34 SchH 09/06


Gericht OLG München Aktenzeichen 34 SchH 09/06 Datum 19.01.2007
Leitsatz
Gegenstand: Schiedsrichterbestellung durch das Gericht
Rechtsvorschriften§ 92 Abs. 1 ZPO, § 1035 Abs. 3 ZPO, § 1035 Abs. 4 ZPO, § 1035 Abs. 5 Satz 1 ZPO, § 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteBildung des Schiedsgerichts: - Qualifikation der Schiedsrichter, Benennungsverfahren; - Ersatzbenennung, ernennende Stelle
Volltext
B e s c h l u s s :
Als beisitzende Schiedsrichter zur Durchführung eines Schiedsverfahrens zwischen den Parteien wegen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Beendigung der bis 30.6.2002 betriebenen Gemeinschaftspraxis in ..., ..., werden bestellt:
1. ...,
2. ...
II. Die Kosten des Bestellungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Der Streitwert wird auf 15.000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Parteien schlossen am 30.6.1993 einen Gesellschaftsvertrag, in dem sie sich zur Errichtung und Betreibung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis zusammenschlossen. Der Vertrag enthält in § 13 Abs. 2 eine Schiedsvereinbarung. In einer gesonderten Urkunde ebenfalls vom 30.6.1993 ist der Schiedsvertrag der Parteien enthalten, wonach über sämtliche Streitigkeiten aus dem Gemeinschaftspraxisvertrag ein Schiedsgericht unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig entscheidet (§ 1). Die Zusammensetzung des Schiedsgerichts ist wie folgt geregelt:
§2
Das Schiedsgericht besteht aus je einem von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung auf Antrag der klagenden Partei zu benennenden Arzt als Schiedsrichter sowie aus einem von den Schiedsrichtern zu benennenden Vorsitzenden, der Befähigung zum Richteramt haben muss. Kommt zwischen den Schiedsrichtern eine Einigung über die Benennung eines Vorsitzenden nicht zustande, so ernennt die für den Praxisort zuständige Rechtsanwaltskammer den Vorsitzenden.
Am 17.5.2002 trafen die Parteien eine Auflösungsvereinbarung hinsichtlich der bestehenden Gemeinschaftspraxis. Die Gesellschaft wurde zum 30.6.2002 beendet. Im Rahmen der Auseinandersetzung kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien, weshalb der Antragsteller am 11.5.2005 seinen Rücktritt vom Aufhebungsvertrag erklärte. Der Antragsgegner wies dies zurück. Der Antragsteller will eine Schiedsklage erheben und beantragte deswegen bei der dafür gemäß der Schiedsvereinbarung zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung die Benennung von zwei Ärzten als Beisitzer des Schiedsgerichts. Die Kassenärztliche Vereinigung lehnte die Benennung ab. Mit Schriftsatz vom 26.9.2006 hat der Antragsteller daraufhin beim Oberlandesgericht München die Bestellung von zwei Schiedsrichtern für das zu bildende Schiedsgericht beantragt. Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten. Er hält die Schiedsvereinbarung nicht für einschlägig, da keine Streitigkeit "aus dem Gemeinschaftspraxisvertrag" vorliege.
II.
1. Der Antrag ist zulässig. Die Zuständigkeit des Senats folgt aus § 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 und Abs. 5, § 1025 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 8 GZVJu vom 16.11.2004 (GVBl
S. 471). Die Parteien haben beide ihren Sitz bzw. Wohnsitz in Bayern. Es besteht die abschließende und zwingende erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts (Reichold in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 1062 Rn. 1). Die nach früherem Recht getroffene anderweitige Vereinbarung der Parteien (§ 4 des Schiedsvertrags) ist unwirksam. Für das nach der Novelle vom 1.1.1998 eingeleitete Schiedsrichterbestellungsverfahren gilt das neue Recht.
2. Der Antrag ist begründet. Die Voraussetzungen für die Bestellung der beisitzenden
Schiedsrichter durch den Senat sind gegeben (§ 1035 Abs. 4 ZPO).
a) Die Schiedsvereinbarung ist auf die vorliegende Streitigkeit anzuwenden, obwohl die Parteien am 17.5.2002 einen Aufhebungsvertrag über die gemeinschaftliche Praxis geschlossen haben. Davon ist grundsätzlich auch die Schiedsvereinbarung betroffen. Die Parteien streiten hier jedoch über die Auseinandersetzung der Praxisgemeinschaft bzw. den dazu erklärten Rücktritt. Dies ist eine Streitigkeit aus dem Gemeinschaftspraxisvertrag, für die die Schiedsklausel gilt. Denn die Parteien haben vereinbart, "über sämtliche Streitigkeiten aus dem Gemeinschaftspraxisvertrag" entscheide ein Schiedsgericht. Die Parteien haben damit die Streitigkeiten aus dem Gesellschaftsvertrag umfassend an ein Schiedsgericht verwiesen. Im Zweifel ist eine Schiedsvereinbarung großzügig auszulegen (vgl. Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 3 Rn. 19). Im Übrigen ist im Bestellungsverfahren die Gültigkeit und Reichweite der Schiedsklausel nicht abschließend zu prüfen (BayObLG BB 1999, 1785; Schwab/Walter Kap. 10 Rn. 24).
b) Das zwischen den Parteien vereinbarte Bestellungsverfahren ist insoweit gescheitert, als die zuständige Kassenärztliche Vereinigung keine Schiedsrichter benennt. Auf Nachfrage des Senats hat die von den Parteien benannte Stelle ausdrücklich erklärt, die ihr laut Vertrag der Parteien übertragene Aufgabe nicht wahrnehmen zu können. Eine Einigung der Parteien auf eine andere Organisation, die die beisitzenden Schiedsrichter benennen könnte, ist nicht erfolgt.
