Gericht | OLG Rostock | Aktenzeichen | 1 Sch 2/12 | Datum | 22.11.2012 |
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Leitsatz | |||||
1. Wesentlich für die Existenz eines Schiedsgerichtes ist der Ausschluss des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten gem. § 1032 ZPO. 2. Vereinsrechtliche Disziplinarmaßnahmen - auch solche politischer Parteien – unterliegen der Kontrolle durch die staatlichen Gerichte. | |||||
Rechtsvorschriften | §§ 1032, 1062, 1066 ZPO | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Aufhebung eines Schiedsspruches; Verweisung eines Rechtsstreites; Ausschluss des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten; Vereinsschiedsgerichte; vereinsrechtliche Disziplinarmaßnahmen | ||||
Volltext | |||||
Beschluss Das Oberlandesgericht Rostock ist unzuständig. Das Verfahren wird an das zuständige Landgericht Berlin verwiesen. Gründe: I. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Feststellung, dass das Mitgliedschaftsverhältnis zwischen ihm und der Antragsgegnerin durch das Urteil des Bundesschiedsgerichtes der J-Deutschland vom 24.04.2012, Az.: BSG 2012-03-22, nicht beendet worden sei. Der Antragsteller trat am 02.10.2009 dem Landesverband Mecklenburg-Vorpommern der J Deutschland bei. Mit Urteil des Landesschiedsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 10.03.2012 wurde der Antrag des Landesvorstandes, den Antragsteller aus der Ja Deutschland auszuschließen, abgelehnt. Nachdem der Vorsitzende des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern hiergegen Berufung zum Bundesschiedsgericht der J Deutschland eingelegt hatte, hat dieses nach einer Telefonkonferenz vom 17.04.2012 mit Urteil vom 24.04.2012 der Berufung des Landesvorstandes Mecklenburg-Vorpommern stattgegeben und den Antragsteller aus der Jb Deutschland ausgeschlossen. Der Antragsteller rügt, dass die Telefonkonferenz nicht der Vorgabe der Bundessatzung des Bundesschiedsgerichtes entsprochen habe, wonach Urteile aufgrund mündlicher Verhandlung zu fällen seien. Seine sich hieraus ergebenden Rechte könnten nicht durch die Geschäftsordnung des Bundesschiedsgerichtes, die mündliche Verhandlungen im Rahmen einer Telefonkonferenz auf dem Server der Hessischen J zulasse, aufgehoben werden. Zudem sei zu den vom Bundesschiedsgericht festgestellten Verfehlungen des Antragstellers kein Beweis erhoben worden. Das Urteil enthalte fehlerhafte Feststellungen. Selbst wenn die ihm angelasteten Verfehlungen zuträfen, sei - wie vom Landesschiedsgericht angenommen - der Partei kein schwerer Schaden entstanden. Das von dem Antragsteller angerufene Landgericht Stralsund hat das Verfahren mit Beschluss vom 17.10.2012 nach §§ 1062 Abs. 1 Nr. 4, 1043 Abs. 1 ZPO i.V.m. der Satzung des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern der J Deutschland an das Oberlandesgericht Rostock als erstinstanzliches Gericht zuständigkeitshalber verwiesen. Auf Hinweis des Senates, dass das Oberlandesgericht Rostock hinsichtlich eines durch das Bundesschiedsgericht in Berlin ergangenen Berufungsurteils örtlich unzuständig sein dürfte, hat der Antragsteller den Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 18.10.2012 (richtig: 17.10.2012) als falsch bezeichnet, weil es sich bei Parteigerichten nicht um Schiedsgerichte im Sinne der §§ 1025 ff ZPO handele. Danach wäre das Landgericht Stralsund zuständig gewesen, zumal er sich gegen einen Ausschluss aus dem Landesverband Mecklenburg-Vorpommern wende. Die Antragsgegnerin hat keine Bedenken gegen eine Verweisung des Verfahrens nach Berlin geäußert. II. Das Oberlandesgericht Rostock ist unzuständig; zur Entscheidung über den Feststellungsantrag berufen ist das sachlich und örtlich zuständige Landgericht Berlin. