Gericht | BayObLG | Aktenzeichen | 4Z Sch 23/99 | Datum | 15.12.1999 |
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Leitsatz | |||||
Hat sich eine Partei eines Schiedsverfahrens verpflichtet, "... von allen Rechtsmitteln, auf die sie verzichten kann, Abstand zu nehmen" (Art 24 Abs. 2 der ICC-Schiedsgerichtsordnung i.d.F. 1988), gilt dies nur für die in verschiedenen europäischen Staaten vorgesehene Möglichkeit der Anfechtung zur inhaltlichen Überprüfung von Schiedssprüchen durch staatliche Gerichte, nicht für das gerichtliche Aufhebungsverfahren nach dem 10. Buch der ZPO. Nach den Übergangsvorschriften des SchiedsVfG beurteilt sich ein schiedsrichterliches Verfahren (einschließlich der Notwendigkeit der Niederlegung), das vor dem 1.1.1998 begonnen hatte, nach dem bisher geltenden Recht. Ein schiedsrichterliches Verfahren ist unzulässig, wenn das Schiedsgericht den Rechtsstreit nach einer anderen als der ihm verbindlich durch Parteivereinbarung oder den ergänzenden gesetzlichen Bestimmungen vorgegebenen Rechtsordnung entscheidet. Ein Schiedsgericht ist bei der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Parteien in den Gründen ausdrücklich zu verbescheiden. Im Regelfall ist davon auszugehen, daß das Schiedsgericht seiner Verpflichtung nachgekommen ist, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein Verstoß läßt sich deshalb nur feststellen, wenn er sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt. | |||||
Rechtsvorschriften | § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO; Art. 4 § 1 Abs. 2 Satz 1 SchiedsVfG | ||||
Fundstelle | BB, Beilage 12 zu Heft 50/2000 (RPS), S. 16; Yearbook Comm. Arb'n XXVI (2001), S. 330f.; CLOUT Case 375 | ||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Aufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Schiedsspruch, inländisch, Abgrenzung; - ICC; - formelle Antragserfordernisse; - Präklusion, Ausschluss durch Parteivereinbarung Aufhebungs-/Versagungsgründe: - rechtliches | ||||
Volltext | |||||
I. Der Antrag auf Aufhebung des zwischen den Parteien ergangenen Schiedsspruchs des International Court of Arbitration ... wird abgelehnt. II. Die Antragstellerin hat die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen. III. Der Streitwert für das gerichtliche Verfahren wird auf 3,25 Mio. DM festgesetzt. G r ü n d e : I. A. Beide Parteien befassen sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Kraftfahrzeugtürschlössern. Ein Produkt der Antragsgegnerin ist das A-Schloß, für das sie unter anderem in Italien Patentschutz genießt. Die Parteien schlossen am 9.3.1993 einen Lizenz- und Know-how-Vertrag, der die Fertigung und den Vertrieb von Kfz-Türschlössern sowie deren mechanische und elektrische Betätigungsmechanismen und alle Abwandlungen, Weiterentwicklungen und Verbesserungen der Vertragsgegenstände betraf. Die Antragstellerin stellt unter anderem das B-Schloß her. Zwischen den Parteien entwickelte sich eine jahrelange Auseinandersetzung darüber, ob das B-Schloß unter den Schutzbereich des Patents der Antragsgegnerin fällt und vom Vertrags-Know-how Gebrauch macht. Nachdem eine Einigung nicht erzielt werden konnte, schlossen die Parteien unter dem 28.5./27.6.1996 einen Schiedsvertrag, wonach ein Schiedsgericht nach den Regeln der Internationalen Handelskammer Paris entscheiden sollte. B. Die Antragsgegnerin rief mit Schriftsatz vom 28.10.1996 das Schiedsgericht an. Sie begehrte festzustellen, daß das B-Schloß dem Lizenzvertrag unterfalle und damit lizenzpflichtig sei, hilfsweise, daß die im B-Schloß verwendete Sperrkurvengeometrie Know how im Sinne des Lizenzvertrages und daher lizenzgebührenpflichtig sei. Nach mündlichen Verhandlungen vom 17.11.1997 und 9.11.1998 erließ das Schiedsgericht den