1 Sch 01/08


Gericht OLG Thüringen Aktenzeichen 1 Sch 01/08 Datum 13.01.2011
Leitsatz
Rechtsvorschriften
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
Stichworte
Volltext
B E S C H L U S S
1. Der Antrag, den von dem amerikanischen Zentrum für die Beilegung vom Rechtsstreitigkeiten (internationales Schiedsgericht, ADR Center) in M … durch den Schiedsrichter … am 20.11.2007 gefällten Schiedsspruch (…) für vollstreckbar zu erklären, wird zurückgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass dieser Schiedsspruch im Inland nicht anzuerkennen ist.
3. Der Antrag des Antragsgegners, diesen Schiedsspruch aufzuheben, wird als unzulässig zurückgewiesen.
4. Die Antragstellerin hat die Kosten dieses Verfahrens zu tragen.
5. Dieser Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
6. Die Antragstellerin kann (wegen der Kosten) die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung des von einem Schiedsrichter des ADR Center (American Dispute Resolution Center) in M am 20.11.2007 gefällten Schiedsspruches.
A.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach niederländischem Recht mit Sitz in A, Niederlande. Sie ist eine Tochtergesellschaft der D, einer US-Amerikanischen Gesellschaft nach dem Rechte von Florida mit Sitz in F, Florida. Sie ist Inhaberin eines gesetzlich geschützten Systems zur Eröffnung und zum Betrieb von Restaurants, die unter der Handelsmarke D und der Dienstleistungsmarke X insbesondere belegte Brote und Salate anbieten. Aufgrund einer ihr erteilten Unterlizenz tritt die Antragstellerin unter anderen in Deutschland als Franchise-Geberin für derartige gastronomische Betriebe auf.
Der Antragsgegner ist Franchise-Nehmer der Antragstellerin. Mit ihr hatte er am 31. März 2002 einen Franchise-Vertrag (…) für den Betrieb eines X-Restaurants in Erfurt geschlossen. Nach Nummer 12 des Franchise-Vertrages ist für die Vertragsbeziehungen der Parteien der Vertrag in seiner englischen Fassung maßgebend.
Nummer 13 enthält unter anderen folgende Bestimmung:
„Dieser Vertrag unterliegt dem materiellen Recht von Liechtenstein ohne Berücksichtigung seiner Kollisionsrechtlichen Vorschriften und ist entsprechend auszulegen, sofern in diesem Vertrag nichts anderes vorgesehen ist.“
Außerdem hatten die Parteien in Nummer 10 c unter anderem folgendes vereinbart:
„The parties will arbitrate any Dispute the parties do not settle under the discussion procedures above, and any Dispute which this Agreement provides will be submitted directly to arbitration, except as provided in this Agreement. The arbitration will be held in accordance with the United Nations Commission on International Trade Regulations and Law (UNCITRAL) Arbitration Rules administerd by the International Centre for Dispute Resolution, an affiliate of the American Arbitration Association, at a hearing to be held in New York, New York, USA”
In der dem Antragsgegner übergebenen Übersetzung lautet diese Passage wie folgt:
„Die Parteien lassen Streitfälle, die sich nicht nach dem obigen Gesprächsverfahren beilegen können, schiedsrichterlich entscheiden und alle Streitfälle, die dieser Vertrag vorsieht, werden unmittelbar einem Schiedsgericht vorgelegt, außer wie in diesem Vertrag vorgesehen. Die Schiedsgerichtsbarkeit findet entsprechend der Schiedsgerichtsordnung der UN-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung) statt, ausgeübt durch das International Centre for Dispute Resolution, einem Mitglied der American Arbitration Association, bei einer in New York, New York, USA abzuhaltenden mündlichen Verhandlung.“
Da sich der Geschäftsbetrieb des Antragsgegner nicht so entwickelte, wie er es sich vorgestellt hatte und – seiner bestrittenen Behauptung nach – auch von dem für die Antragstellerin tätigen Development Agent R vor Vertragsschluss in Aussicht gestellt worden sei (Gewinn in Höhe von zumindest 30% des Umsatzes) geriet er in Zahlungsrückstand hinsichtlich der Franchise-Gebühren.
