4Z Sch 03/98


Gericht BayObLG Aktenzeichen 4Z Sch 03/98 Datum 10.12.1998
Leitsatz
Zulässigkeit eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO; "Bildung" des Schiedsgerichts, stillschweigende Aufhebung eines Schiedsvertrags
Rechtsvorschriften§ 1032 ZPO, § 1062 ZPO, § 1065 Abs. 5 ZPO; Art. 4 § 1 SchiedsVfG
FundstelleBB, Beilage 4 zu Heft 11/1999 (RPS), S. 18
Aktenzeichen der Vorinstanz
Stichwortesonstige Gerichtsverfahren: - Verfahrensgegenstand, Feststellung Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens Schiedsvereinbarung: - Unwirksamkeit, Erlöschen, vertragliche Aufhebung
Volltext
I. Der Antrag der Antragstellerinnen zu 1) und 2) vom 7. Mai 1998, die Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen, wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerinnen haben die Kosten des gerichtlichen Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 978.000 DM festgesetzt.
G r ü n d e :
1. Die Antragsgegner haben mit notariellem Vertrag vom 12. 12. 1994 mit der Antragsstellerin zu 1) einen Vertrag über den Ankauf von 49 % der Geschäfts- und Kommanditanteile an den zu gründenden Firmen geschlossen und gleichzeitig in gesonderter Urkunde für alle Streitigkeiten aus dem Kaufvertrag eine Schiedsvereinbarung getroffen. Am gleichen Tage haben die Antragsgegner mit der Antragstellerin zu 2) einen notariellen Vertrag geschlossen, der den Ankauf von 11 % der Geschäfts- und Kommanditanteile an den beiden genannten Gesellschaften zum Inhalt hatte. Gesondert trafen auch hier die Vertragsparteien gleichzeitig für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag eine Schiedsvereinbarung.
Beide Schiedsverträge haben folgenden Wortlaut:
"Wir haben heute einen Kaufvertrag über Geschäfts- und Kommanditanteile an der ... und an der ... geschlossen.
I.
Für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist - in gesetzlich zulässigem Umfang - unter Ausschluß des ordentlichen Rechtswegs ein Schiedsgericht zuständig. Das Schiedsgericht entscheidet auch, wenn die Gültigkeit dieses Vertrages strittig ist.
Das Schiedsgericht besteht aus zwei Schiedsrichtern (Beisitzer) und einem Obmann (Vorsitzender). Jede Partei (Parteigruppe) ernennt einen der Beisitzer. Bestellt eine Partei nicht binnen eines Monats einen Beisitzer oder können sich die Beisitzer nicht binnen eines Monats auf einen Vorsitzenden einigen, so wird der Vorsitzer auf Antrag der betreibenden Partei von der zuständigen Industrie- und Handelskammer ernannt. Er muß die Fähigkeit zum Richteramt haben und den rechts- und steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Berufen angehören.
Das Schiedsgericht hat nach geltendem deutschen Recht zu entscheiden."
Die Antragsgegner haben mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 11. 7. 1996 an die Antragsteller unter Hinweis auf die Schiedsvereinbarung ein Schiedsverfahren anhängig gemacht, einen Schiedsrichter benannt und die Antragstellerinnen aufgefordert, ihrerseits einen Schiedsrichter zu benennen. Dieser Aufforderung sind die Antragstellerinnen mit Schreiben vom 7.8.1996 nachgekommen. Erst mit Schreiben vom 3. 4. 1998 haben sich die Antragsgegner wieder gemeldet, einen anderen Schiedsrichter benannt und eine Schiedsklage beigefügt. Mit Schreiben vom 2.6.1998 hat der zwischenzeitlich als Obmann benannte Rechtsanwalt die Annahme des Amtes des Vorsitzenden des Schiedsgerichts bekanntgegeben.
Von den Antragsgegnern sind unstreitig eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten vor ordentlichen Gerichten geführt worden:
Am 4. 9. 1996 klagte der Antragsgegner zu 2) gegen die ... auf Feststellung der Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlungen vom 30.7. und 14. 8. 1996.
Der Antragsgegner zu 1) begehrte mit Klage vom 21. 11. 1996 gegen die Firma ... die Feststellung der Nichtigkeit von Beschlüssen der GesellschafterversammIung der ... vom 28. 10. 1996.