angegriffenen Schiedsspruch vom 28.1.1999, der dem Prozeßbevollmächtigten der Antragstellerin am 12.2.1999 zugestellt wurde. Das Schiedsgericht befand, daß das B-Schloß in der zentralverriegelten Form dem Lizenzvertrag vom 9.3.1993 unterfalle und damit lizenzgebührenpflichtig sei. Im übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens wurden mit 35 % zu 65 % zu Lasten der Schiedsklägerin und der Schiedsbeklagten verteilt. Mit Schriftsatz vom 3.5.1999, eingegangen am 5.5.1999, begehrt die Antragstellerin die Aufhebung dieses Schiedsspruchs. Sie stützt den Aufhebungsantrag auf § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d sowie auf § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO. Die Antragstellerin trägt hierzu vor, das schiedsrichterliche Verfahren habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 1042 Abs. 1 Satz 2 ZPO) verletzt, weil das Schiedsgericht den im Schriftsatz der Schiedsbeklagten vom 5.11.1998 angebotenen Beweis auf Erholung eines Gutachtens eines neutralen Sachverständigen für italienisches Patentrecht zum Beweis für die Richtigkeit der Ausführungen in dem Gutachten vom 29.10.1998 zur Anwendung italienischen Patentrechts und zur technisch-rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts nicht berücksichtigt und auch über die technisch-rechtliche Beurteilung des Sachverhalts durch den genannten Privatgutachter hinweggegangen sei (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO n.F.). Das völlige Schweigen des Schiedsspruchs zu der Frage, warum ein neutrales Sachverständigengutachten nicht notwendig gewesen sei, stelle einen schweren Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs dar. Das vorgelegte Privatgutachten habe sich nur mit Rechtsfragen befaßt und sei deshalb nicht verspätet gewesen. Der vom Schiedsgericht herangezogene Art. 69 EPÜ nebst Auslegungsprotokoll lege lediglich die Grundlage fest, auf welcher der Schutzbereich eines europäischen Patents zu bestimmen sei. Wie diese Bestimmung in den einzelnen Mitgliedstaaten anzuwenden sei, überlasse die EPÜ jedem Mitgliedstaat. Deshalb hätte das Schiedsgericht man-gels eigener Sachkunde im italienischen Patentrecht sachverständige Unterstützung in Anspruch nehmen müssen. Die Beschränkungswirkung des Standes der Technik nach italienischem Patentrecht sei völlig übersehen worden. Die Antragstellerin habe auf die Geltendmachung dieses Aufhebungsgrundes nicht verzichtet, da Art. 24 Nr. 2 der ICC-Verfahrensordnung nicht auf Aufhebungsverfahren anzuwenden sei. Mit der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör habe das Schiedsgericht darüber hinaus gegen den verfahrensrechtlichen ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO n.F.) verstoßen. Der Begriff der Äquivalenz werde in den unterschiedlichen Rechtsordnungen mit unterschiedlichem Inhalt verbunden, so daß das Schiedsgericht bei der Subsumtion des Sachverhalts unter italienisches Patentrecht sich hätte sachverständiger Hilfe bedienen müssen und dann möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Die Antragstellerin und Schiedsbeklagte beantragt daher, den zwischen den Parteien ergangenen Schiedsspruch des International Court of Arbitration, Case No. ... vom 28.1.1999 aufzuheben. Die Antragsgegnerin beantragt, den Aufhebungsantrag zurückzuweisen, hilfsweise die Sache an das Schiedsgericht zurückzuverweisen. Sie trägt zur Begründung vor, das schiedsrichterliche Verfahren beurteile sich nach dem bisherigen Recht, da es vor dem 1.1.1998 begonnen worden sei. Ein Aufhebungsgrund gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO n.F. liege nicht vor, weil die Antragstellerin durch die Vereinbarung der Anwendbarkeit der ICC-Verfahrensordnung (hier: Art. 24 i.d.F. v. 1.1.1988) im vorhinein auf die