34 Sch 18/07


Gericht OLG München Aktenzeichen 34 Sch 18/07 Datum 01.02.2008
Leitsatz
Erfüllungseinrede im Verfahren zur Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs
Materiell-rechtliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch zuerkannten Anspruch können im Vollstreckbarerklärungsverfahren jedenfalls dann nicht geltend gemacht werden, wenn sie selbst in die Zuständigkeit des Schiedsgerichts fallen.
Im Vollstreckbarerklärung ist der Erfüllungseinwand nicht zu berücksichtigen, selbst wenn die - strittige - Erfüllung (hier: eines Auskunftsanspruchs) ohne weitergehende Beweisaufnahme anhand der vorgelegten Auskunft nachvollziehbar wäre, da es nicht Sache des Gerichts ist, im Vollstreckbarerklärungsverfahren der Frage nachzugehen, inwieweit die erteilte Auskunft dem Auskunftsanspruch tatsächlich erfüllt.
Rechtsvorschriften§ 887 ZPO; § 1054 ZPO; § 1060 Abs. 2 ZPO; § 1064 Abs. 1 Satz 1 ZPO
§ 87c Abs. 4 HGB
FundstelleSchiedsVZ 2008, 151
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerklärungsverfahren: - Schiedsspruch, inländisch; - Vollstreckbarerklärung Aufhebungs-/Versagungsgründe: - materiell-rechtliche Einwände gegen Vollstreckung, Enrtscheidungszuständigkeit
Volltext
B E S C H L U S S:
I. Das aus den Schiedsrichtern Rechtsanwalt XXX (Vorsitzender) und den Rechtsanwälten XXX und XXX bestehende Schiedsgericht erließ in dem zwischen den Parteien in Regensburg geführten Schiedsverfahren am 26. Juni 2007 (berichtigt am 9. August 2007) folgenden Teil-Schiedsspruch:
"...
5. Der Antrag, Auskunft im Wege des Buchauszuges gemäß § 87 c Absatz 2 HGB zu erteilen über alle Geschäfte, welche die Fabrik getätigt hat (Teil von Klageantrag V), wird hiermit für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2005 gutgeheißen.
Dieser Buchauszug muss folgende Angaben in zeitlicher Reihenfolge enthalten:
- Name und Anschrift des Kunden,
- Kundennummer (sofern vorhanden),
- Datum der Auftragserteilung,
- Umfang des erteilten Auftrags,
- Datum der Auftragsbestätigung,
- Datum der Lieferung bzw. Teillieferungen, insbesondere das Datum der Verschiffung,
- Umfang der Lieferung bzw. Teillieferungen,
- Datum und Nummer der Rechnung bzw. der Rechnungen bei Teillieferung,
- Rechnungsbetrag,
- Datum der Zahlung bzw. der Einzelzahlungen des Kunden auf die jeweiligen
- Rechnungen der Beklagten,
- Höhe der gezahlten Beträge/Einzelbeträge,
- Wert des erteilten Auftrags,
- Datum der vollständigen Abwicklung,
- Auslieferungs-Fehlbestand,
- Grund für den Fehlbestand,
- Wert des Fehlbestands,
- Provisionssatz.
..."
II. Dieser Teil-Schiedsspruch wird in dem vorstehend wiedergegebenen Umfang für vollstreckbar erklärt.
III. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens.
IV. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
V. Der Streitwert wird auf 105.000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Die Antragsgegnerin befasst sich mit der Herstellung von Zulieferprodukten für die Transformatorenindustrie, insbesondere von Stufenschaltern für Leistungstransformatoren. Die Antragstellerin war für die Antragsgegnerin in der Volksrepublik China, in Hongkong und Macao als Handelsvertreterin tätig.
Ziffer 11 des Handelsvertretervertrages vom 18.10.2004 enthält eine Schiedsvereinbarungfür alle Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis, unterstellt den Vertrag deutschem Recht sowie der DIS-Schiedsgerichtsordnung und legt als Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens Regensburg fest.
Unter den Parteien kam es aufgrund der Kündigung des Handelsvertretervertrages durch die Antragsgegnerin am 31.10.2005 zu Streitigkeiten über deren Wirksamkeit und Folgen. Das von der Antragstellerin angerufene Schiedsgericht erließ am 26.6.2007 in Regensburg einen Teil- Schiedsspruch, mit dem es unter anderem dem Auskunftsverlangen der Antragstellerin, wie dargestellt, stattgab, andere Anträge dagegen abwies.
