Gericht | OLG Frankfurt am Main | Aktenzeichen | 26 Sch 20/11 | Datum | 01.11.2013 |
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Leitsatz | |||||
Rechtsvorschriften | |||||
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Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
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B E S C H L U S S Tenor: Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird unter Aufhebung der zu diesem Verfahren erteilten Bescheinigungen nach Art. 54 EuVVO der hierauf gerichtete Antrag der Antragstellerin vom 07.10.2013 zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Gegenstandswert wird auf bis zu € 10.000,00 festgesetzt. Gründe: In dem vor dem Einzelschiedsrichter…zu … zwischen den Parteien geführten Schiedsverfahren wurde die Schiedsbeklagte durch Schiedsspruch vom 08.06.2011, ergänzt durch den Berichtigungsbeschluss vom 16.06.2011, unter anderem dazu verurteilt, bestimmte Zahlungen an die Schiedsklägerin zu leisten. Nachdem die Antragstellerin Ende 2011 die teilweise Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches beantragt hatte, ist durch Senatsbeschluss vom 18.01.2012 antragsgemäß die (teilweise) Vollstreckbarerklärung dieses Schiedsspruches gemäß §§ 1060, 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO angeordnet worden. Auf der Basis dieses in Bezug genommenen Senatsbeschlusses (Bl. 16 ff. d.A.) ist in der Folgezeit am 22.02.2012 ein Kostenfestsetzungsbeschluss ergangen (Bl. 29, 30 d.A.). Die Antragstellerin beabsichtigt nunmehr, diese Beschlüsse in Griechenland für vollstreckbar zu erklären. Sie hat zu diesem Zweck einen Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 54 EuGWO gestellt. Diese Bescheinigungen sind antragsgemäß von der nach § 57 S; 3 AVAG funktionell zuständigen Stelle (Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle) sowohl für den Senatsbeschluss vom 18.01.2012 als auch für den hierauf beruhenden Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.02.2012 am 24.10.2013 erteilt worden. Gegen die Erteilung dieser Bescheinigungen wendet sich die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 29.10.2013, mit der sie „Erinnerung und Antrag auf einstweilige Anordnung" stellt und beantragt, den Antrag auf Ausstellung der Bescheinigungen für unzulässig zu erklären bzw. die Antragstellerin zu verpflichten, die erteilten Bescheinigungen herauszugeben. Der Antragstellerin ist zu dieser Eingabe rechtliches Gehör gewährt worden. Sie hat sich mit Schriftsatz vom 30.10.2013 geäußert, auf dessen Inhalt im einzelnen verwiesen wird. II. Das Begehren der Antragsgegnerin ist als Beschwerde gemäß § 11, § 57 S. 4 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes (AVAG) i.V.m. Art. 43 EuGVVO statthaft und zulässig. Denn gemäß § 57 S. 4 AVAG gelten für die Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung nach Art. 54 EuGWO die Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Erteilung der Vollstreckungsklausel sinngemäß; hieraus folgt, dass die Beschwerde gemäß § 11 Abs. 1 AVAG i.V.m. Art. 43 EuGWO der statthafte Rechtsbehelf ist (vgl. noch zur alten Fassung des § 56 S. 3 AVAG: MüKo-Gottwald, ZPO, 4. Auflage 2013, Rdnr. 5 zu Art. 54 EuGWO). Der angerufene Senat ist gemäß § 11 Abs. 1 AVAG i.V.m. Art. 43 Abs, 2 EuGVVO für die Entscheidung über die Beschwerde zuständig. Die Beschwerde ist in der Sache auch begründet. Die von der nach § 57 S. 3 AVAG funktionell zuständigen Stelle ausgestellten Bescheinigungen nach Art. 54 EuGVVO sind rechtsfehlerhaft ergangen. Gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. d) EuGVVO ist die VO (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO) auf die Schiedsgerichtsbarkeit nicht anzuwenden. Daher fallen Entscheidungen von Schiedsgerichten nicht unter die Anerkennungsvorschriften der Art. 32 ff. EuGWO (vgl. Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Auflage 2010, Rdnr. 46 zu Art. 32 EuGVVO; Zöller-Geimer, ZPO; 29. Auflage 2012, Rdnr. 43, 44 zu Art. Art. 1 EuGWO; Musielak-Stadler, ZPO, 10. Auflage 2013, Rdnr. 9 zu Art. 1 EuGWO). Vielmehr gilt für die Anerkennung und Vollstreckung schiedsgerichtlicher Entscheidungen das UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von (ausländischen) Schiedssprüchen (UNÜ, vgl. Zöller-Geimer, a.a.O., Anh. zu § 1061 ZPO). Sofern also die Antragstellerin die Forderung aus dem Schiedsspruch selbst in Griechenland vollstrecken möchte, ist sie gehalten, dies auf der Grundlage der Vorschriften des UNÜ geltend zu machen; Für die Exequaturentscheidung des Senats vom 18.01.2012 gilt nichts anderes. Sowohl in der Literatur wie auch gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Ausnahmetatbestand des Art. 1 Abs. 2 lit. d) EuGVVO weit auszulegen ist und daher auch Entscheidungen über Anträge auf Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen nicht von der EuGWO erfasst werden (Geimer/Schütze, a.a.O., Rdnr. 159 zu Art. 1 EuGWO; Zöller-Geimer, a.a.O., Rdnr. 45 zu Art. 1 EuGWO; Musielak-Stadler, a.a.O., Rdnr. 9 zu Art. 1 EuGWO, ebenfalls unter Hinweis auf den vom EuGH befürworteten weiten Auslegungsbereich des Art 1 Abs. 2 lit. d) EuGVVO; ebenso BGH, Beschluss vom 05.02.2009, IX ZB 89/06 = EuZW2009, 308 f. m.w.N.). Somit ermöglicht der Senatsbeschluss vom 18.01.2012 nur die Vollstreckbarkeit der durch den Schiedsspruch zuerkannten Forderung im Inland und ist als solcher keine „Entscheidung" im Sinne der EuGVVO. Vor diesem Hintergrund ist die Erteilung der Bescheinigungen nach Art. 54 EuGVVO durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle fehlerhaft erfolgt. Dies betrifft auch den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.02.2012, da auch dieser als Annex zu dem Senatsbeschluss vom 18.01.2012 nicht in den Anwen-dungsbereich der EuGVVO fällt. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass über die von der Antragsgegnerin aufgeworfenen Einwände einer unzulässigen Doppelexequatur im hiesigen Beschwerdeverfahren nicht zu befinden ist. Die Frage, ob eine Exequaturentscheidung selbst Gegenstand einer Anerkennung und Vollstreckbarerklärung sein kann, hat allein dasjenige Gericht zu entscheiden, vor dem ein solcher Antrag gestellt wird. Für die von der Antragsgegnerin darüber hinaus beantragte einstweilige Anordnung gemäß § 732 Abs. 2 ZPO ist eine Rechtsgrundlage nicht gegeben. Wie ausgeführt, richtet sich Anfechtbarkeit der nach Art. 54 EuGVVO erteilten Bescheinigungen allein nach dem Anerkennungs- und Vollstreckungsaus-führungsgesetz (AVAG); zudem ist durch die Entscheidung in der Hauptsache ein Bedürfnis für eine einstweilige Maßnahme ohnehin entfallen. Die Antragstellerin hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Gegenstandswert des Verfahrens wird entsprechend dem geschätzten Interesse der Antragstellerin an der Ausstellung der beantragten Bescheinigungen auf bis zu € 10. 000,00 festgesetzt (§3 ZPO). | |||||
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