25 Sch 3/11


Gericht OLG Hamm Aktenzeichen 25 Sch 3/11 Datum 13.07.2012
Leitsatz
Rechtsvorschriften§§ 1061 Abs. 1, 1062 Abs. 2, 1063 Abs. 3, 1064 Abs. 1, 1065 ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAntrag auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs
Volltext
B E S C H L U S S
Tenor:
Der Schiedsspruch vom 19.09.2011 des aus den Schiedsrichtern… und...bestehenden Schiedsgerichts wird mit folgendem Inhalt für vollstreckbar erklärt:
Der Schiedskläger trägt die Kosten des Schiedsverfahrens einschließlich der Kosten und Auslagen des Schiedsgerichts in Höhe von 254.595,75 € sowie der Prozesskosten und Auslagen der (...) in Höhe von (…)
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. .
Der Streitwert für Verfahren wird auf 3.422.652,34 € festgesetzt.
Gründe:
A.
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung der Kostenentscheidung eines Schiedsspruches, der in einem auf Antrag des Antragsgegners eingeleiteten Schiedsverfahren ergangen ist.
Der Antragsgegner plante und erstellte in den Jahren bis 2000 einen Golfplatz in…/in der Nähe von… für ca. 8,3 Millionen €. Trägergesellschaft des Projekts war die Komfort… (im Folgenden Komfort). Der Antragsgegner hielt 50 % der Anteile an der Komfort, ein Herr… weitere 50 %. Über das Vermögen der Komfort wurde im Jahr 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Golfplatz wurde im Rahmen des Insolvenzverfahrens durch die Insolvenztreuhänderin veräußert.
Der Antragsgegner hielt die Einleitung und die anschließende Abwicklung des Insolvenzverfahrens für unrechtmäßig und machte gegenüber der (…) im Hinblick auf von ihm behaupteten Investitionen Schadensersatzansprüche gel-tend. Diese stützte er darauf, dass sich der zuständige Insolvenzrichter und die Insolvenztreuhänderin gemeinsam mit seinem ehemaligen Mitgesellschafter und weiteren Personen verschworen hätten, ihn um seine Investitionen zu bringen und zwei Beteiligten der Verschwörung den Golfplatz unter Wert zuzuschanzen. Am 07.10.2009 erhob der Antragsgegner Schiedsklage gegen die (…) gestützt auf Art. 10 eines Investitionsschutzabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der (….) Daraufhin wurde ein ad hoc Schiedsgericht eingerichtet, welches das Verfahren nach der Schiedsordnung der UN-Kommission für Internationales Handelsrecht (UNCITRAL) führte.
Die Parteien vereinbarten dann bei der vorbereitenden Verhandlung des Schiedsgerichts die Geltung der IBA-Regeln zur Beweisaufnahme mit bestimmten Modifikationen. Danach hatte jede Partei ihre Zeugen zu benennen, auf die sie sich im Schiedsverfahren stützen wollte und die schriftliche Aussage dieser Zeugen bei dem Schiedsgericht einzureichen.
Weiterhin vereinbarten die Parteien, dass jegliche Zeugenaussage als von dieser Person vorgebrachter Beweis gelten soll und dass, soweit seine oder ihre Identität bestätigt und der Beweis tatsächlich erbracht ist, der Zeuge
unverzüglich für ein Kreuzverhör zur Verfügung stehen muss. Der Antragsgegner reichte zunächst eine schriftliche Aussage des Zeugen A. ein und beantragte, diesen in dem von dem Schiedsgericht anberaumten Beweistermin weiter zu vernehmen, was das Schiedsgericht ablehnte.
Nach Durchführung einer Beweisaufnahme erließ das Schiedsgericht am 19.09.2011 einen Schiedsspruch, durch den die Schiedsklage des Antragsgegners abgewiesen wurde und ihm die Kosten des Schiedsverfahrens auferlegt wurden. Der Antragsgegner erhob gegen den Schiedsspruch bei dem cour d 'appel eine Aufhebungsklage.
Die Antragstellerin begehrt nun die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, der Schiedsspruch verstoße nicht gegen den ordre public, weil dem Antragsgegner in (…) ein rechtsstaatliches und rechtmäßiges Verfahren zuteil geworden sei.