Geltendmachung dieses Grundes verzichtet habe. Diese Verfahrensrüge sei auch verzichtbar. Ein nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO berücksichtigungsfähiger Verfahrensverstoß liege ebenfalls nicht vor. Die Rechtssätze des italienischen Patentrechts seien zwischen den Parteien unstreitig. Die im Verfahren vorgelegten Gutachten kämen zu gleichen Ergebnissen, soweit es um die Anwendung der Äquivalenztheorie bei der Beurteilung der Frage des Schutzumfangs nach italienischem Patentrecht gehe. Das Schiedsgericht habe italienisches Patentrecht bei seiner Entscheidung angewandt. Das Schiedsgericht habe die Frage der Nichtigkeit des lizenzierten Schutzrechts nicht zu beurteilen gehabt, da diese Frage nicht schiedsfähig sei. Das Schiedsgericht habe in zulässiger Weise die Ermittlungen des anwendbaren ausländischen Rechts in die Disposition der Parteien gestellt und die Subsumtion hieraus richtig vorgenommen. Angebliche Begründungsmängel rechtfertigten nicht die Annahme der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Eine Kontrolle des Inhalts des Schiedsspruchs sei im Verfahren nach § 1059 ZPO n.F. nicht zulässig. II. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. A. 1. a) Auf das gerichtliche Verfahren ist das neue Recht anzuwenden, weil der Antrag auf gerichtliche Aufhebung des Schiedsspruchs nach dem 1.1.1998 gestellt wurde (Art. 4 § 1 Abs. 3 SchiedsVfG). b) Der Antrag kann auf Aufhebung des Schiedsspruchs gerichtet sein, weil es sich bei dem angegriffenen Schiedsspruch um einen inländischen handelt (§ 1059 i.V.m. § 1061 Abs. 2 ZPO). Maßgebend für die Qualifikation des Schiedsspruchs als deutscher oder ausländischer ist der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1025 Abs. 1 ZPO), wobei die Parteien in der Bestimmung des Ortes freie Hand haben (§ 1043 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies gilt auch wenn die Parteien, wie hier, die Anwendung der Verfahrensordnung der Internationalen Handelskammer in Paris vereinbart haben, weil danach die Parteien über das anwendbare Verfahrensrecht bestimmen können (Art. 11 ICC-Schiedsgerichtsordnung v. 1.1.1988; BGH NJW 1986, 1436). Im vorliegenden Fall haben die Parteien im Schiedsvertrag vom 28.5./27.6.1996 München als Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens vereinbart. c) Der Antrag ist fristgerecht erhoben (§ 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Der Schiedsspruch wurde dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 12.2.1999 zugestellt (§ 1059 Abs. 3 Satz 2 ZPO), der Antrag ging innerhalb der Drei-Monats-Frist am 5.5.1999 bei Gericht ein. 2. Die sachliche Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts ergibt sich aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 6a GZVJu. Die örtliche Zuständigkeit ist gegeben, weil der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Gerichtsbezirk des Bayerischen Obersten Landesgerichts liegt (§ 1062 Abs. 1 ZPO). 3. Der Aufhebungsantrag ist entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht wegen Verzichts der Antragstellerin auf die Geltendmachung der in § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO normierten Aufhebungsgründe unzulässig. Mit der Vereinbarung der Anwendung der Verfahrensregeln der Internationalen Handelskammer in Paris hat die Antragstellerin sich unter anderem verpflichtet, "von allen Rechtsmitteln, auf die sie verzichten kann, Abstand zu nehmen" (Art. 24 Abs. 2 der VfO i.d.F. 1988). Mit dem Ausschluß von Rechsmitteln sollte jedoch nur die in verschiedenen europäischen Staaten vorgesehene Möglichkeit der Anfechtung zur inhaltlichen Überprüfung von Schiedssprüchen durch staatliche Gerichte ausgeschlossen werden. Der Verzicht erstreckt sich demnach nicht auf das