6 Sch 19/12


Gericht OLG Hamburg Aktenzeichen 6 Sch 19/12 Datum 21.12.2012
Leitsatz
Rechtsvorschriften§ 1032 Abs. 2 ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAntrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens
Volltext
B E S C H L U S S
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin, festzustellen, dass das von der Antragsgegnerin mit Schiedsklage an die DIS-Hauptgeschäftsstelle eingeleitete schiedsrichterliche Verfahren unzulässig ist, wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens.
Die Parteien sind im Großhandel von Sanitär- und Haustechnik tätig.
Die Parteien schlossen einen Kooperationsvertrag mit dem Ziel einer langfristi-gen Zusammenarbeit (Anl. K 4 im Anlagenkonvolut K1). § 21 Abs. 5 des Vertrages enthält eine Schiedsklausel mit folgendem Wortlaut
"Alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder über seine Gültigkeit ergeben, werden nach der Schiedsgerichtsordnung der deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeiten e. V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden. Das Schiedsgericht entscheidet mit einem Schiedsrichter. Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist Hamburg. Das schiedsrichterliche Verfahren wird in deutscher Sprache durchgeführt. Verlangt zwingendes Recht die Entscheidung einer Angelegenheit aus und im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder seiner Durchführung durch ein ordentliches Gericht "ist der Gerichtsstand Hamburg.“
Mit Schreiben erklärte die Antragstellerin die Kündigung des Kooperationsver-trags mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund (Anl. K 3 - K 6).
Die Antragsgegnerin reichte bei der DIS-Hauptgeschäftsstelle eine Schiedsklage ein (Anl. K1). Im Rahmen einer Stufenklage beantragt sie dort zunächst, die Antragstellerin zu verurteilen, ihr Auskunft darüber zu erteilen, welche Einkaufsvorteile, Skonti, Boni u.a. die Gesellschaften der Unternehmensgruppe der Antragstellerin erhalten haben.
Die Antragstellerin hält die Durchführung des Schiedsverfahren für unzulässig. Die vollständige Kündigung des Hauptvertrages umfasse auch die Schiedsklausel in § 21 Abs. 5. Das Vertragsverhältnis sei vollständig beendet. Das zeige sich auch darin, dass ihre Geschäftsführerin (…) sogleich zum (…) als Vorstand der zur Unternehmensgruppe der Antragsgegnerin gehörenden X Holding AG ausgeschieden sei.
Die Erstreckung der Kündigung auf die Schiedsklausel entspreche deren Sinn und Zweck. Denn ausweislich der Präambel des Vertrages sei es Ziel der Beteiligten gewesen, eine dauerhafte Kooperation zwischen beiden Unternehmensgruppen einzugehen mit dem Ziel, unternehmerische Synergien zu erzielen. Die Schiedsklausel habe demzufolge gewährleisten sollen: das Bemühen um eine einvernehmliche Lösung im Konfliktfall, ein vertrauliches Verfahren vor der DIS unnter Ausschluss des ordentlichen Gerichtswegs und insbesondere der Gerichtsöffentlichkeit, eine Abkürzung des Instanzenweges und die Aufrechterhaltung der in der Präambel niedergelegten Absichten und Ziele der Parteien. Die Absichten und Ziele der Vertragsparteien seien mit der Schiedsklausel gem. § 21 Abs. 5 des Vertrages unweigerlich derart miteinander verknüpft, dass sie i.S.v, § 139 BGB miteinander stehen und fallen sollten. Damit sei auch die Geschäftsgrundlage für die Schiedsklausel weggefallen.
Die Aufhebung der Schiedsklausel durch die vollständige Vertragskündigung werde auch dadurch gestützt, dass die Beteiligten im Zusammenhang mit dem Kooperationsvertrag weitere Einzelvereinbarungen geschlossen hätten, die allgemeine Gerichtsstandklauseln enthielten bzw. weder eine Schiedsgericht- noch eine Gerichtsstandklausel (Anl. K 8 - K11).
