4Z SchH 01/99


Gericht BayObLG Aktenzeichen 4Z SchH 01/99 Datum 04.06.1999
Leitsatz
Der Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters gemäß § 1035 Abs. 3 ZPO ist jedenfalls dann abzulehnen, wenn nach dem Parteivortrag offensichtlich kein wirksamer Schiedsvertrag vorliegt.
Rechtsvorschriften§ 1035 Abs. 3 ZPO
FundstelleBayObLGR 1999, 72; Betriebs-Berater 1999, 1785; Yearbook Comm. Arb'n XXVIII (2003), S. 250f.; CLOUT Case 438
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteSchiedsvereinbarung: - Zustandekommen/Formwirksamkeit Bildung des Schiedsgerichts: - Ersatzbenennung, gerichtliche Prüfungskompetenz/Umfang
Volltext
I. Der Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters "als Vorsitzenden des Schiedsgerichts für die bei der Bayerischen Warenbörse anhängige Schiedsklage B 23/98 zwischen der Firma A.-GmbH (Klägerin) und der Firma B.-AG (Beklagte)" wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten dieses Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 8.166 DM festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
1. Die Antragstellerin macht mit der unter dem 7. 10. 1998 bei der Bayerischen Warenbörse in München eingereichten Schiedsklage gegen die Antragsgegnerin Ansprüche in Höhe von insgesamt 81.664,50 DM geltend.
Sie stützt diese Schiedsklage
a) auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (Nichtabnahme von 1000 t Braugerste) in Höhe von 26.750 DM (einschließlich 7 % MwSt);
b) auf Nichtzahlung einer Restvergütung in Höhe von 29.765,41 DM für eine Lieferung von 461.900 t Braugerste aufgrund eines Ende Juli/Anfang August 1996 mündlich geschlossenen Vertrages;
c) auf ungerechtfertigte Einbehaltung von Abzügen in Höhe von 6.053,34 DM aus einer Lieferung vom 9. 1. 1995, Kontraktnummer P 48844 und
d) auf Lagerkosten in Höhe von 19.095,75 DM für die Einlagerung von Getreide laut Kontraktnummer P 48844 für die Zeit vom 9. 1. bis 6. 4. 1995.
2. Die Antragstellerin begehrt für diese Schiedsklage die gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters. Eine dem eingeleiteten schiedsrichterlichen Verfahren zugrunde liegende Schiedsvereinbarung sieht sie im Ergebnis einer Besprechung vom 24. 1. 1997, wie sie in der hierüber von Rechtsanwalt R. erstellten Aktennotiz und dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 9. 6. 1997 zum Ausdruck komme.
Eine Schiedsklausel enthält lediglich der "Liefer-Kontrakt Nr. P 48844" aus dem 6.053,34 DM geltend gemacht werden, insofern, als dort als besondere Bedingung die Vertragsklausel "Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel ... Schiedsgericht München" aufgeführt ist.
Die Antragstellerin meint, die Parteien hätten sich darauf geeinigt, das Schiedsverfahren von einem 1-Mann-Schiedsgericht, das bei der Bayerischen Warenbörse in München einzuberufen sei, erledigen zu lassen. Eine Vereinbarung (Einigung) der Parteien über die Schiedsrichterbestellung sei hingegen nicht zustande gekommen.
Sie beantragt daher
"die Bestellung eines Schiedsrichters als Vorsitzenden des Schiedsgerichts für die bei der Bayerischen Warenbörse anhängige Schiedsklage B 23/98 zwischen der Firma A.-GmbH (Klägerin) und der Firma B.-AG (Beklagte)" und
hilfsweise für den Fall, daß der Senat das Vorliegen einer Schiedsvereinbarung verneint, die "Verweisung des Rechtsstreits vom Bayerischen Obersten Landesgericht an das Landgericht München" unter Beiziehung der Schiedsgerichtsakte sowie - höchst vorsorglich - die "Zulassung der Rechtsbeschwerde."
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag vom 1. 2. 1999 zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung von Lagergeld in Höhe von 19.095,75 DM (Ziff. 3 d der Schiedsklage) sei keine Schiedsvereinbarung geschlossen worden, weil sich weder das Protokoll vom 24. 1. 1997 noch der Brief der Antragsgegnerin auf diesen Anspruch beziehe. Das Protokoll behandle lediglich die Ansprüche auf Schadensersatz in Höhe von 26.750 DM (Ziff. 3 a der Schiedsklage) und auf Zahlung eines Restkaufpreises in Höhe von 29.765,41 DM (Ziff. 3 b der Schiedsklage). Der Brief vom 9. 6. 1997 betreffe sogar ausschließlich den Schadensersatzanspruch.