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Stralsund ist entgegen § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO für das Oberlandesgericht Rostock ausnahmsweise nicht bindend, weil der Verweisung die rechtliche Grundlage fehlt, sodass sie als objektiv willkürlich erscheint. Die Verweisung eines Rechtsstreits ist allerdings grundsätzlich unwiderruflich für das verweisende Gericht und grundsätzlich bindend für das aufnehmende Gericht. Dies ist selbst bei Rechtsirrtum oder Verfahrensfehlern der Fall. Jedoch entfaltet ein Verweisungsbeschluss aus rechtsstaatlichen Gründen dann keine Bindung, wenn der Verweisung jegliche rechtliche Grundlage fehlt, so dass sie als objektiv willkürlich erscheint. Solches ist insbesondere bei evident falscher Erfassung des Sachverhaltes der Fall, insbesondere wenn eine - im Wesentlichen - fehlende Begründung nicht erkennen lässt, dass sich das Gericht mit einhellig gegenteiliger Rechtsansicht auseinandergesetzt hat (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 281 Rn. 17 m.w.N.). So liegt es hier. Gegen einen Schiedsspruch kann zwar der Antrag auf gerichtliche Aufhebung unter den Voraussetzungen des § 1059 Abs. 2 und 3 ZPO gestellt werden. Zur Entscheidung ist das staatliche Gericht berufen. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Das Oberlandesgericht, das in der Schiedsvereinbarung bezeichnet ist, oder, wenn eine solche Bezeichnung fehlt, in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt, ist zuständig für Entscheidungen über Anträge betreffend die Aufhebung eines Schiedsspruches. Maßgebend hierfür ist der im Schiedsspruch angegebene Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens; die örtliche Zuständigkeit kann zudem auch nach§§ 38, 39 ZPO begründet werden. Diese Vorschriften sind hier indes nicht einschlägig. Das Landgericht hat verkannt, dass für das Begehren des Antragstellers das Verfahren nach dem 10. Buch der ZPO nur dann statthaft wäre, wenn es sich bei dem Bundesschiedsgericht der J Deutschland um ein echtes Schiedsgericht im Sinne der§§ 1066, 1025 f. ZPO handeln würde. Dies ist nicht der Fall. Den Schiedsgerichten der Partei obliegt es gemäß ihrer Bundessatzung Abschnitt A § 6 i.V.m. Abschnitt C "Schiedsgerichtsordnung" auf bestimmte Ordnungs-/Disziplinarmaßnahmen zu erkennen. Hierbei handelt es sich somit um parteiinterne Maßnahmen, nicht jedoch um solche einer externen Schiedsgerichtsbarkeit. Wesentlich für ein echtes Schiedsgericht ist der Ausschluss des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten, § 1032 ZPO. Im Parteiordnungsverfahren können gemäß Abschnitt A § 6 Abs. 1 der Bundessatzung einzelne Ordnungsmaßnahmen gegen Parteimitglieder durch den Bundesvorstand angeordnet werden, § 6 Abs. 3 Satz 1 Bundessatzung. Hingegen entscheidet über den Antrag auf Ausschluss aus der Partei auf Antrag des Bundesvorstands das nach der Schiedsgerichtsordnung zuständige Schiedsgericht, wobei eine Berufung an ein Schiedsgericht höherer Stufe zu gewährleisten ist, § 6 Abs. 3 Satz 3, 4 Bundessatzung. Der Ausschluss aus der Partei ist mangels eines vollstreckungsfähigen Inhalts aber nicht zur Vollstreckung durch staatliche Instanzen gemäß §§ 1055, 1060 ZPO bestimmt. Ferner hat der Antragsteller noch nicht einmal Einfluss auf die Auswahl der Mitglieder des Schiedsgerichts nehmen können. Diese werden nämlich gemäß Abschnitt C § 4 der Bundessatzung mindestens einmal im Kalenderjahr durch die Mitgliederversammlung auf dem jeweiligen Parteitag gewählt. Auch im Übrigen ist das Verfahren vor den Schiedsgerichten der J Deutschland nicht den Vorschriften des 10. Buches der ZPO entsprechend ausgestaltet (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2002, 6 Sch 8/02, NJW-RR 2003, 142 - zitiert nach juris m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes unterliegen vereinsrechtliche Disziplinarmaßnahmen - auch solche politischer Parteien - der Kontrolle durch die staatlichen Gerichte; diese muss jedoch in grundsätzlicher Anerkennung der Vereinsautonomie bestimmte Grenzen einhalten (vgl. BGH Urteil vom 14.03.1994, II ZR 99/93, NJW 1994, 2610- zitiert nach juris). Zu den nach § 10 Abs. 4 und 5 Parteiengesetz (i.V.m. der Bundessatzung) geltenden speziellen und abschließenden Sonderregelungen für den Ausschluss aus einer politischen Partei vgl. auch KG Berlin, Urteil vom 27.10.2006, 3 U 47/05 ( KGR Berlin 2007, 460 zitiert nach juris). Eine erstinstanzliche Zuständigkeit eines Oberlandesgerichts ist nur in den engen Grenzen gesetzlicher Regelungen gegeben; eine solche ist für die Überprüfung vereins- und parteirechtlicher Disziplinarverfahren jedoch nicht ersichtlich. Das Berufungsurteil in dem Parteiausschlussverfahren vom 23.04.2012, mit dem der Antragsteller nicht lediglich aus dem Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, sondern