Die Antragstellerin kündigte sodann mit Schreiben vom 31.07.2007 (…) den Franchise-Vertrag und kündigte die Einleitung des Schiedsgerichtsverfahrens an, welches sie in der Folgezeit auch betrieb.
Mit Schreiben vom 10.08.2007 (…) teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, dass der Antrag auf Einleitung eines Schiedsgerichtsverfahrens gestellt sei und dieser Antrag an das International Centre for Dispute Resolution gesandt sei. Wegen des Verfahrensganges vor dem Schiedsgericht im Einzelnen wird auf die im Schiedsspruch geschilderten Abläufe Bezug genommen.
Die Antragstellerin beantragt,
den von dem Amerikanischen Zentrum für die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten (internationales Schiedsgericht) in M … durch den Schiedsrichter … gefällten Schiedsspruch vom 20.11.2007 für vollstreckbar zu erklären.
Der Antragsgegner beantragt,
1) den Antrag der Antragstellerin auf Vollstreckbarerklärung aus der Antragsschrift vom 3.1.2008 wird zurückgewiesen;
2) es wird festgestellt, dass der Schiedsspruch des AMERICAN DISPUT RESOLTION CENTER … des Schiedsrichters …vom 20.11.2007 im Inland nicht anzuerkennen ist;
3) der Schiedsspruch des AMERICAN DISPUT RESOLTION CENTER … des Schiedsrichters … vom 20.11.2007 wird aufgehoben.
Er macht im Wesentlichen geltend (Anmerkung: die verwendeten Begrifflichkeiten folgen dem Antragsgegnervortrag):
Der Schiedsspruch sei schon wegen Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung nichtig. Selbst bei Unterstellung der Wirksamkeit der Rechtswahlklausel in Nr. 13 des Franchisevertrages (nachfolgend nur „Vertrag“) sei die Schiedsgerichtsvereinbarung in Nr. 10 c des Vertrages wegen Verstoßes gegen Art. 879 Abs. 3 des Allgemeinen Gesetzbuches von Liechtenstein unwirksam, weil sittenwidrig und deshalb nichtig.
Die Schiedsklausel des von der Antragstellerin vorformulierten Formularvertrages benachteilige den Antragsgegner gröblich. Der Sitz des Schiedsgerichtes in den USA und die englische Verhandlungssprache bevorzuge die Antragstellerin und benachteilige den Antragsgegner zugleich unangemessen. Die Antragstellerin werde durch das Legal Department der D “agiert“, die weltweit über 30.000 Franchisebetriebe kontrolliere. Ihr sei es „ein Leichtes“, einen Schiedsgerichtsstand in Deutschland, zumindest aber in Europa, zu erreichen. Da der Vertrag in Deutschland abgewickelt und die beiderseitigen Vertragsleistungen auch hier erbracht würden, gäbe es keinen nachvollziehbaren Grund dafür, dass ein Franchisenehmer, der in Deutschland Sandwichs verkauft, einen rechtliche Auseinandersetzung in englischer Sprache vor einem Gericht in den USA führen und nach New York zu einer Gerichtsverhandlung reisen muss.
Gerade die Kombination der Rechtswahl eines Drittstaates (Liechtenstein) und des Schiedsgerichtsstandes in New York und der englischen Verfahrenssprache würde es dem Antragsgegner unmöglich machen, sich zur Wehr zu setzen.
Das nach dem Vertrag anzuwendende materielle Recht (das des Fürstentums Liechtenstein) habe zudem weder mit dem Sitz der Antragstellerin (in den Niederlanden) noch mit dem gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners (Deutschland) erkennbaren Zusammenhang. Die gesamte Vertragsgestaltung ziele darauf ab, zwingend gesetzliche Regelungen des deutschen Rechts und insbesondere des Rechtsinstitutes der vorvertraglichen Aufklärungspflichten des Franchisegebers und zwingende Normen des Kartellrechts zu umgehen und Verbraucherschutzregeln, die auf Existenzgründer Anwendung finden (gesetzliches Widerrufsrecht gem. §§ 507,505,355 BGB) auszuschalten.