gerichtliche Aufhebungsverfahren nach dem 10. Buch der ZPO, also auch auf die dispositiven Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 (für das alte Recht: BGH NJW 1986, 1436 = WM 1985, 1485/1486). Dieser Rechtsprechung hat sich auch die herrschende Meinung in der Literatur angeschlossen (Zöller/Geimer ZPO 20. Aufl. § 1041 a.F. Rn. 23; Musielak/Voit, ZPO § 1041 a.F. Rn. 23; Münchner Kommentar/Maier ZPO § 1041 a.F. Rn. 5; Baumbach/Albers ZPO 54. Aufl. § 1041. a.F. Rn. 3). Der Verzicht auf die Geltendmachung einzelner Aufhebungsgründe nach ihrer Entstehung im schiedsrichterlichen Verfahren wurde weitgehend für zulässig erachtet, für den Verstoß gegen den ordre public (§ 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F.) jedoch ausgeschlossen (Musielak/Voit aaO). Die Neugestaltung des Aufhebungsverfahrens nach den §§ 1059 ff. ZPO n.F. bietet keinen Anlaß, von der bisherigen Rechtsauffassung zur Frage der Disponibilität des Aufhebungsverfahrens abzuweichen (Zöller/Geimer ZPO 21. Aufl. § 1059 Rn. 2; Baumbach/Albers ZPO 57. Aufl. § 1059 Rn. 2; Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 1059 Rn. 1). Die Antragstellerin hat nachträglich auf die Geltendmachung eines Aufhebungsgrundes nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO nicht verzichtet. 4. Das Aufhebungsverfahren ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Schiedsspruch entgegen § 1039 Abs. 3 ZPO a.F. nicht niedergelegt wurde. Zwar beurteilt sich das schiedsrichterliche Verfahren nach dem bisher geltenden Recht, weil es vor dem Inkrafttreten der Neufassung der ZPO zum 1.1.1998 begonnen hatte (Art. 4 § 1 Abs. 2 Satz 1 SchiedsVfG). Jedoch haben die Parteien mit der Vereinbarung der ICC-Vergleichs- und Schiedsgerichtsordnung i.d.F. 1988 insoweit wirksam auf eine Niederlegung verzichtet (vgl. dort Art. 23 Abs. 3 i.V.m. Art. 4 § 1 Abs. 2 Satz 2 SchiedsVfG). B. Der Antrag hat keinen Erfolg. 1. Der Schiedsspruch vom 28.1.1999 beruht nicht auf einem unzulässigen Verfahren (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1d ZPO). Ein schiedsgerichtliches Verfahren ist unzulässig, wenn das Schiedsgericht zu seiner Durchführung nach den Parteivereinbarungen oder den ergänzenden gesetzlichen Bestimmungen der ZPO nicht befugt war. Zu diesen bestimmenden Verfahrensvorschriften gehören auch die Regelungen einer institutionellen Verfahrensordnung - hier die ICC-Vergleichs- und Schiedsgerichtsordnung -, der die Parteien sich unterworfen haben (BGH WM 1985, 1485/1486 = NJW 1986, 1436 = RIW 1985, 972 m.w.N.). Von dieser Entscheidungsgrundlage wiche ein Schiedsgericht u. a. dann ab, wenn es den Rechtsstreit nach einer anderen als der ihm verbindlich vorgegebenen Rechtsordnung entschiede (BGH aaO mit zahlreichen weiteren Nachweisen). a) Zwar haben die Parteien im Lizenzvertrag vom 9.3.1993 vereinbart, daß dieser Vertrag deutschem Recht unterliegt (Ziff. 18) und für die Auslegung des Vertragstextes die deutsche Sprache maßgebend sei (Ziff. 17). Auch im Schiedsvertrag vom 28.5./27.6.1996 wurde die Anwendung deutschen Rechts für das Schiedsverfahren vereinbart (Ziff. 5). Dennoch hat das Schiedsgericht für die Beurteilung des Schutzbereichs des streitigen italienischen Patents in bezug auf das Vertragsverhältnis unabhängig von vorstehenden Vereinbarungen die Anwendung italienischen Patentrechts deshalb für notwendig erachtet, weil sich die Schiedsklägerin auf ein italienisches Patent berufen hat und der Schutzbereich dieses Patents nur nach italienischem Recht bewertet werden kann. Dies wurde den Parteien bekanntgegeben und von diesen akzeptiert. Auch wurde den Parteien in der Sitzung vom 17.11.1997 Gelegenheit gegeben, sich zum Schutzbereich des Patents nach italienischem Recht bis zum 13.1.1998 zu äußern. An