26 Sch 14/12


Gericht OLG Frankfurt am Main Aktenzeichen 26 Sch 14/12 Datum 08.10.2012
Leitsatz
Rechtsvorschriften§§ 1060, 1062 Abs. 1, Nr. 4, 1064 ZPO; §§ 723-730 ff. BGB
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAntrag auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs
Volltext
B E S C H L U S S
Tenor:
Der von dem Ständigen Schiedsgericht bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, bestehend aus drei Rechtsanwälten und einem Steuerberater am 13.03.2012 in Frankfurt am Main erlassene Teil-Schiedsspruch ist in nachfolgendem Umfang vollstreckbar:
„ 1. ….
2. Die Schiedsbeklagte wird darüber hinaus verurteilt, eine Auseinandersetzungsbilanz der Rechtsanwaltssozietät (…) auf den Zeitpunkt des 31.03.2011 zu erstellen und diese der Schiedsklägerin vorzulegen.
3. Darüber hinausgehende Ansprüche der ersten Stufe der Stufenklage werden abgewiesen.
4. ....
5. ….“
Die Antragsgegnerin hat die Kosten dieses Verfahrens zu tragen.
Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Gegenstandswert: 4.000,- €
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung einer gemeinsam betriebenen Rechtsanwaltssozietät.
Auf Antrag der Schiedsklägerin erließ das Ständige Schiedsgericht bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main am 13.03.2012 ein Teil-Schiedsurteil, mit dem die Schiedsbeklagte unter anderem verurteilt wurde, eine Einnahmen-/Überschussrechnung der Rechtsanwaltssozietät für das Geschäftsjahr 2010 und eine Auseinandersetzungsbilanz zum 31.03.2011 zu erstellen. Nach Zustellung des Urteils am 21.03.2012 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 23.03.2012 auf, die Einnahmen-/Überschussrechnung für das Geschäftsjahr 2010 und die Auseinandersetzungsbilanz bis zum 30.04.2012 vorzulegen. Da die Antragsgegnerin dieser Aufforderung nicht nachkam, begehrte die Antragstellerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 24.05.2012, eingegangen bei Gericht am 28.05.2012 und der Antragsgegnerin zugestellt am 08.06.2012, die Vollstreckbarerklärung des Teil-Schiedsspruches. Die Antragsgegnerin übersandte dem Bevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 22.06.2012 die nach dem Teil-Schiedsspruch geschuldete Einnahmen-/ Überschussrechnung. Die gleichfalls geschuldete Auseinandersetzungsbilanz hat sie unter Hinweis auf die fehlende Mitwirkung der Antragstellerin noch nicht erstellt.
Die Schiedsklägerin hat vor diesem Hintergrund den Antrag auf Vollstreckbarerklärung hinsichtlich der Ziffer 1 des Teil-Schiedsurteils für erledigt erklärt; die Schiedsbeklagte hat dem nicht widersprochen.
Die Schiedsklägerin beantragt,
den von dem Ständigen Schiedsgericht der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main am 13.03.2012 in Frankfurt am Main erlassenen Teil-Schiedsspruch im Übrigen für vollstreckbar zu erklären.
Die Schiedsbeklagte beantragt,
den Antrag zurückzuweisen;
Sie ist der Auffassung, dass die Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz Aufgabe der Gesellschaft und nicht eines einzelnen Gesellschafters sei. Dies habe das Schiedsgericht verkannt; die Vollstreckbarerklärung eines solchen Schiedsspruches verstoße gegen den ordre public. Zudem habe die Schiedsklägerin ihre Mitwirkung versagt, indem sie notwendige Buchungsbelege zurückhalte. Damit vereitle die Schiedsklägerin zudem, dass Rückstellungen für Steuern und sonstige offene Forderungen zutreffend ermittelt werden können.
II.
Der angerufene Senat ist für die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung nach §§ 1060, 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zuständig. Die übrigen formellen Voraussetzungen nach § 1064 Abs. 1 S. 1 ZPO liegen vor.
