Gericht | OLG Frankfurt am Main | Aktenzeichen | 26 Sch 01/03 | Datum | 10.07.2003 |
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Leitsatz | |||||
Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs 1. Eine Verpflichtung des Schiedsgerichts, jedes Vorbringen der Parteien in den Gründen zu bescheiden, besteht nicht. Vielmehr ist das Schiedgericht lediglich gehalten, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 42, 364 = NJW 1985, 1149). 2. Aufhebungsgründe kommen nur dann im Sinne des § 1063 Abs. 2, 2. Alt. ZPO "in Betracht", wenn der diesbezügliche Vortrag schlüssig ist bzw. - im Hinblick auf § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO - einen ausreichenden "Verdacht" auf eine Verletzung begründet. Andernfalls ist die Anordnung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich. (Ls. d. Red.) | |||||
Rechtsvorschriften | § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. b ZPO, § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO, § 1063 Abs. 2 ZPO; Art. 103 Abs. 1 GG | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Aufhebungsverfahren Anerkennungsverfahren Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Schiedsspruch, inländisch; - Aufhebung; - Vollstreckbarerklärung, - Verfahren, mündliche Verhandlung Aufhebungsgründe Versagungsgründe: - ordre pub | ||||
Volltext | |||||
B E S C H L U S S Der Schiedsspruch vom 26.02.2003 (Az: DIS-SV-B ...), erlassen in Frankfurt am Main, durch die Schiedsrichter F. als Obmann und die Schiedsrichter F. und Dr. H., durch welchen der Antragsgegner verurteilt worden ist, an die Antragstellerin 767.750,48 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 09.06.1998 seit dem 17.08.2001 zu zahlen, wird für vollstreckbar erklärt. Der Antrag des Antragsgegners, den vorstehend näher bezeichneten Schiedsspruch aufzuheben, wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Antragstellerin vor Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet. Wert des Verfahrens: 767.750,48 € G R Ü N D E: I. Zwischen den Parteien ist die Zahlung der Vergütung für Dienstleistungen, welche die Antragstellerin für Gesundheitseinrichtungen der Antragsgegnerin erbracht hat, sowie die Erstattungspflicht im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen der Antragstellerin entstandener Personalkosten streitig. Nach § 11 Abs. 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages sollen alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit dem Vertrag ergeben, nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. endgültig entschieden werden; der Schiedsort Frankfurt am Main wurde von den Parteien einvernehmlich festgelegt. Das danach zuständige, im Tenor näher bezeichnete Schiedsgericht hat in Anwesenheit der Parteien erstmals am 07.03.2002, sodann mit Beweisaufnahme am 11.07.2002 und 20.08.2002 jeweils mehrstündig verhandelt. Mit Verfügung vom 04.12.2002 hat es die Parteien zu ergänzendem Vorbringen aufgefordert und sodann unter entsprechender Mitteilung an die Parteien am 19.02.2003 das Ende des Erkenntnisverfahrens beschlossen. Mit Schiedsspruch vom 26.02.2003 wurde der Antragsgegner in der Hauptsache wie aus dem Tenor des Senatsbeschlusses ersichtlich verurteilt. Wegen der Einzelheiten des dieser Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalts wird auf den Schiedsspruch verwiesen. Die Antragstellerin b e a n t r a g t, den Schiedsspruch vom 26.02.2003 (Az.: DIS-SV-B ...), erlassen in Frankfurt am Main, durch die Schiedsrichter Rechtsanwalt F., ..., als Obmann, Richter am Amtsgericht F., ..., und Rechtsanwalt Dr. H., ..., welche den Antragsgegner verurteilt haben, an die Antragstellerin € 767.750,48 nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 09.06.1998 seit dem 17.08.2001 zu zahlen, für vollstreckbar zu erklären. Der Antragsgegner b e a n t r a g t, den Antrag der Antragstellerin, den Schiedsspruch vom 26.02.2003 für vollstreckbar zu erklären, zurückzuweisen, sowie den Schiedsspruch vom 26.02.2003 aufzuheben. Der Antragsgegner macht geltend, er habe seine Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Iit b) ZPO nicht geltend machen können. Nach durchgeführter Beweisaufnahme sei die von ihm zum Beweisthema beantragte erneute Vernehmung der Zeugen Dr. R., Dr. F. und T. ebenso unterblieben wie die Beiziehung der Akten des Landgerichts K. in einem parallel gelagerten Rechtsstreit. Ihm sei darüber hinaus keine Schriftsatzfrist zu streiterheblichen Schriftsätzen der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 20.12. und 30.12. 