Die möglicherweise in der Erhebung der Schiedsklage und dem Brief der Antragsgegnerin vom 6. 11. 1998 liegende Einigung in bezug auf den Anspruch in Höhe von 19.095,75 DM sei mangels Einigung über das Verfahren doch nicht zustande gekommen. Mit einem Schiedsverfahren ohne Festlegung der Schiedsgerichtsordnung sei die Antragsgegnerin nie einverstanden gewesen.
Hinsichtlich der Ansprüche in Höhe von 29.765,41 und 26.750 DM liege in bezug auf die behauptete Schiedsvereinbarung ein Dissens vor, denn die Erklärungen der Antragsgegnerin vom 9. 6. 1997 sowie im Schiedsverfahren gingen eindeutig von der Vereinbarung der Schiedsgerichtsordnung für das Schiedsgericht der Bayerischen Warenbörse aus, wobei es sich um einen wesentlichen Punkt handle.
Sofern von einer Schiedsvereinbarung auszugehen sei, hätten sich die Parteien entgegen § 1035 Abs. 3 ZPO sehr wohl über das Verfahren zur Bestellung eines Einzelschiedsrichters geeinigt, nämlich insofern, als dieser Schiedsrichter vom Präsidenten der Bayerischen Warenbörse zu ernennen sei.
II.
1. Der Antrag ist zulässig.
Der Senat ist gemäß § 1062 Abs. 1 und 5 ZPO i.V.m. § 6a der gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz für den Antrag auf Bestellung eines Schiedsrichters zuständig. Der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt in Bayern.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, da die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung eines Schiedsrichters gemäß § 1035 Abs. 3 ZPO nicht vorliegen.
a) Die beantragte gerichtliche Bestellung eines Einzelschiedsrichters (§ 1035 Abs. 3 Satz 1 ZPO) setzt zunächst das Bestehen einer rechtswirksamen Schiedsvereinbarung/Schiedsklausel voraus. Inwieweit dabei die Wirksamkeit des Schiedsvertrages bereits im Ernennungsverfahren exakt zu prüfen ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt (zum Meinungsstand vgl. statt vieler: Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis S. 131/Rn. 298 m.w.N.).
Ob der herrschenden Meinung zu folgen ist, wonach inzident über die Gültigkeit des Schiedsvertrags zu entscheiden ist, kann im vorliegenden Fall offenbleiben, da jedenfalls dann die Ernennung abzulehnen ist, wenn sich - wie hier - schon aus der Antragsbegründung dessen Zweifelhaftigkeit ergibt und schließlich nach dem Parteivortrag offensichtlich kein wirksamer Schiedsvertrag gegeben ist (StJ/Schlosser ZPO 21. Aufl. § 1029 a.F. Rn. 5).
b) Soweit sich die Antragstellerin auf die Besprechung vom 24. 1. 1997 und in diesem Zusammenhang auf die Aktennotiz des Rechtsanwalts R. sowie auf das Schreiben der Antragsgegnerin vom 9. 6. 1997 beruft, hat sich ergeben, daß Gegenstand einer hierauf gestützten Vereinbarung nur die in der Schiedsklage geltend gemachten Ansprüche in Höhe von 26.750 DM (Ziff. 3 a der Schiedsklage) und 29.765,41 DM (Ziff. 3 b der Schiedsklage) sein können, weil von den in der Schiedsklage erhobenen Forderungen nur diese beiden auch Gegenstand der genannten Besprechung waren. In bezug auf diese Ansprüche sowie hinsichtlich der Forderung in Höhe von 19.095,75 DM (Ziff. 3 d der Schiedsklage), bei der entsprechend dem Vorbringen der Antragsgegnerin eine Schiedsabrede noch im Zusammenhang mit bzw. nach der Einreichung der Schiedsklage in Betracht kommen könnte, liegt jedoch mangels Einigung über das Verfahren, also über einen wesentlichen Teil des Verfahrensgegenstandes, ein Dissens zwischen den Parteien vor, weshalb insofern kein Schiedsvertrag zustande gekommen ist (§ 155 BGB).
