Naumburg, a.a.O.; OLG Frankfurt, SchiedsVZ 2008, 199). Eine Freundschaft oder eine sonstige nahe Beziehung der Schiedsrichter untereinander oder zu einem Bevollmächtigten einer Partei ist hingegen regelmäßig kein Ablehnungsgrund (vgl. Zöller-Geimer ZPO, 29. Aufl., § 1036 Rz. 11; Schwab/Walter, Kap. 14 Rz. 8). Selbst wenn man aber auch das Verhältnis zwischen Schiedsrichter und dem Bevollmächtigten einer Partei in die Bewertung einbezieht, führt dies hier zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage. Weder ist eine besondere enge persönliche Beziehung zwischen dem abgelehnten Schiedsrichter und dem/den Bevollmächtigten der Schiedsbeklagten erkennbar noch ist eine wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Schiedsrichter und der Anwaltskanzlei A glaubhaft gemacht, die aus der Sicht der Schiedsklägerinnen Zweifel an der Unabhängigkeit des abgelehnten Richters begründen könnte. Zwar mag insbesondere bei engen geschäftlichen Kontakten eine besondere Sensibilität geboten sein, da jedenfalls für die ablehnende Partei der Eindruck entstehen könnte, dass der Schiedsrichter ein erhebliches Interesse an der Aufrechterhaltung der geschäftlichen Beziehungen haben und sich damit zugleich in eine wirtschaftliche Abhängigkeit begeben könnte. Solche Umstände sind hier jedoch nicht erkennbar. In diesem Zusammenhang gilt es zu berücksichtigen, dass der abgelehnte Schiedsrichter als Universitätsprofessor und international anerkannter Fachmann auf den Gebieten des Unternehmens- und Wirtschaftsrechts ausweislich seiner Stellungnahme vom 20.06.2011 in erheblichem Umfang als Schiedsrichter tätig ist und zugleich eine Vielzahl von Gutachten für Unternehmen bzw. die sie vertretenden Anwaltskanzleien erstattet, so dass allein aus der Gutachtertätigkeit für Mandanten von A noch keine wirtschaftliche Abhängigkeit zu dieser Kanzlei abzuleiten ist. Für eine vernünftige und besonnene Partei kann in einer solchen Situation nicht Eindruck entstehen, dass der Schiedsrichter allein wegen dieser Tätigkeit für Dritte, die auch sachlich in keinerlei Zusammenhang mit dem Streit der Parteien steht, ihr gegenüber nicht mehr unvoreingenommen ist. Dabei kommt es nicht einmal darauf an, ob die Gutachten unmittelbar von den Mandanten in Auftrag gegeben wurden oder von der Anwaltskanzlei selbst; letzteres ist vorliegend aber auch nicht glaubhaft gemacht worden.
27.  Eine andere Beurteilung ist auch nicht unter Berücksichtigung der Senatsentscheidung vom 10.01.2008 (SchiedsVZ 2008, 199) geboten, da dieser Entscheidung ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag. Dort standen der Schiedsrichter und der Bevollmächtigte einer Partei in einem engen persönlichen Verhältnis und waren durch ein Mietverhältnis auch wirtschaftlich miteinander verbunden; da der Schiedsrichter diese Umstände zu dem nicht offengelegt hatte, waren nach Auffassung des Senates diese Gründe in einer Gesamtschau ausreichend, um berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Schiedsrichters annehmen zu können.
28.  2. Unterbliebene Offenlegung von Umständen, die Zweifel an der Unparteilichkeit wecken konnten / IBA Guidelines
29.  Hinreichende Gründe für die Annahme, der Vorsitzende des Schiedsgerichts könne voreingenommen sein, ergeben sich auch nicht aus einer Verletzung von Offenbarungspflichten. Nach § 1036 Abs. 1 ZPO bzw. der inhaltsgleichen Regelung in § 16.1 DIS-Schiedsordnung ist zwar jeder Schiedsrichter verpflichtet, alle Umstände offenzulegen, die Zweifel an der Unparteilichkeit wecken können. Ungeachtet der Frage, ob die Verletzung einer Offenbarungspflicht gleichsam einen Ablehnungsgrund darstellen kann oder nur Sekundäransprüche begründet, liegen schon keine Umstände vor, die der abgelehnte Schiedsrichter hätte offenbaren müssen.