diese Vorgabe hat sich das Schiedsgericht gehalten. Erkenntnisquellen zum Umfang des Schutzbereichs nach italienischem Patentrecht, insbesondere auch zum Umfang des Patentschutzes nicht nur auf wortlautgemäße Verwirklichung, sondern auch auf Äquivalente, ergaben sich aus den von der Antragstellerin vorgelegten Gutachten vom 11.2.1998 und vom 29.10.1998. Das Schiedsgericht ging bei seiner Entscheidung von den dort dargestellten Grundsätzen zum italienischen Patentrecht aus, die sich mit den eigenen Feststellungen des Schiedsgerichts zum italienischen Patentrecht deckten. Deshalb könnte selbst dann, wenn ein Verfahrensfehler bei der Feststellung des italienischen Patentrechts gemacht worden wäre, nicht angenommen werden, daß sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1d ZPO). Das Schiedsgericht hat zur Beurteilung des Schutzumfangs auch die Grundsätze zu Art. 69 EPÜ i.V.m. dem Auslegungsprotokoll aufgrund der Ausführungen des Giuri della proprietà industriale vom 20.1.1997 (GRUR Int. 1998, 326 ff.) herangezogen (insoweit zustimmend Schiuma GRUR Int. 1998, 291, 297). Ob das Schiedsgericht das angewandte italienische Patentrecht richtig ausgelegt hat, entzieht sich der Prüfungskompetenz des staatlichen Gerichts (Zöller/Geimer ZPO 21. Aufl. § 1059 Rn. 43 unter Bezugnahme auf BGH WM 1985, 1845/1846). Die von der Antragstellerin vorgetragene Beschränkungswirkung des Standes der Technik wurde dem Schiedsgericht durch die Ausführungen des Gutachtens vom 29.10.1998 in rechtlicher und technischer Hinsicht erläutert. Das Schiedsgericht hat sich mit diesem Problem befaßt, eine Auswirkung auf den Schiedsspruch jedoch ausgeschlossen, weil dieser Einwand nach italienischem Recht zwar in einem Patentverletzungsverfahren, nicht aber in der vorliegenden Lizenzstreitigkeit zu berücksichtigen sei. Die Richtigkeit dieser Beurteilung des Schiedsgerichts ist der Prüfung im gerichtlichen Verfahren wiederum entzogen. b) Das Schiedsgericht hat auch nicht das der Antragstellerin zustehende rechtliche Gehör dadurch verletzt, daß es den im Schriftsatz vom 5.11.1998 enthaltenen Beweisantrag auf Erholung eines Sachverständigengutachtens weder in der Sitzung vom 9.11.1998 noch im Schiedsspruch vom 28.1.1999 ausdrücklich verbeschieden hat. Schiedsgerichte haben - nach allgemeiner Meinung - rechtliches Gehör in wesentlich gleichem Umfang wie staatliche Gerichte zu gewähren. Es erschöpft sich nicht darin, den Parteien Gelegenheit zu geben, alles ihnen erforderlich erscheinende vorzutragen (BGH WM 1983, 270), sondern das Vorgetragene zur Kenntnis zu nehmen, und in Erwägung zu ziehen (BGH WM 1985, 1485/1487). Allerdings muß das Schiedsgericht wie auch andere Gerichte nicht jedes Vorbringen der Parteien in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich verbescheiden (BVerfG NJW 1956, 1026). Im Regelfall ist davon auszugehen, daß das Schiedsgericht seiner Verpflichtung nachgekommen ist, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht läßt sich deshalb nur feststellen, wenn er sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (BVerfG NJW 1967, 1955; 1989, 2611). Da es auch genügt, einen Beweisantrag erst in den Gründen des Schiedsspruch abzulehnen (OLG Köln RIW 1993, 501), kann sich das Fehlen einer ausdrücklichen Ablehnung des Beweisantrages solange nicht auf den Schiedsspruch ausgewirkt haben, als nicht aus dieser Tatsache in der Zusammenschau mit den übrigen Umständen des Falles sich die Annahme rechtfertigt, das Schiedsgericht habe den dem Beweisantrag zugrunde liegenden Parteivortrag der Antragstellerin nicht zur Kenntnis genommen und erwogen. Derartige Feststellungen lassen sich dem Schiedsspruch nicht entnehmen. In bezug auf die Feststellungen des anzuwendenden italienischen