Unabhängig davon habe die Antragsgegnerin gem. § 242 BGB ihr Recht verwirkt, sich auf die Schiedsklausel in § 21 Abs. 5 des Kooperationsvertrages zu berufen. Denn sie habe nach der Kündigung fast 21 Monate gewartet, bevor sie die Schiedsklage erhoben habe.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass das von der Antragsgegnerin mit Schiedsklage gerichtet an die DIS-Hauptgeschäftsstelle Köln - erhobene schiedsrichterliche Verfahren unzulässig ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin meint, wegen des Trennungsprinzips zwischen Schiedsvereinbarung und Hauptvertrag wirke sich die Kündigung des Kooperationsvertrages auf den geschlossenen Schiedsvertrag nicht aus. Die mit der Schiedsklausel verfolgten Ziele seien durch die Kündigung des Hauptvertrages auch nicht weggefallen. Von einer Verwirkung könne schon deshalb nicht die Rede sein, weil sie sich in den vergangenen 21 Monaten kontinuierlich um eine außergerichtliche Einigung mit der Antragstellerin bemüht habe (Anl. B 1 - B 3). Die Antragstellerin habe sich daher nicht darauf verlassen dürfen, dass sie die Ansprüche nicht vor dem Schiedsgericht geltend machen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
1\.
Der Antrag ist gem. § 1032 Abs. 2 ZPO zulässig. Nach dieser Vorschrift kann bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden. Das Schiedsgericht hat sich gem. § 17. 3 DIS-Schiedsgerichtsordnung erst mit der Bestellung des Einzelschiedsrichters durch die DIS-Hauptgeschäftsstelle konstituiert (Anl. K17). Der Antrag gem. § 1032 Abs. 2 ZPO war schon zuvor beim Oberlandesgericht eingegangen.
Die Zuständigkeit des Senats folgt aus § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Danach ist für Verfahren gem. § 1032 Abs. 2 ZPO das Oberlandesgericht zuständig, das in der Schiedsvereinbarung bezeichnet ist oder, wenn eine solche Bezeichnung fehlt, in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt. Nach § 21 Abs. 5 S. 3 Kooperationsvertrag ist Hamburg der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens (Anl. K1).
Die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung ist nicht angezeigt. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist der Sachverhalt, soweit er die Entscheidung gem. § 1032 Abs. 2 ZPO betrifft, übersichtlich und auch die rechtliche Beurteilung ist nicht schwierig. Der durch eine Antragstellung nach § 1032 Abs. 2 ZPO eröffnete Prüfungsrahmen beschränkt sich darauf, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung vorliegt, diese durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt (vgl. Urteil des Senats vom 07.09,2009, Az. 6 SchH 4/08, HmbSchRZ2009, 7; BayObLG NJW-RR 2003, 323). Ob die Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO Insgesamt selten sind, kann für die Frage, ob eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist, auch nicht maßgeblich sein.
2\.
Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des von der Antragsgegnerin eingeleiteten Schiedsverfahrens ist unbegründet. Die Parteien haben in § 21 Abs. 5 des Kooperationsvertra-ges eine Schiedsvereinbarung getroffen. Danach werden Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder über seine Gültigkeit ergeben, nach der DIS-Schiedsgerichtsordnung durch einen Einzelschiedsrichter entschieden. Die Schiedsklage der Antragsgegnerin fällt in den sachlichen Anwendungsbereich der Schiedsklausel, die insoweit weiterhin gültig ist.
a) Die Kündigung des Kooperationsvertrages berührt die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nicht. Diese bleibt gültig für alle Streitigkeiten, die in ihren sachlichen Anwendungsbereich fallen. Das ergibt sich aus der in § 1040 Abs. 1 S. 2 ZPO postulierten Trennung von Schiedsvereinbarung und Hauptvertrag. Danach ist eine Schiedsklausel als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln. Das Trennungsprinzip führt dazu, dass die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung unabhängig davon ist, ob der Hauptvertrag zu Stande gekommen, nichtig, durch Rücktritt aufgehoben, gekündigt oder geändert worden ist (vgl. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3, Aufl., Rn. 532). Das bringt § 21 Abs. 5 Kooperationsvertrag zudem dadurch zum Ausdruck, dass die Schiedsvereinbarung auch für alle Streitigkeiten gilt, die über die Gültigkeit des Kooperationsvertrages geführt werden. Im Übrigen erstreckt sich die Schiedsklausel auf alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit dem Kooperationsvertrag ergeben. Die von der Antragsgegnerin angestrengte Schiedsklage fällt in den beschriebenen sachlichen Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung, weil sie als Rechtsgrund für den geltend gemachten Anspruch § 12 und § 18 des Kooperationsvertrags benennt (S. 9 der Schiedsklage / Anl. K1).
