Gericht | KG Berlin | Aktenzeichen | 23/29 Sch 13/01 | Datum | 08.04.2002 |
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Leitsatz | |||||
Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs Leitsatz der Redaktion: Eine Verletzung der Hinweispflicht nach §§ 139, 278 ZPO kann nur dann einen Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO darstellen, wenn die mögliche Auswirkung dieses Verstoßes auf den Schiedsspruch dargetan ist. | |||||
Rechtsvorschriften | § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO, § 139 ZPO, § 278 ZPO | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Aufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Schiedsspruch, inländisch; - Vollstreckbarerklärung Aufhebungs-/Versagungsgründe: - fehlerhafte Bildung des Schiedsgerichts, Befangenheit; - nicht ordnungsgemäß | ||||
Volltext | |||||
B E S C H L U S S: I. Der von dem Schiedsgericht, bestehend aus dem Rechtsanwalt Dr. B. als Obmann sowie der Rechtsanwältin M. und dem Rechtsanwalt V. als weiteren Schiedsrichtern, am 6. Juli erlassene Schiedsspruch wird für vollstreckbar erklärt. II. Der Schiedsspruch hat folgenden Wortlaut: 1. Es wird festgestellt, dass der Bürogemeinschaftsvertrag vom 11.10.1996 aufgelöst ist. 2. ... 3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 114.486,41 DM nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz seit dem 01.01.2001 zu zahlen. 4. Es wird festgestellt, dass der Kläger in Ausübung seines Berufes als Rechtsanwalt in seinen Kanzleiräumen tätig sein darf. 5. Dem Beklagten wird untersagt, den Namen "B..." auf Drucksachen, insbesondere Briefköpfen, -umschlägen, Visitenkarten sowie elektronischen zur Versendung bestimmten Datenträgern zu verwenden, sowie gegenüber Dritten auf eine gemeinsame Berufsausübung mit dem Kläger in Bürogemeinschaft oder in sonstiger Weise zu verweisen oder eine solche gegenüber Dritten zu behaupten. 6. Die Widerklage wird abgewiesen. 7. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. III. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. V. Der Wert des Verfahrens wird auf 100.000,00 Euro festgesetzt. G R Ü N D E: Durch Vertrag vom 11. Oktober 1996 kaufte der Antragsgegner vom Antragsteller, der als Anwalt und Notar tätig war, dessen Rechtsanwaltspraxis. Am selben Tage schlossen die Parteien außerdem einen Bürogemeinschaftsvertrag. Für Streitigkeiten aus den Verträgen war eine Entscheidung durch Schiedsgericht vereinbart. Nach umstrittener fristloser Kündigung des Bürogemeinschaftsvertrages durch den Antragsteller kam es zu einem Schiedsverfahren mit einer Reihe von Streitpunkten, darunter ein Anspruch des Antragstellers auf Mietzins bzw. Nutzungsentschädigung für die vom Antragsgegner genutzten Räume. Das Schiedsgericht hat durch das in der Beschlussformel bezeichnete Urteil wie dort wiedergegeben befunden; Ziffer 2 enthält eine Verurteilung des Antragsgegners zur Räumung und Herausgabe der von ihm innegehaltenen Räume der Bürogemeinschaft. Der Antragsteller begehrt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, hinsichtlich der Ziffern 1 und 4 des Schiedsspruchs (für den Fall, dass wegen deren feststellenden Charakters eine Vollstreckbarerklärung ausscheide), hilfsweise, festzustellen, dass bezüglich dieser Ziffern Aufhebungsgründe nicht vorlägen. Der Antragsgegner begehrt, den Antrag auf Vollstreckbarerklärung unter Aufhebung des Schiedsspruchs zurückzuweisen und das Schiedsgericht für befangen zu erklären, hilfsweise, die vorläufige Vollstreckbarkeit nur gegen vorherige Sicherheitsleistung des Antragstellers durch Hinterlegung von 126.500,00 DM anzuordnen. Hinsichtlich Ziffer 2 des Schiedsspruchs haben die Parteien das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten des Schiedsgerichtsverfahrens haben dem Senat in Kopie vorgelegen und sind Gegenstand der Erörterung gewesen. II. Dem Begehren des Antragstellers ist stattzugeben. 