Gericht | OLG München | Aktenzeichen | 34 Sch 4/12 | Datum | 21.06.2012 |
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Leitsatz | |||||
1. Die Grundsätze zur Entscheidungsbefugnis des Schiedsgerichts über die Kostenerstattung (vgl. BGH vom 28.3.2012, III ZB 63/10) gelten entsprechend in internationalen Schiedsverfahren. Unerheblich ist hierbei, wenn nach der maßgeblichen Schiedsordnung (hier: Art. 39 Internationale Schiedsordnung der Schweizerischen Handelskammern mit Appendix B) dem Schiedsrichter über die Streitwertbestimmung hinaus für das konkrete Honorar ein Bemessungsspielraum zukommt. (amtlicher Leitsatz) 2. Die Entscheidung eines Schiedsgerichts, dass der Antragsgegner die - vollständig - vorgeschossenen Verfahrenskosten des Schiedsgerichts zu erstatten hat, verstößt, bezogen auf das darin enthaltene Schiedsrichterhonorar, nicht gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache. Denn entschieden wird insoweit nur über den Erstattungsanspruch der Parteien untereinander. 3. Das Gericht ist wegen des Verbots der revision au fond an der Prüfung gehindert, ob die zugestandenen Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren bzw. angemessen sind. | |||||
Rechtsvorschriften | §§ 1057, 1061 Abs. 1 ZPO | ||||
Fundstelle | |||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruches; Richten in eigener Sache; Kosten des Schiedsverfahrens | ||||
Volltext | |||||
Beschluss I. Das aus der Einzelschiedsrichterin bestehende Schiedsgericht der Schweizer Handelskammern - Zürcher Handelskammer - erließ in dem zwischen den Antragstellerinnen als Schiedsklägerinnen und dem Antragsgegner als Schiedsbeklagten in Zürich (Schweiz) geführten Schiedsverfahren am 15. August 2011 folgenden mit Beschluss vom 2. September 2011 berichtigten Endschiedsspruch: 1. ... 2. Die Schiedskosten dieses Verfahrens werden auf CHF 29'500 festgesetzt. Sie sind im vollen Umfang durch die Einschreibgebühr und die Kostenvorschüsse der Klägerinnen gedeckt. Der Beklagte hat diese Kosten in voller Höhe zu tragen. 3. Der Beklagte wird verurteilt an die Klägerinnen CHF 29'500 für die Schiedskosten (Einschreibegebühr und Honorar der Schiedsrichterin) zu zahlen. 4. Der Beklagte wird verurteilt an die Klägerinnen CHF 2'228.10 und EUR 51'554,77 für die Kosten der rechtlichen Vertretung und für weitere Parteikosten zu zahlen. 5. ... II. Dieser Schiedsspruch wird in dem vorstehend wiedergegebenen Umfang für vollstreckbar erklärt. III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens. IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. V. Der Streitwert wird auf 77.839 € festgesetzt. Gründe: I. Der Antragsgegner war alleiniger Kommanditist einer zum Zweck der Durchführung eines Bauvorhabens in München gegründeten Gesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG. Im Oktober 2009 übernahm eine tschechische Gesellschaft in der Rechtsform der s.r.o. (entspricht der deutschen GmbH) vom Antragsgegner eine Teilkommanditbeteiligung in Höhe von 22,5 %, die Antragstellerin zu 2 eine solche von 2,5 %. Der Anteil der tschechischen s.r.o. ist im Handelsregister eingetragen, ebenso der Anteil der Antragstellerin zu 2. 1. Am 15.10.2009 erklärte der Antragsgegner, seinen verbleibenden Kommanditanteil in zwei Teilen an die Antragstellerin zu 1 und an die Antragstellerin zu 2 abzutreten. Diese nahmen die entsprechenden Angebote an und verlangten vom Antragsgegner, bei der Anmeldung dieser Änderungen zum Handelsregister mitzuwirken. Als der Antragsgegner diesem Verlangen nicht nachkam, erhoben sie gegen diesen entsprechend einer Schiedsabrede im Gesellschaftsvertrag unter dem 30.3.2011 Schiedsklage bei der Zürcher Handelskammer. Zum Abschluss des Schiedsverfahrens reichten die Antragstellerinnen am 2. August 2011 ihre Kostenaufstellung über einen