Patentrechts hat das Schiedsgericht ausdrücklich die gutachterliche Äußerung vom 29.10.1998 mit dem aufgezeigten Bewertungsmaßstab zugrunde gelegt. Daß das Schiedsgericht bei der Bewertung der technischen Merkmale als identisch oder äquivalent nicht zu gleichen Ergebnissen kam wie der Gutachter, also eine abweichende Subsumtion vornahm, bedeutet nicht, daß das Schiedsgericht insoweit diese Ausführungen nicht erwogen hat. Die technischen Ausführungen beider Schlösser sind zwischen den Parteien unstreitig. Das zu diesem Zeitpunkt bereits vollständige Vorliegen der technischen Beurteilungsgrundlagen wird von der Antragstellerin dadurch bestätigt, daß sie vorträgt, im Gutachten vom 29.10.1998 sei kein neuer Tatsachenvortrag enthalten, den das Schiedsgericht wegen Verspätung nicht hätte berücksichtigen müssen. Die Konstruktionen beider Schlösser sind technisch nicht besonders aufwendig, so daß es zu der vom Schiedsgericht geforderten Subsumtion der technischen Ausführung beider Schlösser unter die Begriffe Identität und Äquivalenz nach italienischem Patentrecht keiner speziellen Sachkunde bedurfte. Patentrechtliche Sachkunde wurde den von den Parteien benannten Schiedsrichtern auch von der Antragstellerin nicht abgesprochen, zumal ein Beisitzer als Vorsitzender eines Senats für Patentstreitigkeiten am Oberlandesgericht München ständig mit derartigen Subsumtionsaufgaben befaßt ist. Die Sachkunde aller Mitglieder eines Kollegialgerichts ist nicht erforderlich (BGH MDR 1961, 784). Deshalb greifen die von der Antragstellerin vorgetragenen Bedenken bezüglich der Sachkunde des Vorsitzenden nicht durch. Zum italienischen Patentrecht hat die Antragstellerin die vom Schiedsgericht verwerteten Grundlagen vorgetragen. 2. Die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs würde nicht gegen die öffentliche Ordnung verstoßen (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO). Die von der Antragstellerin behauptete Nichtgewährung rechtlichen Gehörs durch das Schiedsgericht wäre als Unterfall des verfahrensrechtlichen ordre public ein Aufhebungsgrund im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO (BT-Drucks. 13/5274, S. 59). Bei dem verfahrensrechtlichen ordre public handelt es sich um den der Bundesrepublik Deutschland, der auch den ordre public international umfaßt (BT-Drucks. aa0). Da das Schiedsverfahren vor dem 1.1.1998 begonnen hatte, bestimmt sich der Umfang des rechtlichen Gehörs nach § 1041 Abs. 1 Nr. 4 ZPO a.F. In Rechtsprechung und Literatur war bereits vor der Gesetzesänderung weitgehend anerkannt, daß zwischen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs und dem Inhalt der angegriffenen Entscheidung ein kausaler Zusammenhang bestehen muß (BGH NJW 1990, 2199/2200; Stein-Jonas-Schlosser ZPO 21. Aufl. § 1041 Rn. 36). Daher sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen eines Verfahrensverstoßes nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1d und § 1059 Abs. 2 Nr. 2b ZPO n.F. gleich zu beurteilen, so daß auch bezüg-lich des behaupteten ordre-public-Verstoßes die oben unter Ziffer 1 gegebene Begründung gilt. Danach kann aus der Tatsache, daß das Schiedsgericht bei der Subsumtion der technischen Vorgaben unter das festgestellte italienische Patentrecht zu Ergebnissen kommt, die dem auf ein Privatgutachten gestützten Parteivortrag widersprechende Ergebnisse kommt, kein Schluß darauf gezogen werden, daß das Schiedsgericht den Parteivortrag der Antragstellerin nicht zur Kenntnis genommen und erwogen hat. C. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. 2. Streitwert: Der Wert des schiedsrichterlichen Ausspruchs wurde von der Antragsgegnerin mit 5 Mio. DM beziffert. Die Antragstellerin hat dem nicht widersprochen. Dieser Wert ist dem gerichtlichen Aufhebungsverfahren zugrundezulegen. Aus der Kostenaufteilung des Schiedsgerichts ergibt sich, daß die Antragstellerin dort mit 65% unterlegen ist. Die Antragstellerin hat den Schiedsspruch nur insoweit angegriffen als sie unterlegen ist. Da der Streitwert des Aufhebungsantrags dem Wert des angegriffenen Teils entspricht (Zöller/Herget, ZPO 21. Aufl., § 3 Rn. 16: Schiedsrichterliches Verfahren), war der Streitwert des gerichtlichen Verfahrens auf 3,25 Mio. DM festzusetzen (§ 3 ZPO). | |||||