30.  Zwar zeigt schon die Formulierung des § 1036 Abs. 1 S. 1 ZPO, dass der Kreis der offenbarungspflichtigen Tatsachen sehr weit gefasst ist und auch Umstände erfassen kann, die die Ablehnung des Schiedsrichters wegen Befangenheit in den Augen des später darüber zu befindenden Gerichts möglichweise nicht rechtfertigen. Allerdings ist ein Schiedsrichter nach dieser Vorschrift auch nicht verpflichtet, auf „alles Mögliche“ hinzuweisen; er soll nur die Umstände offenbaren, von denen er annehmen muss, sie könnten aus Sicht der Parteien bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an seiner Unbefangenheit hervorrufen (vgl. OLG Naumburg, a.a.O.; KG, SchiedsVZ 2010, 225). Um eine dahingehende Pflicht annehmen zu können, müssen jedoch auch für den Schiedsrichter ausreichende Anhaltspunkte vorliegen, die eine solche Möglichkeit nahelegen. Allein die Behauptung einer Partei, bei ihr hätten die verschwiegenen Umstände Zweifel an der Unparteilichkeit des Schiedsrichters geweckt oder wecken können, würde zur einer Aushöhlung der Anforderungen an die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit führen. Denn ein Umstand, der für sich schon nicht die Ablehnung eines Schiedsrichters begründet, darf nicht auf dem Umweg über die Ablehnung wegen unterlassener Offenbarung dieses Umstandes doch noch zur Ablehnung des Schiedsrichters führen (OLG Naumburg, a.a.O.; KG, a.a.O.).
31.  Unterlässt deshalb ein Schiedsrichter wie hier den Hinweis auf Umstände, die eindeutig und klar nicht geeignet waren, die Besorgnis seiner Befangenheit zu begründen und die damit bei einer Partei bei vernünftiger Betrachtung auch keine Zweifel an seiner Unbefangenheit und Unparteilichkeit wecken konnten, so liegt darin weder ein Pflichtverstoß noch ein gesonderter Ablehnungsgrund.
32.  Der Vorsitzende des Schiedsgerichts musste insbesondere wegen der Art und des Umfangs seiner bisherigen Tätigkeiten als Schiedsrichter in nationalen und internationalen Schiedsverfahren und seiner in den Fachkreisen bekannten Tätigkeit als Gutachter zu unternehmensrechtlichen Fragen nicht davon ausgehen, dass die Fortführung dieser Tätigkeiten für Dritte, die sachlich in keinerlei Zusammenhang mit dem Streit der Parteien standen, ein Umstand war, der bei den Schiedsklägerinnen Zweifel an seiner Unparteilichkeit wecken konnte.
33.  Die hier beanstandete Tätigkeit des abgelehnten Schiedsrichters verstößt auch nicht gegen die IBA-Guidelines, die „Rules of Ethics for International Arbitrators bzw. den „Code of Ethics for Arbitrators in Commercial Disputes“ - ungeachtet der Frage der Verbindlichkeit dieser Verhaltensmaßregeln für das vorliegende Schiedsverfahren -, da in diesen Vorschriften lediglich weitergehende Tätigkeiten als Schiedsrichter bzw. geschäftliche Beziehungen zu einer Schiedspartei bzw. deren Bevollmächtigten als offenbarungspflichtig angesehen werden; solche Tätigkeiten liegen hier jedoch nicht vor bzw. sind nicht glaubhaft gemacht.
34.  3. Inhalt des Beschluss
35.  Schließlich lässt sich die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Schiedsrichters auch nicht aus dem Beschluss des Schiedsgerichts vom 01.08.2011 herleiten. Ein Schiedsrichter ist zwar ebenso wie ein staatlicher Richter zu unvoreingenommener und neutraler Amtsführung verpflichtet. Damit verbunden ist die Pflicht zur Sachlichkeit; evident unsachliche oder herabsetzende Äußerungen können dabei auf eine negative Einstellung gegenüber einer Partei hindeuten und deshalb bei objektiver Betrachtung den Eindruck entstehen lassen, der Richter sei voreingenommen. Auch die Art der Auseinandersetzung eines Richters mit einem Ablehnungsantrag kann im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl. OLG Bremen, SchiedsVZ 2007, 53, 54; OLG Frankfurt, NJW-RR 1998, 858), wobei es dem Richter allerdings nicht versagt ist, den zur Ablehnung führenden Vorgang mit der gebotenen Zurückhaltung wertend zu beurteilen (OLG Frankfurt, a.a.O.).