1. Ihm steht anders als der Antragsgegner meint hinsichtlich der Ziffern 1 und 4 des Schiedsspruchs nicht entgegen, dass dieser insoweit feststellenden Charakter hat. Nach h.M. können auch feststellende Schiedssprüche für vollstreckbar erklärt werden (Zöller/Geimer, 22. Aufl., §1060 ZPO Rn. 2). 2. Die Oberlandesgerichte werden im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung von Schiedsurteilen nicht als Rechtsmittelgerichte tätig. Die materielle Richtigkeit des Schiedsurteils ist in diesem Verfahren nicht zu überprüfen, was hinreichend bedacht zu haben der Antragsgegner in weiten Teilen seiner Ausführungen nicht erkennen lässt. Vielmehr ist gemäß § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf ordnungsgemäßen Antrag hin ein Schiedsurteil für vollstreckbar zu erklären, wenn keiner der in § 1059 Abs. 2 ZPO bezeichneten Aufhebungsgründe vorliegt. Solche Aufhebungsgründe sind hier nicht festzustellen. a. Das Schiedsurteil leidet nicht unter dem Mangel der fehlenden Begründung, der einen unter § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO fallenden Aufhebungsgrund darstellt. Für die Begründung eines Schiedsurteils gelten lediglich gewisse Mindestanforderungen. Keine Partei hat einen Anspruch auf einen bestimmten Grad von Ausführlichkeit der Begründung. Davon, dass das mit 14 Seiten Entscheidungsgründen versehene Schiedsurteil einer Begründung entbehre, kann keine Rede sein. Die Begründung besteht auch weder aus inhaltslosen Wendungen, so dass sie gleichsam nur die Attrappe einer Begründung wäre, noch ist sie offenbar widersinnig oder steht sie im Widerspruch zu der Entscheidung. b. Dem Antragsgegner ist im Schiedsverfahren auch nicht das rechtliche Gehör versagt worden, was einen Aufhebungsgrund gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO bedeuten würde (Verstoß gegen den [hier: verfahrensrechtlichen] ordre public). Der Antragsgegner sieht eine Gehörsverletzung darin, dass sich das Schiedsgericht, wie er meint, nicht genügend mit seinem umfangreichen Vortrag auseinandergesetzt habe. woraus zu schließen sei, dass es diesen Vortrag nicht ausreichend zur Kenntnis genommen habe. Dem ist nicht zu folgen. Das Schiedsurteil ist auch unter dem hier in Frage stehenden Aspekt nicht zu beanstanden. Das Schiedsgericht musste sich nicht mit allem vom Antragsgegner Vorgebrachten ausdrücklich auseinandersetzen (vergl. auch § 313 Abs. 3 ZPO). Aus den Entscheidungsgründen des Schiedsurteils ergibt sich klar, dass das Schiedsgericht nicht deshalb zu Ungunsten des Antragsgegners entschieden hat, weil es etwa dessen Vortrag (in wesentlichen Teilen) nicht zur Kenntnis genommen hätte, sondern weil dieser Vortrag das Schiedsgericht nicht überzeugt hat. Ob das Schiedsgericht richtig entschieden hat, ist wie schon gesagt im vorliegenden Verfahren nicht zu überprüfen. c. Ohne Erfolg macht der Antragsgegner geltend, es liege der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO vor, weil das Schiedsgericht in seinem Urteil von einer im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 3. April 2001 zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht wieder abgerückt sei, ohne die Parteien darauf hinzuweisen und ihnen Gelegenheit zum rechtlichen Gehör zu geben, wozu es nach §§ 139, 278 ZPO verpflichtet gewesen sei. Mit diesem Vorbringen kann der Antragsgegner jedenfalls deshalb nicht durchdringen, weil der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO erfordert, dass anzunehmen ist, dass der in Frage stehende Verstoß sich auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Dazu hätte der Antragsgegner darlegen müssen, welchen bis dahin unterlassenen entscheidungserheblichen Vortrag er denn gebracht hätte, wenn das Schiedsgericht den von ihm vermissten Hinweis gegeben hätte. Eine derartige Darlegung fehlt indes. Das gleiche gilt auch, wenn man in dem behaupteten Verstoß