Gericht | OLG München | Aktenzeichen | 34 Sch 19/15 | Datum | 22.11.2016 |
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Leitsatz | |||||
1. Formelle Erfordernisse für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs aus einem anderen Vertragsstaat enthält das Europäische Übereinkommen über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 nicht. 2. Das deutsche nationale Recht verlangt zwingend auch für ausländische Schiedssprüche nur die Vorlage des Schiedsspruchs im Original oder in beglaubigter Abschrift. Soweit allerdings Art. IV UNÜ über das nationale Recht hinausgehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden, Übersetzungen und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UNÜ das Günstigkeitsprinzip, zumal Art. IV UNÜ lediglich als Beweismittelregelung zu verstehen ist. 3. Ein etwaiger Verstoß gegen den internationalen ordre public in einem Teilausspruch infiziert nicht den gesamten Schiedsspruch. Er hindert daher die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in seinen übrigen, hinreichend selbständigen Teilen nicht. | |||||
Rechtsvorschriften | §§ 1061 Abs. 1, 1064 Abs. 1, 1064 Abs. 3 ZPO | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruches; Zulässigkeit des Antrags; Anforderungen an die Vorlage des Schiedsspruches; Günstigkeitsprinzip; Verstoß gegen den internationalen ordre public | ||||
Volltext | |||||
Beschluss I. Das aus dem Einzelschiedsrichter D bestehende Schiedsgericht erließ in dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagten in Brno/Tschechische Republik geführten Schiedsverfahren am 19. April 2012 folgenden Schiedsspruch, dessen Vollstreckbarkeit seit dem 28. April 2012 besteht: 1. Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den Betrag in Höhe von 10.823,16 EUR zusammen mit den gesetzlichen Verzugszinsen von 7,75 % p.a. zu bezahlen von dem Betrag von 58,34 EUR ab 18.8.2011 bis Bezahlung, von dem Betrag von 799 EUR ab 20.8.2011 bis Bezahlung, von dem Betrag von 843,50 EUR ab 21.8.2011 bis Bezahlung, von dem Betrag von 874,76 EUR ab 23.8.2011 bis Bezahlung, von dem Betrag von 988,80 EUR ab 3.9.2011 bis Bezahlung, von dem Betrag von 957,84 EUR ab 8.9.2011 bis Bezahlung, von dem Betrag von 954,40 EUR ab 12.9.2011 bis Bezahlung, von dem Betrag von 330 EUR ab 28.9.2011 bis Bezahlung, von dem Betrag von 916 EUR ab 7.10.2011 bis Bezahlung, von dem Betrag von 894,24 EUR ab 7.10.2011 bis Bezahlung, von dem Betrag von 1202,88 EUR ab 9.10.2011 bis Bezahlung, von dem Betrag von 1308 EUR ab 10.10.2011 bis Bezahlung, von dem Betrag von 695,40 EUR ab 20.10.2011 bis Bezahlung, und das alles innerhalb von drei Tagen ab Rechtskraft des Schiedsspruchs. 2. Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger von den Verfahrenskosten den Betrag in Höhe von 6.453 CZK zu bezahlen, und zwar innerhalb von drei Tagen ab Rechtskraft des Schiedsspruchs. II. Dieser Schiedsspruch wird für vollstreckbar erklärt. III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens. IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. V. Der Streitwert wird auf 11.000,00 € festgesetzt. Gründe: I. Am 14.12.2011 gab die Antragsgegnerin zu Gunsten der Antragstellerin für nicht bezahlte Transportleistungen aufgrund verschiedener fälliger Rechnungen eine „Verpflichtungsanerkennung“ über Gesamtschulden in Höhe von 21.693,16 € ab. Das Anerkenntnis enthält die Klausel, dass sämtliche Streitigkeiten hieraus im Schiedsverfahren durch einen einzigen Schiedsrichter, der durch den Aufsichtsratsvorsitzenden einer näher bezeichneten Gesellschaft ernannt werden solle, gelöst werden. In dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagten geführten Schiedsverfahren wegen offener Zahlungsansprüche aus dem Anerkenntnis in Höhe von noch 10.823,16 EUR erließ das Schiedsgericht am 24.4.2012 in Brno/Tschechische Republik den oben wiedergegebenen und seit 28.4.2012 als vollstreckbar bezeichneten Schiedsspruch. Die Antragsgegnerin hatte sich am schiedsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt. Unter Vorlage des Schiedsspruchs in einer durch einen tschechischen Notar beglaubigten Abschrift nebst deutscher Übersetzung hat die Antragstellerin am 4.7.2012 dessen Vollstreckbarerklärung beantragt. Die Antragsgegnerin hat sich zu dem ihr am 10.7.2012 mit Fristsetzung zum 30.7.2012 zugestellten Antrag nicht geäußert. II. Dem Antrag ist stattzugeben. 