Da die Schiedsbeklagte weder Aufhebungsgründe gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO begründet geltend gemacht hat, noch solche nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO festzustellen sind, war antragsgemäß zu entscheiden.
Soweit die Schiedsbeklagte meint, die Verurteilung entspreche nicht den gesetzlichen Regelungen bei der Abwicklung einer aufgelösten GbR, so dass eine Vollstreckbarerklärung zu einem Ergebnis führe, das der öffentlichen Ordnung widerspreche, vermag der Senat dem aus Rechtsgründen nicht zu folgen.
Nach § 1059 Abs.2 Nr. 2 b ZPO ist einem Schiedsspruch die Vollstreckbarerklärung zu versagen, wenn dessen Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. Zum ordre public gehören alle Vorschriften des zwingenden Rechts, die der Gesetzgeber in einer die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens berührenden Fragen aufgrund bestimmter staatspolitischer oder wirtschaftlicher Anschauungen und nicht nur aus bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen heraus geschaffen hat; ferner auch diejenigen Vorschriften, deren Nichtbeachtung mit elementaren Gerechtigkeitsvorstellungen in Widerspruch stehen würde (materieller ordre public). Ordre public-widrig kann eine Entscheidung aber auch sein, wenn sie auf einem Verfahren beruht, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem Maße abweicht, dass es nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einem geordneten und in rechtsstaatlicher Weise ergangenen Verfahren angesehen werden kann (verfahrensrechtlicher ordre public, vgl. MüKo-Münch, ZPO, 3 Aufl., § 1059 Rz. 45; OLG Köln. SchiedsVZ 2005, 163; OLG München, SchiedsVZ 2006, 111 f). Dabei begründet aber nicht jeder Verstoß gegen materielles Recht oder gegen Verfahrensvorschriften zugleich eine Verletzung der öffentlichen Ordnung. Vielmehr ist jeweils auf den Inhalt und die Bedeutung des in Betracht kommenden Gesetzes abzustellen (vgl. Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 24 Rz. 37 ff m.w.N.).
Die Beantwortung der Frage, von welchem Gesellschafter im vorliegenden Fall die Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz geschuldet war, fällt allein in den Bereich der materiell-rechtlichen Prüfungskompetenz des Schiedsgerichts und betrifft im Ergebnis keine ordre public-relevanten Vorschriften, da die Regelungen zur Auseinandersetzung einer beendeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht zu den tragenden Grundlagen des deutschen staatlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Lebens gehören, so dass eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung in diesem Bereich von vornherein nicht zu einem Ergebnis führen könnte, das zu den Grundgedanken der deutschen Rechtsordnung und der in ihr verkörperten Wertvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es als untragbar zu beurteilen wäre.
Der ordre public setzt sich seinem Wesen nach aus zwei selbstständigen Komplexen zusammen; er erfasst zum einen Regelungen, die der staatlichen Machterhaltung dienen und zum anderen Regelungen, deren Einhaltung aus Gerechtigkeitsgründen unabdingbar ist (Zöller-Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 1059 Rz. 57).
Der Regelungsgehalt der §§ 723 ff und 730 ff BGB steht nicht im Lichte der Machterhaltungsfunktion des Staates, wie dies beispielsweise bei Strafgesetzen und wirtschaftsdirigistischen Gesetzen anzunehmen ist. Diese Vorschriften dienen der Einzelfallgerechtigkeit und verfolgen kein zwingend zu erreichendes übergeordnetes staatliches Ziel.
Auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten kann kein solch eklatanter Verstoß festgestellt werden, der den Staat zum Eingreifen nötigt, weil das Vertrauen in die allgemeine Rechtssicherheit und die Zuverlässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens im Einzelfall erschüttert wäre. Das vom Schiedsgericht gefundene Ergebnis basiert auf einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung des von den Parteien vorgetragenen Streitstoffes entspricht damit der gesetzlich vorgeschriebenen Vorgehensweise bei der Rechtsfindung durch staatliche Gerichte. Selbst wenn das Schiedsgericht bei seiner Entscheidung eine von den gesetzlichen Vorgaben abweichende Verantwortlichkeit für die Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz angenommen hätte, was schon insoweit fraglich ist, als es nicht von einer Auflösung der Gesellschaft nach § 730 BGB ausgegangen ist, sondern von einer Fortführung und Übernahme durch die Schiedsbeklagte, die dann auch allein verantwortlich ist für die Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz, würde es sich um einen bloßen Rechtsanwendungsfehler handeln, der im Rahmen des Vollstreckbarerklä-rungsverfahren vor dem staatlichen Gericht ohne rechtliche Relevanz wäre.