eine Versagung des rechtlichen Gehörs sehen will (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO). d. Das Schiedsgericht hat mit seinem Urteil auch nicht gegen das Willkürverbot verstoßen, was ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO wäre. Eine Verletzung des Willkürverbotes liegt nicht schon bei jedem Fehler der Rechtsanwendung vor, auch nicht, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung zweifelsfrei ist. Hinzukommen muss, dass die fehlerhafte Rechtsanwendung nicht mehr verständlich nachzuvollziehen ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vergl. BVerfG NJW 1986, 575). Wenngleich darüber mag diskutiert werden können, ob dem Schiedsgericht in den vom Antragsgegner apostrophierten Punkten zu folgen ist, liegt jedenfalls ein derartiger Fall nicht vor. Hierbei muss auch berücksichtigt werden, dass bei einem komplexeren Streitverhältnis, wie es hier gegeben war, eine Entscheidungsfindung fehleranfälliger ist als bei einer einfachen Sach- und Streitlage. e. Der Schiedsspruch ist vom Antragsteller auch nicht sittenwidrig erschlichen worden. Grundlage für diesen Vorwurf ist die Behauptung des Antragsgegners, ihm sei vom Antragsteller verschwiegen worden, dass dieser für die Praxisräume (nur) 18,00 DM/m2 Miete zahlte. Die Höhe der vom Antragsteller gezahlten Miete war jedoch für die Entscheidung des Schiedsgerichts ohne Bedeutung; ebenso die Frage, ob der Antragsgegner über die Höhe der Miete getäuscht worden war, da nach Ansicht des Schiedsgerichts der Antragsgegner die Frist für die Ausübung eines Anfechtungsrechts hat verstreichen lassen (Seite 17 des Schiedsurteils). f. Da der Vollstreckbarerklärungsantrag nicht zurückzuweisen ist, braucht über das Begehren des Antragsgegners, das Schiedsgericht für befangen zu erklären, das sich gemäß Erläuterung des Antragsgegners im Senatstermin auf ein etwaiges neues Schiedsverfahren beziehen soll, nicht entschieden zu werden. Bezüglich des abgeschlossenen Schiedsverfahren ist zu sagen, dass eine Ablehnung nach Erlass des Schiedsurteils grundsätzlich nicht mehr möglich ist (BGH MDR 1999, 755). In besonders schwerwiegenden und eindeutigen Fällen von Befangenheit kann allerdings der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO vorliegen (BGH aaO). Wie sich aus dem bereits Gesagten ergibt, ist aber schon eine Befangenheit des Schiedsgerichts nicht festzustellen und damit erst recht nicht ein besonders schwerwiegender und eindeutiger Fall von Befangenheit. 3. Die Kostenentscheidung folgt, soweit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung stattzugeben ist, aus § 91 ZPO. Soweit das Verfahren von den Parteien für in der Hauptsache erledigt erklärt worden ist - Ziffer 2 des Schiedsspruchs - sind die Kosten gemäß § 91a Abs. 1 ZPO dem Antragsgegner aufzuerlegen. Denn ohne Eintritt des in der inzwischen erfolgten vollständigen Räumung und Herausgabe liegenden erledigenden Ereignisses wäre der Antragsgegner unterlegen gewesen. Hinsichtlich der von ihm allgemein gegen den Vollstreckbarerklärungsantrag vorgebrachten Gründe wird auf die dazu schon erfolgten Ausführungen verwiesen. Was die speziell gegen die Vollstreckbarerklärung von Ziffer 2 des Schiedsurteils ins Feld geführten Gründe anlangt, ist der Einwand, die Vollstreckbarerklärung sei unzulässig gewesen, weil die "Exekution" des Schiedsspruchs insoweit bereits in dem vom Antragsgegner anhängig gemachten Verfügungsverfahren 3 O 371/01 LG Berlin rechtshängig gewesen sei, nicht nachzuvollziehen. Der Antragsgegner argumentiert auch vergeblich, dem Vollstreckbarerklärungsantrag habe hinsichtlich Ziffer 2 des Schiedsurteils das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt, weil der Antragsteller die Erfüllung durch Geltendmachung eines Vermieterpfandrechtes unmöglich gemacht habe. Der Antragsgegner war durch das Vorgehen des Antragstellers nicht gehindert, die Räume herauszugeben, was unstreitig erst im Laufe des Verfahrens geschehen ist. Gemäß § 1064 Abs. 2 ZPO ist der Beschluss für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Für das Begehren des Antragstellers [sic], die vorläufige Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung des Antragstellers abhängig zu machen, ist eine Rechtsgrundlage nicht zu sehen | |||||