aus der J Deutschland insgesamt ausgeschlossen worden ist, ist am Sitz des Bundesschiedsgerichts der Jb Deutschland in Berlin ergangen. Da das Landgericht in Verkennung der Rechtslage von einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 1066, 1062 ZPO ausgegangen ist, die parteirechtliche Disziplinarmaßnahme jedoch - wie ausgeführt - der Kontrolle durch die staatlichen Gerichte unterliegt und der Parteiausschluss durch das Bundesschiedsgericht der J Deutschland mit Sitz in Berlin erfolgt ist, ist die dortige ordentliche Gerichtsbarkeit zur Entscheidung über das Klagebegehren berufen. Von einer Verweisung an das KG Berlin war zwecks Erhaltung des lnstanzenzuges abzusehen. | |||||
Summary | |||||
The applicant asked the Higher Regional Court of Rostock for legal aid for filing an application for the setting aside of an arbitral award which declared the membership of the applicant in a political party terminated. The court found that it had no jurisdiction to decide the matter and referred the case to the Regional Court of Berlin. The applicant had joined the regional association of Mecklenburg-Western Pomerania of the political party in 2009. Three years later, at request of the regional executive committee of the party, the applicant was excluded from the association by decision of the federal arbitral tribunal of the political party. To appeal against that decision, the applicant initially went before the Regional Court of Stralsund, which referred the case, pursuant to section 281 of the German Code of Civil Procedure (ZPO) to the Higher Regional Court of Rostock that it deemed to have jurisdiction under sections 1062 subsec. 1 no. 4, 1043 subsec. 1 ZPO in conjunction with the statutes of the regional association of Mecklenburg-Western Pomerania of the party. The Higher Regional Court of Rostock found that, contrary to section 281 subsec. 2 sentence 4 ZPO, the decision of the Regional Court of Stralsund was exceptionally not binding for the Higher Regional Court of Rostock, because the decision to refer the dispute appeared to be objectively arbitrary as it lacked a legal basis. Such a referral of a legal dispute is in principle irrevocable for the referring court and binding for the receiving court, even in cases of errors of law or procedural errors. However, such a referral is not binding if it lacks any legal basis, so that it appears to be objectively arbitrary. This is particularly the case when the facts of the case are evidently wrongly conceived, especially when a - essentially - missing statement of reasons does not show that the court has dealt with an opposing and prevailing legal view. The court found that this was the case here, as the Regional Court of Stralsund had incorrectly applied the provisions of the tenth book of the German Code of Civil Procedure to determine that the Higher Regional Court of Rostock was locally and functionally competent to decide the matter. The court found that these provisions did not apply to the case at hand, because the decision appealed against was not an arbitral award as the federal arbitral tribunal of the political party was not a genuine arbitral tribunal within the meaning of sections 1066, 1025 et seqq. ZPO. The exclusion of legal recourse to the ordinary state courts is essential for the existence of a genuine arbitral tribunal, section 1032 ZPO. However, according to settled case law of the German Federal Supreme Court, disciplinary measures under statutes of associations - including those of political parties – are, although limited by the fundamental principle of autonomy of associations, subject to control by the state courts. Moreover, the proceedings before the arbitral tribunals of the political party were also not structured in accordance with the provisions of the tenth book of the ZPO. Since the Regional Court of Stralsund had disregarded this legal situation and had assumed an application for a court decision pursuant to sections 1066, 1062 ZPO, but the disciplinary measure was subject to the control of the state courts and the exclusion of the applicant was effected by the federal arbitral tribunal of the political party with seat in Berlin, the Regional Court of Berlin had jurisdiction to decide the matter. |