10 Sch 04/10


Gericht OLG Naumburg Aktenzeichen 10 Sch 04/10 Datum 04.03.2011
Leitsatz
Rechtsvorschriften
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
Stichworte
Volltext
B E S C H L U S S
Der Schiedsspruchs des ICC International Court of Arbitration (Internationale Handelskammer - Internationaler Schiedgerichtshof) vom 11. Juni 2010 - Case No. 15805/JHN - wird gegen die Antragsgegnerin für vollstreckbar erklärt.
Die Kosten des Rechtstreits werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Dieser Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 438.359,37 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Parteien streiten über Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des angeführten Schiedsspruchs.
I.
Die Antragstellerin ist aufgrund Insolvenzedikts des Landesgerichts für Zivilrechtssachen in G. (Österreich) vom 26. November 2010 - Geschäftsnummer: … - zur Insolvenzverwalterin der Firma A. (nachfolgend: Schuldnerin) bestellt. Sie hat das vorliegende, zwischenzeitlich unterbrochene Verfahren in dieser Funktion aufgenommen.
Die Rechtsvorgängerin der Schuldnerin - die Firma E.- und die Antragsgegnerin schlössen am 10. März 2004 u. a. zur gemeinsamen Durchführung eines von der Firma L nachfolgend am 16. März 2004 erteilten Auftrags über die Planung, Lieferung, Montage, Inbetriebnahme und Übergabe einer Biomasse-Erzeugungsanlage am Standort B. einen sog. Konsortialvertrag (Anlage AS2 …).
In dessen Ziffer 16. vereinbarten die Konsorten:
1. Schiedsgericht
Die Konsorten werden versuchen, alle sich ergebenden Streitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten einvernehmlich zu lösen. Sollte eine solche Einigung innerhalb angemessener Frist nicht möglich sein, so werden diese Streitigkeiten von einem Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer in Paris nach deren Schiedsgerichtsordnung durch drei Schiedsrichter endgültig entschieden. Das Schiedsgericht hat nach Schweizer materiellem Recht zu urteilen. Das Schiedsgericht soll in Zürich tagen, Verfahrenssprache ist deutsch.
Nachdem die Konsorten die mit L. vertraglich vereinbarten Terminsvorgaben nicht eingehalten hatten, kam es zwischen ihnen zum Streit über die Fragen der Ursachen und Haftung für die Verzögerungen.
Die Schuldnerin reichte am 06. April 2009 Klage zum ICC International Court of Arbitration (Internationale Handelskammer - Internationaler Schiedsgerichtshof) ein und begehrte von der Antragsgegnerin in der Hauptsache zuletzt Zahlung von 1.437.689,88 EUR, diese widerklagend von der Schuldnerin 34.147,70 EUR.
Das Schiedsgericht verpflichtete die Antragsgegnerin durch Endschiedsspruch vom 11. Juni 2010 in der Hauptsache unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von 438.359,37 EUR an die Schuldnerin und auf die Widerklage diese in der Hauptsache zur Zahlung von 24.186,49 EUR. Wegen der weiteren Einzelheiten des Endschiedsspruchs wird auf dessen vollständig vorgelegte beglaubigte Abschrift Bezug genommen (Anlage AS3, ...).
Die Antragstellerin beantragt,
wie erkannt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.
Sie hat gegen diesen Schiedsspruch erfolglos Beschwerde zum Schweizerischen Bundesgericht eingelegt und ist im Wesentlichen der Auffassung,
* das Schiedsgericht habe sich zu Unrecht für zuständig erklärt, indem es die Frage des Bestehens eines Vertragsstrafenanspruchs der L. gegen das Konsortium fälschlich als selbst zu entscheidende Vorfrage beurteilt habe;
* das Schiedsgericht habe über Streitpunkte entschieden, die dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht unterworfen waren, indem es auch tatsächlich über diesen vertraglichen Anspruch im Außenverhältnis geurteilt habe;
* das Schiedsgericht habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, indem es den Parteien keinen Hinweis zur Entscheidungserheblichkeit der genannten „Vorfrage" erteilt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs des ICC International Court of Arbitration (internationale Handelskammer - Internationaler Schiedgerichtshof) vom 11. Juni 2010 - … - ist zulässig. Namentlich sind die formellen Voraussetzungen gewahrt und das Oberlandesgericht Naumburg ist gemäß § 1062 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auch örtlich zuständig, nachdem ansonsten kein deutscher Schiedsort besteht.
