2 Sch 04/03


Gericht OLG Koblenz Aktenzeichen 2 Sch 04/03 Datum 19.02.2004
Leitsatz
Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs
Leitsätze der Redaktion:
1. Nach Erlass des Schiedsspruchs kann ein Ablehnungsgrund nur noch geltend gemacht werden, wenn ein besonders schwerwiegender und eindeutiger Fall von Befangenheit vorliegt. (BGH MDR 1999, 753.
2. Für die Ersatzbenennung eines Schiedsrichters können wahlweise mehrere Stellen vereinbart werden, sofern die einzelnen Stellen eindeutig bestimmt oder bestimmbar sind.
3. Zur Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung im Hinblick auf das Schriftformerfordernis reicht es aus, wenn die vertragsschließenden Parteien aus ihrer Unterschrift heraus identifizierbar sind.
4. Die Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen liegt im Ermessen des Schiedsgerichts, sofern die Parteien insofern in der Schiedsvereinbarung keine Begrenzung vorgesehen haben.
Rechtsvorschriften§ 1027 ZPO a.F.;
§ 1027 ZPO; § 1031 Abs. 6 ZPO, § 1035 Abs. 4 ZPO, § 1040 Abs. 2 ZPO,
§ 1049 ZPO, § 1059 Abs. 2 Nr. 1 a ZPO, § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO
Fundstelle
Aktenzeichen der Vorinstanz
StichworteAufhebungs-/Anerkennungs-/Vollstreckbarerkl
Volltext
B E S C H L U S S:
1. Der Versäumnisbeschluss vom 27.11.2003 wird aufrechterhalten.
2. Die Schiedsbeklagten tragen auch die weiteren Kosten des Verfahrens.
G R Ü N D E:
I. Die Parteien unterzeichneten am 15. Februar 1997 für Streitigkeiten aus einem von ihnen am gleichen Tag abgeschlossenen Mietvertrag einen Schiedsvertrag. § 2 Abs. 1 dieses Schiedsvertrags hat folgenden Wortlaut:
"Die Einberufung des Schiedsgerichts erfolgt dadurch, dass eine Partei einen Schiedsrichter benennt und die andere Partei auffordert, ebenfalls einen Schiedsrichter binnen einer Woche zu benennen. Unterbleibt die Mitteilung der Benennung oder tritt der Ernannte sein Amt nicht an, so kann der Kläger den Präsidenten des Landgerichts oder den Direktor des Amtsgerichts Mainz bitten, den Schiedsrichter zu ernennen."
Am 28. Januar 1999 übersandte der Schiedskläger den Schiedsbeklagten unter Hinweis auf die Schiedsvereinbarung vom 15. Februar 1997 die Aufforderung, seinen Antrag auf Erhöhung der vereinbarten Miete dem Schiedsgericht vorzulegen. Die Schiedsbeklagten benannten trotz Aufforderung durch den Schiedskläger keinen Schiedsrichter, der Schiedskläger benannte Rechtsanwalt V. N. Daraufhin bestimmte die Direktorin des Amtsgerichts Mainz auf Antrag des Schiedsklägers am 17. Mai 1999 Rechtsanwalt Dr. P. als weiteren Schiedsrichter. Am 20. Juni 2000 trat der vom Schiedskläger benannte Rechtsanwalt N. von seinem Amt zurück. Daraufhin benannte der Schiedskläger Rechtsanwalt R. H. als Schiedsrichter.
Zwischen den Parteien ist am 10. Februar 2003 ein Schiedsurteil erlassen worden. Die Schiedsbeklagten wurden zur Zustimmung zu einem bezifferten Mieterhöhungsverlangen sowie zur Zahlung eines bezifferten Betrages verurteilt. Des Weiteren wurde ausgesprochen, dass die Schiedsbeklagten gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits tragen.
Mit Berichtigungs- und Ergänzungsbeschluss vom 21. Oktober 2003 hat das Schiedsgericht die Ortsangabe Mainz im Schiedsspruch ergänzt.