Die Beweisaufnahme des Schiedsgerichts sei auf der Grundlage der zwischen den Parteien vereinbarten Verfahrensregeln rechtmäßig gewesen. Sie ist der Auffassung, die von dem Schiedsgericht getroffene Kostenentscheidung entspreche der in der Verfahrensordnung enthaltenen Kostenregelung. Die Antragstellerin beantragt,
den Schiedsspruch vom 19.09.2011 des gemäß Art. 10 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 des Vertrages vom (…) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der (…) über Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen ad hoc eingerichteten Schiedsgerichts bestehend aus… als Vorsitzendem, … und… mit folgendem Inhalt:
Der Schiedskläger trägt die Kosten dieses Schiedsverfahrens einschließlich der Kosten und Auslagen des Schiedsgerichts in Höhe von 254.595,75 € sowie der Prozesskosten und Auslagen der… in Höhe von… für vollstreckbar zu erklären.
B.
Der nach §§ 1061 Abs. 1, 1062 Abs. 2, 1064 Abs. 1 ZPO zulässige Antrag ist in der Sache begründet.
I.
Der Senat hat ungeachtet der Säumnis des Antragsgegners durch einen begründeten Beschluss zu entscheiden. Die Säumnis des Antragsgegners im Termin zur mündlichen Verhandlung führt nicht zu einem „Versäumnisbeschluss". Dem Vollstreckbarerklärungsverfahren in der derzeitigen gesetzlichen Ausgestaltung ist ein Versäumnisverfahren fremd. Das nach früherem Recht geltende Urteilsverfahren wurde durch ein vereinfachtes Beschlussverfahren ersetzt (§§ 1063, 1064 ZPO). Gegen diesen Beschluss ist nach § 1065 Abs. 1 S. 1 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ausschließlich die Rechtsbeschwerde statthaft. In diese Systematik fügt sich ein Ver-säumnisverfahren, insbesondere wegen der Möglichkeit eines „Zweiten Versäumnisurteils" und der dagegen statthaften Berufung nach § 514 Abs. 2 ZPO, welche die §§ 1060 ff ZPO nicht kennen, nicht ein (vgl. dazu BGH NJW 2007, 772 (773).
II.
Von dem Bestehen einer Schiedsvereinbarung gemäß Art. II Abs. 1 des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ist auszugehen.
Diese liegt hier in Art. 9 und 10 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der (…) über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom (…). Der Antragsgegner ist nicht unmittelbarer Vertragspartner, kann sich aber - wenn er als Investor anzusehen ist - auf die Schiedsvereinbarung berufen, was er mit der Erhebung der Schiedsklage getan hat.
Der Umstand, dass die seitens des Antragsgegners im Wege der Schiedsklage geltend gemachten Schadensersatzansprüche zumindest nach Auffassung des Schiedsgerichts (vgl. dazu Ziff. 169 des Schiedsspruches) nicht dem oben genannten Investitionsschutzabkommen unterfielen, führt nicht dazu, dass es an einer formgerechten Schiedsvereinbarung und damit an der Grundlage für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruches fehlt.
Der Sinn und Zweck der Regelung des Art. II Abs. 2 UNÜ ist darin zu sehen, die Vertragsbeteiligten davor zu schützen, sich voreilig einem Schiedsverfahren zu unterwerfen, das dann möglicherweise einer Verfahrensordnung unterliegt, die der Verfahrensbeteiligte nicht überblickt.
Hier hat der Antragsgegner aber selbst das Schiedsgericht angerufen und sich darauf berufen, dass das Investitionsschutzabkommen und die darin enthaltene Schiedsabrede für ihn einschlägig sind. Dann muss das Schiedsgericht auch die Möglichkeit haben, darüber zu entscheiden, ob die geltend gemachten Ansprüche in dem Schiedsverfahren geltend gemacht werden können, was Art. 21 der UNCITAL Schiedsordnung so vorsieht und den Antrag mit einer entsprechenden Kostenfolge zurückweisen können. Der Antrag muss schließlich durch das Schiedsgericht ordnungsgemäß beschieden werden. Würde man dann die Vollstreckbarkeitserklärung wegen des Fehlens einer Schiedsvereinbarung versagen, würde dies dazu führen, dass der Gegner des Schiedsverfahrens nie seinen Kostenerstattungsanspruch realisieren könnte. Das wäre in sich widersprüchlich.
Dem Antragsgegner wäre es zumindest nach § 242 BGB verwehrt, sich auf das Fehlen einer Schiedsvereinbarung zu berufen.