Der Antrag ist auch begründet.
Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich gemäß § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 IIS. 121 ff.).
Nach dessen Artikel V. darf die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches u. a. - soweit es im Streitfall die Einwendungen der Antragsgegnerin betrifft - nur versagt werden, wenn ein Antragsgegner den Beweis erbringt,...
b) dass die Partei, gegen die der Schiedsspruch geltend gemacht wird, ... ihre Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht hat geltend machen können, oder
c) dass der Schiedsspruch eine Streitigkeit betrifft, die in der Schiedsabrede nicht erwähnt ist oder nicht unter die Bestimmungen der Schiedsklausel fällt, oder dass er Entscheidungen enthält, welche die Grenzen der Schiedsabrede oder der Schiedsklausel überschreiten. ...
Zu Artikel V. lit. b) des oben angeführten Übereinkommens:
Mit ihrem Vorbringen, das Schiedsgericht habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, indem es den Parteien keinen Hinweis zur Entscheidungserheblichkeit der genannten „Vorfrage" erteilt habe, beruft sich die Antragsgegnerin auf diese zulässige Einwendung. Sie hat jedoch mit ihrem Vorbringen keinen Erfolg.
Nach zutreffender Rechtsprechung (so schon BGH, Urteil vom 18.01.1990 -III ZR 269/88; IPRax 1991, 244 ff.; nachfolgend zitiert nach www.juris.de) erfordert der Anspruch auf rechtliches Gehör im Schiedsgerichtsverfahren, dass das Schiedsgericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (vgl. Senatsurteil vom 26. September 1985 - III ZR 16/84 - RIW 1985, 970, 973; auch BVerfGE 54, 86, 91; 59, 330, 333); der Schiedsspruch muss eine Stellungnahme zu den wesentlichen Angriffs- und Verteidigungsmitteln enthalten (vgl. Senatsurteil vom 29. September 1983 - III ZR 213/82 = WM 1983, 1207, 1208). Zudem müssen die Parteien Gelegenheit haben, sich zu allen tatsächlichen Erwägungen zu äußern, auf die die Entscheidung des Schiedsgerichts gegründet werden soll (vgl. BGHZ 85, 288, 291; BGH Urteile vom 24. Oktober 1962 - VII ZR 89/61 = KTS 1962, 240, 241; vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 232/71 = WarnRspr 1972, 676, 679).
Diesbezüglich gelten für inländische und ausländische Schiedsverfahren dieselben Regeln (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO § 1044 Anm. 3 D i.V.m. § 1041 Anm. 7; Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1044 Rn. 47). Werden sie verletzt, ist einem Schiedsspruch jedenfalls dann die Anerkennung zu versagen, wenn die Entscheidung des Schiedsgerichts auf dieser Verletzung beruhen kann (vgl. BGHZ 3, 215, 219; BGHZ 31, 43, 46ff.).
Dass das Schiedsgericht den Anspruch der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör entgegen diesen Grundsätzen verletzt hat und die Entscheidung hierauf beruhen würde, ist nicht erkennbar.
Vielmehr ist das Bestehen eines Vertragsstrafenanspruchs der L gegen das Konsortium wesentlicher Kern des von der Schuldnerin im Schiedsverfahren geltend gemachten, nicht unerheblichen Teilanspruchs auf die von ihr so bezeichnete „Spitzenteilung", der von ihr selbst mit 569.297,88 EUR beziffert wurde (Seite 14 unten sowie Seite 36 der Anlage AS3 - ...) und damit mehr als ein Drittel der Hauptforderung ausmacht. Vor diesem Hintergrund musste der Antragsgegnerin bewusst sein, dass es für diesen Teilanspruch wesentlich auf den zugrundeliegenden Vertragsstrafenanspruch ankam.