Der Rechtsverteidigung der Schiedsbeklagten ist auch insoweit kein Erfolg beschieden, als sie geltend macht, die Erstellung der Auseinandersetzungs-bilanz sei ihr nicht möglich gewesen, da die Schiedsklägerin ihren diesbezüglichen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei.
Zwar erachtet es der Senat für grundsätzlich statthaft, auch im Vollstreckbarerklärungsverfahren materiell-rechtliche Einwände gegen den zuerkannten Anspruch zuzulassen, allerdings nur soweit sie im Schiedsverfahren nicht mehr erhoben werden konnten. Wurden sie dort geltend gemacht und vom Schiedsgericht für unerheblich befunden, stehen sie wegen des Verbotes der révision au fonds nicht mehr zur Überprüfung durch das staatliche Gericht (vgl. Beschlüsse vom 24.02.1011 – 26 Sch 20/10, 21.03.2011 – 26 Sch 14/10 und 21.06.2012 – 26 Sch 16/12; so auch BGH – Beschluss vom 30.09.2010 – III ZB 57/10).
Wie bereits dargelegt, ist bereits fraglich, ob die Schiedsklägerin überhaupt zur Mitwirkung bei der Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz verpflichtet war; jedenfalls hätte die Schiedsbeklagte diesen Einwand bereits im Schiedsverfahren erheben können, was offensichtlich nicht geschehen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a Abs. 1 ZPO. Danach waren der Schiedsbeklagten auch im Hinblick auf den erledigten Teil des Vollstreckbarbegehrens die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, da sie bei Fortgang des Verfahren unterlegen gewesen wäre. Auch bezüglich der Verpflichtung zur Erstellung einer Einnahmen-/Überschussrechnung sind Versagungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO weder dargetan noch ersichtlich.
Der Senat hat auch davon abgesehen, der Schiedsklägerin in entsprechender Anwendung des § 93 ZPO einen Teil der Verfahrenskosten aufzuerlegen. Zwar begegnet es keinen grundsätzlichen Bedenken, diese Vorschrift auch im Rahmen des Verfahrens nach § 1060 ZPO anzuwenden (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 1060 Rz. 7; Münch-Komm ZPO – Münch, 3. Aufl., § 1064 Rz. 3; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., § 27 Rz. 29; OLG München, Beschluss vom 26.03.2010 – 34 Sch 26/09; OLG Stuttgart, SchiedsVZ 2009, 67,68; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.05.2006 – 26 Sch 18/05). Die Erstattungsvorschriften der §§ 91 ff ZPO gelten für alle in der ZPO geregelten Verfahren, in denen ein „Streit“ zwischen den Parteien vorliegt, wobei der Begriff Rechtsstreit weit auszulegen ist (vgl. Zöller-Herget, a.a.O., § 91 Rz) und auch Verfahren nach § 1060 ZPO erfasst.