36.  Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich eine evident unsachliche Verhaltensweise des abgelehnten Richter im Zusammenhang mit dem Ablehnungsgesuch nicht feststellen. Zwar wird man dem Vorsitzenden die angegriffenen Formulierungen ohne weiteres zurechnen können, da er sie sich mit seiner Unterschrift letztlich zu Eigen gemacht habt. Indes enthält der Beschluss weder unsachliche Äußerungen noch Formulierungen, die auf eine negative Einstellung gegenüber einer Partei hindeuten, so dass bei objektiver Betrachtung nicht der Eindruck entstehen konnte, der Schiedsrichter sei voreingenommen. Allein der Umstand, dass sich das Schiedsgericht auch rechtlich wertend mit dem Ablehnungsgesuch auseinandergesetzt hat, rechtfertigt keine andere Bewertung. Wie bereits oben dargelegt, sind einem abgelehnten Richter auch wertende Äußerungen zu einem Ablehnungsgesuch zuzubilligen, sofern sie mit der gebotenen Zurückhaltung erfolgen. Die Grenze wird erst dann überschritten, wenn die Art und Weise der Stellungnahme jeden sachlichen Bezug vermissen lässt und eine negative Grundeinstellung gegenüber der ablehnenden Partei zum Ausdruck gebracht wird. Diese Grenze ist im vorliegenden Fall aber nicht überschritten worden, denn aufgrund der Zeitpunkte des vorgegangenen und des nunmehr streitgegenständlichen Ablehnungsgesuches, das jeweils in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit Entscheidungen bzw. Hinweisen des Schiedsgerichts erfolgte, die nicht der Rechtsauffassung der Schiedsklägerinnen entsprachen, erscheint es jedenfalls nicht völlig unangemessen, sich auch mit der Frage der Missbräuchlichkeit der Ausübung von Verfahrensrechten zu beschäftigen. Nichts anderes hat das Schiedsgericht hier getan.
37.  Sind nach alldem die von den Schiedsklägerinnen vorgetragenen Umstände schon für sich genommen nicht geeignet, die von ihnen geäußerte Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden des Schiedsgerichts zu begründen, lässt sich eine dahingehende Besorgnis aus der Sicht einer verständigen Partei auch nicht aus einer Gesamtschau aller Umstände herleiten.
38.  Der Antrag der Schiedsklägerinnen war daher mit der Kostenfolge des § 91 zurückzuweisen.
39.  Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 3 ZPO; insoweit hat der Senat 1/5 des Streitwertes des Schiedsverfahrens zugrunde gelegt, in dem es noch um die mit Ziffer 10 des Widerklageantrages begehrte Herabsetzung des Kaufpreises um 46.548.765,- € geht.
Summary
In pending arbitration proceedings arising out of a disputed calculation of a purchase share price of a company active in the broad-band cable business, the claimant/applicant had challenged the chairman of the arbitral tribunal. The applicant alleged that the chairman lacked the required impartiality and independence due to numerous expert opinions he had issued for other clients of the counsel for respondent. The applicant believed that this form of cooperation between the chairman and the counsel for respondent and especially the fact that the chairman continued his activity as an expert for the counsel for respondent on other occasions after the initiation of the arbitral proceedings and failed to disclose it, lead to justifiable doubts as to his impartiality and independence. The arbitral tribunal refused to grant the challenge. The applicant then submitted his challenge with the Higher Regional Court of Frankfurt am Main.
The Court rejected the application. It ruled that only a close personal or business relationship between a judge and a person participating in the proceedings was likely to cast doubts as to the impartiality of a former. While close business contacts could convey an impression that the chairman was particularly interested in maintaining business relationships with the counsel for the respondent and thus was economically dependent from the counsel for the respondent, such circumstances were not detected in the case at hand.
In this context it should be taken into account that the chairman of the tribunal was a university professor and an internationally acknowledged expert in the field of corporate and economic law and was usually asked to issue expert opinions for different clients or their legal representatives. As a result the fact alone that the chairman had issued expert opinions for the respondent’s counsel did not lead to his dependency therefrom.
As to the chairman’s failure to disclose his cooperation with the respondent’s counsel, the Court found that an arbitrator is not obliged to disclose “all sorts of information”, but only those circumstances, which in his opinion could reasonably cast doubts about his impartiality from the parties’ perspective.