Gesamtbetrag von (umgerechnet) 51.554,77 € ein. Der Antragsgegner bezifferte die ihm entstandenen Kosten mit 16.996,80 €. Keine der Parteien nahm Stellung zu der Kostenaufstellung der Gegenseite. Das Schiedsgericht gab mit Schiedsspruch vom 15.8.2011 dem Klageantrag statt und verurteilte den Antragsgegner, bei der Anmeldung mitzuwirken. Es setzte die durch Einschreibgebühr und Kostenvorschüsse der Antragstellerinnen gedeckten Schiedskosten auf 29.500 CHF fest und bestimmte, dass der Antragsgegner diese Kosten zu tragen habe. Es verurteilte den Antragsgegner zur Zahlung dieses Betrags sowie weiterer 2.228,10 CHF und 51.554,70 € an die Antragstellerinnen für die Kosten der rechtlichen Vertretung und für weitere Parteikosten. Außerdem setzte es den Streitwert auf 237.500 € fest und begründete dies mit dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerinnen. Das Schiedsgericht begründete seine die Kosten betreffende Entscheidung damit, dass der Antragsgegner diese übernehmen müsse, da er vollumfänglich unterliege. Die Kosten der Rechtsvertretung der Antragstellerinnen von insgesamt etwa 36.000 € wichen zwar deutlich von dem vom Antragsgegner dafür geltend gemachten Betrag über 14.250 € ab. Der Unterschied erkläre sich allerdings aus der Aktenlage. Die von den Klägerinnen geltend gemachten Kosten erschienen in Anbetracht des Streitwerts und der Komplexität des Sachverhalts als angemessen. 2. Unter Vorlage des Schiedsspruchs (samt Schreibfehlerberichtigung) im Original und der Schiedsvereinbarung in Abschrift haben die Antragstellerinnen unter dem 27.2.2012 Vollstreckbarerklärung insoweit beantragt, als der Antragsgegner verurteilt wurde, den Antragstellerinnen 29.500 CHF für das Schiedsverfahren sowie 2.228,10 CHF und 51.554,77 € als Kosten der rechtlichen Vertretung und weitere Parteikosten zu bezahlen. Sie haben erklärt, der Hauptsacheanspruch sei erfüllt. Der Antragsgegner hat beantragt, die Vollstreckbarerklärung abzulehnen, soweit die geltend gemachten Kosten nicht zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten gehörten. Aus dem Vortrag der Antragstellerinnen lasse sich dies nicht ersehen. Die Kosten seien im Verhältnis zu denen des Schiedsverfahrens selbst augenfällig hoch. Der Antragsgegner beruft sich hierbei auf § 1057 Abs. 1 ZPO. Die Antragstellerinnen halten die erwähnte Bestimmung nicht für maßgeblich. Im Schiedsverfahren sei im Übrigen geklärt worden, dass die externen Kosten für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung erforderlich gewesen seien. Der Antragsgegner habe die Kosten auch nicht in Zweifel gezogen. II. Dem Antrag ist stattzugeben. 1. Das Oberlandesgericht München ist zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des im Ausland ergangenen Schiedsspruchs (§ 1025 Abs. 4, § 1062 Abs. 2 und 5 ZPO i.V.m. § 8 GZVJu vom 16.11.2004, GVBl S. 471), weil der Antragsgegner seinen Wohnsitz in Bayern hat. 2. Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 1063 Abs. 2 ZPO) über den Antrag entscheiden. Anders wäre es nur, wenn Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO nach Aktenlage in Betracht kämen (BayObLGZ 1999, 55/57) oder zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestünde, dass in einer mündlichen Verhandlung ein Aufhebungsgrund begründet geltend gemacht wird (vgl. Musielak/Voit ZPO 9. Aufl. § 1063 Rn. 3). Davon kann hier keine Rede sein. 3. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist zulässig und begründet. a) Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung haben die Antragstellerinnen durch Vorlage des Schiedsspruchs einschließlich des Berichtigungsschiedsspruchs im Original erfüllt (§ 1064 Abs. 1 ZPO). Zwar stellt Art. IV Abs. 1 Buchst. b des hier einschlägigen UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (BGBl 1961 II, S. 122; abgedruckt bei Reichold in Thomas/Putzo ZPO 33. Aufl. § 1061 vor Rn. 1; im Folfenden: UN-Ü) an die Vorlage von Urkunden spezielle Anforderungen, denen die hier vorgelegten (Originale des Schiedsspruchs und seiner Berichtigung, Fotokopie der Schiedsklausel) nicht entsprechen. Gemäß Art. VII Abs. 1 UN-Ü gilt aber auch für die formelle Seite das Günstigkeitsprinzip (Reichold in Thomas/Putzo § 1061 Rn. 6; vgl. BGH SchiedsVZ 2010, 332; BGH NJW 2005, 3499). Nach dem anerkennungsfreundlicheren nationalen Recht (siehe § 1064 Abs. 1 ZPO) bedarf es nur der Vorlage des Schiedsspruchs im Original oder in beglaubigter Abschrift. b) Die Antragstellerinnen beantragen lediglich die Vollstreckbarerklärung von Ziffern 2 bis 4 des Schiedsspruchtenors. Der Antrag kann, ohne dass auch der Schiedsspruch in der Hauptsache (Ziff. 1) selbst für vollstreckbar erklärt wird (siehe zu diesem Fragenkreis zuletzt Senat vom 11.4.2012, 34 Sch 21/11), auf die Kostenentscheidung beschränkt werden. Das Schiedsgericht ist bei der Entscheidung, welche der Parteien die Kosten zu tragen hat, von der Grundregel der vereinbarten und damit maßgeblichen Verfahrensordnung, das ist die Internationale Schiedsordnung der Schweizerischen Handelskammern (abgedruckt z.B. bei Schütze, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. V. Kap. S. 309 ff.; im folgenden: SchO), ausgegangen, nach deren Art. 40 Abs. 1 Satz 1 die Kosten des Schiedsverfahrens grundsätzlich von der unterliegenden Partei zu tragen sind. Dies unterliegt keinen Bedenken, zumal die deutsche Regelung in § 91 ZPO von demselben Grundsatz ausgeht. Den Ausgang der Hauptsache selbst hat der Senat angesichts des beschränkten Antrags nicht zu prüfen. Das Schiedsgericht hat auch die Verpflichtung des Antragsgegners ausgesprochen, den Antragstellerinnen die - vollständig - vorgeschossenen Verfahrenskosten des Schiedsgerichts zu erstatten. Dies verstößt, bezogen auf das darin enthaltene Schiedsrichterhonorar, nicht gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache (vgl. BGH NJW 1985, 1903/1904). Denn entschieden wird insoweit nur über den Erstattungsanspruch der Parteien untereinander (vgl. BGH NJW 2012, 1811; auch Senat vom 23.2.2007, 34 Sch 031/06 = OLG-Report 2007, 684; Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 5. Aufl. Rn. 467 f.). Der Senat verkennt nicht, dass sich die neueste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2012, 1811) auf § 1057 ZPO und auf ein inländisches Schiedsverfahren bezieht. Indessen gelten für das internationale Schiedsverfahren vergleichbare Regeln (siehe schon Senat vom 23.2.2007, 34 Sch 031/06). Die zum inländischen Recht ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs passt sich insoweit der internationalen Praxis an (vgl. Wolff SchiedsVZ 2006, 131/133). Auf der Grundlage der vereinbarten Verfahrensregeln (siehe Art. 38 ff. SchO) ist eine umfassende Festlegung der Kosten wie der Kostentragungspflicht ausdrücklich vorgesehen. Abweichendes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Schiedsgericht hier - über die Festsetzung des Streitwerts hinaus - nach Art. 39 SchO mit Appendix B (Kostenverordnung) einen Ermessensspielraum bei der Bestimmung seines Honorars hat. Auch insoweit erweist sich die konkrete Bestimmung durch das Schiedsgericht (vgl. Rn. 154 des Schiedsspruchs) als nur im Verhältnis der Schiedsparteien zueinander verbindlich. c) Anerkennungshindernisse, die nur auf Antrag berücksichtigt werden können (Art. V Abs. 1 UN-Ü), sind nicht geltend gemacht. Es kann daher dahinstehen, ob die Entscheidung (in Rn. 164) über die Parteiauslagen der Regelung in Art. 32 Abs. 3 SchO, wonach der Schiedsspruch zu begründen ist, bereits dadurch genügt, dass auf Aktenlage und Komplexität des Sachverhalts verwiesen wird. Soweit der Antragsgegner lediglich die Höhe der von ihm zu erstattenden Kosten rügt, ist der Senat wegen des Verbots der revision au fond an der Prüfung, ob die zugestandenen Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren bzw. angemessen sind (Art. 38 Buchst. e SchO), gehindert. Dem Schiedsgericht kommt hier ein nicht unerheblicher Ermessensspielraum zu (vgl. Schütze/Karrer Art. 38 Rn. 8). d) Gründe, die gemäß Art. V Abs. 2 UN-Ü von Amts wegen zu berücksichtigen wären, sind nicht ersichtlich. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die angeordnete Kostenerstattung, namentlich die Höhe der Kosten, dem deutschen ordre public widersprechen würde. 4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Der Streitwert deckt sich mit den zugesprochenen Kosten. | |||||
Summary | |||||
The applicants asked the Higher Regional Court of Munich for a declaration of enforceability of a foreign arbitral award. The court declared the award enforceable. As the main claim had been fulfilled by the party opposing the application, the applicants only applied for a declaration of enforceability regarding the part of the award that ordered the party opposing the application to pay the costs for the arbitral proceedings. The party opposing the application was of the opinion that the application for a declaration of enforceability had to be dismissed because the costs claimed would not have been among the costs necessary for the appropriate pursuit of their claim. This would not become apparent from the submissions of the applicants. In deciding which of the parties had to bear the costs, the arbitral tribunal had been guided by the arbitration rules the parties had agreed upon, which stipulated that the costs in principle were to be borne by the losing party. The court found that this was not subject to any reservations, especially as the section 91 of the German Code of Civil Procedure (ZPO) is based on the same principle. In view of the limited application, the court did not have to examine the outcome of the main claim itself. The arbitral tribunal had also decided that the party opposing the application was obliged to reimburse the applicants for the procedural costs of the arbitral proceedings the applicants had paid in advance. With regard to the arbitrator's fee contained therein, the court held that this did not violate the prohibition of judging in one's own case. In this respect, the decision would only be binding between the parties and decide on the claim for reimbursement between the parties. The court particularly noted that this decision does not overlook the fact that the latest case law of the German Federal Supreme Court agreeing with this opinion would refer to section 1057 ZPO and to domestic arbitration proceedings, because comparable rules would apply to international arbitration proceedings. In this respect, the decision of the German Federal Supreme Court on domestic law would adapt to the international arbitral practice. The court further held that the fact that the arbitral tribunal - beyond the determination of the amount in dispute - has had discretion in determining its fee in accordance with the rules the parties agreed upon did not change this outcome. In this respect too, the concrete determination by the arbitral tribunal would be binding only in the relationship between the parties to the arbitration. Insofar as the party opposing the application merely complained about the amount of the costs to be reimbursed by it, the court was prevented from examining whether the admitted costs were necessary or appropriate for the appropriate pursuit of the claim. This followed from the prohibition of a revision au fond. The arbitral tribunal also had a considerable margin of discretion in this respect. |