Der Senat hat gemäß § 1063 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung über den Antrag des Schiedsklägers auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsurteils die mündliche Verhandlung angeordnet. Im Termin sind die Schiedsbeklagten nicht erschienen.
Daraufhin hat der Senat antragsgemäß im Wege der Säumnis das Schiedsurteil mit der Maßgabe für vorläufig vollstreckbar erklärt, dass die Vollstreckbarerklärung nicht den Kostenausspruch des schiedsrichterlichen Verfahrens umfasst.
Der Beschluss wurde den Schiedsbeklagten mit Verfügung vom 3. Dezember 2003 übersandt, ihr Einspruch gegen den Versäumnisbeschluss ist am 15. Dezember 2003 bei Gericht eingegangen.
Der Schiedskläger b e a n t r a g t, den Versäumnisbeschluss vom 27. November 2003 aufrechtzuerhalten.
Die Schiedsbeklagten b e a n t r a g e n, den Versäumnisbeschluss aufzuheben und den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsurteils zurückzuweisen.
Die Schiedsbeklagten tragen vor, es lägen Aufhebungsgründe im Sinne des § 1059 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO vor.
Der Schiedsvertrag sei nicht schriftlich und damit ungültig abgeschlossen worden, da sie den Vertrag zwar unterschrieben haben, im Vertragskopf im Gegensatz zum Schiedskläger aber nicht ausdrücklich als Vertragspartei benannt sind. Zudem habe die Bildung des Schiedsgerichts aus mehreren Gründen weder den Vorschriften des 10. Buchs der ZPO noch den Vereinbarungen der Parteien entsprochen. Die Schiedsklausel sei unwirksam, da mehrdeutig sei, ob bei Nennungssäumnis der Präsident des Landgerichts oder die Direktorin des Amtsgerichts zur Bestellung des Schiedsrichters ermächtigt werde. Zudem sei für die Benennung gemäß § 1062 ZPO das Oberlandesgericht zuständig gewesen. Darüber hinaus habe bei der Bestellung eines Ersatzschiedsrichters für den von dem Schiedskläger benannten Schiedsrichter an die Schiedsbeklagten die Aufforderung ergehen müssen, ebenfalls einen neuen Schiedsrichter zu benennen. Ein weiterer Aufhebungsgrund liege vor, da das Schiedsgericht verfahrensfehlerhaft mehrere Sachverständige zur selben behaupteten Tatsache bestellt habe, zumal sich das Schiedsgericht im Schiedsurteil nicht mit den verschiedenen Gutachten auseinandergesetzt habe. Schließlich sei der Sachverständige Dr. S., dessen Ausführungen das Schiedsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, befangen gewesen, da der Schiedskläger schon vor der Bestellung des Sachverständigen telefonischen Kontakt zu diesem aufgenommen habe.
II. Der Versäumnisbeschluss ist aufrechtzuerhalten.
Der Einspruch ist zwar form- und fristgerecht eingelegt. Er ist aber sachlich unbegründet.
Ein Anspruch auf Vollstreckbarerklärung ist auch begründet (§ 1060 ZPO).
Das angerufene Gericht ist gemäß § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO örtlich zuständig, da der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Bezirk des angerufenen Gerichts liegt.