Weiter macht er schwere Verfahrensmängel des schiedsrichterlichen Verfahrens geltend:
Das entscheidende Schiedsgericht sei örtlich und sachlich unzuständig gewesen.
Nach dem Vertrag sei als Ort des Schiedsgerichtsverfahrens und insbesondere als Ort deiner mündlichen Verhandlung verbindlich New York festgelegt. Der Schiedsspruch sei gleichwohl von einem Schiedsgericht in M gefällt worden. Zudem habe auch ein sachlich unzuständiges Schiedsgericht gehandelt. Die ADR (American Dispute Resolution) habe nämlich für internationale Verfahren eine eigene Organisation, nämlich die IDCR (International Dispute Resolution Center).
Zudem habe der Antragsgegner von dem Schiedsgericht in den USA „ nur wenige Schreiben“ zugesandt erhalten, teils mit zeitlicher Verzögerung. Es sei daher davon auszugehen, dass ihm wesentliche Schriftstücke und maßgebliche Schriftsätze nicht (oder zu spät) zugegangen seien.
Die Parteien, das Schiedsgericht und deren Adressen seien im Schiedsspruch mangelhaft bezeichnet, weil jedenfalls ungenau.
Der Schiedsspruch enthalte zudem keine Darstellung des Tatbestandes und unsachliche Entscheidungsgründe. Die maßgeblichen Schriftstücke, die das Schiedsgericht „angeblich“ zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat, seien nicht aufgeführt. Bedenken des Antragsgegners seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Der Schiedsrichter habe sich offenbar von sachfremden Erwägungen leiten lassen und sich mit dem materiellen Recht des Fürstentums Lichtenstein nicht auseinandergesetzt. Es sei „ zu unterstellen“, dass er nicht einmal den Vertrag gelesen habe und einer unschlüssigen Schiedsklage stattgegeben habe.
Es habe auch keine mündliche Verhandlung stattgefunden, was nach dem Vertrag (…) notwendig gewesen wäre. Insoweit liege ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 b 2. Variante ZPO vor.
Der Schiedsspruch enthalte zudem keine Begründung. Er (Antragsgegner) könne nicht einmal ansatzweise erkennen, ob das Schiedsgericht seiner Entscheidung materielles Recht des Fürstentums Liechtenstein zugrunde gelegt habe, er müsse eher vom Gegenteil ausgehen.
Selbst bei Unterstellung einer wirksamen Rechtswahlklausel unterliege die Schiedsabrede einer weitergehenden Mindestinhaltskontrolle, insbesondere sei der ordre public nach Art. 6 EGBGB zu beachten.
Von der Darstellung der vom Antragsgegner erhobenen weiteren rechtlichen Einwänden (Verstoß gegen § 134 BGB iVm § 1 GWB und „andere Normen des Kartellrechts“, weitere Verstöße gegen Grundwertungen der deutschen und europäischen Rechtsordnung, „Nichtigkeit nach deutschem Recht“ u.a.) wird abgesehen und insoweit auf den Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 28.3.2008 (…) verwiesen.
Replizierend trägt die Antragstellerin vor:
Die Entscheidung des OLG Dresden sei für das vorliegende Verfahren schon deshalb nicht maßgeblich weil der Antragsgegner sich vor dem Schiedsgericht eingelassen habe und mit seinen Einwendungen deshalb präkludiert sei.
Entgegen der Meinung des Antragstellers sei in dem Vertrag keine ausschließliche Zuständigkeit des International Center for Dispute Resolution vereinbart gewesen, was sich aus dem (alleine maßgeblichen) englischen Text des Vertrages ergebe.