Dem internationalen Schiedsverfahrensrecht ist der Grundsatz von Treu und Glauben zu Eigen, und zwar auch in der hier allein in Betracht kommenden Gestalt des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens, wobei nach deutschem Recht hinzutreten muss, dass für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 17.04.2008, AZ: III ZB 97/06, Tz. 12 = NJW-RR 2008,1083-1084). Das ist hier nicht der Fall. Der Antragsgegner hat selbst das Schiedsgericht angerufen und dadurch zu erkennen gegeben, dass er die Schiedsabrede für sich in Anspruch nimmt. Er hat zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass der Schiedsspruch für ihn mangels einer ihn verpflichtenden Schiedsabrede nicht verbindlich ist.
III.
Versagungsgründe nach Art. V UNÜ wurden von dem Antragsgegner in der nach § 1063 Abs. 2 ZPO notwendigen mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht.
IV.
Ein Verstoß gegen den ordre public, was von Amts wegen zu prüfen ist (vgl-, dazu BGH, NJW 2007, 772 773) kann der Senat auf der Grundlage des unstreitigen Vorbringens nicht feststellen.
1\.
Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Verstoß der Anerkennung oder Vollstreckung gegen den ordre public national, denn es ist nicht ersichtlich, dass der Schiedsspruch im Zeitpunkt der Entscheidung durch das staatliche Gericht zu den Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens oder zu den deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht (vgl. dazu Musielak/Voit § 1061 ZPO Rdnr. 23).
Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Kostenentscheidung so unangemessen ist, dass sie grundlegenden deutschen Rechtsprinzipien und Gerechtigkeitsvorstellungen widerspricht.
Sie entsprach der von dem Schiedsgericht niedergelegten Schiedsordnung, die ihrerseits mit den grundlegenden deutschen Prinzipien des Kostenrechts in Einklang steht.
Nach Art. 40 Abs. 1 der Schiedsordnung hat die Kosten des Schiedsverfahrens die unterlegene Partei zu tragen. Hinsichtlich der Kosten der rechtlichen Vertretung bestimmt Art. 40 Abs. 2 der Schiedsordnung, dass es dem Schiedsgericht unter Berücksichtigung der Umstände des Falles frei stehe, zu bestimmen, welche Partei die Kosten zu tragen hat.
Wenn nach diesen Grundsätzen das Schiedsgericht die außergerichtlichen Kosten der obsiegenden Partei ebenfalls der unterlegenen Partei auferlegt, dann wird das durch die vorstehend zitierte Bestimmung gedeckt und entspricht den Prinzipien des deutschen Prozessrechts, das auch die Regelung kennt, der unterlegenen Partei sämtliche mit dem Rechtsstreit oder Verfahren verbundenen Kosten aufzuerlegen.
2\.
Ein Verstoß gegen den ordre public international ist nicht anzunehmen, weil nicht ansatzweise ersichtlich ist, dass das Verfahren nicht mehr den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren entspricht, wobei in diese Beurteilung auch die Rechtsbehelfsmöglichkeiten des anzuwendenden Verfahrensrechts einzubeziehen sind (vgl. Musielak/Voit § 1061 ZPO Rdn.r. 24).
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist § 1064 Abs. 2 ZPO zu entnehmen.
VI.
Der Streitwert entspricht dem Wert der titulierten Forderung. Bezüglich des in
… ausgedrückten Betrages wurde der Umrechnungskurs nach dem Stand vom 30.11.2011, abgerufen am 01.12.2011, zugrunde gelegt.
Summary
Decision
Operative Part
The arbitral award of 19 September 2011 issued by the arbitral tribunal consisting of (…) is declared enforceable with the following content:
The Claimant bears the costs of the arbitral proceedings including costs and expenses of the arbitral tribunal in the amount of € 254,595.75 as well as legal expenses of (…) in the amount of (…).
Respondent bears the costs of these proceedings.
The decision is preliminary enforceable.
The amount in dispute is fixed at € 3,422,652.34.
Reasons:
The applicant requests an order of enforcement for a decision on costs of an arbitral award, having been issued in arbitral proceedings instituted on the request of respondent.
After having closed the process for the taking of evidence the arbitral tribunal issued an award on 19 September 2011, dismissing the claim of respondent and ordering him to bear the costs of the arbitral proceedings.
The application is admissible pursuant to sections 1061, 1062, 1064 German Code of Civil Procedure (ZPO) and has merits.