Summary | |||||
Kammergericht (Higher Regional Court) Berlin, Decision of 8 April 2004 - 23/29 Sch 13/01 R u l i n g: A violation of the judicial duty to instruct the parties (Hinweispflicht) pursuant to Secs. 139, 278 Code of Civil Procedure (ZPO) only constitutes a ground for setting aside an award, if the presumptive effect of such violation has been shown. F a c t s: On 11 October 1996 the applicant and respondent concluded a contract, pursuant to which the respondent purchased from the applicant, an attorney and notary (Rechtsanwalt und Notar), his law practice. At the same time they entered an office sharing agreement (Bürogemeinschaft). Both agreements contained an arbitration clause. The applicant (and claimant in the arbitration) terminated the office sharing agreement without notice, which gave rise to an arbitration in respect of several controversies. The arbitral tribunal rendered an award, i.a. declaring that the office sharing agreement was terminated, ordering the respondent to pay a certain amount to the applicant, declaring furthermore that the claimant was permitted to continue his practice as attorney in his law office and finally, ordering the respondent to cease and desist using the name "B." in his letterhead and/or to use imply in any way a joint professional activity between himself and the claimant. The claimant sought enforcement of the arbitral award. The respondent sought dismissal of the application for a declaration of enforceability and setting aside of the arbitral award. G r o u n d s: The Higher Regional Court of Berlin (Kammergericht) declared the award enforceable. The declaratory nature of certain parts of the arbitral award does preclude a declaration of enforceability. Furthermore, grounds for setting aside the award pursuant to Sec. 1059 sub. 2 ZPO were not validly raised by the respondent. In particular, the award did not violate Sec. 1059 sub. 2 No. 1d ZPO for lack of reasoning. As regards the reasoning of an arbitral award, only certain minimum requirements apply. It also did not violate due process (Sec. 1059 sub. 2 No. 2b ZPO). The arbitral tribunal did not have to rule expressly on every argument advanced by the respondent. The reasoning of the award showed that the arbitral tribunal did not fail to take note of the respondent's arguments; they had merely not been persuasive in the tribunal's opinion. Furthermore, the fact that the arbitral tribunal had changed its point of view on a legal issue - as expressed at the close of the oral hearing - in the course of the deliberations on the award, without instructing the parties with regard to the change of opinion and without hearing them (as would have been its duty under Sec. 139, 278 ZPO), does not constitute a violation of Sec. 1059 sub. 2 No. 1d ZPO, because the respondent failed to show that upon instruction of the tribunal, he would have presented relevant argument that he had not hitherto presented. Thus the violation did not have a presumptive effect on the outcome of the award. The same applies to a potential violation of Sub. 2 No. 2b (public policy). As regards the alleged bias of the tribunal, the court held that after the arbitral award was issued, an arbitrator could no longer be challenged and that such bias would only constitute under very special circumstances a ground for setting aside the award. The award had also not been obtain by fraudulent means, resulting from false information about the operating costs of the joint office. |