Am 25. 11. 1996 griff der Antragsgegner zu 1) mit einer Klage gegen die Firma ... Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 28. 10. 1996 an.
Beide Antragsgegner gingen mit Klage vom 13. 2. 1997 gegen die Firma ... und die Firma ... wegen Räumung von Betriebsgrundstücken und wegen Zahlung rückständiger Mieten vor.
Der Antragsgegner zu 2) begehrte schließlich mit Klage vom 14. 5. 1998 gegen die Firma ... die Aufhebung von Beschlüssen deren Gesellschafterversammlung vom 15. 4. 1998.
2. Mit Schriftsatz vom 7. 5. 1998 begehren die Antragstellerinnen die Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens.
Das mit Schreiben vom 3. 4. 1998 begonnene Schiedsverfahren sei unzulässig. Die Schiedsvereinbarungen vom 12. 12. 1994 seien infolge der langen Dauer des Nichtbetreibens des Schiedsverfahrens aus dem Jahre 1996 durch die Parteien einvernehmlich stillschweigend wieder aufgehoben worden. Hinzu komme, daß die Antragsgegner in der Zwischenzeit mehrere Zivilklagen mit Streitgegenständen erhoben hätten, die auf die Kaufverträge vom 12. 12. 1994 zurückzuführen seien.
Die jeweiligen Beklagten dieser Verfahren hätten sich auf diese gerichtlichen Verfahren rügelos eingelassen. Deshalb seien die Schiedsvereinbarungen vom 12.12.1994 durch den Verlust der Rüge der Unzulässigkeit der Klage erloschen.
Die Antragstellerinnen beantragen festzustellen:
Das schiedsrichterliche Verfahren zwischen den Parteien betreffend den Antrag und die Klage gegen Firma ... und Firma ... vom 3.4.1998 ist unzulässig.
Die Antragsgegner beantragen,
den Antrag kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie tragen vor, der Antrag sei unzulässig. Das schiedsrichterliche Verfahren habe bereits 1996 begonnen, so daß hierauf das Verfahrensrecht a. F. anzuwenden sei. Über die Frage der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarungen habe das Schiedsgericht zu befinden, da die Parteien vereinbart hätten, die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung durch das Schiedsgericht überprüfen zu lassen. § 1032 Abs. 2 ZPO n.F. könne auch deshalb nicht angewendet werden, da das Schiedsgericht sich bereits konstituiert habe. Die Schiedsvereinbarung sei zwischen den Parteien nicht einvernehmlich aufgehoben worden. In vier der fünf Klagen seien Beklagte jeweils Gesellschafter gewesen, die nicht Vertragspartner der Schiedsvereinbarungen vom 12. 12. 1994 gewesen seien. Die Klage des Antragsgegners zu 1) vom 21. 11. 1996 richte sich auf die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses. Die Streitgegenstände sämtlicher Zivilprozesse würden von der Schiedsvereinbarung vom 12. 12. 1994 nicht erfaßt. Somit könne auch eine rügelose Einlassung der Antragsteller auf dieses Verfahren nicht zum Erlöschen der Schiedsvereinbarung führen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig.
a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung berufen (§ 1062 Abs. 1 Nr. 2, § 1062 Abs. 5 Satz 1 ZPO, § 6a GZVJu vom 2.2.1988 i.d.F. vom 15.6.1998). Die Antragsgegner haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern (§ 1062 Abs. 2 ZPO).
b) Auf das gerichtliche Verfahren ist das seit dem 1. 1. 1998 gültige Recht anzuwenden, weil der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens am 8. 5. 1998 eingereicht wurde (Art. 4 § 1 Abs. 3 SchiedsVfG).
c) Der Antrag wurde rechtzeitig beim damals zuständigen Oberlandesgericht Bamberg eingereicht, weil zum 8. 5. 1998 das Schiedsgericht noch nicht gebildet war (§ 1032 Abs. 2 ZPO n.F.). Der als Obmann benannte Rechtsanwalt ... hat erst mit Schreiben vom 2. 6. 1998 die Annahme des Amtes des Vorsitzenden des Schiedsgerichts bekannt gegeben, so daß er erst zu diesem Zeitpunkt kompetenzbegründend ernannt war (Thomas/Putzo ZPO 21. Aufl. § 1035 Rn. 6).