Nach § 93 ZPO hat der Kläger die Kosten eines Rechtsstreites zu tragen, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Veranlassung zur Klageerhebung besteht dann, wenn der Beklagte durch sein Verhalten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht auf ein Verschulden und die materielle Rechtslage bei dem Kläger den Eindruck erweckt hat, er, der Kläger, werde nicht ohne Klage zu seinem Recht kommen. Die Beweislast für die Voraussetzungen des § 93 ZPO liegt beim Beklagten, da mit einer Verurteilung entsprechend dem Anerkenntnis die Voraussetzungen des § 91 ZPO erfüllt sind und § 93 ZPO demgegenüber ein den Beklagten begünstigenden Ausnahmetatbestand darstellt (vgl. Zöller, a.a.O., § 93 Rz. 6 Stichwort „Beweislast“). Bei der Anwendung des § 93 ZPO im Rahmen eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens gilt es darüber hinaus noch zu berücksichtigen, dass der Gläubiger regelmäßig einen Anspruch auf einen vollstreckungsfähigen Titel als wirksames Druckmittel hat und deshalb nicht darauf verwiesen werden kann, erst abzuwarten, ob der Schiedsspruch freiwillig erfüllt wird (vgl. OLG Stuttgart, SchiedsVZ 2008, 151; OLG Hamm, SchiedsVZ 2010, 56). Da der Schiedsspruch erst durch die formale Vollstreckbarerklärung überhaupt zum Vollstreckungstitel wird (§ 794 Ziffer 4 a ZPO), kommt eine (entsprechende) Anwendung des § 93 ZPO nur in Frage, wenn die Einleitung des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs erkennbar unnötig war, weil für den Antragsteller klar ersichtlich war, dass keine Notwendigkeit für die Durchführung von Vollstreckungshandlungen bestand (OLG Stuttgart, SchiedsVZ 2009, 67). Entsprechende Tatsachen, die eine solche Schlussfolgerung rechtfertigen würden, hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Schiedsbeklagte indes nicht dargelegt. Vielmehr ist sie trotz entsprechender Fristsetzung mehrere Wochen untätig geblieben, so dass sie der Schiedsklägerin Veranlassung zur Antragstellung gegeben hat. Vor diesem Hintergrund kann es auch dahingestellt bleiben, ob sie ein „sofortiges“ Anerkenntnis abgegeben hat, da ihre diesbezüglich Erklärung unter einer Bedingung erfolgte; da es bei einem Anerkenntnis um eine Prozesshandlung geht, die unmittelbar auf die Verfahrenslage einwirkt, kann eine solche Erklärung regelmäßig auch nicht von einer innerprozessualen Bedingung abhängig gemacht werden (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl.,vor § 128 Rz. 20 m.w.N.)
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 3 ZPO.
Summary
Decision
Operative Part
The partial arbitral award issued by the permanent court of arbitration of Frankfurt’s bar association on 13 March 2012 is ordered enforceable to the following extent:
“1.—
2. Respondent is further ordered to draft a dissolution balance sheet of the law firm as of 31. March 2011 and to submit it to claimant.
3. Further claims are rejected.
4…
5..“
Respondent bears the costs of these proceedings.
The decision is temporarily enforceable.
The amount in dispute is set at € 4000.
Reasoning:
I.
The parties are in dispute about the termination of a jointly run law firm.
The permanent arbitration court issued a partial award on 13 March 2012 ordering respondent to produce a revenue statement of the law firm for the year 2010 and a dissolution balance sheet as of 31. March 2011.
Respondent objects to the order of enforcement by alleging that drafting a dissolution balance sheet would be incumbent on the company not a single shareholder. The arbitral tribunal had misjudged this fact and this would constitute a breach of the ordre public. Furthermore, claimant did not cooperate.
II.
The Higher Regional Court Frankfurt is competent to hear the application for an order of enforcement according to sections 1060, 1062 German Code of Civil Procedure (ZPO).
Insofar as respondent in the arbitration thinks that the dissolution of the company had not been in accordance with the public order, the court does not follow this argumentation.
Pursuant to section 1059 paragraph 2 nr. 2b ZPO an arbitral award is denied the order of enforcement if this would lead to a result contrary to public policy. Public policy comprises all provisions of mandatory law which the legislator has created to safeguard the fundamental basis for public or economic life out of public or economic assumptions and not only due to considerations of convenience. Further all provisions which have to be observed to safeguard elementary conceptions of justice and equity. A decision can also constitute a breach of public policy if it issues out of proceedings which deviated from fundamental principles of German procedural law in a way that it cannot be perceived as being in accordance with the rule of law.
The provisions of sections 723 et seqq. and 730 et seqq. German Civil Code (BGB) are not meant to secure the state’s conservation of power as for instance the case with criminal law or regulatory economic law.