Summary | |||||
Bay ObLG (Bavarian Highest Regional Court), Order of December 15, 1999 - 4 Z Sch 23/99 Setting aside of arbitral award R u l i n g: If a party to an arbitration is deemed "... to have waived their right to any form of appeal ..." (Art. 24 sub. 2 ICC Arbitration Rules of 1988), such waiver applies only to the right - provided for in a number of European states - to apply to the state courts for a review of an award on its merits. The waiver does not apply to an application to set aside an award pursuant to Book X of the ZPO (Code of Civil Procedure). Pursuant to the transitional provisions of the "Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz" (Arbitral Proceedings Reform Act), arbitral proceedings commenced before 1 Jan 1998 are governed by the law previously in force. For the purpose of Sec. 1059 sub. 2 No. 1d ZPO, an arbitral award may be set aside if the arbitral tribunal decides the dispute on the basis of rules of law other than those agreed to definitively by the parties or determined by supplementary statutory provisions. For the purpose of due process, an arbitral tribunal is not required to rule expressly on every argument advanced by the parties. It must be assumed that the arbitral tribunal has fulfilled its obligation to take note of and consider the arguments of the parties. A violation of this obligation can only be determined if the specific circumstances of the case warrant such assumption. F a c t s: Both parties to the arbitration are manufacturers and distributors of car locks. In 1993 the parties entered into a license agreement concerning the manufacture and distribution of locks. The defendant produces A-lock, for which it holds a patent under Italian law. The applicant produces B-lock. A dispute arose concerning the question whether the B-lock was covered by the opponent’s patent for the A-lock and whether any royalties were due. The dispute was submitted to arbitration under the ICC Rules. The arbitral tribunal ruled in favour of the defendant. The applicant, seeking to set aside the award, argued that the arbitral tribunal did not have the required knowledge of Italian patent law and had therefore been under a duty to call for a neutral expert opinion. Even though the applicant had offered such an opinion, the tribunal had neither ordered one nor given any reasons for its decision. This, in the applicant’s view, constituted a violation of the applicant’s right to be heard and a ground for the setting aside of the award under Sec. 1059 sub. 2 No. 1d (arbitral procedure) as well as Sec. 1059 sub. 2 No. 2b (ordre public) ZPO. G r o u n d s: 1. The application to set aside the award is admissible. Though the arbitral proceedings were begun prior to 1 Jan. 1998, the provisions of Book X of the Code of Civil Procedure (version of 1998) apply to the motion to set aside the award, since the proceedings before the state court were commenced after 1 Jan. 1998. Since the place of arbitration (Munich) is located in Germany, the arbitral award is a domestic arbitral award, and consequently, an application to set aside the award can be filed (Sec. 1059 and Sec. 1061 sub. 2 ZPO). The application to set aside the award was filed within the three-month time-limit