23/29 Sch 20/11


Gericht KG Berlin Aktenzeichen 23/29 Sch 20/11 Datum 13.03.2002
Leitsatz
Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs
Leitsatz der Redaktion:
Bei ausländischen Schiedssprüchen kann die behauptete Befangenheit eines Schiedsrichters die Anerkennungsverweigerung nur dann zur Folge haben, wenn entweder die benachteiligte Partei noch die Aufhebung des Schiedsspruchs im Ursprungsland verlangen könnte oder die Anerkennung gegen den deutschen ordre public verstoßen würde (BGH MDR 2001, 645).
Rechtsvorschriften§ 1059 Abs. 2 ZPO, § 1061 Abs. 1 ZPO, § 1063 Abs. 2 ZPO
Art. 8 Abs. 3 Deutsch-Sowjetisches Abkommen über Allgemeine Fragen des Handels und der Schiffahrt vom 25.04.1958
FundstelleYearbook Comm. Arb'n XXXII (2007), S. 309ff.
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteBildung des Schiedsgerichts: - Ablehnung, Ablehnungsgründe Aufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Schiedsspruch, ausländisch; - Vollstreckbarerklärung Aufhebungs-/Versagungsgründe: - fehlerhafte Bildung des
Volltext
B E S C H L U S S:
Der Schiedsspruch des Internationalen Schiedsgerichts bei der Belorussischen Industrie- und Handelskammer vom 3. Mai 2001 - Nr. ... - wird zur Vollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen.
Der Schiedsspruch hat, soweit er der Vollstreckung zugänglich ist, in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut:
"1. Von der Firma "N.H. GmbH" (Deutschland) zugunsten der "T"... GmbH (Republik B.) 169.514 (einhundertneunundsechzigtausendfünfhundertvierzehn) DM - ungerechtfertigte Bereicherung - und 2.809,35 (zweitausendachthundertneun Komma fünfunddreißig) US $ - Rückerstattung der Ausgaben für Gerichtsgebühr - beizutreiben."
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Verfahrens wird auf 86.671,13 EUR (169.514,00 DM) festgesetzt.
G R Ü N D E:
I. Die Antragstellerin hat vor dem Internationalen Schiedsgericht bei der Belorussischen Industrie- und Handelskammer einen Schiedsspruch erwirkt, nach dem die Antragsgegnerin verpflichtet ist, an sie 169.514 DM sowie 2.809,35 US $ (Kosten) zu zahlen.
Die Antragstellerin b e a n t r a g t,
die Gerichtsentscheidung des Internationalen Schiedsgerichts bei der Belorussischen Industrie- und Handelskammer vom 3. Mai 2001 - Nr. ... - anzuerkennen und zur Vollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland zuzulassen.
Die Antragsgegnerin b e a n t r a g t,
festzustellen, dass der Schiedsspruch des Internationalen Schiedsgerichts bei der Belorussischen Industrie- und Handelskammer vom 3. Mai 2001 - Nr. ... im Inland nicht anzuerkennen ist,
hilfsweise, über den Antrag nur auf Grund mündlicher Verhandlung zu entscheiden.
Die Antragsgegnerin wendet ein, dass
(1) begründete Zweifel an der Unbefangenheit des an dem Schiedsurteil mitwirkenden Richters J. vorlägen, da zwischen diesem und dem im Schiedsverfahren beteiligten Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin enge vertrauliche Beziehungen bestünden; der Verfahrensbevollmächtigte sei bis heute unter dem Vorsitz des Richters J. Sekretär des Internationalen Schiedsgerichts in M., ein im Schiedsverfahren angebrachtes Ablehnungsgesuch sei von den beiden anderen Schiedsrichtern in verfahrensfehlerhafterweise und ohne ausreichende Begründung abgelehnt worden; ein erneutes Ablehnungsgesuch sei nicht beschieden worden;
(2) begründete Zweifel an der Unparteilichkeit des Schiedsgerichts sich auch daraus ergäben, dass der Antragstellerin trotz Fristablaufs noch Gelegenheit gegeben worden sei, auf einen Schriftsatz der Antragsgegnerin zu erwidern, und dass die Entscheidung nicht innerhalb der in der Verfahrensordnung vorgesehenen Frist ergangen sei;
(3) weitere Zweifel an der Unparteilichkeit des Schiedsgerichts sich daraus ergäben, dass die Klage richtigerweise als unzulässig hätte abgewiesen werden müssen, da das Schiedsgericht dieselbe Klage bereits mit Entscheidung vom 31. März 2000 (...) abgewiesen habe;
(4) das Schiedsgericht rechtsfehlerhaft belorussisches Zivilrecht angewandt habe;
(5) das Schiedsgericht rechtsfehlerhaft und unter Verletzung des rechtlichen Gehörs die beiden Gegenforderungen der Antragsgegnerin zurückgewiesen habe.
