Gericht | BayObLG | Aktenzeichen | 4Z SchH 09/04 | Datum | 05.10.2004 |
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Leitsatz | |||||
Die Zuständigkeit deutscher staatlicher Gerichte für die Ersatzbenennung von Schiedsrichtern (gem. § 1035 Abs. 3 ZPO) ist gem. § 1025 Abs. 3 ZPO auch dann gegeben, wenn die Parteien in ihrer Schiedsvereinbarung zwar bestimmt haben, dass das Schiedsverfahren in einem bestimmten (ausländischen) Staat stattfindet, ein konkreter Schiedsort i.S.e. bestimmten Stadt oder politischen Gemeinde aber nicht bezeichnet worden ist. | |||||
Rechtsvorschriften | § 1025 Abs. 3 ZPO, § 1035 Abs. 4 ZPO, § 1043 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 1062 Abs. 3 ZPO, | ||||
Fundstelle | SchiedsVZ 2004, 316 mit Anm. Wagner | ||||
Aktenzeichen der Vorinstanz | |||||
Stichworte | Bildung des Schiedsgerichts: - Ersatzbenennung; sonstige Gerichtsverfahren: - Zuständigkeit | ||||
Volltext | |||||
B E S C H L U S S I. Für das von den Parteien mit Vertrag vom 1. Juni 1995 vereinbarte Schiedsgericht wird für die Antragsgegnerin als Schiedsrichter bestellt: .... II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Bestellungsverfahrens. III. Der Streitwert wird auf 650.039, 21 EUR festgesetzt. G R Ü N D E: I. Die Parteien haben mit Wirkung zum 1. Juni 1995 einen Vertriebsvertrag geschlossen, wonach der Antragsgegnerin der Alleinvertrieb der Produkte der Antragstellerin in Deutschland und Österreich übertragen wurde. In Art. 15 des Vertrages haben die Parteien eine Schiedsgerichtsklausel vereinbart. Danach sollen alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrag abschließend in einem Schiedsgerichtsverfahren in Japan nach den Gesetzen Japans beigelegt werden. Die Antragstellerin hat den Vertriebsvertrag am 26.05.2003 gekündigt und verlangt nunmehr von der Antragsgegnerin die Begleichung von Kaufpreisforderungen in Höhe von 650.039,21 Euro. Da die Antragsgegnerin keine Zahlung geleistet hat, hat die Antragstellerin am 28.05.2004 die Durchführung des Schiedsverfahrens eingeleitet und A als Schiedsrichter bestellt. Der Aufforderung, binnen 30 Tagen ebenfalls einen Schiedsrichter zu benennen, ist die Antragsgegnerin nicht nachgekommen. Die Antragstellerin beantragt, einen Schiedsrichter für die Antragsgegnerin zu bestellen. Sie ist der Auffassung, dass das angerufene Gericht gemäß §§ 1025 Abs. 3, 1062 Abs. 3 ZPO international zuständig sei, da der Ort des Schiedsverfahrens noch nicht bestimmt sei. Die Antragsgegnerin tritt dem Antrag entgegen. Sie macht geltend, die Benennung des Schiedsrichters falle nicht in die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, da feststehe, dass das Schiedsgerichtsverfahren in Japan durchzuführen sei. II. 1. Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig. Die Antragstellerin begehrt die Bestellung eines Schiedsrichters für ein unstreitig in Japan nach den japanischen Gesetzen durchzuführendes Schiedsgericht, somit für ein ausländisches Schiedsverfahren. Die Frage, ob die deutsche Gerichtsbarkeit für einen solchen Antrag international zuständig ist, ist ausschließlich anhand der deutschen Gesetze zu beurteilen. Die Mitwirkung deutscher Gerichte bei ausländischen Schiedsverfahren regeln § 1025 Abs. 2 bis 4 ZPO. Vorliegend ergibt sich die internationale (und zugleich auch die sachliche und örtliche) Zuständigkeit des Senats aus § 1062 Abs. 3 i.V.m. §§ 1025 Abs. 3, 1035 Abs. 3 Satz 3 ZPO, § 6 a Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung. Danach kann eine Partei bei Gericht die Bestellung eines Schiedsrichters durch das Gericht beantragen, wenn die andere Partei nicht innerhalb eines Monats nach Empfang einer entsprechenden Aufforderung den von ihr zu benennenden Schiedsrichter bestimmt hat. Solange der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens gemäß § 1043 Abs. 1 Satz 1 ZPO noch nicht bestimmt ist, besteht nach dem Wortlaut des § 1025 Abs. 3 ZPO für die deutschen Gerichte eine internationale Zuständigkeit für die Ausübung dieser Aufgabe. Der konkrete Schiedsort, d.h. eine einzelne Stadt oder politische Gemeinde, ist unstreitig weder von den Parteien noch von dem (noch zu konstituierenden) Schiedsgericht festgelegt worden. Die Voraussetzungen des § 1025 Abs. 3 ZPO für das Tätigwerden eines deutschen Gerichts sind damit erfüllt. Weder Sinn und Zweck der Regelung noch die Gesetzessystematik gebieten eine einschränkende Auslegung des § 1025 Abs. 3 ZPO. Die Vorschrift regelt eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass deutsche Gerichte an ausländischen Schiedsverfahren nicht mitwirken. Der Gesetzgeber eröffnet in § 1025 Abs. 3 ZPO die Möglichkeit, in einem frühen Stadium des Schiedsverfahrens, nämlich bei der Bildung des Schiedsgerichts den Rechtsschutz der deutschen Gerichte in Anspruch zu nehmen, sofern über den Sitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt einer Partei ein Inlandsbezug besteht. Die Regelung dient dazu, seitens der deutschen Gerichte bei der Konstituierung eines Schiedsgerichts behilflich zu sein, damit