provided for in Sec. 1059 sub. 3, sentence 2 ZPO. Art. 24 sub. 2 of the ICC Arbitration Rules of 1988 does not constitute a waiver of the grounds for setting aside an award pursuant to Sec. 1059 sub. 2 No. 1 ZPO. It is merely a waiver of the right to seek a review of the arbitral award on the merits before state courts. The arbitral proceedings are governed by Book X of the Code of Civil Procedure (version in force prior to 1 Jan. 1998). In this case, deposition of the arbitral award was not required (Sec. 1039 sub. 3 ZPO - version in force prior to 1 Jan. 1998), since the parties have waived this requirement (Art. 23 sub. 3 of the ICC Arbitration Rules of 1998). 2. The application is not founded in law. (a) The award does not result from a procedure which was not in accordance with the parties' agreement or applicable statutory provision (Sec. 1059 sub. 2 Nr. 1d ZPO). Such would have been the case if the arbitral tribunal had applied a different law to the substance of the dispute than the one agreed to by the parties. However, in this case the arbitral tribunal considered application of Italian law (instead of German law, which the parties had agreed on initially) peremptory, since the applicant had relied on an Italian patent, and the extent of the patent rights could only be determined by Italian law. The tribunal communicated its views to the parties, who accepted it and were given an opportunity to argue on Italian law. Under German Law, courts do not have the power to review an arbitral award on the merits. Therefore, the Court cannot review whether the tribunal has applied Italian patent law correctly. It can only review whether any mistakes have been made in establishing the relevant principles of Italian law. The facts show that the arbitral tribunal decided the dispute on the basis of earlier expert opinions submitted by the applicant, which coincided with the arbitral tribunal's own findings as to the relevant legal provisions. Thus, even if the determination of these principles was erroneous, such an error would not have led to a different award, and, therefore, does not justify the setting aside of the award. It is also apparent from the award itself that the tribunal has considered technical arguments raised by the applicant, but came to the conclusion that they were not relevant in these proceedings. Again, this conclusion is not subject to review by the state courts. The fact that the arbitral tribunal has not given reasons for its decision not to seek an expert opinion does not violate the applicant’s right to be heard. The arbitral tribunal - like a state court - is obliged to give to the parties an opportunity to present all arguments they consider relevant and to take note of such arguments. But, like other courts, the arbitral tribunal is not obliged to address expressly in the arbitral award all arguments raised by the parties. In the absence of any indication to the contrary, it is assumed that the tribunal has complied with its duty to hear and consider all submissions by the parties. A violation of this duty can only be assumed under special circumstances. (b) Enforcement of the award does not violate the ordre public (Sec. 1059 sub. 2 Nr. 2b ZPO). Failure to grant the applicant audience would constitute a violation of the German procedural ordre public (which includes the ordre public international). Already under the previous version of the Code of Civil Procedure it was recognised that there must be a causal link between the violation of the ordre public and the outcome of the decision under scrutiny. Thus, for the same reasons as in respect of Sec. 1059 sub. 2 No. 1d ZPO, the argument that the applicant's right to be heard was infringed, is dismissed. |