Nach den von den Parteien eingereichten Schriftsätzen und Anlagen hierzu hatte die Antragsgegnerin im Schiedsverfahren auch ausreichend Gelegenheit zur Äußerung.
So hat das Schiedsgericht in Ziffern 178 ff. des Schiedsspruchs (a.a.O.) als Auffassung der Schuldnerin hierzu ausgeführt, dass die Terminpönale nach deren Ansicht von L. zu Recht einbehalten worden sei.
Nachfolgend in Ziffer 182 des Schiedsspruchs (a.a.O.) ist demgegenüber neben weiteren Einwendungen hiergegen aber auch die Meinung der hiesigen Antragsgegnerin zitiert: „Schließlich habe sich … (= L) unrechtmäßig auf den Pönaltermin berufen...".- Dass diese Darlegung des beiderseitigen Parteivortrags durch das Schiedsgericht im Schiedsspruch selbst unzutreffend wäre, ist weder dargelegt noch erkennbar.
Im Gegenteil: Auch nach dem eigenen Vorbringen der Antragsgegnerin (…Antragserwiderung...) hat diese im schriftlichen Schlussvortrag vor dem Schiedsgericht darauf hingewiesen, dass sich der geltend gemachte Ausgleichsanspruch danach richtet, dass die Pönalvereinbarung mit L. nach deutschem Recht wirksam und begründet ist (vgl. … Anlage AG11...).
Zudem ergibt sich aus der von der Antragsgegnerin eingereichten „Klageantwort" im Schiedsverfahren vom 17. November 2008 (Anlage AG8 …), dass diese unter Beweisantritt Ausführungen zur ihrer Auffassung nach unberechtigten Terminpönale machte und somit offenbar selbst auch für erforderlich hielt.
Gleiches gilt für den Vortrag der Antragsgegnerin in der „Klageantwort und Widerklage" vom 08. Juni 2009 im Schiedsverfahren, mit welchem die Antragsgegnerin erneut auf die „Ausgleichspflicht nur bei .begründeter' Pönalforderung" hinwies (Anlage AG9 …).
Schließlich konnte die Antragsgegnerin erneut diese ihre Auffassung in der „Duplik zur Klage" vom 09. November 2009 im Schiedsverfahren vertiefen (Anlage AG10 …).
Nach alledem ist festzuhalten, dass die Antragsgegnerin im Schiedsverfahren ausreichend Gelegenheit hatte, zu der sogenannten Vorfrage des Bestehens eines Vertragsstrafenanspruchs Stellung zu nehmen. Diese Gelegenheit hat sie nach dem Inhalt der von den Parteien eingereichten Anlagen auch genutzt, Gegenteiliges hat sie nicht bewiesen.
Dass sich die materiell-rechtliche Bewertung dieser „Vorfrage" durch das Schiedsgericht für die Antragsgegnerin letztendlich als überraschend insoweit dargestellt haben mag, als deren Argumentation nicht gefolgt wurde, stellt demgegenüber keine schützenswerte Rechtsposition dar; diese Bewertung vorzunehmen ist vielmehr ureigenste Aufgabe eines jeden Gerichts.
Zu Artikel V. lit. c) des oben angeführten Übereinkommens:
Mit ihrem Vorbringen, das Schiedsgericht habe sich zu Unrecht für zuständig erklärt und über Streitpunkte entscheiden, die dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht unterworfen waren, indem es die Frage des Bestehens des Vertragsstrafenanspruchs der L. gegen das Konsortium fälschlich selbst beurteilt habe, beruft sich die Antragsgegnerin ebenfalls auf eine zulässige Einwendung. Auch mit diesem Vorbringen hat sie jedoch keinen Erfolg.