II. Der Antrag auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs des Internationalen Schiedsgerichts bei der Belorussischen Industrie- und Handelskammer vom 3. Mai 2001 ist zulässig.
Gemäß § 1062 I Nr. 4 ZPO sind für die Vollstreckbarerklärung inländischer und ausländischer Schiedssprüche (§§ 1060 ff. ZPO) die Oberlandesgerichte zuständig. Da kein deutscher Schiedsort besteht und die Antragsgegnerin ihren Sitz in B. hat, ist das Kammergericht örtlich zuständig (§ 1062 II ZPO).
III. Gründe, die einer Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs entgegenstünden, liegen nicht vor.
Gemäß § 1061 I ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (BGBI, 1961 II, S. 121; abgedruckt in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann: ZPO, 60. Aufl., Schlussanhang Vf.A.1). Jedoch bleiben Vorschriften in anderen Staatsverträgen unberührt. Hier ist neben dem genannten New Yorker UN-Übereinkommen das Deutsch-sowjetische Abkommen über Allgemeine Fragen des Handels und der Schifffahrt vom 25. April 1958 (BGBI. 1959 ff, S. 222; teilweise abgedruckt in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann: ZPO, 60, Aufl., Schlussanhang VI.B.2) anwendbar, das im Verhältnis zur Republik Belorussland fort gilt.
Nach Art. 8 II) des Deutsch-sowjetischen Abkommens vom 25. April 1958 kann die Anordnung der Vollstreckung eines Schiedsspruchs nur versagt werden, wenn der Schiedsspruch nach dem Recht des Staates, in dem er ergangen ist, unter den Parteien nicht Wirkung eines rechtskräftigen Urteils hat oder wenn der Schiedsspruch gegen die öffentliche Ordnung des Staates verstößt, in dem die Vollstreckung nachgesucht wird, eine sachliche Nachprüfung des Schiedsspruchs findet nicht statt. Dass der Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils hat, wird von der Antragsgegnerin nicht in Abrede gestellt.
Soweit die Antragsgegnerin materielle Fehler des Schiedsspruchs rügt, ist eine Nachprüfung ausgeschlossen.
Soweit die Antragsgegnerin aus den von ihr dargelegten Rechts- und Verfahrensfehlern und aus der von ihr behaupteten persönlichen Beziehung zwischen dem Schiedsrichter J. und dem örtlichen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin Zweifel an der Unparteilichkeit des Schiedsgerichts herleiten will, ist im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1. Februar 2001 (MDR 2001, 645) folgendes zu bemerken:
Die Befangenheit eines Schiedsrichters kann sich im Verfahren über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche nur auswirken, wenn entweder die benachteiligte Partei nach dem maßgebenden ausländischen Recht ihretwegen die Aufhebung des Schiedsspruchs noch verlangen könnte oder die Anerkennung des Schiedsspruchs ihretwegen zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Letzteres ist zu verneinen, wenn die Befangenheit im Ursprungsland des Schiedsspruchs vor einem staatlichen Gericht geltend gemacht werden konnte, das im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen entscheidet, die nach deutschem Recht für die Berücksichtigung der Befangenheit gelten. Nur wenn dies nicht möglich war oder ohne Erfolg versucht worden ist, kann zur Prüfung gestellt werden, ob die Anerkennung des Schiedsspruchs aus diesem Grund zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.
Zugunsten der Antragsgegnerin mag davon ausgegangen werden, dass sie die ihr nach belorussischem Recht und nach dem Schiedsreglement zu Gebote stehenden Möglichkeiten, den von ihr als befangen angesehenen Richter abzulehnen, ausgeschöpft hat. Die Antragstellerin behauptet zwar, dass gegen den Schiedsspruch des Internationalen Schiedsgerichts bei der Belorussischen Industrie- und Handelskammer die Berufung möglich sei. Auch die Antragsgegnerin sieht das offenbar so. Diese Angabe widerspricht jedoch dem klaren Wortlaut des Art. 45 des Reglements des Internationalen Schiedsgerichts bei der Belorussischen Industrie- und Handelskammer. Danach sind die Entscheidungen des Schiedsgerichts endgültig. So hat es das Schiedsgericht am Schluss seiner Entscheidung auch festgestellt.