Die nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO von den Schiedsbeklagten vorgebrachten Aufhebungsgründe liegen nicht vor. Aufhebungsgründe gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Schiedsvereinbarung ist nicht wegen Formmangels gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 a ZPO ungültig. Die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung vom 15. Februar 1997 beurteilt sich nach § 1027 ZPO a.F., da sie vor dem Stichtag 1. Januar 1998 getroffen wurde (Art. 4 § 1 Abs. 1 des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes vom 22. Dezember 1997 (SchVfG)). Nach § 1027 ZPO a.F. bedarf der Schiedsvertrag der Schriftform. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Gemäß der auch für Schiedsverträge geltenden Vorschrift des § 126 BGB (BGH NJW 1994, 2300, 2301) muss, wenn durch Gesetz die Einhaltung der Schriftform angeordnet ist, die Urkunde von dem Aussteller, wie vorliegend, eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden. Der Benennung im Vertragseingang bedarf es demgegenüber nicht. Denn die Unterschrift hat im Rahmen der Klarstellungs- und Beweisfunktion gerade den Zweck, die Identität des Antragstellers erkennbar zu machen und dem Empfänger die Prüfung zu ermöglichen, wer die Erklärung abgegeben hat. Ein Formmangel wäre im Übrigen gemäß § 1031 Abs. 6 ZPO rückwirkend durch, wie vorliegend, rügelose Einlassung zur Hauptsache geheilt, auch wenn sich die Parteien dieser Wirkung nicht bewusst waren (BGHZ 48, 35, 45).
Die Bildung des Schiedsgerichts war nicht fehlerhaft (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 d ZPO).
Da das schiedsrichterliche Verfahren am 1. Januar 1998, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes, noch nicht begonnen hatte, beurteilt sich das schiedsrichterliche Verfahren gemäß Art. 4 § 1 Abs. 2 des SchVfG nach neuem Recht. Bei Nennungssäumnis entscheidet gemäß § 1035 Abs. 4 ZPO zwar grundsätzlich das Gericht. Das ist gemäß § 1062 ZPO das Oberlandesgericht. Die Parteien haben vorliegend jedoch von der bereits nach altem Recht bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, diese Zuständigkeit des Gerichts abzubedingen und den Präsidenten des Landgerichts bzw. den Direktor des Amtsgerichts in Mainz als Dritten ermächtigt, den Schiedsrichter zu ernennen. Gerichtspräsidenten und Behördenvorstände dürfen aber von den Schiedsparteien zum Ernennungsberechtigten bestimmt werden (vgl. Geimer in Zöller, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 1035 Rdz. 8). Der Wirksamkeit (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 a ZPO) dieser im Schiedsvertrag vereinbarten Nennungsermächtigung steht nicht entgegen, dass zwei Personen alternativ als ernennungsermächtigte Dritte benannt wurden. Das zur Entscheidung berufene Schiedsgericht, aber auch der ernennungsermächtigte Dritte müssen allerdings eindeutig bestimmt oder bestimmbar sein. Dem steht aber ein Wahlrecht des Schiedsklägers zwischen mehreren eindeutig bestimmten Schiedsgerichten (BGH IHR 2003, 90) ebensowenig entgegen wie ein Wahlrecht des Schiedsklägers zwischen mehreren eindeutig bestimmten (oder bestimmbaren) ernennungsberechtigten Dritten. Insbesondere die gleichzeitige Benennung beider in der Schiedsvereinbarung vom 15. Februar 1997 benannter Dritter ist ausgeschlossen, da bei Nennungssäumnis allein dem Schiedskläger die Befugnis zukommt, den Dritten auszuwählen. Insoweit ist die Regelung nicht mehrdeutig, sondern begründet ein zulässiges Wahlrecht des Schiedsklägers. Im Übrigen sind die Schiedsbeklagten mit dieser Rüge präkludiert gemäß § 1040 Abs. 2 ZPO. Denn die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts aufgrund der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung ist gemäß § 1040 Abs. 2 Satz 1 ZPO spätestens mit der Klagebeantwortung zu rügen (vgl.Geimer, a.a.O., § 1059 Rdz. 39). Nach Aktenlage wurde der Mangel von den Schiedsbeklagten nicht unverzüglich gerügt. Im Übrigen führt ein derartiger Fehler nur dann zur Aufhebung, wenn anzunehmen ist, dass er sich auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 d), d.h. im Sinne des § 547 ZPO das Schiedsurteil auf dem Fehler beruht. Auch dies ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Ein Fehler bei der Bildung des Schiedsgerichts liegt auch nicht darin, dass Rechtsanwalt H. zum Ersatzschiedsrichter bestellt wurde. Gemäß § 1039 ZPO erfolgt die Bestellung des Ersatzschiedsrichters nach den Regeln, die auf die Bestellung des zu ersetzenden Schiedsrichters anzuwenden waren. Danach oblag vorliegend das Benennungsrecht für den zurückgetretenen Schiedsrichter dem Schiedskläger. Es ist unter Zugrundelegung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Schiedsvertrages nicht ersichtlich, dass im Fall des Rücktritts eines Schiedsrichters das Schiedsgericht insgesamt neu gebildet werden muss. Die Schiedsbeklagten sind mit dieser Rüge im Übrigen gemäß § 1027 ZPO präkludiert. Der Behauptung des Schiedsklägers, sie hätten der Ernennung nicht widersprochen, sind die Schiedsbeklagten nicht entgegengetreten.
