20 SchH 06/11


Gericht KG Berlin Aktenzeichen 20 SchH 06/11 Datum 19.01.2012
Leitsatz
Rechtsvorschriften
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
Stichworte
Volltext
B E S C H L U S S:
1. Die Ablehnung des Schiedsrichters Rechtsanwalt C. wird für begründet und das Amt des vorgenannten Schiedsrichters für beendet erklärt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
3. Der Verfahrenswert wird auf 75.357,89 EUR festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Ablehnung des Einzelschiedsrichters ist zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 1037 Abs.3, 1062 Abs.1 Nr.1 ZPO) und begründet.
Der Antragsteller hat Gründe dargelegt, die geeignet sind, berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters aufkommen zu lassen (§ 1036 Abs.2 ZPO).
In den Vorschriften der ZPO über das schiedsrichterliche Verfahren sind zwar die Ablehnungsgründe eines Schiedsrichters nicht ausdrücklich geregelt; es ist aber anerkannt, dass ein Ablehnungsgrund im Sinne der §§ 41, 42 ZPO, der zur Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit berechtigt, auch Zweifel an der Unparteilichkeit des Schiedsrichters bietet, wenn die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben (Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 1036 Rn. 10; Musielak/Voit, ZPO, 8. Aufl., § 1036 Rn. 4).
Der Schiedsrichter ist dementsprechend verpflichtet, die für einen Richter geltenden Gebote, insbesondere der Neutralität, Objektivität und der Wahrung der Ausübung der Parteirechte zu beachten. Dabei rechtfertigen allerdings nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Schiedsrichter stehe dem Schiedsverfahren nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber, eine Ablehnung, wobei nicht erforderlich ist, dass der Schiedsrichter tatsächlich befangen ist.
Unter Zugrundelegung der vorgenannten Kriterien hat der Antragsteller objektive Gründe vorgetragen, die auch nach Meinung einer „ruhig und vernünftig denkenden“ Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (Zöller/Vollkommer, a. a. O., § 42 Rn.9 m. w. N.).
Nach dem unstreitigen Vortrag des Antragstellers hat der Schiedsrichter Rechtsanwalt C. mit Schreiben vom 10.10.2011 folgenden Hinweis erteilt:
„ Die Parteien werden des Weiteren darauf hingewiesen, dass dem Schiedsgericht bekannt wurde, dass eine Verkaufsannonce in dem B.-Blatt … dort auf Seite … darauf hindeutet, dass der Schiedsbeklagte u. a. Gegenstände des streitgegenständlichen Kanzleikaufvertrages (hier: NJW, moderne Büromöbel) zum Kauf anbietet. Die vorbenannte Anzeige liegt in Kopie anbei. Dem Beklagten wird aufgegeben hierzu in der vorbenannten Frist Stellung zu nehmen.“
In seiner Stellungnahme hält der Schiedsrichters diesen Hinweis nach den §§ 138, 139 ZPO für zulässig, führt jedoch selbst aus, dass Fragen im Zusammenhang mit den Kaufgegenständen nicht streiterheblich seien. Ausweislich der Klageschrift im Schiedsverfahren begehrt der hiesige Antragsgegner im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs u. a. Ersatz des gezahlten Kaufpreises für die Kanzlei, insbesondere des Kaufpreises des Anlagevermögens (Büroeinrichtung) in Höhe von 3.999,00 EUR, wobei das Eigentum an bestimmten Kanzleigegenständen und deren Verbleib nicht Gegenstand des Schiedsgerichtsverfahrens und zwischen den Parteien auch nicht streitig sind. Soweit das Schiedsgericht auf die Verkaufsannonce des Antragstellers hingewiesen hat, handelt es sich um die Bekanntgabe einer offenkundigen Tatsache gemäß § 291 ZPO, die das Gericht erst nach Einführung in den Prozess und Anhörung der Parteien durch einen entsprechenden Hinweis verwerten darf. Die Einführung offenkundiger Tatsachen in den Prozess und ein entsprechender Hinweis sind gemäß § 139 Abs.1 und 2 ZPO jedoch nur dann zulässig, wenn es sich um entscheidungserhebliche Tatsachen handelt. Um solche handelt es sich hier aber unstreitig nicht. Das Gericht darf auch im Rahmen des § 139 ZPO nicht von sich aus Lücken im Sachvortrag ausfüllen oder einer Partei neue Klagegründe nahelegen, die in ihrem Sachvortrag nicht andeutungsweise enthalten sind. Es darf die Partei nicht auf eine andere, nicht mehr im Rahmen ihres bisherigen Vorbringens liegende tatsächliche Begründung ihres Antrages hinlenken oder anspruchsbegründende Tatsachen erst herbeiführen. Mit seinem Hinweis hat der Schiedsrichter auf ein neues, angeblich vertragswidriges oder auch deliktsrechtlich relevantes Verhalten des Antragsgegners hingewiesen, das bisher nicht Gegenstand des Schiedsverfahrens war und hat damit seine Neutralitätspflicht verletzt (vgl. Zöller/Greger, a. a. O., § 139 Rn. 3a, 17).
Hinzu kommt, dass die Einschätzung des Schiedsrichters, dass die Verkaufsannonce darauf hindeute, dass der Schiedsbeklagte u. a. Gegenstände des streitgegenständlichen Kanzleikaufvertrages (NJW, moderne Büromöbel), die mitverkauft wurden, nunmehr anderweitig zum Kauf anbiete, sachlich nicht nachvollziehbar ist und den unbegründeten Vorwurf strafrechtlich relevanten, mindestens unredlichen Verhaltens beinhaltet. Zwar enthält die Liste des verkauften Anlagevermögens (Anlage 2.1 (a) zum Kaufvertrag) Büromöbel und den Posten „diverse Literatur“, jedoch ergibt sich aus ihr auch, dass der Inhalt des Büros 4 Privateigentum des Antragsstellers bleibt. Dazu gehören nach der Anlage 2.1 (b) „Privatvermögen“ ebenfalls Büromöbel; die NJW ist beiden Listen nicht erwähnt. Außerdem trägt die Annonce die Überschrift „Gelegenheit aus ehemaligem Notariat“, was lediglich den Schluss zulässt, dass es sich um Gegenstände des nicht mit verkauften Notariats handelt. Die ohne sachliche Rechtfertigung und ohne Anhörung der Parteien geäußerte Einschätzung des Schiedsrichters, der Antragsteller veräußere Gegenstände, die er bereits an den Antragsgegner verkauft habe, musste bei dem Antragsteller den Eindruck hervorrufen, dass der Schiedsrichter ihm nicht unvoreingenommen gegenüber stehe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO, denn der Antragsgegner hat der Mandatsbeendigung des amtierenden Schiedsrichters nicht zugestimmt. Der Verfahrenswert ist entsprechend § 3 ZPO auf 1/3 des Hauptsachewerts zu schätzen.
Summary