2002, die er am 06.01.2003 erhalten habe, gesetzt worden. Weiter rügt der Antragsgegner unter Berufung auf § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Iit b) ZPO, dass die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führe, das der öffentlichen Ordnung widerspreche, weil es wesentliche Verfahrensgrundsätze und das Gebot des rechtlichen Gehörs verletzt habe und das Schiedsgericht darüber hinaus rechtsfehlerhaft ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis des Antragsgegners angenommen habe. Die Antragstellerin b e a n t r a g t, den Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs zurückzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen. II. Der Antrag auf Vollstreckbarklärung des Schiedsspruches ist nach § 1060 ZPO statthaft, er ist bei dem nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zuständigen Gericht angebracht worden, und auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen, insbesondere die Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Schiedsspruches nach § 1064 Abs. 1 ZPO, sind gegeben. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist begründet. Aufhebungsgründe im Sinne von § 1059 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Dementsprechend ist der nach § 1060 Abs. 2 ZPO zulässige Antrag des Antragsgegners auf Aufhebung des Schiedsspruchs zurückzuweisen. 1. Bei dem Schiedsspruch, dessen Vollstreckbarkeitserklärung beantragt ist, handelt es sich um einen verurteilenden inländischen (§ 1025 Abs. 1 ZPO) Schiedsspruch im Sinne von § 1055 ZPO, der den Formerfordernissen des § 1054 ZPO entspricht. 2. Die von dem Antragsgegner im Verfahren nach § 1060 Abs. 2 ZPO statthaft geltend gemachten Aufhebungsgrunde liegen nicht vor. 2.1. Der Antragsgegner hat keinen Aufhebungsgrund im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO begründet geltend gemacht. Insbesondere liegt der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. b) ZPO, auf den sich der Antragsgegner beruft, offensichtlich nicht vor. Nach dieser Bestimmung kann ein Schiedsspruch aufgehoben werden, wenn begründet geltend gemacht wird, eine Partei (das ist im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung nach § 1060 ZPO der Antragsgegner) sei von der Bestellung eines Schiedsrichters oder von dem schiedsrichterlichen Verfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt worden oder habe aus "einem anderen Grund seine Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht ... geltend machen können". Die Vorschrift trägt dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Gebot auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) Rechnung. Art. 103 GG gewährleistet indes nur, dass das Schiedsgericht den Vortrag der Parteien zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muss. Bereits im Regelfall ist davon auszugehen, dass das Schiedsgericht dieser Verpflichtung auch nachgekommen ist. Da die Schiedsgerichte - wie die ordentlichen Gerichte - nicht gehalten sind, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (BVerfGE 42, 364; NJW 85,1149; Zöller-Greger, ZPO, 23. Auflage, vor § 128, Rn. 6b), lässt sich ein Verstoß gegen die Pflicht, Vorbringen der Beteiligten in Erwägung zu ziehen, nur feststellen, wenn es sich aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (BVerfGE 22, 267, 274; 80, 269, 286; BGH NJW 1992, 2299). Solche Umstände liegen ersichtlich nicht vor. a) Die Rüge, das Schiedsgericht habe durch die Ablehnung einer erneuten Vernehmung bereits vernommener Zeugen dem Antragsgegner Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Verletzung des rechtlichen Gehörs abgeschnitten, ist nicht tragfähig. Ausweislich des vom Schiedsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhaltes hat es den Vortrag des Antragsgegners - insbesondere unter Ziff. D des Schiedsspruches - umfassend zur Kenntnis genommen. Dem entspricht die bemerkenswerte Dauer der mündlichen Verhandlungen und die jeweils ausdrückliche Bestätigung des Antragsgegners im Anschluss an die vom Schiedsgericht durchgeführten Termine zur Beweisaufnahme, dass die Grundsätze des rechtlichen Gehörs in dem Verfahren gewahrt wurden. Das Schiedsgericht hat den Vortrag des Antragsgegners aber nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern in seinem Schiedsspruch auch umfassend gewürdigt. Es hat sich in den Entscheidungsgründen mit den ergänzenden Beweisanträgen des Antragsgegners ausdrücklich befasst und insoweit die Auffassung vertreten, dass es einer weiteren Beweisaufnahme und erneuter Vernehmung bereits zuvor vernommener Zeugen nicht bedürfe. Eine solche Verfahrensweise kann nicht einmal im gedanklichen Ansatz einen Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs begründen; denn Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz dagegen, dass ein Schiedsgericht Beweisanträge der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise nicht erhebt (BVerfGE 79, 51, 62; 69, 141,143; BGH aaO, 2300). Ungeachtet dessen ist die Rüge des Antragsgegners auch deshalb offensichtlich unbegründet, weil das Schiedsgericht dem Antragsgegner durchaus Gelegenheit gegeben hat, seine (weiteren) Angriffsmittel hinsichtlich der Zeugen Dr. F. und Dr. R. zu ergänzen. Denn es hat mit Verfügung vom 04.12.2002 den Antragsgegner aufgefordert, schriftliche Erklärungen dieser Zeugen