Die Schiedsbeklagten haben auch nicht begründet vorgetragen, dass das schiedsrichterliche Verfahren aufgrund der Mitwirkung der Sachverständigen mangelhaft gewesen sei (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO).
Die Hinzuziehung eines weiteren Sachverständigen liegt, sofern die Parteien in der Schiedsvereinbarung die Anzahl der zu ernennenden Sachverständigen nicht begrenzen (§ 1049 ZPO), im Ermessen des Schiedsgerichts.
Die Rüge, das Schiedsgericht habe sich mit den unterschiedlichen Gutachten nicht auseinandergesetzt, ist unzulässig, da diese Rüge die Entscheidungsfindung und nicht das Verfahren betrifft, gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO aber nur Verfahrensfehler gerügt werden können. Da der Schiedsspruch zu den wesentlichen Verteidigungsmitteln der Parteien Stellung nimmt (BGHZ 96, 47), fehlt dem Schiedsurteil insoweit auch nicht die für ein Schiedsurteil gebotene Begründung (§§ 1054 Abs. 2, 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO), so dass dahinstehen kann, ob und inwieweit ein Verstoß gegen § 1054 Abs. 2 ZPO überhaupt die Voraussetzungen des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d erfüllt (vgl. Voit in Musielak, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 1059 Rdz. 21).
Den Sachverständigen Dr. S. haben die Schiedsbeklagten im schiedsrichterlichen Verfahren nicht gemäß §§ 1049 Abs. 3, 1037 Abs. 3 ZPO abgelehnt. Nach Erlass des Schiedsurteils ist aber grundsätzlich kein Raum mehr für die Ablehnung (vgl. Geimer, a.a.O., § 1037 Rdz. 4). Zwar kann die Partei Ablehnungsgründe ausnahmsweise auch im Aufhebungs- und Vollstreckungsverfahren geltend machen, wenn ein besonders schwerwiegender und eindeutiger Fall von Befangenheit vorliegt (BGH MDR 1999, 753). Der insoweit behauptete telefonische Kontakt zwischen dem Schiedskläger und dem Sachverständigen Dr. S. entsprechend der von den Schiedsbeklagten nicht bestrittenen Schilderung des Schiedsklägers vermag aber bereits Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Schiedsrichters bei vernünftiger Betrachtung nicht zu rechtfertigen. Schließlich haben die Schiedsbeklagten auch hinsichtlich dieser Rüge nicht dargelegt, dass sich die Mitwirkung des Sachverständigen auf das Schiedsurteil ausgewirkt hat.
Da die Parteien im Schiedsvertrag weder eine zeitliche Beschränkung des Mandats der Schiedsrichter noch eine Frist für die Absetzung des Schiedsspruchs festgesetzt haben, ist es auch nicht verfahrensfehlerhaft im Sinne von § 1059 Abs. 2 1 d ZPO, dass der Schiedsspruch erst 10 Monate nach der letzten mündlichen Verhandlung den Parteien zugestellt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 100 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 1064 ZPO.
Summary