Während sich die Antragstellerin ein Schiedsverfahren vor einem Einzelschiedsrichter, das lediglich am Sitz (Ort) der Bayerischen Warenbörse stattfinden sollte, vorgestellt hat, kam es der Antragsgegnerin - abgesehen von der Entscheidung durch einen Einzelschiedsrichter - stets darauf an, daß im übrigen die Schiedsgerichtsordnung der Bayerischen Warenbörse Anwendung finden sollte. Hierzu gehört insbesondere auch die Möglichkeit, ein Berufungsverfahren durchzuführen. Dieser widerstreitende Parteiwille ergibt sich ferner aus der Äußerung der Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom 9. 6. 1997, wonach sie "jedoch auf einem Schiedsgericht bei der Bayerischen Warenbörse in München bestehen" müsse. Daß damit auch die möglichst umfassende Geltung von deren Schiedsgerichtsordnung gemeint war, folgt schon aus der Tatsache, daß es sich dabei um ein ständiges Schiedsgericht mit einer festgelegten Verfahrensordnung handelt.
Diese Auslegung der Parteierklärungen steht auch nicht in Widerspruch zu dem Umstand, daß nur hinsichtlich der Lieferung vom 9. 1. 1995 im Kontrakt Nr. P 48844 (Abzüge in Höhe von 6.053,34 DM) eine Schiedsklausel enthalten war, in der von einem Schiedsgericht in München die Rede ist. Es liegt nahe, daß damit wiederum das ständige Schiedsgericht bei der Bayerischen Warenbörse gemeint war, das nach seiner Schiedsgerichtsordnung in der jeweils geltenden Fassung verfahren sollte.
Diese Schiedsgerichtsordnung sieht aber ein nur aus einem Schiedsrichter bestehendes Schiedsgericht nicht vor (§ 2 Abs. 1 SGO i.F.v. 1. 9. bzw. 9. 11. 1998). Die Antragstellerin hat jedoch lediglich die Bestellung eines Einzelschiedsrichters und nicht etwa eine Schiedsrichterbestellung im Zusammenhang mit dem Tätigwerden eines "Dreierschiedsgerichts" beantragt.
3. Kosten: § 91 Abs. 1 ZPO.
4. Streitwert: § 3 ZPO.
5. Dass den Hilfsanträgen (Verweisung, Rechtsbeschwerdezulassung) nicht zu entsprechen war, bedarf angesichts der Tatsachen, dass der Gegenstand der Schiedsklage (Hauptsache) beim Bayerischen Obersten Landesgericht nicht anhängig ist, die Zuständigkeit dieses Gerichts dagegen nur für den Antrag auf Schiedsrichterbestellung in Betracht kommt (§§ 1035, 1062 Abs. 1 und 5 ZPO i.V.m. § 6a der gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz), sowie im Hinblick auf § 1065 Abs. 1 ZPO, wonach die dort nicht genannten Entscheidungen, zu denen auch ein Antrag auf Schiedsrichterbestellung gemäß § 1035 ZPO gehört, unanfechtbar sind (Thomas/Putzo ZPO 21. Aufl. § 1065 Rn. 8), keiner weiteren Begründung.
Summary
Bay ObLG (Bavarian Highest Regional Court), Order of June 4, 1999 - 4Z Sch 1/99
Appointment of arbitrator by state court
R u l i n g:
An application for the appointment of an arbitrator pursuant to Sec. 1035 sub. 3 ZPO (Code of Civil Procedure) is to be dismissed if obviously according the parties' submission a valid arbitration agreement does not exist.
F a c t s:
In an arbitration pending before the Bavarian Commodities Exchange ("Bayerische Warenbörse") in Munich, the applicant, a limited liability company (GmbH), claimed an amount totalling DM 81.664,50 from the respondent, a stock corporation (AG). The amount was the sum of four different claims based on different contracts.
G r o u n d s:
The Court dismissed the application to appoint an arbitrator.
The court did not accept the existence of a valid arbitration agreement in any of the contracts because of the parties held widely different views regarding the appointment procedure.
The court held that the parties had not reached agreement on a procedure for the appointment of an arbitrator. Since this was an essential issue, there was no valid arbitration agreement for either of the claims made by the applicant in the arbitral proceedings.
While the applicant wanted to conduct the arbitration before a single arbitrator in Munich, at the seat of the Bavarian Commodities Exchange, the respondent always emphasized the importance of the arbitration being actually conducted according to the arbitration rules of the Bavarian Commodities Exchange, including its appointment procedure.
However, these arbitration rules do not provide for the appointment of a Sole Arbitrator, only for arbitral tribunals consisting of three members. Since the applicant has requested appointment of a Sole Arbitrator, the motion had to be dismissed.