1. Für den Antrag, den im Ausland ergangenen Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, ist das Oberlandesgericht München zuständig (§ 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 und 5 ZPO i.V.m. § 7 Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 11.6.2012, GVBl S. 295), weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in Bayern hat. 2. Maßgeblich für die Anerkennung des in der Tschechischen Republik ergangenen Schiedsspruchs ist in erster Linie das Europäische Übereinkommen über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl 1964 II S. 425; im Folgenden: Europäisches Übereinkommen), das für die Tschechische Republik seit 1.1.1993 in Kraft ist (BGBl 1994 II S. 978). Jenes Übereinkommen ändert das UN- Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II S. 122; im Folgenden: UN-Ü) teilweise ab (siehe Art. IX Abs. 2) und geht diesem vor (vgl. § 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Es gilt jedoch, auch im Verhältnis zum innerstaatlichen Recht, das Meistbegünstigungsprinzip, wonach auf das anerkennungsfreundlichere Regelwerk zurückzugreifen ist (BGH NJW-RR 2004, 1504; BayOblGZ 2000, 233; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 33. Aufl. § 1061 Rn. 7). 3. Der Antrag ist zulässig (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1, § 1064 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Formelle Erfordernisse für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs aus einem anderen Vertragsstaat enthält das Europäische Übereinkommen nicht. Soweit Art. IV UN-Ü über § 1064 Abs. 1 und 3 ZPO hinausgehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden, Übersetzungen und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UN-Ü ebenfalls das Günstigkeitsprinzip (BGH NJW 2000, 3650). Das anerkennungsfreundlichere nationale Recht verlangt zwingend auch für ausländische Schiedssprüche nur die Vorlage des Schiedsspruchs im Original oder in beglaubigter Abschrift. Um die Anerkennungsvoraussetzungen sachgerecht zu prüfen, kann das nationale Gericht allerdings die Beibringung von Übersetzungen anordnen (vgl. § 142 Abs. 3 ZPO). a) Die Antragstellerin hat den Schiedsspruch nicht im Original vorgelegt, sondern in einer von einem tschechischen Notar beglaubigten Abschrift. Art. IV Abs. 1 Buchst. a UN-Ü verlangt die beglaubigte Abschrift einer - gehörig legalisierten - Urschrift (vgl. Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 1061 Rn. 67), woran es hier fehlt, wenn man darunter die amtliche Bestätigung der Authentizität des schiedsgerichtlichen Urteils durch einen deutschen Notar oder deutschen konsularischen Vertreter versteht (Schlosser aaO. Rn. 66). Gemäß der herrschenden Praxis genügt jedoch die vorliegende Form, insbesondere da die Regelung nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern als Beweisbestimmung zu verstehen (BGH NJW 2000, 3650) ist. b) Ferner verlangt Art. 4 Abs.1 Buchst. b UN-Ü die Vorlage der Schiedsvereinbarung in Urschrift oder beglaubigter Abschrift. Die Antragstellerin hat nur eine Kopie der unterzeichneten Vereinbarung vorgelegt. Dies ist jedoch unschädlich, denn nach deutschem Recht (vgl. § 1064 Abs. 3 ZPO), das nach dem Günstigkeitsprinzip (Art. VII Abs. 1 UN-Ü) gilt, bedarf es für die Vollstreckbarerklärung nicht unbedingt der Vorlage der Schiedsvereinbarung (BGH SchiedsVZ 2005, 306). c) Schließlich ist auch für die beizubringende Übersetzung die Form des Art. IV Abs. 2 Satz 2 UN-Ü keine Zulässigkeitsvoraussetzung (Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 30 Rn. 26). 