zu bestimmten Fragen vorzulegen. Damit war dem Antragsgegner auch insoweit rechtliches Gehör gegeben. Dass der Antragsgegner - aus welchen Gründen auch immer - eine schriftliche Zeugenerklärung des Dr. R. weder innerhalb der gesetzten Frist noch in der Folgezeit bis zur Beendigung des Erkenntnisverfahrens vorgelegt hat, ist unter dem Gesichtspunkt einer Gehörsverletzung ohne rechtliche Relevanz. b) Ebenso unschlüssig ist die Rüge, das rechtliche Gehör sei verletzt, weil dem Antragsgegner im Schiedsverfahren keine förmliche Schriftsatzfrist gesetzt worden sei zur Erwiderung auf einzelne Schriftsätze der Antragstellerin, die diese ebenso wie der Antragsgegner in Erfüllung einer entsprechenden Auflage des Schiedsgerichts eingereicht hatte. Das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs begründet keine Verpflichtung eines Gerichts, einer Partei zu Erwiderung Fristen zu setzen, sondern beinhaltet nur, dass eine Partei die Möglichkeit zur Äußerung zum Sachverhalt und zur Rechtslage hat, also auf Erklärungen des Gerichts und des Gegners reagieren kann (BVerfG NJW 1985, 1149). Vorliegend hatte der Antragsgegner bis zum 19.02. 2003 ausreichend Zeit, auf die ihm zugänglich gemachten Schriftsätze der Antragstellerin zu erwidern. c) Da es nach allem offensichtlich an einem schiedsgerichtlichen Verfahrensverstoß fehlt, kann dahin stehen, ob die Berufung auf § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit b) ZPO, schon daran scheitert, dass sich die Vorschrift nach ihrem Wortlaut nicht auf einzelne Angriffs- und Verteidigungsmittel bezieht, und insoweit nur § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit d) ZPO in Betracht kommen könnte, mit der Folge, dass ein für den Schiedsspruch kausaler Verfahrensverstoß des Schiedsgerichts hätte begründet geltend gemacht werden müssen. 2. Die von Amts wegen zu prüfenden Aufhebungsvoraussetzungen des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor. Insbesondere kann keine Rede davon sein, dass die Vollstreckung des Schiedsspruches im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit b) ZPO zu einem Ergebnis führte, das gegen den deutschen ordre public verstieße. Das Schiedsgericht hat unter Zugrundelegung des maßgeblichen deutschen materiellen Rechts mit sorgfältiger und im Ergebnis jedenfalls vertretbarer Begründung angenommen, dass seitens des Antragsgegners ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis abgegeben worden ist. Die rechtliche Bewertung ist nach dem Sachverhalt, den das Schiedsgericht seiner Entscheidung verfahrensfehlerfrei zugrunde gelegt hat, im Hinblick auf die Einhaltung des ordre public nicht zu beanstanden. Ob die rechtliche Beurteilung des Schiedsgerichts materiell richtig ist oder es sich um eine Fehlentscheidung handelt, ist für die Feststellung des Fehlens eines ordre public-Verstoßes im Sinne von § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Iit b) ZPO ohne Relevanz. Dass das Landgericht K. in einem parallelen Rechtsstreit bei - nach Darstellung des Antragsgegners - identischem Sachverhalt kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis angenommen hat, ist unter ordre public-Gesichtspunkten ebenso ohne rechtliche Bedeutung; unterschiedliche, gleichwohl rechtlich mögliche Bewertungen sind einer demokratischen Rechtsordnung immanent. Das Ergebnis des Schiedsspruches ist mit der Zubilligung des geltend gemachten Zahlungsanspruchs auch mit elementaren Gerechtigkeitsvorstellungen keineswegs unvereinbar. 3. Der Anordnung einer mündlichen Verhandlung durch den Senat nach § 1063 Abs. 2 ZPO bedurfte es nicht. Die Bestimmung betrifft in ihrer ersten Alternative nur das förmliche Aufhebungsverfahren nach § 1059 ZPO, nicht jedoch einen Aufhebungsantrag des Antragsgegners als Gegenantrag im Rahmen des von der Antragstellerin eingeleiteten Vollstreckbarerklärungsverfahrens (BGH MDR 1999, 1281,1282). Im Vollstreckbarerklärungsverfahren bedarf es nach § 1063 Abs. 2, 2. Alternative ZPO einer mündlichen Verhandlung nur dann, wenn Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO "in Betracht kommen". Das verlangt hinsichtlich § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO den Vortrag schlüssiger, hinsichtlich § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausreichend "verdächtiger" Tatsachen (MünchKomm-Münch, ZPO, § 1053, Rn. 5). Daran fehlt es. Vorliegend liegt klar zutage, dass Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht "begründet geltend gemacht" werden (vgl. dazu BGH MDR 1999, aaO) und die Vollstreckung des Schiedsspruches auch nicht gegen den deutschen ordre public verstößt. Die Kostenentscheidung entspricht § 91 ZPO; der Beschluss war nach § 1064 Abs. 2 i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 (analog) ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Wertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO. | |||||
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