Die Einleitung des Schiedsgerichtsverfahrens wie auch dessen Ablauf und Durchführung habe exakt den UNCITRAL-Schiedsregeln entsprochen. … Insoweit nimmt der Senat auf die Ausführungen im Schriftsatz des Antragstellervertreters … Bezug. Ergänzend hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10.9.2008 die Zustellungsnachweise zu den im Schiedsspruch … erwähnten Zustellungen vorgelegt (…).
In rechtlicher Hinweicht hält sie die Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung für erfüllt, was sie im Einzelnen im Schriftsatz vom 13.5.2008 … ausführlich dargestellt hat. Der Senat nimmt hierauf Bezug. Insbesondere meint sie, die Schiedsklausel des Vertrages könne und dürfe hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nicht am Maßstab des § 879 Abs. 3 ABGB beurteilt werden (Anmerkung: soweit nachfolgend im Text nicht besonders ausgewiesen, ist damit § 879 Abs. 3 ABGB in der in Liechtenstein geltenden Fassung gemeint; zur im Wortlauf leicht abweichenden Bestimmung dieser Vorschrift in Österreich vgl. Gutachten Prof. Dr. C vom 29.12.2009 unter A I).
Der Senat hat gemäß § 293 ZPO mit Beschluss vom 8.7.2008 (…) die Einholung eines schriftlichen Rechtsgutachtens angeordnet zur Frage, ob und inwieweit Schiedsvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach dem Recht von Liechtenstein einer Inhaltskontrolle (insbesondere nach § 879 Abs. 3 ABGB unterliegen.
Die mit der Begutachtung beauftragte Prof. Dr. C hat hierzu ein schriftliches Gutachten vom 29.12.2009 erstellt (…), auf das Bezug genommen wird. Nachdem die Antragstellerin ein „Gegengutachten“ des liechtensteiner Rechtsanwaltes Dr. B vom 19.2.2010 (…) vorgelegt hatte, hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. C eingeholt. Diese hat mit ihrem Ergänzungsgutachten vom 10.5.2010 (...) zu den erhobenen Einwendungen Stellung genommen.
Die Antragstellerin hat auch zu diesem Ergänzungsgutachten eine weitere Stellungnahme des Rechtsanwaltes Dr. B vom 22.6.2010 (…) vorgelegt und unter Hinweis hierauf beantragt, ein weiteres Rechtsgutachten eines Rechtsanwaltes oder Rechtsgelehrten einzuholen, hilfsweise, der Sachverständigen aufzugeben, ihr Gutachten zu ergänzen, ggfs. zu korrigieren.
Im Übrigen wird auf die in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
B.
I.
Der hier zu entscheidende Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruches war schon (für einen im Wesentlichen identischen Sachverhalt) Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 15.1.2009 – III ZB 87/07-). Diese betraf die vorausgegangene Entscheidung des OLG Dresden (Beschluss vom 7.12.2007 – 11 Sch 08/07). Nachfolgend hatten auch das OLG Celle (Beschluss vom 4.12.2008 – 8 Sch 13/07), das OLG Bremen (Beschluss vom 30.10.2008 – 2 Sch 2/08 = OLGR Bremen, 2009,155) sowie jüngst das Kammergericht (Beschluss aufgrund der mündlichen vom 29.11.2010 – 20 SCH 10/08) Anträgen der Antragstellerin nicht stattgegeben. Nach einer Mitteilung von Schulz/Niedermaier, SchiedsVZ 2009,196 hat die Antragstellerin die zunächst eingelegten Rechtsbeschwerden gegen die Beschlüsse des OLG Celle und des OLG Bremen später zurückgenommen.
II.
Die Entscheidung über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche bestimmt sich nach § 1061 Abs. 1 ZPO, welcher auf das Übereinkommen vom 10.Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche - (BGBL. 1961 II S. 121) verweist (fortan: UNÜ).
Dem zulässigen Antrag kann nicht entsprochen werden. Die im Vertrag der Parteien enthaltene Schiedsklausel ist wegen Verstoßes gegen § 879 Abs. 3 ABGB unwirksam (Versagungsgrund des Art. V Abs. 1 Buchst. a UNÜ iVm Art II Abs. 1 UNÜ).