die Durchführung des Schiedsverfahrens nicht bereits in einem frühen Stadium scheitert. Die Zuständigkeit knüpft dabei nicht an die Frage an, ob das Schiedsverfahren im In- oder Ausland stattfindet oder ob dies ungewiss ist. Maßgeblich ist ausschließlich, ob der Ort des Schiedsverfahrens bestimmt ist oder noch ungewiss ist. Ist ein konkreter ausländischer Schiedsort festgelegt, besteht grundsätzlich auch kein Bedarf, ein deutsches Gericht zu bemühen. Die Festlegung eines Schiedsortes eröffnet regelmäßig die Möglichkeit, Rechtschutz vor dem (ausländischen) Gericht zu erlangen, in dessen Bezirk der Schiedsort liegt. Dementsprechend sieht § 1025 Abs. 3 ZPO eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bei dieser Fallkonstellation nicht vor. Bei einem ungewissem Schiedsort fehlt dagegen ein maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die gerichtliche Zuständigkeit in den nationalen Verfahrensordnungen, was die Gefahr mangelnden effektiven Rechtsschutzes birgt. Dass der Gesetzgeber die Justizgewährung bei der Konstituierung des Schiedsgerichts auf Schiedsverfahren beschränken wollte, bei denen zumindest die theoretische Möglichkeit besteht, dass sie im Inland stattfinden, ist nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat ihren Sitz im Freistaat Bayern. Dies begründet die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts. 2. Der Senat bestimmt als Schiedsrichter für die Antragsgegnerin den im Tenor genannten Rechtsanwalt. Da der Schiedsvertrag keine Ausführungen zur Qualifikation des Schiedsrichters enthält und die Antragsgegnerin die Gelegenheit, Vorschläge zur Person des Schiedsrichters zu machen, nicht wahrgenommen hat, wurde ein in Tokio ansässiger, mit dem japanischen Recht vertrauter und zugleich der deutschen Sprache mächtiger Rechtsanwalt ausgewählt. Dieser hat seine Bereitschaft erklärt, das Amt eines Schiedsrichters zu übernehmen. 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Streitwert wurde gemäß §§ 2, 3 und 4 ZPO in Höhe der geltend gemachten Hauptforderung festgelegt. | |||||
Summary | |||||
Bavarian Highest Regional Court (BayObLG) - Decision of 5 Oct. 2004 - 4Z SchH 09/04 Appointment of arbitrator by German court where place of arbitration is abroad R u l i n g: German state courts are competent under Sec. 1025 sub. 3 Code of Civil Procedure (ZPO) to appoint an arbitrator (pursuant to Sec. 1035 sub. 3 ZPO) also in cases where the parties have agreed in their arbitration agreement that the place of arbitration is located in another (foreign) state, however without designating a specific town or municipality. F a c t s: The parties concluded in 1995 a sole distribution agreement regarding the distribution of Applicant's products in Germany and Austria, providing for arbitration in Japan according to Japanese law. The applicant terminated the agreement in 2003, initiated arbitral proceedings against Defendant (distributor) for outstanding contractual payments and appointed an arbitrator. Defendant failed to appoint as requested an arbitrator within 30 days. Applicant applied to the Bavarian Highest Regional Court (BayObLG) for appointment of an arbitrator for Defendant. Defendant has its seat of business in Bavaria. G r o u n d s: The Bavarian Highest Regional Court held that the application was admissible and that it was competent to appoint an arbitrator under Sec. 1035 sub. 3 Code of Civil Procedure (ZPO). Pursuant to Sec. 1025 sub. 3 ZPO, German courts have international jurisdiction if the place of arbitration has not yet been determined. In the present case, neither the parties nor the arbitral tribunal (yet to be formed) have designated a particular town or municipality as specific place of arbitration; thus the German courts remain competent for the appointment of arbitrators. Irrespective of whether the arbitration is to take place in Germany or abroad, or whether this issue is as yet undetermined, Sec. 1025 sub. 3 aims to provide assistance to the parties at an early stage to avoid a failure of the arbitral proceedings, as long as there exists a link in the form of the place of business or habitual residence of a party. Where the place of arbitration has been determined to be abroad, there is no need for such assistance by German courts, since by determining the place of arbitration, the parties can apply to the courts at the place of arbitration for the requisite measures. On the other hand, if the place of arbitration is not determined, in the absence of a connecting factor for the competence of state courts in national arbitration laws, access to the courts for such assistance may be lacking. Sec. 1025 sub. 3 ZPO is intended to remedy such potential gap in access to the courts. There is no indication in German arbitration law that such remedy should be restricted to cases where there exists at least the (theoretical) possibility that the place of arbitration might be in Germany. The court appointed an arbitrator resident in Tokyo, familiar with Japanese law and proficient in German. |