Ohne Erfolg bezieht sich die Antragsgegnerin auf den Beschluss des OLG München vom 04.09.2006, Az. 34 SchH 006/06 (BeckRS 2006,10841). Dort wird zwar ausgeführt, dass sich die Kündigung des (…) Vertrages zum 31.08.1999 auch auf die Schiedsvereinbarung erstrecke. Das OLG München stellt aber später klar, dass die Schiedsklausel deshalb nicht grei-fe, weil der Schiedsvertrag lediglich für Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem (…)-Vertrag gelte. Um solche Ansprüche ging es bei den dort streitgegenständlichen Ansprüchen aber nicht. Dagegen fällt der von der Antragsgegnerin mit der Schiedsklage verfolgte Anspruch in den sachlichen Anwendungsbereich der Schiedsvereinbarung.
b) Die Schiedsklage widerspricht nicht dem Sinn und Zweck der vertraglichen Schiedsklausel. Eine Schiedsvereinbarung bezweckt, dass Streitigkeiten, die nicht einvernehmlich erledigt werden können, nicht durch ein staatliches Gericht entschieden werden, sondern durch ein Schiedsgericht. Unerheblich ist dabei, ob die ersten Vertragsentwürfe keine Schiedsklausel enthielten (Anl. K19).
Kommt es zu einem Streit, der in eine Beendigung der Vertragsbeziehung mündet, lässt sich mithin nicht argumentieren, damit sei auch eine vereinbarte Schiedsklausel obsolet geworden. Der Hinweis der Antragstellerin auf die in der Präambel genannten positiven Vertragszwecke geht daher fehl. Wenn sich die Parteien so sehr streiten, dass eine Partei den Vertrag fristlos kündigt, entfällt auch nicht die Geschäftsgrundlage für die Schiedsklausel, sondern wird der mit ihr verfolgte Zweck vielmehr erst wirksam, nämlich Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht an Stelle der staatlichen Gerichte entscheiden zu lassen.
c) Unerheblich ist, ob die Parteien in anderen Einzelvereinbarungen keine Schiedsvereinbarung getroffen haben. Die Frage, ob Streitigkeiten vor den staatlichen Gerichten oder vor einem Schiedsgericht auszutragen sind, ist für jeden Vertrag autonom zu beurteilen. Hier macht die Antragsgegnerin Ansprüche geltend, die sie unmittelbar auf die im Kooperationsvertrag eingegangenen Verpflichtungen stützt. Für genau diesen Fall wurde in § 21 Abs. 5 Kooperationsvertrag eine Schiedsvereinbarung getroffen. Auf § 9 „Gerichtsbarkeit" des Entwurfs einer Beendigungsvereinbarung (Anl. K 20) kommt es nicht an, weil die Antragsgegnerin nicht zugestimmt hat.
d) Die Antragsgegnerin hat ihr in § 21 Abs. 5 Kooperationsvertrag vereinbartes Recht, im Streitfall ein Schiedsgericht nach der DIS-Schiedsgerichtsordnung anzurufen, nicht verwirkt. Die Grundsätze der Verwirkung gelten zwar auch im Prozessrecht einschließlich des Anspruchs auf gerichtliche Klärung (vgl. BGH NJW2011, 1833 Tz. 21 ff; Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 242 Rn. 89). Es bestehen aber Zweifel, ob das auch die Entscheidung betreffen kann, ob ein Schiedsgericht oder die staatlichen Gerichte zuständig sind. Unabhängig davon fehlt es jedenfalls an dem für eine Verwirkung erforderlichen Zeitmoment. Eine Verwirkung ist ausgeschlossen, wenn der Berechtigte durch Mahnung, Widerspruch oder in sonstiger Weise zu erkennen gegeben hat, dass er auf seinem Recht beharrt (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 242 Rn. 94). So liegen die Dinge hier. Die Antragsgegnerin ist zwischen der Kündigung und der Einreichung der Schiedsklage nicht untätig geblieben, sondern hat ausweislich der Anwaltsschriftsätze mit der Antragstellerin verhandelt (Anl. B 1 - B 3).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Summary