Unter Vorlage einer anwaltlich beglaubigten Kopie dieses Schiedsspruchs hat die Antragsstellerin am 4.9.2007 dessen Vollstreckbarerklärung im wiedergegebenen Umfang beantragt.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie trägt vor, der Antragstellerin fehle das Rechtschutzbedürfnis, da ihre Verpflichtung aus dem Teil-Schiedsspruch zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt worden sei, aber die Anfertigung des Buchauszugs aufgrund des Umfangs und der Schwierigkeiten, ihn zu erstellen, zwangsläufig einige Zeit in Anspruch genommen habe. Zudem sei ihr vom Schiedsgericht keine Frist zur Erteilung des Buchauszugs gesetzt worden, vielmehr seien Fristen im Schiedsverfahren zur Klärung der weiteren Ansprüche auf Schadensersatz gesetzt und noch nicht abgelaufen gewesen. Sie habe den Auszug am 6.9.2007 an die Antragstellerin übersandt und damit noch vor Bekanntwerden des Antrags auf Vollstreckbarerklärung ihre Verpflichtung erfüllt.
II.
Dem Antrag ist stattzugeben.
1. Das Oberlandesgericht München ist zuständig für die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des in Regensburg ergangenen Teil-Schiedsspruchs (§ 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 16.11.2004, GVBl S. 471).
2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs im vorgegebenen Umfang ist zulässig und begründet.
a) Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung hat die Antragstellerin durch Vorlage des Teil-Schiedsspruchs in anwaltlich beglaubigter Abschrift erfüllt (vgl. § 1064 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Beschränkung der Vollstreckbarerklärung auf die in Ziffer 5 enthaltene Entscheidung des Schiedsgerichts ist wirksam. Es handelt sich insoweit um Ansprüche und Feststellungen, die im Verhältnis zum abweisenden Teil des Schiedsspruchs selbständig sind. Der Teil-Schiedsspruch selbst regelt abschließend und bindend einen trennbaren Teil des Streitstoffs; er kann unabhängig von den noch nicht erledigten Streitgegenständen für vollstreckbar erklärt werden (vgl. BGH WM 2007, 1050).
b) Der Schiedsspruch selbst erfüllt die förmlichen Voraussetzungen des § 1054 ZPO.
c) Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin fehlt nicht deshalb, weil die Verpflichtung zur Vorlage eines Buchauszugs mangels Fristsetzung durch das Schiedsgericht noch gar nicht fällig wäre. Eine Fristbestimmung für die Leistung enthält der Teil-Schiedsspruch nicht. Diese ist vielmehr sofort, d.h. mit Erfüllung der in § 1054 ZPO niedergelegten Erfordernisse für die Wirksamkeit des Schiedsspruchs, fällig. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf einen vollstreckungsfähigen Titel als wirksames Druckmittel gegen die Antragsgegnerin. Sie kann nicht darauf verwiesen werden, erst abzuwarten, ob freiwillig erfüllt wird (Senat vom 8.3.2007, OLG-Report 2007, 493/494, Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3. Aufl. Kap. 26 Rn. 2409 ff).
Hieran ändert sich auch nichts durch die Verfügung des Schiedsgerichts vom 4.7.2007. Diese greift nicht gestaltend oder ergänzend in die Verpflichtung aus dem Teil-Schiedsspruch vom 26.6.2007 ein. Vielmehr wird darin lediglich der beabsichtigte Fortgang des Schiedsverfahrens im Hinblick auf eine abschließende Regelung der noch offenen Streitpunkte skizziert und der Schiedsklägerin die Möglichkeit aufgezeigt, ihre Ansprüche auf Provision an die Ergebnisse aus der zugesprochenen Auskunft anzupassen.
d) Sonstige Versagungs- oder Aufhebungsgründe im Sinne von § 1059 Abs. 2 ZPO
sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
e) Auch steht der von der Antragsgegnerin geltend gemachte Erfüllungseinwand der Vollstreckbarerklärung des Teil-Schiedsspruchs nicht entgegen (§ 1060 Abs. 2 ZPO).
(1) Materiell-rechtliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch zuerkannten Anspruch selbst, die nach Erlass des Schiedsspruchs entstanden sind, können im Vollstreckbarerklärungsverfahren jedenfalls dann nicht geltend gemacht werden, wenn sie selbst in die Zuständigkeit des Schiedsgerichts fallen (vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 28. Aufl. § 1060 Rn. 3, siehe auch BGHZ 99, 143, Senat vom 22.2.2006, 34 Sch 02/06 = OLG-Report 2006, 405, und vom 17.7.2006, 34 Sch 011/06). Die maßgebliche Schiedsabrede umfasst derartige Streitigkeiten unter anderem dann, wenn sie - wie hier - so gefasst ist, dass sie sich auf alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit der Durchführung des Vertrages erstrecken soll (OLG Saarbrücken vom 16.9.2005, 4 Sch 2/04 = SchiedsVZ 2006, Heft 3 IX; Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 767 Rn. 5).