Die Frage des tatsächlichen Bestehens eines Vertragsstrafenanspruchs der L. gegen das Konsortium hat das Schiedsgericht nicht selbst beurteilt, jedenfalls nicht im Sinne einer - endgültigen - Entscheidung; namentlich ist diese Frage auch nicht als Teil des eigentlichen Schiedsspruchs (Tenors) in die Entscheidung eingeflossen.
Damit hat sich das Schiedsgericht bei seiner Entscheidung im Rahmen des schiedsrichterlichen Verfahrens gehalten, wie es die Parteien umfassend in Ziffer 16. des Konsortialvertrags (a.a.O.) vereinbart hatten.
Im Gegenteil hat das Schiedsgericht diese Frage des tatsächlichen Bestehens eines Vertragsstrafenanspruchs - wie es die Antragsgegnerin, allerdings zu Unrecht, rügt - ausdrücklich als „Vorfrage" bezeichnet und in diesem Zusammenhang sogleich ausgeführt, dass es selbst zur Beurteilung aller relevanten Vorfragen zuständig sei (Ziffern 185 f. des Schiedsspruchs, a.a.O.).
Letzteres ist zutreffend. Dabei ist an dieser Stelle nochmals darauf zu verweisen, dass die Parteien in der o. a. Vertragsklausel im Rahmen zulässiger Privatautonomie ausdrücklich „alle sich ergebenden Streitigkeiten" dem Schiedsgericht zugewiesen haben - dies beinhaltet somit grundsätzlich auch nicht etwa eine Beschränkung auf Streitigkeiten im Innenverhältnis.
Zugleich hat das Schiedsgericht aber auch ausdrücklich Wert auf die Feststellung gelegt, „dass seine diesbezüglichen Erwägungen keine Ausschlusswirkung (res judicata) erzeugen"; keine Partei sei gehindert, eben diese Frage von einem anderen Gericht ... endgültig beurteilen zu lassen (Ziffer 186 des Schiedsspruchs, a.a.O.).
Damit hat das Schiedsgericht insgesamt den ihm zur Entscheidung vorgegebenen Umfang zutreffend beurteilt, nämlich einerseits gemäß Ziffer 16. des Konsortialvertrags (a.a.O.) alle sich aus diesem Vertrag ergebenden Streitigkeiten endgültig zu entscheiden, andererseits dabei entstehende materiell-rechtliche Vorfragen oder auch Tatbestandsvoraussetzungen inzidenter zu beurteilen.
Dabei kann die letztgenannte Einordnung dahinstehen. Denn auf die Unterscheidung, ob das Bestehen eines Vertragsstrafenanspruchs bei der Schiedsentscheidung über den als „Spitzenteilung" bezeichneten Anspruch der Schuldnerin eine Vorfrage darstellt oder aber wie nach Auffassung der Antragsgegnerin eine Tatbestandsvoraussetzung, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Erkennbar ist dies nämlich keine Frage des hier nur im vorgegebenen Umfang zu erörternden prozessualen Rechts, sondern im Streitfall des Schweizer materiellen Rechts, weil jedenfalls am Ende dieser Argumentation nach Bejahung der Anspruchsvoraussetzungen durch das Schiedsgericht als Rechtsfolge der Anspruch der Schuldnerin auf die „Spitzenteilung" steht.
Auf dessen zutreffende oder auch nicht zutreffende Beurteilung durch das Schiedsgericht kann sich die Antragsgegnerin aber nach der abschließenden Aufzählung möglicher Einwendungen gegen einen Schiedsspruch nach Artikel V. des Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBl. 1961 II S. 121 ff.) gerade nicht berufen.
Nachdem auch die sonstigen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung vorliegen, konnten nach alledem die Einwendungen der Antragsgegnerin keinen Erfolg haben.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 1064 Abs. 2 und 3 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 3, 4 ZPO. Er entspricht nach zutreffender Rechtsprechung (zuletzt BGH, Beschluss vom 16.12.2010 -III ZB 100/09; zitiert nach www.juris.de) dem Wert der „Hauptsache", d. h. dem Wert der nach diesem Verfahren durchsetzbaren Hauptforderung.
Summary