Unter diesen Voraussetzungen greift nicht das gesetzliche Bestellungsverfahren des § 1035 Abs. 3 ZPO, sondern gemäß § 1035 Abs. 4 ZPO hat das staatliche Gericht auf Antrag einer Partei die erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen. Dies ist hier die Bestellung der beiden beisitzenden Schiedsrichter, da die Auslegung von § 2 der Schiedsvereinbarung ergibt, dass die beiden beisitzenden Schiedsrichter durch einen neutralen Dritten bestimmt werden sollten.
3. Gemäß § 1035 Abs. 5 ZPO wählt der Senat die oben genannten Personen zu Beisitzern des Schiedsgerichts aus.
Die Benannten erfüllen die von den Parteien geforderte Qualifikation, da sie beide Ärzte sind. Sie haben ihre Bereitschaft zur Übernahme des Amtes erklärt.
An die von den Parteien geforderte Qualifikation ist das Gericht gebunden, § 1035 Abs. 5 Satz 1 ZPO. Der Senat ist nicht berechtigt, von der von den Parteien gewünschten Qualifikation abzuweichen. Insbesondere ist er nicht berechtigt, aufgrund der Art der Streitigkeit statt Ärzten Juristen auszuwählen. Zudem sieht die Schiedsklausel für den Obmann vor, dass er die Befähigung zum Richteramt aufweisen muss. Dadurch ist der vom Antragsgegner angesprochene juristische Sachverstand zur Entscheidung über die im Raum stehenden rechtlichen Fragen schon nach dem Parteiwillen auch im Schiedsgericht verankert.
Die Benannten sind nicht aufgrund persönlicher Freundschaft oder beruflicher Verbundenheit vom Amt als Schiedsrichter ausgeschlossen. Die Tatsache, dass sich die beteiligten Schiedsrichter und zumindest der Antragsteller aufgrund derselben beruflichen Tätigkeit persönlich kennen, schließt ihre Bestellung nicht aus. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass keine engeren Bindungen, persönlichen Beziehungen oder gar Abhängigkeiten, die über einen rein kollegialen Kontakt hinausgehen, bestehen. Die Einwendungen des Antragsgegners dazu sind unsubstantiiert.
4. Die Aufhebung der Kosten rechtfertigt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO. Dass das vereinbarte Bestellungsverfahren für die beisitzenden Schiedsrichter gescheitert ist, hat keine der Parteien zu vertreten. Alleine der Umstand, dass der Antragsteller die Initiative zur Bestellung der Schiedsrichter ergriffen hat, rechtfertigt es nicht, den Antragsgegner als unterlegene Partei zu behandeln, auch wenn dieser der Bestellung entgegengetreten ist.
5. Die Streitwertbemessung beruht auf § 3 ZPO, §§ 48, 63 Abs. 2 GKG, wobei das Interesse des Antragstellers am Streitgegenstand zugrunde zu legen ist. Im Regelfall ist der Wert eines Nebenverfahrens für den Rechtsuchenden jedoch nicht identisch mit dem des Hauptsacheverfahrens, sondern niedriger. In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung hält der Senat im Regelfall bei der Bestellung von Schiedsrichtern einen Bruchteil des Hauptsachestreitwerts, etwa ein Drittel, für angemessen (vgl. dazu Senat vom 10.1.2007, 34 SchH 008/06). Der Senat schätzt mangels anderer Anhaltspunkte den Streitwert auf 15.000 €.
Summary
Facts:
Die Parteien hatten in einem im Jahr 1993 geschlossenen Vertrag über eine Gemeinschaftspraxis schiedsgerichtliche Streiterledigung vereinbart. Als beisitzende Schiedsrichter sollten im Bedarfsfall zwei Ärzte von der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung benannt werden. Nachdem über die Beendigung der Praxisgemeinschaft ein Auflösungsvertrag geschlossen worden war, kam es zu Streitigkeiten, in deren Folge der Antragsteller seinen Rücktritt vom Auflösungsvertrag erklärte und zwecks Einleitung eines Schiedsverfahrens bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Benennung der beisitzenden Schiedsrichter beantragte. Diese lehnte die Ernennung ab, da sie hierzu außerstande sei. Dem Antrag auf gerichtliche Ernennung von zwei Ärzten als beisitzende Schiedsrichter hat der Senat entsprochen.
Grounds:
Der Senat stellte zunächst klar, dass hinsichtlich seiner Zuständigkeit sowie hinsichtlich des Schiedsrichter-Bestellungsverfahrens das seit dem 01.01.1998 geltende Recht maßgebend sei. Die Streitigkeit der Parteien über die Auseinandersetzung der Praxisgemeinschaft bzw. den dazu erklärten Rücktritt sah er entgegen der Ansicht des Antragsgegners als von der Schiedsvereinbarung erfasst an, da Schiedsvereinbarungen weit auszulegen seien und im Übrigen im Bestellungsverfahren die Gültigkeit und Reichweite der Schiedsvereinbarung nicht abschließend geprüft werden müsse. Nachdem eine Einigung der Parteien auf eine andere Organisation als die Kassenärztliche Vereinigung nicht zustande gekommen war, habe das staatliche Gericht gemäß § 1035 Abs. 4 ZPO die Bestellung auf Antrag vorzunehmen gehabt. Als beisitzende Schiedsrichter ernannte der Senat zwei Ärzte, da er sich an diese von den Parteien vorausgesetzte Qualifikation gemäß § 1035 Abs. 5 ZPO gebunden sah. Die Kosten des Verfahrens hat der Senat in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO gegeneinander aufgehoben, da das Scheitern des vereinbarten Bestellungsverfahrens von keiner der Parteien zu vertreten war.