(1)
Da es sich bei Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung um von einander getrennt zu beurteilende Verträge handelt, bedarf es vorab der Klärung der Frage, welches Recht auf die Schiedsvereinbarung anwendbar ist.
Eine ausdrückliche Regelung hierzu enthält der Vertrag nicht. Der Hauptvertrag enthält indes eine Rechtswahl (anzuwenden ist das Recht des Fürstentums Liechtenstein). Dieser Umstand ist ein starkes Indiz dafür, dass die Parteien auch eine Rechtswahl zur Schiedsvereinbarung treffen wollten (konkludente Rechtswahl), wovon auch der Senat ausgeht (vgl. Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens, 2. Aufl., Rn 560 m.w.N.; ausführlich zu dieser Frage auch Schulz,Niedermaier, a.a.O. unter II 1). In gleicher Weise haben auch die Oberlandesgerichte Dresden, Celle, Bremen und das Kammergericht diese Frage entschieden (vgl. hierzu auch Kraayvanger, IHR 2008,119 sowie Eichel, IPrax 2010,219).
Damit hat auch die Prüfung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung anhand des Rechts des Fürstentums Liechtenstein zu erfolgen (Schütze/Tscher-ning/Wais, a.a.O.).
(2)
Die Schiedsklausel (Nr. 10 c des Vertrages) ist wegen Verstoßes gegen
§ 879 Abs. 3 ABGB nichtig, weil sie den Antragsgegner iS dieser Vorschrift
„gröblich benachteiligt“. Dies folgt aus dem Umstand, dass als Ort einer im Schiedsgerichtsverfahren (ggfs.) abzuhaltenden mündlichen Verhandlung zwingend New York (USA) festgelegt ist.
[Anmerkung: die in den Entscheidungen des OLG Celle, OLG Bremen sowie des Kammergerichtes problematisierte Frage der Auslegung des Einschubes „such as“ in Nr. 10 c des Vertrages stellt sich vorliegend nicht. Der hier zugrundeliegende englischsprachige Vertragstext hat einen abweichenden Wortlaut (vgl. oben Seite 3)].
Für einen Franchisenehmer der Antragstellerin, der seinen Geschäften in Deutschland nachgeht, stellt die Notwendigkeit, am zwingend vereinbarten Tagungsort New York an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen, einen hohen Aufwand an Zeit und Kosten dar. Aus Sicht des Franchisenehmers, bei dem es sich erfahrungsgemäß um einen wenig geschäftserfahrenen Kleinunternehmer mit geringer Wirtschaftskraft handelt und der zugleich meist auch „Existenzgründer“ ist ( vgl. insoweit auch die in den zitierten OLG-Entscheidungen mitgeteilten Sachverhalte), stellt sich die Wahl des Verhandlungsortes in den USA per se als Instrument dar, ihn ggfs. von der Durchsetzung seiner Rechte „ abzuschrecken“, während andererseits die Antragstellerin als „Tochter“ eines weltweit tätigen Mutter-Unternehmens einseitig bevorzugt wird. Ein sachlich nachvollziehbarer Grund für den im Vertrag festgelegten Verhandlungsort New York ist nicht erkennbar. Wie die Antragstellerin selbst vorgetragen hat (…) werden derzeit (2008) alleine in Deutschland 600 Restaurants von ihren Franchisepartnern betrieben, Alleine schon diese große Zahl legt nahe, dass es der in den Niederlanden ansässigen Antragstellerin ohne Schwierigkeiten möglich und zumutbar ist, ihren Vertragspartnern weniger belastende Ausgestaltung des Schiedsverfahrens zu ermöglichen.
Dass es konkret zu keiner mündlichen Verhandlung in New York gekommen ist, ist für die Beurteilung der Wirksamkeit der Schiedsklausel ohne Bedeutung (OLG Celle, a.a.O. m.N.).