4. Der Antrag ist begründet. a) Die Authentizität des vorgelegten Dokuments als Schiedsspruch ist hinreichend gesichert. Zum einen hat sich die Antragsgegnerin dazu nicht geäußert, so dass der Vortrag der Antragstellerin als zugestanden erachtet werden kann (vgl. § 138 Abs. 3 ZPO). Zum anderen sind dem erkennenden Senat Aufbau und Gestaltung ausländischer Schiedssprüche und die Verfahrensgestaltung von Schiedsgerichten europäischer Nachbarländer aus mehrjähriger Praxis bekannt. Er hat keinerlei Zweifel, dass der Schiedsspruch vom 19.4.2012 so, wie er vorgelegt wurde, ergangen ist. b) Versagensgründe im Sinn von Art. V UN-Ü liegen nicht vor. Der Antragsgegnerin wurde Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Sie hat sich nicht geäußert, so dass Versagensgründe nach Art. V Abs. 1 UN-Ü von vornherein nicht zu berücksichtigen sind. Solche nach Art. V Abs. 2 UN-Ü, die von Amts wegen zu prüfen sind, sind nicht ersichtlich. 5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Der Streitwert entspricht dem Wert der zu vollstreckenden Forderungen. | |||||
Summary | |||||
The applicant asked the Higher Regional Court of Munich for a declaration of enforceability of a foreign arbitral award. The court declared the award enforceable. The court found that primarily decisive for the enforcement of the foreign arbitral award made in the Czech Republic was the European Convention on International Commercial Arbitration of 21 April 1961. This Convention partially amends the United Nations Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards of 10 June 1958 (NYC) and takes precedence over it (cf. section 1061 subsec. 1 sentence 2 of the German Code of Civil Procedure (ZPO)). However, the principle of favourability applies, also in relation to domestic law, according to which the more recognition-friendly set of rules must be applied. The court found that the application was admissible (section 1025 subsec. 4, section 1061 subsec. 1, section 1064 subsec. 1 sentence 1 and subsec. 3 ZPO). The European Convention does not contain formal requirements for the declaration of enforceability of an arbitral award from another contracting state. The applicable domestic law requires only the presentation of the original or a certified copy of the arbitral award, even for foreign arbitral awards. According to Art. IV subsec. 1 lit. a NYC on the other hand, the duly legalized original of the arbitral award or a duly certified copy of such an original must be submitted. In addition, Art. IV subsec. 1 lit. b NYC requires the submission of the original or a duly certified copy of the arbitration agreement concluded between the parties. The applicant had not submitted the original arbitral award, but only a certified copy by a Czech notary. However, insofar Art. IV NYC set requirements for the submission of the arbitral award and the agreement between the parties which went beyond the requirements set forth in sections 1064 subsec. 1 and 3 ZPO, those requirements did not apply. According to Art. VII subsec. 1 NYC, any party shall not be deprived of the right to rely on a more favourable domestic law or treaty. As the applicant submitted a certified copy of the arbitral award, it complied with the more enforcement-friendly requirements of the domestic law. The applicant had also not submitted the original arbitration agreement or a certified copy thereof. However, the court found that this was irrelevant, because German law does not require the submission of the arbitration agreement for a declaration of enforceability of the arbitral award. The application was also well-founded. The authenticity of the submitted document as an arbitral award was sufficiently assured. On the one hand, the party opposing the application did not comment on this, so that the applicant's submission could be considered acknowledged (cf. section 138 subsec. 3 ZPO). On the other hand, the court was aware of the structure and design of foreign arbitral awards and the procedural design of arbitral tribunals in neighbouring European countries from several years of practical experience. It had no doubt that the arbitral award was made as it was submitted. |