Die Antragsgegnerin hat in ihrer Antragserwiderung (und in ihrer Schutzschrift vom 26. Juni 2001) aber nicht aufgezeigt, dass die Anerkennung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führte, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unter dem eingeschränkten Gesichtspunkt des ordre public international (vgl. BGHZ 110, 104, 106 f. = NJW 1990, 2199 m.w.N.) offensichtlich unvereinbar wäre.
Es entspricht herrschender Ansicht im deutschen Zivilprozessrecht, dass Verwandtschaft oder Ehe eines Richters mit dem Prozessbevollmächtigten einer Partei grundsätzlich kein Ausschlussgrund sind (vgl. Baumbach/Hartmann: ZPO, 60. Aufl., § 41 Rz. 9, 11). Umso weniger ist es dann zu beanstanden, wenn zwischen dem Richter und dem Prozessbevollmächtigten einer Partei Beziehungen privater und wirtschaftlicher Art bestehen, wie sie die Antragsgegnerin hier behauptet. Solche Beziehungen rechtfertigen für sich allein nicht die Annahme der Befangenheit. Auch Rechts- und Verfahrensfehler bieten regelmäßig für sich allein keinen Grund, die Unparteilichkeit der beteiligten Richter in Zweifel zu ziehen (vgl. BGH, NJW 2000, 965, 966).
Die Antragsgegnerin stützt ihre Annahme der Befangenheit letztlich darauf, dass hier die für sich allein nicht für eine Besorgnis der Befangenheit ausreichende persönliche Beziehung zwischen dem Vorsitzenden Richter und dem Prozessbevollmächtigten sich paart mit einer behaupteten Häufung von Rechts- und Verfahrensfehlern, welche für sich allein ebenfalls keinen ausreichenden Anlass für eine Richterablehnung böten. Mit diesen Einwendungen kann die Antragsgegnerin in diesem Verfahren nicht durchdringen, weil die behauptete Kumulation persönlicher Ablehnungsgründe mit Rechts- und Verfahrensfehlern, die zusammengenommen die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen könnten, nur angenommen werden könnte, wenn die behaupteten Rechts- und Verfahrensfehler im einzelnen festgestellt würden. Eine sachliche Nachprüfung des Schiedsspruchs, die sich hier auch auf die Frage erstrecken müsste, inwieweit sich die behaupteten Verfahrensfehler zum Nachteil der Antragsgegnerin ausgewirkt haben, also zu einer Verfälschung des sachlich richtigen Ergebnisses geführt haben, ist nach Art. 8 III des Deutsch-sowjetischen Abkommens über Allgemeine Fragen des Handels und der Schifffahrt vom 25. April 1958 aber gerade ausgeschlossen.
IV. Einer mündlichen Verhandlung bedurfte es nicht. Gemäß § 1063 II ZPO ist eine mündliche Verhandlung nur dann anzuordnen, wenn bei einem Antrag auf Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung Aufhebungsgründe nach § 1059 II ZPO in Betracht kommen. In Betracht kommen solche Gründe nur dann, wenn sie durch konkreten Tatsachenvortrag schlüssig dargetan sind oder wenn die Schlüssigkeit des Sachvortrags nach Aktenlage in solchem Maße zweifelhaft ist, dass sich die Erfolgsaussichten der Einwendungen ohne mündliche Verhandlung nicht abschießend beurteilen lassen. Beides ist hier nicht der Fall. Nach dem von der Antragsgegnerin mitgeteilten Sachverhalt liegt vielmehr klar zu Tage dass sie mit ihren Einwendungen im Ergebnis keinen Erfolg haben kann und dass Aufhebungsgründe nach § 1059 II ZPO somit nicht ernsthaft "in Betracht kommen" (vgl. BGH, NJW 1999, 2974; BayObLG, NJW-RR 2000, 807, 808).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 I, 1064 II ZPO. Der Wert des Verfahrens entspricht dem Wert der beizutreibenden Hauptforderung.
Summary