(2) Selbst wenn zumindest in den Fällen, in denen die strittige Erfüllung der Verpflichtung aus dem Schiedsspruch ohne weitergehende Beweisaufnahme anhand der vorgelegten Auskunft nachvollziehbar ist, der Erfüllungseinwand zu berücksichtigen wäre, würde sich an der Sachlage hier nichts ändern. Denn es ist nicht Sache des Gerichts, im Vollstreckbarerklärungsverfahren der Frage nachzugehen, inwieweit die erteilte Auskunft den umfangreichen Auskunftsanspruch der Antragstellerin auch tatsächlich erfüllt (BGH NJW 1957, 793; Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 65. Aufl. § 1060 Rn. 10).
Schließlich kann die Antragstellerin ein etwaiges Interesse an einer Einsicht in die Geschäftsbücher gemäß § 87 c Abs. 4 HGB nach § 887 ZPO nur durchsetzen, wenn die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen. Dazu bedarf es eines vollstreckbaren Titels (vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 4a ZPO).
(3) Ob die Zulassung bestrittener materiell-rechtlicher Einwendungen im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruches mit der Verfahrensgestaltung aufgrund des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22.12.1997 (BGBl. S. 3224) überhaupt vereinbar ist, kann unter diesen Umständen dahinstehen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Ausnahmeregelung des § 93 ZPO greift nicht ein. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Der Streitwert ergibt sich aus § 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO. Der Senat bemisst den Wert des Auskunftsanspruchs mit ¼ des von der Antragstellerin erwarteten und insoweit unwidersprochen gebliebenen möglichen Leistungsanspruchs.
Summary
Higher Regional Court (OLG) Munich, Decision of 1 Feb. 2008 - 34 Sch 18/07
Performance-based objection to declaration of enforceability of domestic award
R u l i n g :
Substantive objections to the claim awarded by the arbitral tribunal cannot be raised in the declaration of enforceability proceedings, if the objections themselves fall into the sphere of competence of the arbitral tribunal.
In proceedings to declare enforceable an arbitral award, an objection that the obligation under the arbitral award has already been substantively fulfilled cannot be raised, even if it would be possible for the court to establish without further taking of evidence whether the obligation (in casu: obligation to provide information) has been complied with, since it is not the task of the court to establish to what extent the information provided complies with the duty to provide information.
F a c t s:
In an arbitration between the parties pursuant to the Arbitration Rules of the German Institution of Arbitration (DIS), Respondent, a producer of components for the transformer production, was ordered by partial award to render account to Claimant, its commercial agent in P.R. China, Hong Kong and Macao.
Claimant has filed a request for enforcement of the partial award. Respondent requested dismissal of the request, arguing that Claimant did not have a legal interest in requesting enforcement. It argued that it had at no time indicated that it would not comply with its obligation, that the arbitral tribunal had not set a time-limit for rendering the account and furthermore that it had transmitted a statement of account to Claimant on 6 Sep. 2007 and had thus complied with the award before it had knowledge of the request for enforcement.
The Munich Higher Regional Court (OLG) declared the partial award enforceable.
G r o u n d s:
The partial award contained final rulings on separable obligations regarding a specific and separable part of the dispute. It could therefore be declared enforceable irrespective of the part of the dispute which was still pending before the arbitral tribunal.
Claimant's legal interest in the enforcement was not to be denied because of the absence of a time-limit for the submission of the statement of account. In the absence of a time-limit, the obligation resulting from the order of the tribubal was due immediately, i.e. with the rendering of a valid award.
The declaration of enforceability was also not barred by Respondent's argument that it had already complied with the partial award. Substantive objections to the ruling contained in the arbitral award cannot be raised in the enforcement proceedings at least not to the extent that these objections are also subject to the arbitration agreement. The arbitration agreement in the present case covered also the objection raised by Respondent, since it was worded to encompass "all disputes arising out of or in connection with the contract".
Even if the question of proper compliance could be decided without further taking of evidence in the enforcement proceeding, it is not for the enforcement court to decide if the issue of whether Respondent had complied in full with the extensive order for rendering account.
Furthermore, Claimant can only pursue any legal interest in inspection of the company records pursuant to Sec. 87c sub. 4 Commercial Code (HGB) and Sec. 887 Code of Civil Procedure (ZPO) if the conditions for execution are met. This again requires an enforceable title (see Sec. 794 sub. 1 No. 4a ZPO).