Gericht LG München II Aktenzeichen Datum 13.08.2001
Leitsatz
Vereinsschiedsgerichtsbarkeit
Steht nach der Vereinssatzung ein effektiver vorläufiger Rechtsschutz gegen vereinsinterne Maßnahmen zur Verfügung, kann eine einstweilige Verfügung vor den staatlichen Gerichten nicht beansprucht werden. § 1033 ZPO findet bei vereinsinternen Schiedsverfahren keine Anwendung.
Rechtsvorschriften§ 935 ZPO, § 1033 ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
Stichworteeinstweiliger Rechtsschutz Verbandsschiedsgerichtsbarkeit
Volltext
B E S C H L U S S:
G r ü n d e
Der Ast. ist Mitglied der CSU und gehört dem Ortsverband der Ag. an. Durch Beschluss vom 30. 7. 2001 hat die Ag. den Ast. gem. § 9 Abs. II der Satzung der CSU "mit sofortiger Wirkung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Schiedsgerichts von der Ausübung seiner ihm als Parteimitglied zustehenden Rechte ausgeschlossen".
§ 9 der Satzung der CSU lautet auszugsweise:
(2) Bei schwerwiegenden dringenden Fällen können der Orts-, Kreis-, Bezirks-, Parteivorstand und das Präsidium das Mitglied von der Ausübung seiner Rechte bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Schiedsgerichtes ausschließen. Dies hat auch das Ruhen sämtlicher Ämter in der Partei, ihren Arbeitsgemeinschaften und Arbeitskreisen zur Folge.
Das zuständige Schiedsgericht, in eiligen Fallen auch dessen Vorsitzender, kann diese vorläufige Maßnahme bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Ausschluss aufheben oder wieder in Kraft setzen. Auf Antrag des Betroffenen ist innerhalb von drei Wochen eine Entscheidung über die Beibehaltung der vorläufigen Maßnahme zu treffen.
Der Ausschluss des Ag. wird damit begründet, dass dieser die Kreisversammlung dazu missbraucht habe, den dort zur Wahl stehenden Landrat HF und auch den gesamten Kreisvorstand massiv und mit falschen Behauptungen angegriffen habe und auch in der Tageszeitung einen Brief mit Partei schädigendem Inhalt verbreitet habe. Ohne den verbandsinternen vorläufigen Rechtsschutz nach § 9 der Satzung der CSU zu beschreiben, hat der Ag. sofort einen Antrag an das LG auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt, den Vollzug des Beschlusses vom 30. 7. 2001 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bezirks- oder Parteischiedsgerichts auszusetzen.
Gründe:
Der Antrag war als unzulässig zu verwerfen, da derzeit der Weg zu den staatlichen Gerichten nicht eröffnet ist.
Nach der allgemein anerkannten Ansicht in Rechtsprechung und Literatur ist die Anrufung der staatlichen Gerichte in Vereinsangelegenheiten grundsätzlich nur dann eröffnet, wenn die vereinsinternen Rechtsmittelverfahren (Vorschaltverfahren) eingelegt und verbeschieden sind (BGHZ 47, 172; 49, 396; Stöber, Hdb. z. VereinsR, 7. Aufl., Rdnr. 721; Reichert/D annert, Hdb. des Vereins- und VerbandsR, 5. Aufl., Rdnr. 1704; Palandt/Heinrichs, BGB, § 25 Rdnr. 19; Sauter/Schweyer, Der eingetragene Verein, 13. Aufl., Rdnr. 3149).
Dies ist zu begründen mit der verfassungsrechtlich geschützten Vereinsautonomie und mit der besonderen Sachkunde der im Vorschaltverfahren tätigen Personen bezüglich aller Vereinsangelegenheiten, die den staatlichen Gerichten in aller Regel fehlt. In der Literatur wird auch die Ansicht vertreten, dass für den vorläufigen Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Verfügung das staatliche Gericht auch während der Dauer eines vereinsintemen Verfahrens oder an dessen Stelle zuständig ist {Palandt/Heinrichs, § 25 Rdnr. 19; Reichert/Dannert, Rdnr. 1705; Stöber, Rdnr. 727). Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes in Vereinssachen bisher in der Literatur und Rechtsprechung kaum behandelt worden ist (so auch Reichert/Dannert, Rdnr. 1842). Soweit ersichtlich sind zur Zulässigkeit der einstweiligen Verfügung vor den staatlichen Gerichten im Verhältnis zu den vereinsinternen Rechtesschutzverfahren nur die Entscheidungen des OLG Celle, BB 1973, 1190), OLG Frankfurt a.M. (NJW 1973, 2208), des OLG Düsseldorf (NJW-'KR 1988, 1271), des OLG Köln (NJW-RR 1993, 891) veröffentlicht.
Weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur wird ausdrücklich das besondere Problem behandelt, ob ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor den staatlichen Gerichten auch dann zulässig ist, wenn auf vereinsinterner Ebene ebenfalls ein effektiver vorläufiger Rechtsschutz zur Verfügung steht. Bei den obigen zitierten Entscheidungen ergibt sich aus den dort zu Grunde liegenden Sachverhalten in keiner Weise, dass in diesen Fällen ein vereinsinternes vorläufiges Rechtsschutzverfahren zur Verfügung gestanden hat. Auch die Entscheidungsgründe beschäftigen sich mit dieser Problematik mit keinem Wort. In der Literatur (wie oben zitiert) wird das Problem der Parallelität des vorläufigen Rechtsschutzes im vereinsinternen Verfahren und vor den staatlichen Gerichten ebenfalls überhaupt nicht erörtert.
Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass neben dem vereinsinternen Hauptverfahren oder schon vor deren Einleitung, vorläufiger Rechtsschutz bei den staatlichen Gerichten zur Wahrung der unbedingt erforderlichen rechtsstaatlichen Mindestanforderungen offen stehen muss. In dem Fall aber, wo auch vereinsintern ein vorläufiger Rechtsschutz wirksam und effektiv zur Verfügung steht, kann die Zulässigkeit des vorläufigen Rechtsschutzes vor den staatlichen Gerichten mit der Garantie der Rechtsstaatlichkeit nicht mehr begründet werden, weil das dann ebenso im vereinsinternen Verfahren gewährleistet ist. In einem solchen Fall, wenn vorläufiger Rechtsschutz auch im vereinsinternen Verfahren zur Verfügung steht, muss es bei dem allgemeinen Grundsatz sein Bewenden haben, dass der Gang zu den staatlichen Gerichten nicht zulässig ist, solange ein gleichartiger Rechtsschutz vereinsintern beschritten werden kann. Es ist kein Grund ersichtlich, warum beim vorläufigen Rechtsschutz insoweit etwas anderes Geltung haben soll als allgemein für das Hauptsacheverfahren anerkannt ist. Wenn im vereinsinternen Verfahren effektiv vorläufiger Rechtsschutz zu erlangen ist, muss auch bei diesen Verfahren die Vereinsautonomie und die dort vorhandene größere Sachkunde den Vorrang haben mit der Folge, dass auch im Fall eines an das staatliche Gericht gestellten Antrages auf Erlass eines einstweiligen Verfügung das einem solchen Verfahren entsprechende vereinsinterne Vorschaltverfahren eingeleitet und abgeschlossen werden muss, bevor der Weg zu den staatlichen Gerichten eröffnet ist.
Ein solcher Fall liegt hier vor, nachdem gem. § 9 der Satzung gegen den Ausschluss aus der Partei vorläufiger Rechtsschutz zur Verfügung steht.
Soweit der Ast. darauf hinweist, dass im vorliegenden Fall ein effektiver vorläufiger Rechtsschutz deshalb nicht gegeben sei, weil der hierfür zuständige Vorsitzende des Schiedsgerichtes urlaubsabwesend sei, greift dieser Einwand nicht durch. Nach der Schiedsgerichtsordnung § 6 V tritt an dessen Stelle im Fall der Verhinderung ein Vertreter, so dass die Urlaubsabwesenheit hinsichtlich der Effektivität des vorläufigen Rechtsschutzes völlig unerheblich ist.
Auch der Hinweis, dass das Schiedsgericht gegebenenfalls die vorläufige Maßnahme nicht aufheben muss, sondern nur aufheben kann, greift ebenfalls nicht durch. Diese Vorschrift in § 9 der Satzung ist richtigerweise so auszulegen, dass es sich hierbei um die allgemeine gesetzliche Grundlage handelt, auf Grund der das Schiedsgericht vorläufige Maßnahmen überhaupt erlassen kann und nicht um eine Ermessensregelung, die es in das Belieben des Schiedsgerichts stellen würde eine vorläufige Maßnahme zu treffen, oder davon abzusehen, selbst wenn ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund i.S. von § 935 ZPO gegeben ist. Ein solches Verhalten wäre ohnehin rechtswidrig.
Der Subsidiarität der Zulässigkeit eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor den staatlichen Gerichten steht auch nicht § 1033 ZPO entgegen, wo ausdrücklich geregelt ist, dass neben einem Schiedsgerichtsverfahren i.S. der ZPO ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung immer zulässig ist. Nach dem eigenen Vortrag des Ast, dem sich die Kammer anschließt, ist das CSU-Schiedsgericht kein solches nach §§ 1025ff.ZPO.
Gerade weil in dem vereinsinternen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Verfahrensregeln sehr viel einfacher gelagert sind als im ZPO-Schiedsgerichtsverfahren, und die vereinsinternen Entscheidungen im Gegensatz zum ZPO-Schiedsgerichtsverfahren keiner besonderen Vollziehbarkeitserklärung bedürfen und deshalb das vereinsinterne Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes sehr schnell abgeschlossen werden kann, verbietet sich auch eine entsprechende Anwendung des § 1033 ZPO auf das vereinsinterne Verfahren.
Summary
Der Antragsteller wurde seitens der Antragsgegnerin von der Ausübung seiner Rechte als Parteimitglied der CSU "mit sofortiger Wirkung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Schiedsgerichts" ausgeschlossen. Der Antragsteller stellt beim LG Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem Ziel, den Vollzug des Beschlusses bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Schiedsgerichts (welches die Ausschließung nach § 9 der Satzung bis zur rechtskräftigen Entscheidung hätte auszusetzen können) auszusetzen. Das LG hat den Antrag als unzulässig verworfen.
Das LG stellt fest: Grundsätzlich sei die Anrufung der staatlichen Gerichte in Vereinsangelegenheiten nur zulässig, wenn die vereinsinternen Rechtmittel ausgeschöpft seien. Allerdings werde dieser Grundsatz speziell für die Fälle des vorläufigen Rechtsschutzes weder in der Rechtsprechung noch der Literatur ausdrücklich behandelt. Das LG vertritt die Auffassung, dass, wenn vereinsintern ein effektiver vorläufiger Rechtsschutz zur Verfügung stehe, ein solcher vor den staatlichen Gerichten nicht in Anspruch genommen werden könne. § 1033 stehe dem nicht entgegen, da nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers das vereininterne Schiedsgericht kein Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO sei. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift scheide wegen der Verschiedenheit von vereinsinternen Schiedsverfahren und ZPO-Schiedsverfahren aus.