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
Die von den Parteien wirksam getroffenen Schiedsvereinbarungen vom 12. 12. 1994 wurden nicht aufgehoben.
Eine ausdrückliche Aufhebungsvereinbarung liegt nicht vor.
Die Schiedsvereinbarungen wurden auch nicht stillschweigend durch einvernehmliches Handeln aufgehoben.
a) Aus der Tatsache, daß das mit Schreiben der Antragsgegner vom 11. 7. 1996 begehrte Schiedsverfahren über längere Zeit nicht fortgeführt wurde, kann noch nicht auf den übereinstimmenden Willen der Parteien geschlossen werden, die Schiedsverträge vom 12. 12. 1994 stillschweigend wieder aufzuheben.
b) Dieser Schluß rechtfertigt sich auch nicht daraus, daß nach dem ersten Aufruf des Schiedsverfahrens im Juli 1996 von den Antragsgegnern mehrere Klagen vor den ordentlichen Gerichten anhängig gemacht wurden. Die Parteien dieser Verfahren sind nicht identisch mit den Parteien der Schiedsvereinbarungen.
Nur im Fall der vom Antragsgegner am 21. 11. 1996 zum Landgericht Bamberg erhobenen Klage befinden sich auf der Beklagtenseite auch die Antragstellerinnen. Die Klage richtete sich hier aber auf Feststellung der Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses und konnte wegen der weiteren beklagten Gesellschafter, die nicht Parteien des Schiedsvertrags waren, nur vor dem ordentlichen Gericht erhoben werden.
3. Als unterliegende Partei tragen die Antragsteller die Kosten des gerichtlichen Verfahrens je zur Hälfte (§ 91 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 1 ZPO).
4. Der Streitwert für das gerichtliche Verfahren wird auf 978.000 DM festgesetzt (§ 3 ZPO): 1/10.
Summary
Bay ObLG (Bayerisches Oberlandesgericht), Order of December 10, 1998 - 4 Z SchH 3/98
Application to determine whether or not arbitration is admissible
R u l i n g:
Admissibility of an application pursuant to Sec. 1032 sub. 2 ZPO (Code of Civil Procedure - version 1998); Constitution of arbitral tribunal; Tacit cancellation of arbitration agreement
F a c t s:
The applicants no. 1 and 2 and the defendants were parties to a share purchase agreement concluded in 1994. They concluded a separate arbitration agreement. The arbitration agreement required the appointment of two arbitrators - one by each party - and the subsequent appointment of a chairman.
On July 11, 1996, the defendants commenced arbitration by notice to the applicants with reference to the arbitration agreement, nominated an arbitrator and requested the applicants to nominate an arbitrator. With notice of Aug. 7, 1996, the applicants nominated an arbitrator. Only by notice of April 3, 1998, the defendants reacted again. They nominated a different arbitrator and sent a statement of claim to the applicants. With notice of June 2, 1998, the chairman of the arbitral tribunal, who had been nominated in the meantime, stated his acceptance of the office of chairman.
Between July 1996 and May 1998, the respondents had brought several actions in connection with the purchase agreements of 1994 before the courts. In one of these actions, the applicants were involved on the opposing side.
G r o u n d s:
The application of May 7, 1998 was held to be admissible. The arbitration law in the version of 1998 applied to the application, since it was filed after Jan. 1, 1998 (Art. 4 sec. 1 sub. 3, Arbitral Proceedings Reform Act). Pursuant to Sec. 1032 sub. 2 ZPO (Code of Civil Procedure – version 1998), the application can be filed as long as the arbitral tribunal is not yet constituted. The arbitral tribunal was only constituted when the chairman stated his acceptance of the office on June 2, 1998.
The application was denied on the merits.
The court held that the parties had not cancelled the arbitration agreement by express or tacit agreement when neither proceeded with the arbitration proceedings for almost two years.
Neither did the fact that in the meantime the defendants had filed several suits before the state courts constitute a tacit cancellation of the arbitration agreement. In four out of the five cases, the parties to these law suits were not identical to the parties to the arbitration agreement. And in the fifth case, the defendants sought a declaratory order that a shareholders' resolution was null and void. Since the applicants were not the only shareholders of this company, but the only ones who had concluded an arbitration agreement with the defendants, this particular suit could only be brought before the state courts.