Die hiernach zu bejahende „gröbliche Benachteiligung“ iSv § 879 Abs. 3 ABGB haben die die Oberlandesgerichte Dresden, Celle und Bremen aufgrund eigener Kenntnis des Rechtes des Fürstentums Liechtenstein und dessen Auslegung bejaht. Schulz/Niedermaier, a.a.O. unter II 1 a cc stimmen dem im Ergebnis zu; a.A. insoweit Kraayvanger, a.a.O.).
Das vom Senat eingeholte Rechtsgutachten von Prof. Dr. C stützt dieses Ergebnis.
In ihrem Gutachten vom 29.12.2009 ist sie nach Auswertung und Darstellung der für die Beurteilung maßgeblichen Normen des Rechts von Österreich und denjenigen des Fürstentums Liechtenstein sowie der hierzu ergangenen Rechtssprechung beider Länder zufassend zum Ergebnis gelangt, dass zur Auslegung des liechtensteinischen Rechts auf Parallelnormen des österreichischen Rechts wie auch auf die Rechtssprechung des EUGH zum Verbraucherschutz zurückgegriffen werden könne. § 879 Abs. 3 ABGB sei auf die Vertragsbestimmung anwendbar. Allgemeine Geschäftsbedingungen unterlägen einer verstärkten Kontrolle. Bei der Konkretisierung des erheblichen Missverhältnisses könnten auch auf die Bestimmungen und Wertungen des KSchG zurückgegriffen werden, aus dessen Art. 19 sich ableiten lasse, dass Verbraucher (zu denen auch Existenzgründer zählten), nicht dem für sie geltenden Gerichtsstand entzogen werden sollen.
Im Hinblick hierauf liege es nahe, ein „erhebliches Missverhältnis bei der Schiedsvereinbarung zu bejahen (wegen der Festlegung des Tagungsortes in den USA).
Aber auch ohne die Anlehnung an das KSchG sprächen die Umstände für die Unwirksamkeit nach § 879 Abs. 3 ABGB.
Der Senat sieht davon ab, die von der Gutachterin in ihrem ausführlichen und den Senat überzeugenden Gutachten samt seiner Ergänzung dargestellte Rechtslage unter Berücksichtigung der angeführten Rechtssprechung nachzuzeichnen und nimmt auf beide Gutachten Bezug. Ergänzend verweist er auf die zitierte Entscheidung des Kammergerichtes, das dieses Gutachten gemäß § 411 a ZPO für sein Verfahren verwertet hat und auf den Seiten 10 – 13 seines Beschlusses nähere Ausführungen zur Argumentation der Gutachterin enthält. Hervorzuheben ist, dass die Gutachterin aufgrund der von der Antragstellerin unter Bezugnahme auf die „Gegengutachten“ des Rechtsanwaltes Dr. B erhobenen Einwendungen ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass für sie in der Abwägung nach § 879 Abs. 3 ABGB nur die Wertungen des KSchG Berücksichtigung finden.
Die von der Antragstellerin vorgelegte letzte Stellungnahme des Rechtsanwaltes Dr. B vom 22.6.2010 gibt keine Veranlassung, eine weitere Gutachtensergänzung oder gar ein Obergutachten einzuholen.
Der Senat sieht sich auf der Grundlage der durch die beiden gerichtlichen Gutachten und „Gegengutachten“ vermittelten rechtlichen Erkenntnisse selbst in der Lage, die Vorschrift des § 879 Abs. 3 ABGB fallbezogen auszulegen.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die von Prof. Dr. C vertretene und belegte Ansicht, § 879 Abs. 3 ABGB sei grundsätzlich auch auf Schiedsvereinbarungen anwendbar und aus deren Ausgestaltung könne sich ggfs. eine „ gröbliche Benachteiligung“ ergeben. von Rechtsanwalt Dr. B in seiner letzten Stellungnahme nicht widersprochen wird. Er meint jedoch, nach den Umständen des Falles läge keine „ gröbliche Benachteiligung“ vor. Zudem greift er einige „Argumentationsbausteine“ im (Ergänzungs-) Gutachten der gerichtlichen Gutachterin an, der er einseitige und nicht objektive Begutachtung vorwirft. Letztlich meint er sich dazu berufen, Prof. Dr. C zu bescheinigen, sie verfüge nicht über den notwendigen Sachverstand, jedenfalls sei dieser äußerst gering. Entscheidungen von Gerichten des Fürstentums Liechtensteins, die das von der Gutachterin gewonnene Ergebnis explizit in Frage stellen oder/und ihm widersprechen, legt er nicht vor.
Der Senat geht deshalb auch von der Unwirksamkeit der Schiedsklausel aus.
Der Antragsteller ist in vorliegendem Verfahren nicht daran gehindert, sich hierauf zu berufen (keine Präklusion), weil er sich an dem Schiedsverfahren nicht beteiligt hatte.
Sein Bevollmächtigter hatte allerdings am 12.11.2010 – 10 Tage vor Fällung des Schiedsspruches – ein Telfax an das Schiedsgericht gesandt (…). Dieses Schreiben ging dort auch ein. Im Schiedsspruch sind hierzu folgende Ausführungen gemacht:
In Position 30:
„Dr. P bat nicht um einen Fristaufschub. Dr. P erschien sich damit zu begnügen, sich allgemein über die Kürze der Zeit zu beschweren, in der Hoffnung, dies würde eine Grundlage dafür schaffen, das Schiedsurteil in Zukunft aufzuheben.“
In Position 34:
„Die anderen Punkte, die in Dr. P Schreiben zur Sprache gebracht wurden, können nicht behandelt werden, weil er sie in derart oberflächlicher und mysteriöser Weise aufwarf, dass der Schiedsrichter nur raten müsste, welche Behauptung er da aufstellt, um diese in Misskredit zu bringen. V trägt das Risiko, dass sein Rechtsbeistand etwaige Einsprüche gegen das Schiedsverfahren nicht klar und deutlich zur Sprache bringt.“
Nach Ansicht des Senats kann bei dieser Sachlage von einer Beteiligung des Antragsgegners am Schiedsverfahren nicht ausgegangen werden.
Selbst wenn man dies anders sehen wollte, kann dem Schreiben des Bevollmächtigten des Antragsgegners vom 12.11.2011 mit ausreichender Deutlichkeit entnommen werden, dass er jedenfalls unter Bezugnahme auf die Bestimmung des § 879 Abs. 3 ABGB die Unwirksamkeit der Schiedsabrede geltend gemacht hat. Eine Auseinandersetzung damit hat jedenfalls der Schiedsrichter verweigert („oberflächlich und mysteriös“).
(3)
Ob darüber hinaus die weiteren vom Antragsgegner geltend gemachten Versagungsgründe nach dem UNÜ oder ZPO vorliegen, kann dahingestellt bleiben.
(4)
Nr. 2 des Tenors dieser Entscheidung hat seine Stütze in § 1061 Abs. 2 ZPO.
Als unzulässig zurückzuweisen war indes der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruches (…), weil für ausländische Schiedssprüche an Stelle des Aufhebungsantrages nach § 1059 ZPO der Antrag nach § 1061 Abs. 2 ZPO tritt (Musielak/Voit, ZPO, 8. Aufl., § 1061 Nr. 2; vgl. auch Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 1059 Rn 1b).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der als unzulässig zurückgewiesene Antrag des Antragsgegners auf Aufhebung des Schiedsspruches hat keine besonderen Kosten veranlasst und stellt sich als verhältnismäßig geringfügiges Teilunterliegen dar.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 1064 Abs. 2 ZPO. Auch wenn das Gesetz ausdrücklich die vorläufige Vollstreckbarerklärung nur für den Fall anordnet, dass der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wird, hält der Senat es (wegen der Kosten) im Hinblick auf die eröffnete Rechtsbeschwerdemöglichkeit angezeigt, entsprechend den allgemeinen Regeln zur vorläufigen Vollstreckbarerklärung zu verfahren (vgl. MünchKommZPO/Münch, 3. Aufl., § 1064 Rn 9 m.w.N.).
Summary